Die Arbeitnehmer sind schuld - Seite 2
Das geringe Lohnwachstum bei gleichzeitig sehr niedriger Arbeitslosigkeit hat noch einen Grund. Amerikaner wechseln weniger häufig ihre Jobs. Wer kündigt, um eine neue Stelle anzunehmen, kann für gewöhnlich mit dem Abschluss eines neuen Vertrags ein höheres Gehalt erwarten. Die Bereitschaft, den Job zu wechseln, geht allerdings im Durchschnitt zurück.
Die geringere Bereitschaft lässt sich ebenfalls durch einen Mangel an Jobs mit geringem Qualifikationsbedarf erklären. Wer vor einem Walmart steht, um ankommenden Kunden zu winken (diesen Job gibt es wirklich), kann vermutlich noch so häufig den Job wechseln und keine großen Gehaltssprünge machen.
Es braucht dringend eine grundlegende Reform des Bildungssystems. Die Wirtschaft schafft zwar mehr Jobs, die höhere Qualifikationen erfordern, doch die Stellen können nicht immer gefüllt werden. Es ist jedoch unabdingbar, dass genau diese Jobs gefüllt werden können. Viele Jobs in der Produktion wandern nach wie vor ins Ausland oder werden durch Automatisierung ersetzt. Die Abhängigkeit von Niedriglohnjobs, die keiner Qualifikation bedürfen, ist kein nachhaltiges Modell. Dabei sind die USA – das muss man ihnen lassen – Meister darin, unsinnige Jobs zu schaffen.
Als ich unlängst wieder in den USA war sind mir in den drei Stunden zwischen Landung und Hotel unbegreiflich viele, unsinnige Jobs untergekommen. Es hat schon damit begonnen, dass nach dem Aussteigen aus dem Flugzeug damit begonnen wird, die Ankommenden in unterschiedliche Schlangen einzuweisen. Das war insofern sinnlos, weil sich 100 Meter später alles wieder vermengte und noch einmal eingewiesen wurde.
Dann steht man erst einmal lange an und wird dann einem Automaten zugewiesen, an dem man seine Angaben macht, inklusive Foto und Fingerabdruck. Ist das erledigt, wird das gleiche noch einmal von einer Person durchgeführt. Zwischen diesem Prozess und der Gepäcksausgabe wird der Pass noch mehrfach kontrolliert, als ob sich am Inhalt innerhalb von Minuten etwas geändert hätte…
Ein Taxi kann man sich natürlich nicht selbst nehmen. Man wird eingewiesen. Eine Person steht einfach nur da und schreit die Taxifahrer an, dass sie fahren sollen. Vor dem einsteigen ins Taxi gibt es eine weitere Person, die praktisch einfach nur dasteht und irgendwelche Belege druckt, die vollkommen irrelevant sind. Vorm Hotel wird man begrüßt und eine andere Person begleitet einen dann zur Rezeption, also ob man die 10 Meter nicht alleine schaffen würde usw.
Die Anzahl an vollkommen unnötigen Jobs ist fast schon bedrückend. Es wundert auch nicht, dass man, nachdem man 8 Stunden vorm Walmart stand und Kunden begrüßt hat, noch 4 Stunden Menschen in Schlangen einweisen muss, um so gerade über die Runden zu kommen. Solange diese Probleme nicht gelöst sind, werden die USA sicherlich nicht wieder zu 3 % oder 4 % Wachstum zurückfinden und von alleine wird sich das Problem nicht lösen. Das System fördert Unterbeschäftigung und unzureichende Löhne. Von einzelnen Arbeitnehmern kann man nicht erwarten, dass sie dieses System überwinden können.
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Autor: Clemens Schmale, Finanzmarktanalyst bei GodmodeTrader.de
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Bildquelle: dieboersenblogger.de