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    eröffnet am 24.02.03 22:44:07 von
    neuester Beitrag 27.02.03 17:58:36 von
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      schrieb am 24.02.03 22:44:07
      Beitrag Nr. 1 ()
      des Menschen:

      Will ich euch nicht vorenthalten, vieles was da drin steht, vertrete auch ich zu 100 %

      Wie immer sehr lang, aber wirklich empfehlenswert.

      Auf diesem Wege auch noch mal Danke für die vielen netten Boardmails und Postings zu meinen Threads :O


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      Berliner Debatte INITIAL 2/1992
      Ist der Mensch paradiesfähig? - Antworten

      Irenäus Eibl-Eibesfeldt



      Die Vorstellung, der Mensch habe einst ein glückliches Leben geführt und sei erst durch Sündenfall aus dem Paradies vertrieben worden, geistert durch die Geschichte der abendländischen Zivilisation. Urerinnerung an ein einst freies Leben als Jäger und Sammler? Sündenfall durch die Entwicklung der Zivilisation? Die Vorstellung, dass der Mensch mit dem Kultivieren von Pflanzen und mit der Entwicklung der Tierzucht unfrei wurde, sich selbst gewissermaßen zur Arbeit verdammte und überdies durch das Ziehen von Zäunen den Unfrieden in die Welt brachte, taucht immer wieder auf. Und exploitativ-umweltzerstörend sei ebenfalls erst der moderne Mensch in seiner Gier nach Wohlstand und Macht geworden. Sünden über Sünden werden den Heutigen angelastet und dem Leben der ,,edlen Wilden" gegenübergestellt. Wir hätten uns demnach selbst aus dem Paradies vertrieben. Stimmt das?
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      Gab es eine Zeit, in der wir Menschen glücklicher lebten als heute?

      Objektiv betrachtet wohl kaum. In früheren Zeiten plagten Krankheiten den Menschen, wilde Tiere bedrohten sein Leben, Hunger und viele andere Nöte. Gefahren drohten überall und unsere Ahnen waren in vielfacher Weise gefordert. Allerdings, und das war das entscheidende: Sie waren genau an ein solches Leben als altsteinzeitliche Jäger und Sammler angepaßt, also auch durch die ihnen angeborenen Verhaltensprogrammierungen. Und über die verfügen wir noch heute. Alle uns angeborenen Verhaltensdispositionen entwickelten sich in jener langen Zeit, in der wir als altsteinzeitliche Jäger und Sammler in kleinen Gesellschaften lebten. Unsere emotionelle Ausstattung, unsere elementaren zwischenmenschlichen Verhaltensweisen, Liebe, Haß, Rangstreben. territoriale Aggression und vieles andere entwickelten sich in jener langen Zeit, in der unsere Ahnen auf altsteinzeitlicher Entwicklungsstufe in Kleinverbänden vom Jagen und Sammeln lebten. Wir haben uns in der uns angeborenen Aktions- und Reaktionsausstattung in den letzten 10.000 Jahren biologisch nicht geändert, wohl aber entwickelten wir mit der technischen Zivilisation, der großstädtischen Umwelt und der anonymen Großgesellschaft eine neue kulturelle Umwelt, für die wir biologisch nicht geschaffen wurden. Wir passen uns einigermaßen an die neue Situation an, aber wir haben Schwierigkeiten, denn nicht alle unsere Programme passen in die moderne Welt, in der Präsidenten mit steinzeitlicher Emotionalität Supermächte leiten.

      Für das steinzeitliche Leben in kleinen Gruppen, in denen jeder jeden kannte, waren wir angepaßt, auch an die Herausforderung, die das Jagen und Sammeln emotionell an uns stellten, an Freuden ebenso wie an die Stressoren. Wir waren in die damalige Umwelt gewissermaßen harmonisch über einen langen stammesgeschichtlichen Anpassungsprozeß eingewoben.

      Das ist heute nicht mehr der Fall und das empfinden wir als Streß und wir haben Idealvorstellungen, die uns zum Teil wohl angeboren sein dürften. Wir empfinden z.B. ein Bedürfnis nach ,,Naturnähe". Der moderne Großstädter vermißt sie und flüchtet daher jedes Wochenende in langen Autokolonnen ins Grüne. Er vermißt auch die körperliche und affektive Herausforderung. Insbesondere der Mann ist offenbar nicht für den Schreibtisch konzipiert - er will sich körperlich betätigen und Abenteuer erleben. So rast er in Ersatzhandlungen die Skipisten zu Tal oder riskiert sein Leben im Hanggleiter. Die wenigsten von uns sind von ihrer Konstitution her für ausschließlich sitzende Tätigkeit geschaffen.

      Ein steinzeitlicher Jäger und Sammler war außerdem von niemandem in seiner Existenz beruflich abhängig. Es gab bis vor kurzem noch einige wenige Jäger- und Sammlervölker, wie z.B. die Buschleute der Kalahari. Jeder konnte sich dort, was er zum Leben brauchte, selbst herstellen und besorgen: Kleidung, Schmuck. Jagdausrüstung, seine Hütte und seine tägliche Nahrung. Man stand in diesen Kleingruppen einander wohl bei, aber niemand war von einem anderen angestellt, daher konnte auch niemand arbeitslos werden. Abhängigkeiten dieser Art, die wir als höchst unangenehm erleben können. gab es nicht. Das Leben war zwar nicht frei von Gefahren und Hunger, aber die existenzbedrohende Gefahr der Entlassung kannte niemand. Menschen waren tätig, aber Sammeln und Jagen bereitet Vergnügen.

