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    Frisierte Rechnungen-Ärzte kassieren nun verstärkt bei Staatsdienern und... - 500 Beiträge pro Seite

    eröffnet am 10.03.02 18:05:45 von
    neuester Beitrag 12.03.02 20:57:50 von
    Beiträge: 5
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      schrieb am 10.03.02 18:05:45
      Beitrag Nr. 1 ()
      Aus Spiegel-online! http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,186351,00.html

      Unglaublich! :mad:

      Gruss
      dickdiver

      11. März 2002

      GESUNDHEIT

      Frisierte Rechnungen

      Weil bei Kassenpatienten nicht mehr viel zu holen ist, kassieren Ärzte nun verstärkt bei Staatsdienern und Privatversicherten ab.


      Es war noch dunkel, als die Ermittler der Sondereinheit "Ärzte" in die Diezer Straße im hessischen Limburg einbogen. Mit knappen Worten verschafften sie sich Zutritt zur weißgetünchten Villa mit der Hausnummer 56a und machten sich über Computer und Aktenordner her. Gleich drei Lastwagen mussten schließlich vorfahren, um, so ein Fahnder, "mehrere Millionen Blatt Papier" aufzuladen.

      Die spektakuläre Durchsuchung der Privatärztlichen Verrechnungsstelle Limburg/Lahn GmbH, vollstreckt an einem nasskalten Montagvormittag vor drei Wochen, ist der vorläufige Höhepunkt einer ganzen Serie von Ermittlungen gegen Mediziner. In der Grenzregion zwischen Hessen und Rheinland-Pfalz stehen seither weitere 574 Ärzte im Verdacht, sich mehrere Millionen Euro ergaunert zu haben. "Offenbar systematisch", so der Koblenzer Oberstaatsanwalt Erich Jung, hätten die Doctores das von ihnen beauftragte Buchführungsinstitut veranlasst, Rechnungen zu frisieren.

      Seit das Bundeskriminalamt (BKA) vor drei Jahren begann, verdächtige Ärzte in der Kriminalstatistik auszuweisen, ist die Zahl der Beschuldigten geradezu explodiert. Notierten die Ermittler 1999 noch 13 400 Fälle, waren es 2000 bereits 17 000. Für das vergangene Jahr gehen die BKA-Experten nach vorläufiger Schätzung von mehr als 20 000 Fällen aus.

      Ins Visier der Ermittler gerieten bisher zumeist niedergelassene Kassenärzte, die das komplizierte Abrechnungssystem im Gesundheitswesen nutzten, um sich vom Honorarbudget der gesetzlichen Krankenversicherungen wie AOK oder Barmer ein möglichst großes Stück abzuschneiden.

      Nun haben Deutschlands Mediziner offenbar eine neue Quelle entdeckt, um ihre Honorare aufzubessern. Anstatt die mageren Quartalsabrechnungen für Kassenpatienten zu manipulieren, plündern sie lieber ihre Privatpatienten aus.

      Mit dieser Zielgruppe, immerhin fast acht Millionen Menschen, lassen sich ohnehin noch glänzende Geschäfte machen. Zahnersatz aus Gold und Porzellan, Chefarztbehandlungen und Einzelzimmer im Krankenhaus, Akupunkturen und Bachblütentherapien, Vorsorgeuntersuchungen und Reha-Kuren - fast alles, was die knickrigen gesetzlichen Krankenkassen aus ihrem Leistungskatalog gestrichen haben, wird von den Privatversicherern anstandslos erstattet. Selbst einfachster Beistand wie die Beratung am Telefon lohnt sich für den Arzt doppelt bis dreifach, wenn es dem Wohl eines Privatpatienten dient. In begründeten Fällen, so die Gebührenordnung, darf der Doktor sogar das 3,5-fache des Grundpreises verlangen.

      Der Kreativität bei der Begründung sind kaum Grenzen gesetzt. Hat der Privatpatient vor der Operation über Schlappheit und Katerstimmung geklagt? Prompt taucht in der Rechnung das Wort "Kreislaufdysregulation" auf, um den maximalen Gebührensatz zu rechtfertigen. War hingegen von Aufgeregtheit und schnellem Pulsschlag die Rede? Flugs ist ein "intermittierendes Vorhofflimmern" diagnostiziert, um die Behandlungskosten in die Höhe zu treiben. Dass sich Arzt und Patient in einem "eingehenden" Beratungsgespräch (Gebührenziffer 3/Grundpreis 8,74 Euro) anstatt in einem einfachen Gespräch (Gebührenziffer 1/Grundpreis 4,66 Euro) einander vorgestellt hatten, versteht sich meist von selbst.

