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     1348  0 Kommentare Selbst wenn der Brexit eine Fata Morgana bleibt, ist die EU noch lange nicht gerettet - Seite 3



    Was spricht also dagegen, im Herbst ein neues Referendum zu machen, dass dann ein anderes Ergebnis bringt. Im Übrigen spricht die EU doch so gerne von christlicher Wertegemeinschaft. Ist es da nicht üblich, den Reumütigen zu verzeihen? Will man denjenigen, die ihre „Abstimmungssünde“ erkannt haben, wirklich die Hand der Versöhnung versagen?

    Ein neuer Premierminister oder eine neue Premierministerin, der/die im Oktober auf den glücklosen Dave is on the road again-Cameron folgt, könnte dieses neue direkte Pro EU-Votum durch eine vorgezogene Parlamentswahl repräsentativ absichern lassen.   

    Die neue Regierungschefin könnte die EU-freundlichere Theresa May werden. Mit Angela Merkel hat sie durchaus Gemeinsamkeiten. Wie Angela Merkel ist sie eine besonnene Vertreterin und ebenso Pfarrerstochter. Selbst Ähnlichkeiten in puncto Frisur lassen sich nicht leugnen. Da sollte eine „Verständigung“ doch möglich sein.

    Dann wäre das politische Risiko auch für die europäischen Finanzmärkte zunächst eingefangen. Sicherlich werden die Volatilitäten über den Sommer jedoch hoch bleiben.

    Welche Anziehungskraft hat die EU überhaupt noch?


    Nach dem Re-Brexit mögen viele in Brüssel denken „Noch einmal Glück gehabt“. Doch der gemäß Referendum geforderte Brexit dokumentiert schonungslos die zerrütteten Familienbeziehungen in der EU. Der Brexit ist nur die Spitze des Eisbergs. Wenn jemand trotz vorhandener Vorteile - z.B. Zugang zum größten Binnenmarkt der Welt - die Familie verlassen will, hat nicht nur der Ausgetretene, sondern auch die Familie selbst ein sehr ernstes Problem. Die Nestwärme und das Vertrauen sind futsch! Wir haben eine europäische Familienkrise.
     
    Und wo bleibt jetzt die Brüsseler Einsicht, auf die erst Besserung folgen kann? Wie kann man die kaputte EU-Familie wieder flicken? Die Damen und Herren Politiker müssen sich fragen, warum die EU so viel an Attraktivität verloren hat und wie sie wieder an Sexappeal gewinnt.

    Geradezu liebestötend ist es jedoch, jetzt lediglich mehr europäische Integration zu fordern. Mehr Integration widerspricht dem aktuellen politischen Zeitgeist in vielen EU-Ländern. In der Theorie müsste sich die EU zwar zu den Vereinigten Staaten von Europa mit eigener Regierung und entscheidungsfreudigem Parlament entwickeln. Und nationale Regierungen dürften dann europäischen Mehrheitsbeschlüssen auch nicht mehr widersprechen können, schon gar nicht Reformen. Doch die Wahrscheinlichkeit dafür ist praktisch gleich Null. Selbst eine Kern-EU ist derzeit kaum zu erreichen. Oder glauben Sie, dass sich Merkel, Hollande oder Renzi auf einen politisch ähnlich schwachen Status wie Ministerpräsidenten von Bundesländern zurücksetzen lassen? Haben Sie jemals gehört, dass sich Casanova aus freien Stücken selbst kastriert? Im Grunde ist ihnen die Schwäche der EU-Kommission doch recht.

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    Robert Halver
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    Robert Halver verfügt über langjährige Erfahrung als Kapitalmarkt- und Börsenkommentator und ist durch regelmäßige Medienauftritte bei Fernsehsendern und Radiostationen, auf Fachveranstaltungen und Anlegermessen sowie Fachpublikationen und als Kolumnist einem breiten Anlegerpublikum bekannt. Seine Markenzeichen, die unterhaltsame, bildhafte Sprache, kommen bei keinem seiner Auftritte zu kurz.

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    Verfasst von Robert Halver
    Selbst wenn der Brexit eine Fata Morgana bleibt, ist die EU noch lange nicht gerettet - Seite 3 Brüssel scheint ein Tummelplatz für politische Wendehälse zu sein. Erinnern Sie sich noch an die harte Rhetorik der EU-Verantwortlichen unmittelbar nach dem Brexit-Votum: „Out is out“, „Wir verlangen den zügigen Austrittsantrag der Briten“, …