      Wir tun dies heute schwammerl- (pilz- Anm. d. Web-Autors) suchend, fischend oder jagend in unserer Freizeit. Buschleute verbrachten mit dem Nahrungserwerb nur einige Stunden am Tag - die übrige Zeit lebten sie in ihrer kleinen Gemeinschaft. Miteinander plaudernd waren sie mit der Herstellung von Lederschurzen, Pfeilspitzen, der Zubereitung der Nahrung und anderen häuslichen und handwerklichen Aktivitäten beschäftigt. Sie umsorgten dabei ihre Kinder, zwischendurch vergnügten sie sich mit Tanz und Spiel. Die Arbeit war keine Fron. Und man lebte schließlich mit Menschen zusammen, die man gut kannte. Das schuf eine Atmosphäre des Vertrauens. In der anonymen Großgesellschaft ist das völlig anders. Da haben wir es im Alltag meist mit Menschen zu tun, die wir nicht kennen und das belastet uns, denn aus Gründen, die wir gleich noch besprechen werden, reagieren wir auf uns unbekannte Mitmenschen mit Angst. Wir erleben das Zuviel an Kontakten mit Menschen als Streß, klagen aber paradoxerweise oft über die Einsamkeit in der Massengesellschaft.

      Der Großstädter vermißt oft das Eingebettetsein in eine Kleingruppe von Menschen, die ihm vertraut sind. Dank unserer Mobilität sind ja selbst Familienangehörige oft über ein weites Gebiet verstreut. Es gibt eine Vielzahl von neuen Belastungen, für die wir biologisch unzureichend vorbereitet sind und die wir daher anders erleben, als jene Belastungen, mit denen unsere daran angepaßten Ahnen konfrontiert waren. Und wir sehen, dass es auch heute noch Menschen gibt, die von Natur umgeben, mit Familie, eingebettet in eine überschaubare Gemeinschaft, autark, fern von Lärm und Fabrikgestank und, wie es uns vorkommt, wenig eingeschränkt, frei leben.

      Jeder hat dort sein eigenes, wenn auch oft nur kleines Heim. Er muß keinen Zins zahlen und niemandem über seinen Tagesablauf Rechenschaft ablegen. Dagegen empfinden viele das eingeengte, regulierte Dasein in der anonymen Massengesellschaft in der Tat als Vertreibung aus dem Paradies. Sollen wir also umkehren und die Kleingesellschaft rekonstruieren? Das wäre zunächst einmal gar nicht möglich und überdies auch gar nicht wünschenswert! Die Großgesellschaft ebenso wie die technische Zivilisation ermöglicht uns kulturelle Leistungen, die wir in der Kleingesellschaft nie vollbringen könnten. Sie schützt uns ferner vor vielerlei Nöten. Gelänge es also, jene Stressoren zu mildern. die uns heute besonders zu schaffen machen. dann könnte das Leben in der technisch zivilisierten Welt sicher besser sein, als es das unserer naturnah lebenden Vorväter war.

      Unser Generalthema steht unter der Frage, sind wir paradiesfähig? Können wir uns hier auf Erden ein Paradies schaffen? Ich würde meinen. ja! Wir bringen dazu unsere Begabung zur Kultur mit und damit auch zur Kultivierung unseres Lebens, ferner gewisse Zielvorstellungen von Glück und Harmonie, die Fähigkeit, für die Zukunft zu planen. und eine Reihe von höchst positiven sozialen Anlagen, wie die uns angeborene Fähigkeit zu Liebe, zu Mitgefühl und Sympathie und schließlich das Streben nach einem besseren Leben. Kein Organismus gibt sich bloß passiv den formenden Einflüssen der natürlichen Auslese hin. Sie alle sind, wie Karl Popper so schön gesagt hat, ,,Sucher nach einer besseren Welt", und wir Menschen sind das gewiß in besonderer Weise. Damit haben wir als Zielsetzer eine neue Seinsstufe erreicht und auch - als erste Spezies auf dieser Erde - Verantwortung für unser weiteres Geschick, möglicherweise sogar als erste Spezies im All.

      Wollen wir unser Lebensschifflein erfolgreich steuern, dann ist es allerdings auch wichtig, die Untiefen und Klippen unseres Seelenlebens zu kennen, um nicht auf Grund zu laufen oder gar zu scheitern. In unseren stammesgeschichtlichen Anpassungen findet sich so manches, was sich unter den Lebensbedingungen der modernen Zeit als Stolperstrick erweisen kann, wenn man nicht um die Problematik Bescheid weiß.


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      Machtstreben

      Eine solche Problemanlage, die leicht zum Stolperstrick wird, ist unser Streben nach Macht und Ansehen. Es ist wohl ein recht altes Erbe, denn die meisten in Gruppen lebenden Säugetiere bilden Rangordnungen. Das äußert sich bei niederen Säugern in der Ausbildung von Dominanzstrukturen. Ranghohe Tiere werden jene, die sich anderen gegenüber durch physische Kraft und Geschick gewaltsam durchsetzen können. Sie gewinnen Vortritt zu beschränkten Ressourcen. Im Verlauf der Höherentwicklung kommen aber zunehmend auch andere soziale Eigenschaften zum Tragen und es bilden sich Führungsordnungen, die nicht in erster Linie auf aggressivem Durchsetzungsvermögen basieren, sondern auf Eigenschaften, die wir als positiv sozial bezeichnen. Bei höheren Primaten stehen ranghohe Männchen schwächeren bei, schützen sie und spielen eine hervorragende Rolle bei der Verteidigung der Gruppe. Vollends beim Menschen rückt die Bedeutung affiliativ freundlicher Eigenschaften in den Vordergrund.

      Meine Mitarbeiterin Barbara Hold hat in Kindergärten verschiedenen Erziehungsstils die Selbstorganisationsprozesse in Kindergruppen untersucht, und gefunden, dass sich in traditionell und antiautoritär geführten Kindergärten nach den gleichen Prinzipien Rangordnungen ausbilden. Kinder, die Spiele organisieren können, die teilen, Streit schlichten und Schwächere schützen, werden von den anderen in Führungspositionen gewählt. Ihnen zeigen die anderen Kinder etwas, sie richten sich an sie mit Fragen und suchen bei ihnen Schutz. Natürlich gibt es gelegentlich auch Rangstreit, aber es sind nicht die Nur-Aggressiven, die die Oberhand gewinnen. Man wählt sie wohl auch, weil man Respekt hat - das Wort Ehrfurcht drückt die Beziehung ranghohe Erwachsene betreffend aus - aber man wählt sie vor allem auf Grund ihrer affiliativfreundlichen Kompetenz. In Kleingruppen funktioniert das, da man die Kompetenz jener kennt, mit denen man heranwuchs. Fremden gegenüber neigt der Mensch dagegen dazu, die Ellbogen zu gebrauchen und Dominanz auszuüben.