      Vor allem die Spitzenmediziner der Krankenhäuser gelten als Kostentreiber. Professor Klaus Peter, Dekan der Medizinischen Fakultät der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität und vielfach dekorierter Chefanästhesist des Klinikums Großhadern, schaut nach eigenen Angaben im Laufe eines Tages bei bis zu zwölf Operationen vorbei, für die er allesamt eine Chefarztbehandlung abrechnen kann. Um die Betreuung der Patienten kümmern sich überwiegend aber seine 60 Gehilfen, die Peter als "ständige Vertreter" nominiert hat.

      So brachte es der Professor laut internen Anästhesieprotokollen am Vormittag des 30. August vergangenen Jahres fertig, im Klinikum Großhadern einen Patienten mit Lebermetastasen zu behandeln - und zur selben Zeit eine Gebärmutter-Operation im zehn Kilometer entfernten Klinikstandort München-Innenstadt zu verantworten. Nach der Strafanzeige einer Krankenversicherung hat die Staatsanwaltschaft München jetzt ein Ermittlungsverfahren gegen den Arzt eingeleitet. Peter bestreitet illegale Handlungen: "Ich habe mich immer um die bestmögliche Versorgung gekümmert, entweder persönlich oder durch besonders qualifizierte Vertreter."

      Juristisch umstrittene Methoden, die eigene Bilanz aufzubessern, scheinen vielen Ärzten nicht zu reichen. Das Berliner St.-Marien-Hospital entließ Anfang Dezember einen Chirurgen, weil dieser die Leistungen von Kollegen auf Privatrechnungen offenbar regelmäßig als eigene Bemühungen ausgab.

      "In jeder fünften Rechnung", so Jan Boetius, Chef des größten europäischen Privatversicherers DKV mit Hauptsitz in Köln, stolpern seine Kontrolleure inzwischen über dreiste Tricksereien und Doppelberechnungen. Von einer rund 670 000 Euro teuren Krankenhausrechnung für einen verunglückten Sportflieger beispielsweise blieben nach sorgfältiger Prüfung kaum mehr als 15 000 Euro übrig.

      Erhebliche kriminelle Energie unterstellt die Staatsanwaltschaft auch den Ärzten aus dem Raum Limburg, die seit der Hausdurchsuchung Mitte Februar mit einem Prozess rechnen müssen. Ihrer Abrechnungsfirma gaben sie offenbar klare "Anweisungen", die Liquidationen zu überhöhen. So wurden nach Informationen von Oberstaatsanwalt Jung systematisch Vollnarkosen abgerechnet, auch wenn die Patienten nur örtlich betäubt worden waren.

      Die Politik indes scheint die Abkassiererei von Privatpatienten bislang nicht besonders zu interessieren. Dabei handelt es sich bei den Opfern häufig um Beamte, deren Behandlungskosten bis zu 70 Prozent von der staatlichen Beihilfe übernommen werden. Für einen erheblichen Anteil der ergaunerten Vergütungen muss somit der Steuerzahler aufkommen.

      Ein zaghafter Versuch der schleswig-holsteinischen Ministerpräsidentin Heide Simonis (SPD), zumindest die Anzahl der Chefarztbehandlungen und Sonderleistungen für Staatsdiener prinzipiell einzugrenzen, fand im Bundesrat keine ausreichende Mehrheit. Und wo sich die Beihilfestelle knauserig zeigt, erklagen sich Beamte den Zuschuss für anti-allergenes Bettzeug oder Perücken notfalls vor Gericht.

      Immerhin: In Rheinland-Pfalz stellte Finanzminister Gernot Mittler eine Sonderkommission zusammen, nachdem das Landgericht Koblenz im Oktober 1999 einen Laborarzt aus Neuwied wegen Abrechnungsbetrug zu mehr als vier Jahren Haft verurteilt hatte. Insgesamt 9200 Beamte bekamen wenig später Post aus dem Hause Mittler. Es gelte, so der Finanzminister, womöglich zu viel gezahlte Honorare in gemeinsamer Detektivarbeit zu ermitteln und zurückzubekommen.

