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    „Historischer Kompromiss“ in Thüringen  9534  2 Kommentare Eine Zäsur in der Geschichte der Bundesrepublik

    Die Bundesvorsitzende der Linken, Katja Kipping, hat nach der Einigung in Thüringen von einer historischen Dimension gesprochen. „Damit ist die von CDU praktizierte Äquidistanz faktisch erledigt. Good-bye Hufeisentheorie“, schrieb Kipping auf Twitter. Dass die CDU die Ausgrenzung linker Ideen korrigiere, sei eine gute Nachricht für den „antifaschistischen Konsens des Grundgesetzes“.

    Kipping hat Recht, wenn sie von einer „historischen Dimension“ spricht. Und sie sagt auch, worum es im Kern geht – und deutet dabei das Grundgesetz im Sinne der DDR-Ideologie um:

    Konrad Adenauer und Kurt Schumacher

    Was Kipping schreibt, ist eine Geschichtsklitterung. Das Grundgesetz beruhte nicht nur auf einem antifaschistischen, sondern zugleich auch auf einem antikommunistischen Konsens, also auf dem Antitotalitarismus. Prägend war die Doppelerfahrung des nationalsozialistischen und des kommunistischen Totalitarismus. Konrad Adenauer schrieb in seinen Memoiren: „Der nationalsozialistische Staat hatte uns die Augen dafür geöffnet, welche Macht ein diktatorisch regierter Staat besaß. Ich hatte die Greueltaten des Nationalsozialismus, die Folgen einer Diktatur kennengelernt…. Ich hatte von den Verbrechen gehört, die an den Juden begangen, die von Deutschen an Deutschen verübt worden waren… Vom Osten her drohte die atheistische, kommunistische Diktatur. Wir sahen am Beispiel der Sowjetunion, dass eine Linksdiktatur mindestens so gefährlich war wie eine Rechtsdiktatur.“ Auch Adenauers Gegenspieler, der sozialdemokratische Oppositionsführer Kurt Schumacher, war ein ebenso entschiedener Gegner des Nationalsozialismus wie des Kommunismus. Er hatte zehn Jahre seines Lebens in den Konzentrationslagern des Dritten Reiches verbracht. Kommunisten waren für ihn „rotlackierte Nazis“. Thomas Dehler, Mitbegründer der FDP und Bundesjustizminister erklärte im Mai 1950: „Der Kommunismus ist der anders gefärbte Zwillingsbruder des Nationalsozialismus, er bedeutet wie dieser Zwang und Furcht… Der Kommunismus ist der Todfeind der Demokratie.“ Der antitotalitäre Konsens spiegelte sich auch darin wider, dass sowohl die rechtsextreme SRP als auch die KPD verboten wurden.

    Die antifaschistisch-demokratische Ordnung

    In der DDR hingegen wurde eine „antifaschistisch-demokratische“ Ordnung errichtet. Unter der Parole des „Antifaschismus“ wurden alsbald ökonomische Umgestaltungen im sozialistischen Sinne durchgeführt. Sozialdemokraten und Liberale wurden, wenn sie nicht bereit waren, sich der SED unterzuordnen, ins Gefängnis geworfen. Die Sowjets führten von Nationalsozialisten errichtete Konzentrationslager weiter, die sich angeblich gegen „Faschisten“ richteten, in die aber ebenso Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus eingeliefert wurden, wenn sie sich gegen die Kommunisten stellten. Zu ihnen gehörten Männer des 20. Juli 1944 wie Justus Delbrück und Ulrich Freiherr von Sell, die in Jamlitz starben. Horst von Einsiedel, Angehöriger des „Kreisauer Kreises“, einer führenden Widerstandsgruppe gegen Hitler, kam 1946 im Konzentrationslager Sachsenhausen ums Leben. Joachim Ernst Herzog von Anhalt, den die Nationalsozialisten im KZ Dachau gefangenhielten, starb 1947 im NKWD-Lager Buchenwald. Der Kampf gegen Demokratie und Kapitalismus wurde stets unter der Parole des „Antifaschismus“ geführt. Sogar die Mauer wurde von der DDR offiziell als „antifaschistischer Schutzwall“ bezeichnet.


    Rainer Zitelmann
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    Dr. Dr. Rainer Zitelmann ist Historiker, Politikwissenschaftler und Soziologe - und zugleich ein erfolgreicher Investor. Er hat zahlreiche Bücher auch zu den Themen Wirtschaft und Finanzen* geschrieben und herausgegeben, viele davon sind in zahlreiche Sprachen übersetzt worden. * Werbelink
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    Verfasst von Rainer Zitelmann
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