Boom oder Krise? – Jetzt noch investieren? - Seite 2
„Alle Zeichen deuten auf Wachstum hin“
IWF-Chefin Christine Lagarde
Was nun gut für die Arbeitnehmer ist (wer mag keine steigenden Löhne), ist aber nicht gleichzeitig gut für die Investoren. Denn der Anstieg von Wachstum und Löhnen, bedingt durch die jahrelange fiskalische Stimulierung, bedeutet auch, dass die Wirtschaft in Kapazitätsengpässe reinlaufen kann. Was dann folgt, ist oft eine Zinserhöhung, die wie eine Bremse auf die immer schneller wachsende Wirtschaft wirken soll. Damit will man vermeiden, dass die Wirtschaft überheizt und es unter Umständen zum großen GAU kommt. Zentralbanken auf der ganzen Welt sind in ihrer Steuerung immer an einem konstanten Wachstum interessiert und versuchen dementsprechend Extremsituationen zu vermeiden. Als die amerikanische Zentralbank (FED) nun Anfang des Jahres vorschlug, die Zinsen zu erhöhen, war ein Großteil des Marktes skeptisch – zum Teil, weil die Inflation so lange gedämpft war. Aber die neulich erzielten Lohnzuwächse für die Arbeiternehmer sprechen nun dagegen und machen es immer wahrscheinlicher, dass die FED ihre Ziele weiterverfolgen wird und vielleicht sogar noch einen Zahn zulegt.
Von steigenden Zinsen zu Kursverlusten vom DAX
Was wir gerade erleben, ist also eine überhebliche Reaktion auf „noch schneller steigende Zinsen.“ Denn das würde bedeuten, dass Anlagen bezüglich ihrer Attraktivität neu bepreist werden müssen und Preise nach unten hin korrigieren. Dieses Verhalten ist für unsere Zeiten also historisch gesehen durchaus typisch und läutet erstmal keine Krise ein. Gerade bei niedrigen Zinsen reagieren die Preise empfindlicher auf Zinsänderungen als bei hohen Zinsen.
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Der Fall von 4% an einem Tag wird jedoch kaum mit Hilfe von steigenden Zinsen erklärbar sein. Viel mehr waren sie Auslöser einer viel größeren Kaskade. Die Bewegungen in den letzten Tagen (resultierend aus den veränderten Zinserwartungen) waren so signifikant, dass sie die realisierte Volatilität in die Höhe trieb, was wiederum ein Signal für viele Volatilitätsstrategien (wie z.B. jene, die auf Value-at-Risk basieren) zur Risikoreduzierung ist. Es folgte ein systematischer Abverkauf von vielen Strategien, die aufgrund ihrer Risikostrategie auf geringe Volatilität ausgerichtet waren. Und da viele von ihnen mit gleichen Kriterien arbeiten, orientierten sie sich auch zu ähnlichen Kursen. Der Abverkauf wurde somit durch einen Mangel an Liquidität verschärft, da für die ganzen Verkäufer nicht genug Kaufkraft generiert worden ist. Während die realisierte Volatilität die nächsten Tage wohl weiter ansteigen wird, ist es unwahrscheinlich, dass dieser „Mini-Crash“ groß genug ist, um die Realwirtschaft zu beeinflussen.