      Dabei kam einiges zusammen. Anfang kommenden Monats will das Finanzministerium in einem Zivilprozess gegen den Neuwieder Arzt vorgehen und nach vorsichtiger Schätzung etwa 350 000 Euro an Beihilfeleistungen zurückfordern.

      Angesichts von 290 Millionen Euro, die das Bundesland jedes Jahr für die Beihilfe seiner Beamten ausgibt, erscheint dies zwar nur als kläglicher Betrag. Doch Finanzminister Mittler setzt vor allem auf die abschreckende Wirkung. "Immerhin", so ein Ermittler, "werden wir den Ärzten endlich zeigen können, was eine Harke ist."

      ALEXANDER NEUBACHER
      Avatar
      schrieb am 10.03.02 19:55:14
      Beitrag Nr. 2 ()
      Tja, das ist alles nicht schön, zugegeben.
      Andererseits gibt es aber zahlreiche Praxen, die wirklich kurz vor der Pleite stehen...sobald man nur wenige lukrative Privatpatienten hat (also zB in sozial schwächeren Wohngebieten) und sich nur auf die gesetzlichen Kassen verlassen muss, sieht`s böse aus.
      Der einzige Grund, warum das deutsche Gesundheitssystem noch nicht vollends kollabiert ist, sind nämlich die privaten Versicherungen, die (entgegen ihrer eigentlichen Bestimmung) die Vielzahl von Kassenpatienten quasi mitfinanzieren.

      Ich gebe zu, diese Antwort ist scheinbar off-topic; ich will hier auch nicht das Tun einiger "schwarzer Schafe" schönreden, aber solange das falsche Bild vom Mercedes-fahrenden Einfamilienhausbesitzer im Arztkittel (das allenfalls bis in die frühen 80er Jahre stimmte) noch in den Köpfen der Allgemeinheit fortbesteht, lässt sich diese Diskussion kaum sachlich führen. Dem Gros der Ärzte geht`s wirklich allenfalls mäßig - und rechnet man das Einkommen eines "Durchschnittsarztes", sei`s im Krankenhaus, sei`s in der privaten Praxis, in einen Stundenlohn um, so kommt man zu Beträgen, für die eine Putzfrau kaum den Finger rühren würde.

      Gier ist da nur in den wenigsten Fällen der Auslöser für Mauscheleien...in vielen Fällen geht`s um die nackte Existenz. Damit sind zwar keine Vergehen entschuldbar, aber in manchen Fällen ist die "Trickserei" bei Privatversicherten die einzige Möglichkeit, über die Runden zu kommen. Und das liegt weniger daran, dass der Arzt grundsätzlich korrupt ist, sondern vielmehr, dass die Politik, ob schwarz, ob rot, seit Jahren klare Worte vermeidet - obwohl die Fakten bekannt sind. Würde diese Debatte aufrichtig geführt, so müßte man nämlich eingestehen, dass das Gesundheitssystem so nicht weiterbestehen kann und medizinische Vollversorgung ohne Zuzahlung zu derzeitigen Kassentarifen nicht machbar ist.

      Das wiederum ist politisch nur schwer vermittelbar (wie so manche Wahrheiten) - und deshalb geht die öffentliche Hand gerne den Weg des geringsten Widerstands: Immer feste drauf aus das schwächste Glied in der Kette: Die im Gesundheitssystem arbeitenden, die ja aufgrund ihrer beruflichen Verantwortung - anders als die meisten anderen Berufstätigen nicht einfach mal so streiken können...denn das würde bedeuten, nicht Maschinen, sondern Menschen allein zu lassen.
      Avatar
      schrieb am 12.03.02 08:14:23
      Beitrag Nr. 3 ()
      Aber rechtfertigt das alles Betrug, DOVB?