      Auch Politiker, die in einem demokratischen Verfahren in Führungspositionen gewählt wurden, fallen leicht den Verführungen der Macht anheim. Sie werden zwar auf Grund ihres freundlich sympathischen und wohl auch sicheren Auftretens gewählt, aber Blender schlüpfen leicht in diese Rolle und da das Wahlvolk seine Politiker nicht wirklich kennt, ist die Auslese der Politiker schwierig, solange man nicht über objektivere Kriterien für Kompetenz verfügt.

      Das Machtstreben ist nun deshalb so problematisch, weil es sich dabei um einen Antrieb handelt, der keine abschaltende Situation kennt. Anders als bei Hunger, Durst oder Sex, die gegen Übertreibung durch Mechanismen der Sättigung abgesichert sind, gibt es beim Machtstreben keine Sättigung und keine abschaltende Endsituation. Im Gegenteil.

      Hat ein Mann Erfolg (bei Frauen ist die Physiologie des Erfolgstrebens noch nicht untersucht), dann kommt es zu einem Anstieg des Bluttestosteronspiegels. Tennispieler, die ein Match gewinnen, erleben innerhalb der nächsten 24 Stunden einen signifikanten Anstieg dieses Hormonspiegels, verlieren sie aber, so sinkt dieser ab. Das gleiche erleben Studenten, wenn sie eine Prüfung erfolgreich bestanden haben. Dieser Hormonreflex bei Erfolg hebt das Selbstgefühl und stachelt damit weiter an. In der Kleingruppe sind dem, was jemand erreichen kann, natürliche Grenzen gesetzt. Außerdem ist das Machtstreben durch persönliche Verbundenheit gemildert. In der anonymen Großgesellschaft der heutigen Welt dagegen sind Aufstiegsmöglichkeiten quasi unbegrenzt. Schon sprechen die amerikanischen Militärs davon, dass Amerika nunmehr Weltmacht No.1 sei und sie diese Position auch gegenüber Europa verteidigen würden, notfalls mit Gewalt.

      Mit den heute von der Technik zur Verfügung gestellten Mitteln kann das ausufernde Machtstreben höchst gefährlich werden. Gewiß, die positive Rückkoppelung, die den Erfolgreichen weiter anstachelt, bringt ihn zuletzt oft selbst um die Früchte des Erreichten. Viele Heerführer haben sich zu Tode gesiegt. Aber es blieben dabei viele Mitmenschen auf der Strecke.
      Wenngleich wir täglich mit der Irrationalität menschlichen Handelns konfrontiert sind, leugnen auch heute noch viele Ideologen die Existenz derartiger problematischer Vorprogrammierungen. Für sie ist das alles ein Ergebnis falscher Erziehung und falschen Bewußtseins.

      Eine lrrlehre beherrschte nämlich dieses Jahrhundert und obgleich sie im Osten Europas nach 70jähriger Herrschaft gescheitert ist, hält sie sich zäh in zahlreichen Hirnen. Es handelt sich um jene Variante der Milieutheorie, die von der Annahme ausgeht, dass wir Menschen als völlig unbeschriebene Blätter zur Welt kämen und alles was wir zum Leben brauchen, erst lernen würden. Der Standpunkt ist natürlich längst überholt Wir wissen, dass unser Denken, Wahrnehmen und Handeln in ganz entscheidendem Ausmaße durch das Angeborene - stammesgeschichtlich Angepaßte - vorprogrammiert ist.

      Aber in der Praxis unseres gesellschaftspolitischen Alltags glauben wir, davon nicht Kenntnis nehmen zu müssen. Die Folgen sind u.a. soziale Spannungen und Unruhe. Die gegenwärtige Diskussion um die lmmigrationsproblematik ist dafür ein gutes Beispiel. Wohlmeinende Philanthropen plädieren dafür, dass die traditionellen europäischen Nationalstaaten sich zu lmmigrationsländern erklären und nicht nur politisch Verfolgte, sondern auch Notleidende aus aller Welt, also auch aus kulturfernen Bereichen der Dritten Welt, aufnehmen sollten.

      Die Einwanderer sollen nach den Vorstellungen mancher Politiker - Heiner Geißler gehört unter anderem dazu - ihre Kultur auch in dem Land ihrer Wahl behalten und pflegen - Tamilen, Türken und Nigerianer etwa könne man ja, so Geißler, nicht zu Deutschen machen - und ein Verfassungspatriotismus soll all diese verschiedenen Menschen in Harmonie verbinden. Das würde der gegenseitigen Anregung dienen und jeder würde das zuletzt als Bereicherung empfinden, das Zusammenleben würde freundschaftliche Bindungen schaffen.

      Soweit die Utopie. Die häßliche Wirklichkeit sieht ganz anders aus:

      Mit dem zunehmenden Zustrom von kulturfernen Ausländern und mit deren schließlicher Ansiedlung entwickelten sich in allen davon betroffenen Ländern Spannungen und Konflikte zwischen den autochthon Ansässigen und den Zugewanderten. In Schweden, Dänemark, Holland. England, Frankreich. Spanien und Italien ebenso wie hierzulande. Anstatt nun die Ursachen sorgfältig zu hinterfragen und das, was wir über die menschliche Natur immerhin bereits wissen, zur Kenntnis zu nehmen, bequemen sich die Befürworter der Immigration mit der klischeehaft wiederholten Anschuldigung: Die Fremdenablehnung werde nur herbeigeredet, es fehle an Aufklärung, Agitatoren würden den Fremdenhaß schüren.

      Aber steckt nicht vielleicht doch mehr dahinter? Schließlich geht es ja im Lande der unbegrenzten Möglichkeiten, dem traditionellen Einwanderungsland USA, auch nicht gerade friedlich zu. In dem ethnischen Mosaik der amerikanischen Großstädte beobachtet man zunehmende Grabenkämpfe unter den unterschiedlichen Ethnien, und Rußlands kommunistischer Verfassungspatriotismus und die gezielte antinationale Erziehung haben keineswegs verhindert, dass sich die unterdrückten Nationen sogleich erhoben, sobald sie die Möglichkeit zur Selbstbefreiung erkannten.


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      Fremdenablehnung - nur herbeigeredet?

      Was sind eigentlich Völker?

      Zunächst einmal Menschengruppen, die sich über Sprache und Brauchtum (Kultur) von anderen abgrenzen und die ein bestimmtes Gebiet bewohnen, das sie als ihre Lebensgrundlage verteidigen, sollte jemand versuchen, sich ihres Landes zu bemächtigen. Mit ihrer Vielfalt praktizierter Uberlebensstrategien, mit ihrer verschiedenen ideologischen Ausrichtung und den damit variierenden Zielvorstellungen kopieren Ethnien, was andere Organismen über die Artenvielfalt erreichen. Hier wie dort sichert sich das Leben über Vielfalt ab. Die Wahrscheinlichkeit bei drastischen Änderungen der Umweltedingungen zu überleben, wächst mit der Vielfalt ökologischer Anpassungstypen. und um solche handelt es sich bei den verschiedenen Experimenten der Kulturen. Kultur ist dabei Schrittmacher der weiteren Evolution. Sie zieht, wenn sie sich bewährte, die Unterartenbildung nach sich.

      Vielfalt ist Ausdruck der Dynamik der Evolution und wir schätzen nicht nur die Buntheit der Wiesen wie den übrigen Artenreichtum der Natur, sondern auch die Vielfalt der Völker und Kulturen als Wert, ja wir werten es als Verstoß gegen die Menschenrechte, wenn eine Ethnie einer anderen gewaltsam durch Unterdrückung von Sprache und Brauchtum ihre Kultur raubt und einen Kulturwandel erzwingt. Man spricht in solchem Falle von Ethnozid zum Unterschied vom Genozid, der auch die physische und damit genetische Vernichtung eines Volkes bezeichnet Gegen beides wehren sich Völker und das gilt als ihr legitimes Recht. Und sie sind überdies für den Widerstand gegen Einschmelzung u. a. durch ihnen angeborene Verhaltensmuster der Abgrenzung und Verteidigung ausgerüstet Vielfalt entwickelt sich ja Hand in Hand mit den Mechanismen zu ihrer Erhaltung.

      Einige manifestieren sich beim Menschen bereits sehr früh in der Entwicklung des Kindes. Während ein Säugling in den ersten Lebensmonaten nicht zwischen verschiedenen Personen unterscheidet, sondern jedermann, der sich ihm freundlich zuwendet, mit Lächeln begrüßt, bahnt sich im Alter von 6 Monaten eine Wende an. Von nun an begegnet der Säugling Fremden mit einem gewissen Mißtrauen, während er sich vertrauten Personen gegenüber weiterhin freundlich zugewandt bleibt. Sein Verhalten gegen Fremde wird deutlich ambivalent und Reaktionen freundlicher Zuwendung mischen sich oder wechseln mit solchen deutlich angstmotivierter Abkehr.

      Der Säugling lächelt im typischen Fall den Fremden zunächst an und birgt nach einigen Sekunden schützend sein Gesicht bei der Mutter. So kann er zwischen freundlich affiliativen Verhaltensmustern und solchen der Abkehr pendeln. Bleibt der Fremde auf Distanz, dann kann sich das Kind mit ihm anfreunden. Ist er jedoch aus Übereifer in seiner Annäherung zu schnell und versucht, den Säugling zärtlich anzufassen, dann kann dies Panik und Abwehr auslösen. Es läßt sich nun nachweisen, dass es zur Ausbildung dieser Fremdenfurcht keinerlei schlechter Erfahrungen mit Fremden bedarf. Offenbar reift im Laufe der Kindesentwicklung die Fähigkeit, auf bestimmte Merkmale mit Angst anzusprechen. Sie entfaltet allerdings nur dann ihre Wirksamkeit, wenn der Säugling den Menschen nicht kennt. Persönliche Bekanntheit blockiert oder mildert die Wirkung der von einem Mitmenschen ausgehenden angst-auslösenden Signale.

      Die Tatsache, dass Fremdenfurcht in allen daraufhin untersuchten Kulturen vorkommt, ist ein weiteres starkes Indiz für das Angeborensein dieser Reaktion. Ich wies sie schließlich auch bei taub und blind geborenen Kindern nach, die Fremde mit Hilfe ihres Geruchssinnes von den ihnen bekannten Personen unterscheiden und auf sie ebenfalls zunächst mit Angst und Ablehnung reagieren.

      Bei der Fremdenfurcht des Säuglings handelt es sich um die erste Manifestation des "Wir-und die-anderen". Die "Wir-Gruppe" umfaßt zunächst die dem Kinde vertrauten Familienangehörigen, und das Verhalten wurde offenbar entwickelt, um das Kind an die Familie bzw. Mutter fest zu binden und damit sein geschütztes Aufwachsen abzusichern. Der Mensch hat seine Fähigkeit über Bekanntheit Mitmenschen zu einer "Wir-Gruppe" zu einen, weiterentwickelt. Er bildete zunächst individualisierte Gruppen, deren Mitglieder einander kannten und die sich anderen gegenüber abgrenzten. Diese Verbände wuchsen im Laufe der Geschichte zu Stammes- und Volksverbänden, die ebenfalls über eine quasi familiale Ideologie verbunden waren.

      Selbst Naturvölker berufen sich in ihrer Mythologie auf gemeinsame Ahnen und das tun selbst die Vertreter moderner Nationen, was sich ja auch im Begriff Nation ausdrückt. Und in der Tat sind es einander genetisch näherstehende, die normalerweise in einer natürlich gewachsenen Nation verbunden bleiben. Die Angehörigen einer solchen Gruppe betrachten einander als Brüder und Schwestern, sie sprechen von Vaterland und bekräftigen ihre Gemeinsamkeit kulturell durch Sprache, Brauchtum und Tracht. Sie stellen Solidargemeinschaften dar, die das Überleben sichern, wobei Überleben immer Überleben in eigenen oder genetisch nah verwandten Nachkommen heißt.

      Es geht also sowohl um das kulturelle als auch um das genetische Überleben. Auf das genetische Überleben wurden wir in einer vielleicht zwei Milliarden Jahre zurückreichenden Geschichte ausgelesen. Wir alle sind als Nachkommen jener ersten zelligen Organismen durch eine nie unterbrochene Kette von Generationen verbunden. Nur ein winziger Bruchteil der in den Jahrmillionen geborenen Geschöpfe schaffte das bis in unsere Tage. Und die es schafften, sind in der Tat auf Überleben getrimmt. Dazu gehört, dass sie ihre Identität beim Menschen sowohl als Person als auch als Angehöriger einer spezifischen Gruppe zu wahren trachten.

      Wir Menschen reagieren mit Abwehr, wenn wir unsere Identität bedroht meinen, und dieser Fall tritt ein, wenn sich Menschen in großer Zahl in einem bereits dicht besiedelten Gebiet niederlassen, ohne die Kultur und Lebensart der Ortsansässigen anzunehmen. Dann werden sie als Fremde und als um die gleichen Ressourcen konkurrierende Eindringlinge empfunden. Und diese Wahrnehmung ist nicht unbegründet. denn sich abkapselnde Einwanderer bilden ja Solidargemeinschaffen, die zunächst ihr Eigeninteresse vertreten. Unterscheiden sie sich überdies durch eine höhere Fortpflanzungsrate von der eingesessenen Bevölkerung, dann verschärft das die Probleme und die daraus erwachsenden Gegensätze. Ganz anders liegt dagegen der Fall, wenn es sich um kulturell, biologisch, anthropologisch nahestehende Einwanderer handelt. Sie werden in der Regel rasch eingemeindet Kinder und Kindeskinder unterscheiden sich dann nicht mehr von der ansässigen Bevölkerung. Sie identifizieren sich mit dem Lande, in das ihre Eltern einwanderten.

      Mit der Übernahme der Sprache werden sie zu Deutschen. Franzosen, Engländern oder Italieern. Biologisch anthropologisch lebt heute von Westeuropa bis Rußland eine recht einheitliche Bevölkerung, eine Melange aus verschiedenen europäischen Rassen und nur in der statistischen Verteilung etwa der Blau- und Braunäugigen, der Langschädeligen oder Kurzschädeligen oder in der Blutgruppenverteilung gibt es großräumige Unterschiede. Die europäische Binnenwanderung stellt die Einwanderungsländer daher schlimmstenfalls vor wirtschaftliche Probleme, wenn Einwanderer in zu großer Zahl auf einmal hereinströmen. Wer an der Erhaltung des inneren Friedens interessiert ist, sollte die wirtschaftliche und assimilatorische Kraft eines Landes in seiner Immigrationspolitik in Rechnung stellen.

      Höchst problematisch ist dagegen Einwanderung kulturferner und der Aufbau der von einigen Utopisten so eifrig propagierten multikulturellen Immigrationsgesellschaft. Sie führt ganz sicher zu Konflikten! Dafür gibt es genügend Beispiele und zwar aus aller Welt. Xenophobie und Territorialität gehören zu den Universalien.


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      Fremdenhaß angeboren?

      Also sind uns Fremdenhaß und Territorialität angeboren und man kann nichts dagegen machen?

      Beides falsch! Angeboren ist die Xenophobie, die Fremdenscheu. die sich übergangslos aus der des Kleinkindes weiterentwickelt. Zu Fremdenhaß muß erzogen werden! Allerdings besteht eine deutliche Bereitschaft, in erster Linie Negatives vom Fremden wahrzunehmen. Und auf dieser Bereitschaft können Demagogen leicht aufbauen. Des weiteren gilt, dass der Mensch angeborene Reaktionsweisen wie jene der territorialen Verteidigung und der Xenophobie durchaus durch Erziehung unterdrücken kann. Es erhebt sich jedoch die Frage, ob das auch wirklich sinnvoll wäre. Man raubt ja der Ethnie. der man einredet, ihre eigenen Interessen hintanzustellen, Teile ihres Landes abzugeben und ihre Identität nicht zu verteidigen, die Fähigkeit zur Selbstbehauptung.

      Und das kann man eigentlich nicht wollen, wenn man ernsthaft für eine multiethnische und damit auch multikulturelle Menschheit ist. Hier wird von einigen Philanthropen widersprüchlich argumentiert. Wer als kultureller Pluralist auch für die Erhaltung der eigenen kulturellen Identität ist, wird zum Beispiel hierzulande gerne der Volkstümelei bezichtigt oder gar als Rassist beschimpft. Ich gehöre zu jenen, die sich seit vielen Jahren auch schriftlich für die Erhaltung einer bunten multikulturellen Weltgemeinschaft einsetzen. Insbesondere die Achtung der territorialen und kulturellen lntegrität der Naturvölker liegt mir am Herzen. Ich habe in verschiedenen Publikationen darauf hingewiesen, dass eine multikulturelle Weltgemeinschaft und im kleineren ein multikulturelles Europa durchaus in friedlicher Allianz koexistieren kann, vorausgesetzt, es handelt sich um Gemeinschaften. die über ihr eigenes Land verfügen und vorausgesetzt, sie können ihre eigenen Angelegenheiten auch selbst regeln.

      Das heißt, sie dürfen keinerlei Dominanz seitens eines mächtigeren Nachbarn fürchten. Patriotismus entartet ja erst dann zum intoleranten Nationalismus, wenn eine Gruppe um ihre Identität bangt. Beispiele für geglückte Lösungen zwischenethnischer Beziehungen bieten die Schweiz und bis zu einem gewissen Grad auch das heutige Westeuropa. Mit einigen Ausnahmen allerdings. Ich erinnere an das Baskenproblem.

      Wir müssen zur Kenntnis nehmen und akzeptieren, dass Menschen auch ihre Ethnizität als Teil ihrer Identität wahrnehmen und verteidigen. Es handelt sich bei ihnen um Solidaritätsgemeinschaften, die innerhalb einer Völkergemeinschaft immer in erster Linie ihre Eigeninteressen vertreten werden und dies wohl auch sollen. Sie tragen so zu ihrer Erhaltung und damit zur kulturellen Bereicherung der Weltgemeinschaft bei. Bei gegenseitiger Respektierung und Anerkennung ist ein nachbarschaftliches freundliches Miteinander durchaus möglich. Sind Menschen nicht durch Angst und Sorge um ihre Existenz verunsichert, dann erweisen sie sich auch Vertretern anderer Kulturen gegenüber als aufgeschlossen und interessiert. Sie schätzen das Anderssein als Bereicherung.

      Für ein multiethnisches friedliches Miteinander einer lmmigrationsgesellschaft stehen dagegen die Aussichten schlecht, es sei denn, es steht in einem Volk genügend Land zur Verfügung, um es an Immigranten abzutreten. Das dürfte aber in den traditionellen Nationalstaaten Europas kaum je der Fall sein. Diese Länder sind bereits völlig übervölkert und ein langsames, gleichmäßiges Schrumpfen der Bevölkerungszahl würde der Umwelt gut tun und die ökonomische Krisenanfälligkeit infolge Importabhängigkeit mildern. dass unsere Umwelt bis an die Grenzen der Tragfähigkeit belastet ist, dürfte zur Genüge bekannt sein! Wer in dieser Situation nur gummistempelhaft zu wiederholen weiß ,,Das Boot ist noch nicht voll", der belegt nur deutlich seinen Mangel an politischer Kompetenz.

      Und mit jenen, die auf gleiche Weise wiederholen, das Problem würde nur herbeigeredet, ist es nicht viel besser bestellt. Es erschreckt ein bißchen, mit welchen dürftigen Argumenten die Befürworter der multikulturellen Gesellschaft operieren. Da heißt es, wir müßten uns um Immigranten bemühen, damit unsere Renten gezahlt werden, weil gewisse Arbeiten nicht mehr von unseren eigenen Leuten verrichtet würden. Ferner bräuchten wir aus demographischen Gründen Zuwanderer, um den Bevölkerungsschwund auszugleichen und schließlich seien wir moralisch verpflichtet. den Notleidenden der Dritten Welt zu helfen.

      Zu den angeführten ökonomischen Gründen wäre zu sagen, dass sich mit besserer Bezahlung und im Falle besonders anstrengender oder gesundheitsgefährdender Arbeit auch mit kürzerer Arbeitszeit selbstverständlich aus dem Heer der derzeit Arbeitslosen genügend Arbeitswillige rekrutieren ließen. Grundsätzlich stellt der Import von Lohndrückern keine soziale Lösung des Problems dar. Braucht man sie dennoch, kann man sie als Wanderarbeiter anwerben,. Was schließlich das demographische Argument betrifft, so stellten wir bereits fest, dass ein Gesundschrumpfen wünschenswert ist. Sollte der Schrumpfungsprozeß jedoch zu dramatisch werden, dann müßte eine verantwortliche politische Führung doch zunächst an Maßnahmen zur Familienförderung in der eigenen Bevölkerung denken.

      Gegen Einwanderung aus anderen europäischen Ländern wäre, wie gesagt, grundsätzlich nichts einzuwenden, solange die Immigranten bereit sind, sich in das jeweilige Land ihrer Wahl bei Dauerniederlassung zu integrieren. Dagegen gibt es im Hinblick auf den inneren Frieden Bedenken gegen Masseneinwanderung aus dem außereuropäischen Bereich. Das könnte die integrative Kraft eines Landes leicht übersteigen und im Extremfall zur kulturellen und genetischen Verdrängung der angestammten Bevölkerung führen. Spannungen zwischen den konkurrierenden Bevölkerungsgruppen wären auf jeden Fall zu erwarten. Der Einwand, in der neuen Welt in Nord und Süd hätte das aber geklappt, ist schlicht Schönfärberei und entspricht, wie jeder Kenner der USA oder des oft zitierten Brasilien bestätigen wird, keineswegs der Wirklichkeit!

      Am meisten litten oder leiden nach wie vor die ursprünglich in diesen Ländern Beheimateten, die Indianer zum Beispiel oder die polynesischen Hawaiianer.
      Spricht man offen aus, dass es sowohl ein kulturelles wie auch ein genetisches Eigeninteresse der verschiedenen Völker gibt, dann tönt es sogleich im Chor „Rassist". Das ist zwar eine wirksame Wortkeule, sie ist jedoch in dem Falle fehl am Platz. Rassist ist einer, der an die Überlegenheit der eigenen Ethnie oder der in ihr vertretenen dominanten Rasse glaubt und daraus das Recht ableitet, andere zu dominieren, ja diese sogar zu verdrängen. Wer sich jedoch für die ethnische Vielfalt einsetzt und dabei auch für die Erhaltung der eigenen Identität, darf nicht so genannt werden. Es fördert auch nicht die äußerst notwendige sachliche Diskussion. Er ist auch kein "Ausländerfeind", sondern ein Gegner des Aufbaus multikultureller Immigrationsgesellschaften, - und zwar grundsätzlich überall dort, wo kein Land an Immigranten abgetreten werden kann, das sich zur Besiedlung eignen würde.

      Auch für Japan oder irgendein anderes Land hielte ich den Aufbau einer multikulturellen Immigrationsgesellschaft für riskant. Zum Argument der Verpflichtung gegenüber den Armen der Dritten Welt wäre zu sagen, dass deren Probleme nicht durch Aufnahme von Emigranten gelöst würden. Europa könnte aus Afrika, Indien oder anderen Ländern des tropischen Asiens mehrere hundert Millionen Menschen aufnehmen und es würde sich dort nichts bessern. Wir würden nur die Probleme hierher importieren. Eine Hilfe muß anders erfolgen. Aber damit überhaupt geholfen werden kann, muß dort erkannt werden, dass das Schlüsselproblem für eine glückliche Zukunft der Menschheit in Wohlstand und Frieden eine wirksame Bevölkerungskontrolle ist. Mit einem jährlichen Zuwachs der Bevölkerung von über 3 % in Afrika, Indien und vielen anderen Gebieten der Dritten Welt steuern wir auf eine Katastrophe zu, bei der den technisch zivilisierten Ländern zuletzt nur noch die Abschottung als letzter Ausweg bliebe.

      Man geht bei allen internationalen Vereinbarungen davon aus, dass die Staaten imstande sein, souverän und selbstverantwortlich ihre Affären zu regeln und dass ihnen dabei keiner etwas hineinzureden habe. Zur Selbstverantwortung gehört aber auch eine Bevölkerungskontrolle in Übereinstimmung mit den dem Lande zur Verfügung stehenden Ressourcen. Beutet ein Land seine allgemeinen Güter wie Luft und Wasser über die Maßen aus, so dass Nachbarn in Mitleidenschaft gezogen werden, und vermehrt sich eine Bevölkerung über die Tragfähigkeit ihres Landes hinaus, so dass es schließlich zu sozialen Unruhen und Massenabwanderungen kommt, durch die andere in Mitleidenschaft gezogen werden, dann kann man dies nicht mehr als interne Angelegenheit eines Staates betrachten und es bedürfte dringend neuer internationaler Konventionen, um dieses Problem zu lösen. Unter anderem müßte klargestellt werden, dass auch unkontrollierte Vermehrung in einer bereits überbevölkerten Welt im Effekt, auch wenn nicht beabsichtigt, einem Akt der Aggression gleichzusetzen ist.

      Das klingt hart, weil wir heute die verschleiernde Ausdrucksweise der Politiker gewohnt sind - die von Geldwertverdünnung statt Inflation und von Minuswachstum sprechen, wohl in dem Glauben, dass das tumbe Volk dann nur "Wachstum" heraushört und damit zufrieden ist. Bei den anstehenden Problemen nicht klar auszusprechen, woran man ist, halte ich für unverantwortlich. Grundsätzlich sollten Diskutanten sich bei allem Engagement stets bewußt sein, dass Meinungsgegner keine Feinde sind. Sie helfen einander, im Gespräch die eigenen Argumente zu schärfen oder auch etwas in einem neuen Licht zu sehen. Sie zu beschimpfen oder ihen gar durch Verteufelung ihrer Ansichten das Wort abzuschneiden ist unfair und auch der Sache nicht dienlich.

      Wir haben zwei Probleme herausgegriffen und auf angeborene Dispositionen hingewiesen, die man kennen muß, wenn man Probleme dieser Art lösen will. Es gäbe noch vieles zu erörtern, z.B. das Problem unserer lndoktrinierbarkeit, bei der es sich um eine spezielle Lerndisposition handelt, die man kennen muß, um mit ihr umzugehen. Zu diskutieren wäre unser exploitativer Umgang mit der Natur, unser Streben nach Gewinnmaximierung und Wachstum, dem von unserer Natur her, ähnlich wie beim Machtstreben, keine Grenzen gesetzt sind. Die Selektion hat uns da keine Bremsen angezüchtet, es gab keinen Selektionsdruck. der auf Entwicklung von Zurückhaltung hingewirkt hätte, hier müssen wir uns aus Einsicht an die Zügel nehmen.


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      Wie friedensfähig sind wir eigentlich?

      Und wie steht es mit dem Krieg? Sind wir nicht von Natur so aggressiv veranlagt, dass wir das Abenteuer der Eroberung suchen, dass es uns zum Kriegführen treibt? Auch diese Frage stellt sich, wenn wir die Paradiesfähigkeit des Menschen diskutieren. Als Konrad Lorenz sein Buch ,,Das sogenannte Böse" veröffentlichte und auf die angeborenen Grundlagen auch der menschlichen Aggression hinwies, meinten viele, er entschuldige den Krieg und stelle ihn, weil aus den Anlagen des Menschen entspringend, als unabwendbar hin und fördere damit eine fatalistische Grundhaltung. Das war weder seine Intention noch seine Schlußfolgerung. Er schrieb vielmehr, dass er die innerartliche Aggression im gegenwärtigen Zeitpunkt der Menschheit für den gefährlichsten aller Antriebe halte, dass man ihm aber nicht beikomme, indem man ihn als etwas Mystisch-Unabwendbares hinnehme, sondern nur durch das Studium seiner Verursachung.

      Dennoch wird es auch heute noch oft so dargestellt, als hätte Lorenz eine fatalistische Grundhaltung vertreten. Um dem Eindruck entgegenzuwirken schrieb ich ,,Liebe und Haß", worin ich aufzeigte, dass bei den Wirbeltieren mit der Evolution der individuell fürsorglichen Brutpflege die Fähigkeit zu Liebe und affiliativem Verhalten in die Welt kam, und dass diese positiven sozialen Verhaltensmuster und Motivationen fest in unserem biologischen Erbe verwurzelt sind. Mit der Entwicklung der Brutpflege kamen sowohl die Motivation zu Betreuen und die Verhaltensweisen zur Betreuung als auch beim Kind die Motivation, Betreuung zu suchen und die Fürsorge auslösenden Signale in die Welt. Anpassungen, die auch in den Dienst der Erwachsenenbindung gestellt werden konnten. Viele der Verhaltensweisen der Balz, Bandstiftung und Bandbekräftigung erwachsener Vögel und Säuger entstammen diesem Repertoire. Sie wurden im Dienste der Signalgebung weiter entwickelt und verändert, lassen aber noch ihren Ursprung erkennen.

