Lanze brechen für die EZB
Über was Populisten und andere System-Kritiker nicht sprechen
Zurzeit wird die Unabhängigkeit von Zentralbanken heiß diskutiert. Aber die Kritik zum Beispiel an der EZB verblasst vor deren Leistungen, die viele Fehler der Finanz- und Wirtschaftspolitiker auf europäischer und nationaler Ebene wieder ausbessert. Eine Meinung.
Ökonomen wie Marcel Fratzscher, Leiter des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), warnen vor der Gefahr, dass die Unabhängigkeit von Notenbanken in Gefahr sei. Sie verweisen auf die Versuche von Populisten, Zentralbanken als Machtfaktor unter ihre Kontrolle zu bekommen. Beispiele sind in Europa die populistische, italienische Regierung, die Entscheidungen der Banca d`Italia beeinflussen will und in den USA der amtierende US-Präsident Donald Trump, der regelmäßig die US-Notenbank Fed öffentlich scharf attackiert.
DIW-Forscher Fratzscher fordert in einem Gastbeitrag für die "Welt", dass "die deutsche Politik die EZB stärker unterstützen muss" und weist darauf hin, dass "in Europa nicht die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB), sondern der mangelnde Reformwille der Politik das Kernproblem heute ist". Die EZB hat das europäische Wirtschaft- und Finanzsystem stabilisiert. Und es wäre gut, wenn sie das auch unabhängig von welcher Regierung auch immer weiterhin tun würde.
Man kann sicher über die Details der Ausgestaltung der vor allem expansiven geldpolitischen EZB-Maßnahmen - Stichwort "Nullzins-Politik" – streiten. Rückblickend erscheinen diese Maßnahmen aber als durchaus richtig. So verschweigen die meisten Populisten und andere Kritiker des Zentralbanksystems, dass die EZB Deutschland und Europa vor einer großen Krise beschützt hat: "So, wie im Sommer 2012, als die Staats- und Regierungschefs mit ihren Reformvorschlägen gescheitert waren und es die Ankündigung von EZB-Präsident Mario Draghi 'to do whatever it takes' erforderte, um die Panik der Finanzmärkte zu beenden und das Zerbrechen des Euro zu verhindern", schreibt Marcel Fratzscher.
Und: An dieser Stelle darf man eine rhetorische Frage, die sich an Fratzschers Gastbeitrag anlehnt, stellen: Wer hat denn maßgeblich dazu beigetragen, dass es in den ersten zwanzig Jahren nach Einführung der europäischen Gemeinschaftswährung einen genauso stabilen Euro gibt, wie es die D-Mark war?
Gerade jetzt wird die vorausschauende EZB-Geldpolitik einmal mehr wieder dringend gebraucht. Denn Europas Konjunkturerwartungen trüben sich immer mehr ein. Eines der Alarmsignale, die dazu passen, ist, dass die Kreditvergabe der Banken im Euro-Raum nachlässt, wie die EZB jüngst berichtete. Vor allem die für die Konjunktur wichtige Kreditvergabe an Firmen geht zurück.
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"Dem europäischen Unternehmenskreditmarkt geht offenbar die Puste aus", meinte Stephanie Schoenwald, Kreditmarkt-Expertin bei der staatlichen Förderbank KfW laut "Reuters" dazu. "Das nachlassende Tempo am Kreditmarkt wird die EZB in ihrem vorsichtigen Kurs bestärken". Die Aussicht auf steigende Zinsen sei bis auf weiteres vorbei, so Schoenwald.
Die EZB hat bereits aufgrund der schwächeren wirtschaftlichen Entwicklung angekündigt, Banken mit einer neuen Serie gezielter Langfrist-Geldspritzen unter die Arme zu greifen. Außerdem wollen die Zentralbanker prüfen, ob Strafzinsen für Kreditinstitute abgemildert werden können – alles Maßnahmen, die verhindern könnten, dass weniger Kredite an Unternehmen vergeben werden. Ein Beispiel für das richtige Wirken der EZB für die europäische Konjunktur.
Es ist höchste Zeit, dass vor allem die populistisch und eindimensional agierenden Politiker sowie unverbesserlichen Zentralbank-Kritiker erkennen, dass nicht die Zentralbank, sondern die Politiker auf europäischer und nationaler Ebene einen viel besseren Job auf den Feldern Banken-, Kapitalmarkt- und Währungs-Union, Finanzpolitik sowie Strukturreformen machen müssen, so dass die Konjunktur nicht weiter ins Stocken gerät. Wer dauernd einseitig auf die Zentralbanken einschlägt, trifft die Falschen und behindert schlimmstenfalls den wirksamen, politisch unabhängigen Job der Zentralbanken.
Autor: Christoph Morisse
Quellen: