Egbert Prior
ThyssenKrupp: Ein Aktien-Krimi
Einem Krimi gleicht diese deutsche Stahldynastie. Fehlinvestitionen, Milliardenabschreibungen, Rücktritte, Reisekostenaffären, Kartellbildung. Der Ruhrkonzern kämpft an vielen Fronten. Das Geschäftsjahr, das Ende September abläuft, wird kein Zuckerschlecken. Dafür schlummert die Aktie tief im Keller.
Vorstandschef Heinrich Hiesinger versucht seit Monaten, Stahlwerke in den USA und Brasilien loszuschlagen. Doch ziehen sich die Verhandlungen lange hin. Es gibt den Interessenten CSN, die Brasilianer möchten offenbar beide Werke in Übersee auf einen Schlag erwerben. Hiesinger möchte lieber zwei getrennte Deals, munkeln Insider. Bis Ende des Monats gehen wir von einem Kompromiß aus. An dem Werk in Rio de Janeiro hält der brasilianische Rohstoffkonzern Vale 27%. Vale möchte offenbar eine anteilige Entschädigung für die enormen Kosten, die das brasilianische Milliardengrab verursacht hat. ThyssenKrupp hat 150.000 Mitarbeiter in 80 Ländern. 40 Milliarden Euro Umsatz. In den ersten neun Monaten schrumpfte der Umsatz um 8% auf 27 Milliarden Euro. Es gingen 262 Millionen Euro über die Wupper. Mit mehr als 5 Milliarden Euro steht das einstige Schlachtroß der deutschen Industrie in der Kreide. Die Eigenkapitalquote ist brisant abgeschmolzen. Hinzu kommt: Es droht ein Bußgeld vom Bundeskartellamt wegen angeblich illegaler Preisabsprachen im europäischen Stahlbereich, die mögliche Strafe kann ThyssenKrupp bislang nicht einschätzen.
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Kommen wir zu den positiven Fakten: Der freie cash flow sieht mit 1,1 Milliarden Euro nach neuen Monaten solide aus, wenn Sie die fortzuführenden Bereiche betrachten. Wir sind deshalb zuversichtlich. Die Horrornachrichten sind gut, um billig einsteigen zu können. Keine Frage, es steckt die Stahlbranche in einer langjährigen Krise. Doch ThyssenKrupp hat andere Bereiche (Aufzüge, Industrieservice), die die Flaute abfedern können. Die Sparanstrengungen machen Hoffnung. Das Programm „Impact 2015“ soll Einsparungen von zwei Milliarden Euro bringen. Mehr als 3.800 der 27.600 europäischen Stahl-Mitarbeiter sollen abgebaut werden. Führungsspitze und Verwaltung werden verschlankt. 3.000 Stellen stehen in der Verwaltung zur Disposition. Es winken 250 Millionen Euro an Einsparungen. Der Kurs 17,50 Euro. Börsenwert 8,8 Milliarden Euro. Gelingt der Verkauf in Übersee, wäre das ein Befreiungsschlag. Eine Kapitalerhöhung könnte ferner für Ruhe in Essen sorgen. Fazit: Spekulativer Kauf.