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Wieviel Frühlingsgefühle lässt die Politik an Europas Finanzmärkten zu? - Seite 3
Vor diesem Hintergrund ist jede Kritik an der EZB grundsätzlich gerechtfertigt. Kommt sie allerdings von Politikern, entbehrt sie oftmals nicht einer unglaublichen Heuchelei. Es ist doch der blanke Hohn, wenn sich die deutsche Politik scheinheilig über die Aufkaufpraxis der EZB beschwert. Ohne die Renditedrückung der EZB auf seine Schuldtitel hätte Deutschland niemals Überschüsse im Bundeshaushalt erzielt. Ach wie gern brüstet man sich doch damit. Und nur so kann Deutschland bis 2020 das Maastricht-Stabilitätskriterium einer Verschuldung von 60 Prozent zur Wirtschaftsleistung schaffen. An der wachstumsfreundlichen Reformpolitik der Bundesregierung liegt es sicherlich nicht, denn die gibt es nicht mehr. Beim kleinen Koalitionspartner SPD wird der früher propagierte Begriff Agenda 2010 heute ähnlich vermieden wie Kölsch in Düsseldorf oder Alt in Köln.
Auch mit Blick auf die anderen reformunbeweglichen und damit investitions-, konsum- und schließlich wachstumsgehemmten Euro-Staaten muss Draghi derjenige bleiben, der die volkswirtschaftlichen Kastanien aus dem Feuer holt. Hinter vorgehaltener Hand ist die Wirtschafts- und Finanzpolitik der EU sehr dankbar für die helfende Hand der Geldpolitik als Financier, als big spender ihrer Reformfaulheit.
Wenn jetzt mit Krokodilstränen die geistig-moralische Wende der Geldpolitik angemahnt wird, ist das scheinheilig. Denn dann würde die schwarze Null im Bundeshaushalt zur Illusion. Übrigens dokumentiert die Politik damit ebenso, dass man von Börse so viel Ahnung hat wie die Kuh vom Samba tanzen. Wie würden die an Zinslosigkeit gewöhnten Finanzmärkte wohl reagieren, wenn die EZB angesichts Überschuldung und Blasenbildung an den Rentenmärkten vom Saulus zum Paulus würde? Einen ersten Vorgeschmack lieferte ihre Reaktion auf eine nur leichte Zinserhöhung der Fed im Dezember 2015. Die jetzt so besorgte Politik hätte viel früher und vehementer den Mund aufmachen müssen.
Europa muss sich endlich entscheiden, ob es Hammer oder Amboss sein will
Europa funktioniert leider auch nicht in der Terrorabwehr. Für mich ist es höhnisch, wenn Politiker davon sprechen, dass es keine 100 Prozent Sicherheit gegen islamistische Attacken geben kann und es gleichzeitig versäumt, die national vorhandenen Sicherheitsstrukturen grenzüberschreitend und optimal zu vernetzen. So scheitert die europäische Terrorbekämpfung an nationalen Egoismen und Befindlichkeiten mit der Konsequenz, dass mit modernen Waffen ausgestattete, international operierende Terroristen nicht an die Kandare genommen werden.
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Verfasst von Robert Halver