Art Bechstein schrieb 08.02.24, 18:53
Das eigentlich Schlimme an der Entwicklung rund um die THG Quote ist ja, dass eine riesige Verunsicherung im Markt Einzug hält. Firmen wie Envitec, die ja nahezu ausschließlich auf dieses Rodeo-Pferd setzen, können natürlich schneller aus dem Sattel fliegen, weil sich negative Quotenentwicklungen ja durch alle Segmente ziehen. Da hilft dann die internationale Ausrichtung auch nur bedingt. Dieser Palmölbetrug hat aber schon gezeigt, zu welchen Verwerfungen das führt, wenn plötzlich 80-90% der Jahresquote über solche Kanäle generiert wird. Da fällt dann der Preis schnell von 300 € auf 75 €, wobei das anscheinend bereinigt wird und sich die Quoten auch wieder erholen werden. Dieses neue Thema kann aber nur die EU abräumen, was sie schnell tun muss, da ja die aktuellen Lieferverträge sonst unter größtmöglicher Unsicherheit stehen. Kurz nochmal erklärt geht es darum, dass bislang das Biomethan sozusagen vertikal aufgeteilt werden kann und jede so erzeugte Teilfraktion kann demjenigen Markt zugeführt werden, wo es vergütungsoptimal eingesetzt wird. Da gibt es das klassische EEG Biomethan, den Wärmemarkt, den CBG Markt und eben den THG Markt. Bislang mussten dann die so gewonnenen Teilgase die für den jeweiligen Markt relevanten Vergütungskriterien erfüllen und die WÄhrend beim Gülle-THG Markt ist eben die CO2 bzw. Methanersparnis, die akribisch ausgrechnet wird auf mehrere Nachkommastellen. Je mehr Ersparnis je höher die MInderungsquote und je mehr wird bezahlt für dieses Gas. Und das wurde eben nur für diese Teilfraktion separat ermittelt und ist dann zum Beispiel bei -100, worauf auch ein Basispreis bezogen wird, sagen wir mal 20 ct/kWh. Dann gibt es Abzüge, meistens linear, für jedes % weniger Minderung sinkt dann im Dreisatz der Preis. Bei -90 bekommt man dann nur noch 18 ct/kWh zum Beispiel und bei -50 beispielsweise 10 ct/kWh. Das ist ja erstmal fair. Jetzt sagt aber der Systemgeber REDcert auf einmal, dass alle Substrate, die bei der Biomethanerzeugung eingesetzt werden, hinsichtlich der Minderungsquote berücksichtigt werden. Nehmen wir mal einfacherweise an, dass 50% der Energie aus Gülle und 50% aus Mais erzeugt werden, dann wird die -100 Minderung für Gülle und die +30 für Mais genommen und energieanteilig gewichtet, so dass im zugegeben einfachen Beispiel -35 Minderung herauskommt. Und jetzt sagt REDCert, dass auch wenn ich vertikal aufteile, nur noch die mengengewichtete Minderungsquote angesetzt werden darf. Im Beispiel als die -35, die dann zu einem Preis von 7 ct/kWh führen würde. Das heißt, alleine dieser kleine Absatz im Text vpn REDcent führt bei dieser Beispielanlage zu einer Reduzierung der Vergütung von 13 ct/kWh. Bei einer Produktionsmenge von 30 Mio. kWh THG Gas wären das knapp 4 Mio. € Erlösreduzierung, was ganz sicher den Unterschied zwischen roten und schwarzen Zahlen ausmacht. Da die THG Preise ja ohnehin zurückgegangen sind, wird man aktuell auch eher 15 ct als 20 ct erzielen und bei ungünstiger Preisanpassung und Mischverhältnis wird es bestimmt Fälle geben, wo der Verkäufer noch Geld an den Käufer zahlen müsste. Und genau diese Unsicherheit ist aktuell im Markt, weil so etwas natürlich nicht vertraglich abgebildet wurde. Jetzt könnte man natürlich Anlagen auf nahezu 100% Gülle umrüsten, aber das geht auch nicht mal eben schnell aus technischen und genehmigungsrechtlichen Gründen. Nach dem Mega-Erfolgsjahr für Envitec mit den sehr hohen Sondererlösen aus der Stromvermarktung hat Envitec wenigstens ein gutes Finanzpolster und wird sich schnell anpassen. Was man nur nicht weiß ist, wie die Anleger auf solche zunehmende Unsicherheit reagieren, denn der frühere Vorteil, dass das Stromgeld vom Netzbetreiber kam, ist dahin und man muss auch immer mehr hingucken, mit wem man Geschäfte macht. Ich möchte auch nicht falsch verstanden werden, denn ich bin überzeugt, dass Envitec zu den Gewinnern in diesem Markt gehören wird, aber dieser Markt bildet sich gerade erst heraus und man muss mal abwarten, wie sich das in der Fläche auswirkt, denn es wird in Deutschland nach 2023 keine Bank mehr geben, die ein Projekt von kleineren Betreibern finanziert, da es einfach keine langfristigen und zugleich auskömmlichen Abnahmeverträge mehr geben wird. Und genau dieses Problem ist die große Chance der Big Player wie Envitec, die eine starke Innenfinanzierung haben, niedrige Bau- und Entwicklungskosten haben und wissen was sie tun oder besser nicht tun.
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