Das wirtschaftliche Hemd ist näher als der lokalpatriotische Unabhängigkeits-Rock - Seite 2
Nicht zuletzt drohen die Rating-Agenturen bei Abspaltung mit Herabstufung der katalanischen Kreditwürdigkeit. Dann würde die Refinanzierung eines schuldengeplagten, verglühenden Wirtschaftssterns
mit eigener Schwachwährung unerschwinglich teuer.
Vor diesem Hintergrund ergreifen die ersten Unternehmen aus den Branchen Banken, Konsum und Energie schon jetzt vorbeugend die Flucht. Ihnen ist es gleichgültig, ob sie ihren Sitz in Barcelona oder
in Valencia oder in Madrid haben. Und natürlich würden auch deutsche Unternehmen keine Nibelungentreue zu Katalonien zeigen. Sie sehen sich als Investoren in Spanien an sich und ohnehin sind sie
mobil wie Zugvögel. Für Spanien im Allgemeinen ergäbe sich kein wirtschaftlicher Nachteil, allerdings für Katalonien im Speziellen.
Unabhängigkeit macht vielleicht patriotisch satt, aber sicher wirtschaftlich sehr hungrig
Katalonien wäre ein wirtschaftlich abschreckendes Beispiel für jede andere, sich abspaltende europäische Region. Wer zum Mutterland Adiós sagt, hat auch keinen Zugang mehr zu ihrer Muttermilch. Die wirtschaftliche Entwicklung ist dann schwer gestört, auch weil keine Ersatzmilch bereitgestellt wird. Denn die EZB ist nicht mehr zuständig. Sie wird ihre schützende, kreditzinsdrückende Hand nicht mehr über Katalonien halten. Schließlich ist die Konsequenz ein wirtschaftlicher Aderlass in Form eines Verlustes an Arbeitsplätzen und Wohlstand.
Ich will mir kein Urteil über die nationalen Gefühle der Katalanen anmaßen. Doch sollte jeder abspaltungsbereite Politiker, der an der Fortsetzung seiner Karriere interessiert ist, nie die Kraft eines gut gefüllten Portemonnaies seiner Landsleute unterschätzen. Wenn erst einmal aus blühenden Landschaften Wüsten geworden sind, ist die Gefahr groß, dass die Unabhängigkeitsbefürworter am politischen Galgen baumeln.
Und dieser Logik verschließt sich offensichtlich auch der Regierungschef Kataloniens nicht. Er hat zwar die Unabhängigkeitserklärung unterschrieben, sie dann aber wegen angestrebter Verhandlungen mit der spanischen Regierung in Madrid sogleich wieder ausgesetzt. Das nennt man politische Gesichtswahrung. Doch de facto ist es der Ausstieg in den Einstieg aus dem Ausstieg Kataloniens aus Spanien.
Auch eine katalanische politische Börse hat kurze Beine
Von politischer Krise an den Anleihe- und Aktienmärkten war in Spanien ohnehin wenig zu spüren. Auch die Schwankungsbreite an den europäischen Aktienmärkten blieb niedrig. Die krisenerprobten Finanzmärkte gingen immer von der wirtschaftlichen Vernunft der Verantwortlichen in Katalonien aus. Und sie gehen auch nicht von einem Streueffekt auf andere separatistische Regionen aus. Denn viele Europäer haben die wirtschaftlichen Schmerzen der Euro-Krise noch in guter Erinnerung. Eine Zugabe will niemand.
Lokalpatriotismus sollte woanders gepflegt werden, z.B. beim Fußball, wenn der FC Barcelona gegen Real Madrid spielt.
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