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     1666  0 Kommentare Bestimmen die Reichen die Politik in den USA? - Seite 2

    Zugegeben ist es schwierig, Studien über die wirklich Reichen zu machen. Ich selbst habe eine Studie zu Vermögenden Deutschen gemacht, von denen alle 45 ein Vermögen über 10 Millionen Euro hatten – die meisten hatten zwischen 30 Mio. und 1 Mrd. Euro. Aber ich habe meine Studie nicht als quantitative, sondern als qualitative Studie angelegt.

    Die Befragung für die Studie von Page, Bartels und Seawright wurde 2011 durchgeführt. So ist es interessant, zehn Jahre später zu fragen, ob denn die Wünsche bzw. Forderungen der Reichen an die Politik in Erfüllung gegangen sind. Die Forscher wollten, wie bereits der Titel der Studie zeigt, vor allem wissen, was die „Policy Preferences of Wealthy Americans“ sind. Von elf Punkten, die von den befragten Reichen genannte wurde, erhielt das Thema „Budget deficits“ die meisten Nennungen. Aus Sicht von 87 Prozent der Reichen war dies also das größte Problem, das die amerikanische Politik angehen sollte. An letzter Stelle, mit nur 16 Prozent, wurde der Klimawandel genannt. "... die gegenwärtige Betonung der Reduzierung des Bundeshaushaltsdefizits in der Politik in Washington entspricht dem, was die wohlhabenden Amerikaner – anders als die amerikanische Öffentlichkeit - als das bei weitem wichtigste Problem sehen", so fassten die Autoren das Ergebnis ihrer Studie zusammen.

    Was aus den Wünschen der Reichen wurde

    Zehn Jahre später: Die Staatsverschuldung, deren Reduzierung laut der Befragung das oberste Ziel der Reichen in Amerika war, ist von 15,6 Billionen auf 28,6 Billionen Dollar gestiegen, hat sich also fast verdoppelt. Zum Zeitpunkt der Befragung lag sie noch knapp unter 100 Prozent des amerikanischen BIP, heute liegt sie über 133 Prozent. Wenn es der größte Wunsch der Reichen war, die Staatsverschuldung deutlich zu senken, so wurde dieser weder von Barack Obama noch von Donald Trump erfüllt – und von Joe Biden erst Recht nicht.

    Dafür steht bei Joe Biden genau jenes Anliegen ganz oben auf der Agenda, das bei der Befragung vor zehn Jahren von den reichen Amerikanern am seltensten genannt wurde, nämlich der Kampf gegen den Klimawandel und der „Green New Deal“ (für den eine erhebliche Ausweitung der Staatsverschuldung in Kauf genommen wird).

    Haben die Reichen keinen Einfluss auf die Politik? Doch sie haben ihn, aber weniger bei den großen Themen, über die die kontroversen Debatten in der Öffentlichkeit geführt werden und die die Richtung der Politik bestimmen. Die Verfasser der oben zitierten Studie erklärten: „Ein zentrales Ergebnis ist, dass bei den Kontakten, die kodiert werden konnten, knapp die Hälfte (44 Prozent) eine Fokussierung auf ein eher enges wirtschaftliches Eigeninteresse einräumte.“ Den Reichen ging es also nicht um die “großen Themen”, sondern um ihre ummittelbaren wirtschaftlichen Interessen – die Autoren nannten zum Beispiel: „to try to get the Treasury to honor their commitment to extend TARP fund to as particular bank in Chicago“, „to better understand the new regulations of the Dodd-Frank Act and how it will affect my business [banking/finance]“, „Fish and Wildlife… permitting on development land“ oder “seeking regulatory approvals” für ihre Klienten.

    Weniger Staat wagen

    John York, der 2017 einen ausgezeichneten Aufsatz zu der Frage „Does Rising Income Inequality Threaten Democracy?“ geschrieben hat, kam zu dem Ergebnis, dass die Aktivitäten von Lobbyisten sich eher auf die Durchsetzung von solchen Partikularinteressen beziehen als auf die großen Linien der Politik. Und dies ließe sich, so sein Argument, am besten dadurch verhindern, dass man den Einfluss des Staates auf die Wirtschaft beschränke: "Den Staat zu beschränken hätte auch den Vorteil, die Menge des Geldes in der Politik zu reduzieren... Regulierungen abzuschaffen, die den freien Markt verzerren und das Spiel für jene mit politischen Verbindungen zu manipulieren, verschwenderische Regierungsverträge und Schmiergelder für Kumpane zu kürzen und Politiker, die diese Praktiken anwenden, abzurufen, würde den Fluss des Geldes, der nach D.C. fließt, an seiner Quelle stoppen."

    Dr. Dr. Rainer Zitelmann ist Autor der Bücher: "Psychologie der Superreichen" und "Die Gesellschaft und ihre Reichen".


    Rainer Zitelmann
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    Dr. Dr. Rainer Zitelmann ist Historiker, Politikwissenschaftler und Soziologe - und zugleich ein erfolgreicher Investor. Er hat zahlreiche Bücher auch zu den Themen Wirtschaft und Finanzen* geschrieben und herausgegeben, viele davon sind in zahlreiche Sprachen übersetzt worden. * Werbelink
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    Verfasst von Rainer Zitelmann
    Bestimmen die Reichen die Politik in den USA? - Seite 2 Seit Jahren ist der vermeintlich ständig steigende Einfluss der Reichen auf die amerikanische Politik ein Hauptthema der Kapitalismuskritik.

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