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     912  0 Kommentare Gewalt ist der große Gleichmacher in der Geschichte - Seite 2

    Auch in anderen Ländern fand im Krieg eine deutliche Nivellierung statt. Nach Scheidels Analyse zählten die zwei Weltkriege zu den größten Gleichmachern der Geschichte. Der durchschnittliche prozentuale Rückgang der Einkommensanteile der Reichsten in den aktiv am Zweiten Weltkrieg beteiligten Ländern betrug 31 Prozent gegenüber dem Vorkriegsniveau. Dies ist ein belastbares Ergebnis, denn die Probe beinhaltet ein Dutzend Länder. Die einzigen zwei Länder, in denen die Ungleichheit in diesem Zeitraum zunahm, waren zugleich diejenigen, die am weitesten von den Kriegsschauplätzen entfernt waren (Argentinien und Südafrika).

    Die Entwertung von Vermögen, physische Zerstörung und der Verlust von Auslandsvermögen, Inflation und progressive Besteuerung, Mietpreisbindung und Preiskontrollen sowie Verstaatlichung trugen in unterschiedlichem Maß zur Egalisierung bei. Das Vermögen der Reichen wurde in den beiden Weltkriegen dramatisch reduziert, und zwar gleichgültig, ob die Länder verloren oder siegten, im oder nach dem Krieg unter einer Besetzung litten, Demokratien oder Diktaturen waren.

    Die ökonomischen Folgen der beiden Weltkriege waren also für die Reichen verheerend – und auch dies spricht gegen die These, Kapitalisten hätten die Kriege aus wirtschaftlichen Interessen angezettelt. Entgegen der populären Wahrnehmung, wonach die einfachen Schichten im Krieg am meisten litten, so waren ökonomisch gesehen jedenfalls die Kapitalisten die großen Verlierer der beiden Weltkriege.

    Übrigens kommt der linke Ökonom Thomas Piketty zu einem ähnliches Befund. Er vertritt in seinem Buch „Kapital im 21. Jahrhundert“ die These, dass die progressive Steuer im 20. Jahrhundert vor allem ein Produkt der beiden Weltkrieges und nicht eines der Demokratie gewesen sei.

     

     

    Armut wird friedlich beseitigt

    Der Preis der Verringerung der Ungleichheit waren also meist Katastrophen, deren Opfer nicht nur die Reichen waren, sondern Abermillionen Menschen. Weder gewaltlose Landreformen noch Wirtschaftskrisen oder die Demokratisierung hatten in der Geschichte eine so große egalisierende Wirkung gehabt wie diese gewaltsamen Umbrüche. Wenn es das Ziel sei, Einkommen und Vermögen gleichmäßiger zu verteilen, meint der Historiker Scheidel, dann können wir einfach nicht die Augen davor verschließen, welche traumatischen Ereignisse in der Vergangenheit erforderlich waren, um dieses Ziel zu erreichen. Wir müssen uns fragen, ob es der Menschheit im Lauf der Geschichte jemals gelungen ist, große Ungleichheit ohne beträchtliche Gewalt zu verringern. Scheidel verneint diese Frage. Das mag für viele Anhänger egalitärer Vorstellungen ein deprimierender Befund sein. Wenn wir jedoch die Perspektive verschieben, und nicht fragen: „Wie wird die Ungleichheit verringert?“, sondern „Wie wird Armut verringert?“ dann können wir eine optimistische Antwort geben: Nicht gewaltsame Ausbrüche, wie jene, die zur Verringerung von Ungleichheit führten, sondern sehr friedliche Mechanismen, nämlich Innovationen und Wachstum, die durch die Kräfte des Kapitalismus bewirkt wurden, haben zur Verringerung der Armut geführt.


    Rainer Zitelmann
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    Dr. Dr. Rainer Zitelmann ist Historiker, Politikwissenschaftler und Soziologe - und zugleich ein erfolgreicher Investor. Er hat zahlreiche Bücher auch zu den Themen Wirtschaft und Finanzen* geschrieben und herausgegeben, viele davon sind in zahlreiche Sprachen übersetzt worden. * Werbelink
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    Verfasst von Rainer Zitelmann
    Gewalt ist der große Gleichmacher in der Geschichte - Seite 2 Die Geschichte zeigt: Wenn die Gleichheit stark zugenommen hast, dann meist durch Gewalt. Wenn der Wohlstand für viele Menschen stark zugenommen hat, dann durch den Kapitalismus.

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