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     1888  0 Kommentare Das Systemrisiko Europa - Seite 2

    Mit geldpolitischen Gnaden also hatte sich das EU-Gemeinschaftswerk wieder stabilisiert. Auf die so gekittete Euro-Beziehung reagierten die Aktienmärkte grenzenlos positiv.

    Gegen eine europäische Systemkrise ist selbst im Garten der EZB kein Kraut gewachsen

    Doch aktuell hat es die EU mit wirklich massivem Beziehungsstress zu tun. Jetzt hat Europa eine ordentliche Strukturkrise. Dagegen ist jede Finanzkrise nur ein vorübergehender Familienstreit. Die Flüchtlingskrise hat die EU-Gemeinschaft so zerrüttet, dass selbst das Liebeselixier der EZB nicht wirklich hilft. Sicher hat auch Berlin seinen gehörigen Anteil am EU-Zerwürfnis: Man hat mit dem einseitigen, nicht abgesprochenen Bruch des Europäischen Grenzrechts den Harmoniegrundsatz der EU verletzt. Beziehungstechnisch sehr undiplomatisch hat man damit den anderen EU-Staaten Alibis verschafft, sich ihrerseits in der Bewältigung der Flüchtlingskrise vornehm zurückzuhalten.

    Die von Deutschland dennoch stur und gebetsmühlenartig angemahnte, europäische Lösung in der Flüchtlingsfrage, wonach der Flüchtlingsstrom an den Außengrenzen der EU gedrosselt wird und die aufgenommenen Flüchtlinge fair in Europa verteilen werden, ist zumindest im Augenblick so wahrscheinlich wie unkrautfreie Streuobstwiesen. Man isoliert sich immer mehr. Auch die Diskussionen über Plan A, A2 oder B sind nicht zielführend und eher den anstehenden Landtagswahlen im März geschuldet.

    Und dass die Türkei als EU-fremdes Land die Außengrenzen der EU schützen soll, kann nicht ernsthaft im Sinne einer gemeinsam auftretenden EU sein. Damit vermittelt man nur ein Bild grandioser Handlungsunfähigkeit.

    Deutschland kommt an europäischer Realpolitik nicht vorbei

    Deutschland steht in besonderer Verantwortung, der EU-Familie aufzuzeigen, was auf dem Spiel steht, wenn aus Gemeinschaft und Freizügigkeit wieder Zwietracht und Schlagbaumpolitik werden. An Frieden, Freiheit und wirtschaftliche Prosperität mag man sich im Europäischen Binnenmarkt zwar gewöhnt haben, Gott gegeben ist dies alles aber nicht. Das sollten auch jene EU-Länder bedenken, die die regelmäßigen Milliarden-Schecks aus Brüssel gerne annehmen. Natürlich haben Griechen und Italiener alleine nicht den Hauch einer Chance, die EU-Außengrenzen ausreichend zu schützen. Aber es ist absolut unverantwortlich, wenn sie auf europäische Grenzunterstützung mit Verweis auf nationale Hoheitsrechte verzichten. Wer nimmt, sollte auch geben im Sinne von Hilfe annehmen. Sicherlich sehen sie ihr Verhalten auch als Retourkutsche für so manches vermeintlich Pickelhauben-hafte Auftreten Deutschlands in der Euro- und Griechenland-Krise. Daher ist jetzt filigranes deutsches Fingerspitzengefühl gefragt, um aus der größten Defensive Deutschlands seit Bestehen des europäischen Gemeinschaftswerks herauszukommen. Wenn es in der EU 27:1 gegen Deutschland steht, zeugen ein Überdenken der eigenen vielleicht zu sturen Position in der Flüchtlingspolitik und ein Hinbewegen auf die anderen EU-Länder nicht von Verlust an Glaubwürdigkeit, sondern von Einsicht in die Notwendigkeit einer friedlichen Koexistenz. In einer Beziehung kann niemand dem Anderen den eigenen Willen aufzwängen, selbst dann nicht, wenn man sich im Recht fühlt. Sonst kann es zum Zerwürfnis kommen.

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    Robert Halver
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    Robert Halver verfügt über langjährige Erfahrung als Kapitalmarkt- und Börsenkommentator und ist durch regelmäßige Medienauftritte bei Fernsehsendern und Radiostationen, auf Fachveranstaltungen und Anlegermessen sowie Fachpublikationen und als Kolumnist einem breiten Anlegerpublikum bekannt. Seine Markenzeichen, die unterhaltsame, bildhafte Sprache, kommen bei keinem seiner Auftritte zu kurz.

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    Verfasst von Robert Halver
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