      Gruss
      dickdiver
      Avatar
      schrieb am 12.03.02 08:34:39
      Beitrag Nr. 4 ()
      @dickdiver: De facto wissen wir beide, dass Abermillionen von Patienten auch ihre Krankenkassen betrügen, sei es für den blauen Montag, Krankengeld, ...
      Solange das System so stark kreisförmig reguliert ist, und keine klaren bilateralen Geschäftsbeziehungen vorhanden sind, wir das auch so weiterbleiben.
      @DOVB: Ist das schon so schlimm, dass Private die AOKis refinanzieren? :rolleyes:
      Warum wehren sich die privaten Krankenversicherungen nicht dagegen?
      Aber eins sollte auch für Ärzte gelten: Das Prinzip von Angebot und Nachfrage, und da kommen immer noch sehr viel neue Studenten nach. Damit steigt halt das Angebot, da Ärzte im Gegensatz zu Kanalreiniger oder Kraftwerksingenieur immer noch ein Modeberuf ist. Die Soups tuen ihr übriges.
      Avatar
      schrieb am 12.03.02 20:57:50
      Beitrag Nr. 5 ()
      @dickdiver:
      Nö, das rechtfertigt überhaupt nix. Ebendas habe ich ja auch geschrieben. Es geht mir nur darum, dass mir der Kragen platzt, wenn auf so unsachlicher Grundlage argumentiert wird.
      Schau Dir doch mal Deinen sauberen Spiegel-Artikel an:
      "Dass sich Arzt und Patient in einem "eingehenden" Beratungsgespräch (Gebührenziffer 3/Grundpreis 8,74 Euro) anstatt in einem einfachen Gespräch (Gebührenziffer 1/Grundpreis 4,66 Euro) einander vorgestellt hatten, versteht sich meist von selbst."

      Da sieht man`s doch schon: Ist nicht die eigentliche Frechheit, dass die Krankenkasse selbst für das "eingehende Gespräch" nur € 8,74 vergütet? Wie lange darf denn das Gespräch dauern? Sobald ich einen Patienten in nur 5 Minuten "abfertige", fühlt der sich doch von mir schlecht beraten...also nimmt man sich etwas Zeit, verständlich zu reden, die Behandlung zu erläutern, zu erklären, was man wie und warum überhaupt man etwas tut, und schwupps! sind 10 Minuten vorbei. Von den 8,74 bezahle ich dann meine Praxismiete, 2 bis 4 Arzthelferinnen, und wenn ich Glück habe, bleibt auch für mich noch was übrig? Wie soll das gehen?
      Ein Teil des Problems ist es, dass die Krankenkassen die Vergütungen beinahe nach Gutdünken selbst festsetzen können...selbstverständlich wird da nicht am eigenen Personal gespart - auch über den gewaltigen Verwaltungswasserkopf der gesetzlichen Kassen wird kein Wort verloren...nein, nein, gekürzt wird (und das ohne jede spürbare Intervention des Gesetzgebers) immer dort, wo die eigentlichen Leistungen erbracht werden: In den Praxen und Krankenhäusern.

      @puhvogel:
      Klar ist das schlimm, denn dadurch sind die Beiträge der privat Versicherten überproportional hoch. Das eigentlich Interessante an der Sache ist mE aber die Tatsache, dass die Privaten mit schlanker Verwaltung und weit besserer Leistung Gewinn machen, während die Gesetzlichen in ihren Glaspalästen in typisch deutscher Bürokratenart verwalten: Unfreundlich, lahm, inkompetent, aber laut nach größeren Zuschüssen schreiend. Meine Erfolgsquote, spontan den richtigen Ansprechpartner an die Telefonstrippe zu bekommen, liegt bei maximal 30%. Standardantwort: "der/ die ist gerade zu Tisch/ nicht am Platz" etc. etc.
      Ferner, was "Angebot und Nachfrage" betrifft: Schon auf die "offizielle" Argumentation reingefallen. Der Durchschnitts-Krankenhausarzt hat ca. 60 Wochenstunden (das, wohlgemerkt ohne Nacht- und Wochenenddienste). Somit müsste man die korrekte Stellenzahl entsprechend multiplizieren. Ergebnis: In Deutschland herrscht Ärztemangel. Das dürfte sich dann auch mit der subjektiven Erfahrung von Patienten decken, die in proppevollen Praxen es selten erleben werden, dass ihr Termin eingehalten werden kann oder sich im Krankenhaus (zurecht!) darüber beklagen, dass die Visite in weniger als 1 Minute an Ihrem Bett vorbeigehuscht ist...

      Nebenbei bemerkt wird es selbst bei gegenwärtigen Arbeitsbedingungen in etwa 2-4 Jahren (da schwanken die Schätzungen) dazu kommen, dass zahlreiche Planstellen in Krankenhäusern nicht besetzt werden können (in einzelnen Bundesländern bereits jetzt der Fall), weil es in der Tat viele deutsche Hochschulabsolventen nicht einsehen, zu den genannten Bedingungen zu arbeiten - und (der EU sei Dank) ins europäische Ausland gehen. Aber sowas kann man dann ja leicht mit `ner neuen Greencard-Regelung lösen, gelle? ;)


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