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    Buchkritik  7979  1 Kommentar Julia Friedrichs Neidbuch über die Erben in Deutschland

    Julia Friedrichs, Wir Erben. Was Geld mit Menschen macht, Berlin Verlag 2015, 317 Seiten.

    Der Ursprung für dieses Buch liegt in einem Neiderlebnis, wie die Autorin freimütig berichtet. Bis zu diesem Erlebnis war ihre Welt in Ordnung, denn: "Bis dahin schienen sich meine Freunde alle ähnlich zu sein. Es ging uns gut, aber übermäßig wohlhabend wirkte keiner." (S.13). Doch dann zog einer ihrer Freunde aus der kleinen Studentenwohnung mit Kohleheizung in sein "eigenes Townhaus in einer der besten Gegenden der Stadt" (S.13). Statt sich einfach für ihren Freund zu freuen, brachte dies, wie die Autorin schreibt, "mein festes Bild ins Wanken". Aus dem einen Neiderlebnis wurden dann schrecklich viele ähnliche Erlebnisse: "Die vielen Freunde, die sich plötzlich mit ihrem Erbe mehr oder weniger verschämt Immobilien leisteten, die ihr Monatsbudget ohne diese Hilfe vernichtet hätten, keine Zufallshäufung." (S. 15)

    Die Wohnungsbesichtigung bei ihrem Freund Lars muss schlimm für die Autorin gewesen sein. Denn statt sich für ihren Freund über dessen schöne Wohnung zu freuen, war sie sehr neidisch: "Lars sagt, er kenne inzwischen diesen Blick in den Augen seiner Freunde, wenn er sie durch die Räume führt. Ich bin sicher, dass auch ich vorhin so schaute: ein bisschen unentspannt, ein bisschen angestrengt. Neidisch eben." (S. 30)

    Die meisten Menschen, die neidisch sind, nennen dieses Gefühl ja nicht beim Namen. Bei der Autorin ist das Gefühl jedoch so stark, dass sie mit dem Verständnis ihrer Leser rechnet. Sie weiß, dass sie nicht alleine ist mit ihren Neidgefühlen gegen Reiche und Erben. "Offensichtlich ist es hart, cool zu bleiben, wenn die einen mit dem Geld der Eltern etwas kaufen, wonach man selber sich verzehrt. Und es ist noch härter, gelassen zu bleiben, wenn es nicht um Luxusgüter wie ein schnelles Auto und die Reise ins Skiresort geht, sondern um etwas, das jeder braucht: ein Zuhause." (S. 40)

    Die Erben selbst werden in dem Buch in zwei Kategorien unterteilt - die mit dem guten Gewissen (die lächerlich gemacht werden) und die mit dem schlechten Gewissen. Letztere werden als durchaus sympathische Menschen dargestellt, so wie eben Lars, der meint: "Ich kann damit nicht umgehen… Ich weiß nicht, wie ich mich zu der Wohnung verhalten soll. Ich stelle mich natürlich nicht hin und sage: Oh, schaut her, mein Besitz. Ich versuche es kleinzureden, schäme mich." (S. 30) Darf Lars sich über seine neue Wohnung freuen oder gar glücklich sein? Glücklich? Natürlich nicht. "Das klingt so furchtbar", meint Lars. "Aber wirklich gut wäre es erst, wenn meine Freunde auch in unserer Lage wären." (S. 43)


    Rainer Zitelmann
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    Dr. Dr. Rainer Zitelmann ist Historiker, Politikwissenschaftler und Soziologe - und zugleich ein erfolgreicher Investor. Er hat zahlreiche Bücher auch zu den Themen Wirtschaft und Finanzen* geschrieben und herausgegeben, viele davon sind in zahlreiche Sprachen übersetzt worden. * Werbelink
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    Verfasst von Rainer Zitelmann
    Buchkritik Julia Friedrichs Neidbuch über die Erben in Deutschland Julia Friedrichs, Wir Erben. Was Geld mit Menschen macht, Berlin Verlag 2015, 317 Seiten.

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