Schuldenstreit
Schluss mit Diplomatie - Schäuble platzt der Kragen: "Griechische Regierung lügt"
Wenn Yanis Varoufakis den einen Tag die Schlagzeilen beherrscht, wie jetzt mit seinem "Mittelfingergate", klar, dann muss Wolfgang Schäuble am Tag darauf mindestens nachlegen. Die beiden Finanzminister liefern sich seit Wochen – nun ja, man ist fast schon geneigt zu sagen, eine Schlammschlacht. Doch jetzt scheint Schäuble endgültig der Kragen geplatzt zu sein.
Bei einer Veranstaltung in Berlin warf er der griechischen Regierung vor, die Basis einer Zusammenarbeit mit den europäischen Partner komplett zerstört zu haben. „Sie haben alles Vertrauen zerstört“, sagte Schäuble laut "dpa-AFX" und nannte dies einen „schweren Rückschlag“. Bis November sei Athen auf einem Weg gewesen, der aus der Krise hätte führen können. Das sei vorbei. Schäuble betonte, er kenne niemanden in den internationalen Institutionen, der ihm sagen könne, was Athen eigentlich vorhabe. Damit nicht genug. Der deutsche Finanzminister setzte noch einen drauf und warf der Regierung um Alexis Tsipras vor, nicht nur Absprachen zu brechen, sondern auch die Bürger in Griechenland zu belügen - indem sie die Schuld immer nur bei Berlin, Brüssel und dem Rest Europas suche.
Auch Forderung nach Reparationszahlungen, die in den letzten Tagen immer wieder in Griechenland aufgekeimt waren, erteilte Schäuble eine mehr als klare Absage: „Sie werden auch die griechischen Schulden nicht durch wie immer zu konstruierende deutsche Verpflichtungen aus dem Zweiten Weltkrieg bezahlt bekommen“, so der deutsche Finanzminister. „Wer sowas seiner Bevölkerung verspricht, verschweigt ihr die Wahrheit. Das ist ganz schlecht.“
„Wir sollten finanziell auf die Opfer zugehen“
Allerdings scheint das Nein zu Reparationszahlungen längst nicht mehr so kategorisch, wie von der Bundesregierung dargestellt. Wie „Spiegel Online“ berichtet, sprechen sich Politiker von SPD und Grüne für Entschädigungen aus. „Politisch ist der Fall aus meiner Sicht eindeutig: Wir sollten auf die Opfer und deren Angehörige finanziell zugehen“, sagte die ehemalige Bundespräsidenten-Kandidatin Gesine Schwan. "Den Vorschlag von Historikern, weitere Entschädigungen in eine Stiftung zur Aufarbeitung und Versöhnung fließen zu lassen, halte ich für sinnvoll." Es gehe darum anzuerkennen, dass wir in Griechenland schlimmes Unrecht begangen haben.
In einem Interview mit der "Welt" fordert der Historiker Hans Günter Hockerts beispielsweise einen deutsch-griechischer Zukunftsfonds nach dem Vorbild des deutsch-tschechischen Zukunftsfonds, der gezielt Projekte fördere, die die Menschen beider Länder zusammenführten.
Debatte ja, Verknüpfung mit Schuldenstreit nein
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SPD-Vize Ralf Stegner forderte, die Frage der Entschädigungen nicht mit der aktuellen Debatte über die Eurokrise zu verknüpfen. „Aber unabhängig davon bin ich der Meinung, dass wir die Entschädigungs-Diskussion führen müssen. Das gehört zum Umgang mit unserer eigenen Geschichte“, so Stegner.
Ähnlich sieht das auch Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter. Gegenüber „SPON“ sagte er, es sei „inakzeptabel, wenn diese hochsensible und schwierige Frage mit den Verhandlungen um finanzielle Hilfe in der Eurokrise vermischt wird.“ Gleichzeitig stellte er klar: Deutschland könne die Forderungen aus Griechenland nicht einfach vom Tisch wischen. „Weder moralisch noch juristisch ist dieses Kapitel eindeutig abgeschlossen.“