      Wir sind von Natur aus freundlich und zur Liebe, das heißt zu persönlicher Bindung, begabt. In einem weiteren Buch (Krieg und Frieden) führte ich dann aus, dass der Krieg keineswegs in unseren Genen schlummere, sondern als strategisch geplante, mit Waffen durchgeführte, auf Destruktion des Gegners gerichtete Gruppenaggression ein Ergebnis der kulturellen Evolution sei. Der Krieg nütze zwar angeborene Verhaltensdispositionen, andere würden jedoch über Indoktrination ausgeschaltet. so die uns angeborenen Hemmungen des Mitleids, die normalerweise als natürliche Gegenspieler das Eskalieren von Aggressionen ins Destruktive verhindern. Unter anderem beobachten wir bei den technisch zivilisierten Nationen ebenso wie bei Naturvölkern, dass Feinde zu Nicht-Menschen erklärt werden. Man verschiebt gewissermaßen die Auseinandersetzung auf ein zwischenartliches Niveau. Als Produkt der kulturellen Entwicklung ist der Krieg daher durchaus auch kulturell unter Kontrolle zu kriegen. Man muß nur wahrnehmen, dass er bisher Funktionen wie die der Ressourcensicherung erfüllte, die es, wenn man den Frieden will, auf unblutige Weise zu erfüllen gilt.

      Hier machen es sich manche Friedensengel zu einfach, indem sie den Krieg als Pathologie aburteilen und es beim Statement. sie seien für den Frieden, belassen. Damit haben sie sich als gute Menschen deklariert und mehr braucht es in unserer recht unkritischen Gesellschaft meist nicht. Der Applaus der Zuhörer ist ihnen nach einem solchen Friedensbekenntnis sicher. Nur der wirklichen Lösung bringt uns das nicht näher. Grundsätzlich ist der Mensch friedensfähig, ja ihn bewegt sogar Friedenssehnsucht und zwar nicht nur in der westlichen Welt. In dem genannten Buch habe ich das unter anderem mit den Texten einiger Trauerlieder der Medipa aus dem Bergland von Neuguinea belegt.


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      Humanisierung der Stadtumwelt

      Wir haben eingangs darauf hingewiesen, dass uns die Stadtumwelt Anpassungsschwierigkeiten bereitet. Dazu zum Abschluß noch einige Worte, da sie eine ganz andere Facette der Problematik unserer Anpassungschwierigkeiten beleuchtet und zugleich auch Lösungsmöglichkeiten aufzeigt
      Beim Wohnungs- und Städtebau der Nachkriegszeit gingen die Architekten davon aus, dass der Mensch sich wohl an die von ihnen erstellte Umwelt anpassen würde - gemäß dem Dogma der Milieutheorie. Sie bauten autogerecht und übernahmen das LeCorbusier`sche Konzept der Wohnmaschine. Und die Städte wurden unwirtlich, ja menschenfeindlich. Die Menschen fühlten sich in ihren Wohnungen von anderen isoliert, sie hatten Privatheit, vermißten aber das Eingebettetsein in eine kleinere Gemeinde ihnen vertrauter Mitmenschen. Sie vermißten ,,Naturnähe", und die ist offenbar kein mystischer Wert oder reine Spinnerei romantischer Seelen.

      Es handelt sich um ein Grundbedürfnis des Menschen, resultierend aus seiner stammesgeschichtlichen Prägung auf Umweltmerkmale, die den für uns optimalen Lebensraum anzeigen. Das erklärt unter anderem unsere Vorliebe für Pflanzen - die Phytophilie. Wir schmücken unsere Stadtwohnungen damit aus, es handelt sich um Farne, Gummibäume und andere robuste Pflanzen, die einzig und allein Naturnähe vortäuschen. Pflanzenmuster spielen auch in unserer Einrichtung eine große Rolle. Auch Menschen anderer Stadtkulturen schaffen sich eine Ersatznatur. In aller Welt legt man in den Städten Parklandschaften an. Sie er-innern mit ihren Baumgruppen und freien Wiesenflächen an die Savannenlandschaften In denen sich die Menschwerdung vollzogen hat.

      Wir machen uns auf diese Weise die Stadtumwelt bewohnbar und seit wir wissen, dass Menschen auch die kleine Gemeinde wollen, gestalten Architekten die Wohnumgebung nicht nur grün, sondern auch als potentielle Bühne der Begegnung, so dass die Bewohner der sozialen Wohnbauten einander begegnen. Als sozialintegrative Strukturen dienen Verweilzonen verschiedener Art. Mit dem vom Bürgermeister Helmut Zilk initierten Programm "vollwertiges Wohnen" hat der soziale Wohnungsbau Wien hier Pionierleistungen vollbracht und damit an gute Traditionen angeknüpft. Gegenwärtig bemühen wir uns im Rahmen eines Ludwig-Boltzmann-lnstituts für Stadtethologie um die Erforschung des Verhaltens des Menschen in der Stadt, um seinen Umgang mit dem Auto, den öffentlichen Verkehrsmitteln, über die Bedeutung von Treffpunkten für die Jugend verschiedener Bevölkerungsschichten, über das Familienleben und anderes mehr. Das erarbeitete Wissen soll der weiteren Humanisierung der Stadtumwelt dienen.


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      Sind wir paradiesfähig?

      Ich bin eigentlich zuversichtlich. Eine ganz wesentliche Voraussetzung ist nämlich vorhanden, der in aller Welt verbreitete Wunsch nach Wohlstand und Glück und der grundsätzlich gute Wille, dies mit anderen zu teilen. Das reicht aber noch nicht aus. Wir müssen auch unser Wissen durch Forschung mehren und es schließlich auch verantwortlich und vernünftig gebrauchen. Dem Wissen über uns selbst kommt dabei in unserer kritischen Gegenwartslage besondere Bedeutung zu.

      Die verschiedenen Disziplinen vom menschlichen Verhalten sind damit zu intensiver Kooperation aufgerufen. In der Beherrschung der außerartlichen Umwelt haben wir erstaunliche Fortschritte erzielt und wir sind fasziniert von unserem Können und investieren ohne weiteres Milliarden, um weitere Techniken der Naturbeherrschung zu erarbeiten. Uns selbst dagegen beherrschen wir nur mangelhaft. Wir scheuen vor Forschung über uns selbst zurück und überlassen die Menschenführung den Ideologen. nicht gerade zu unserem Vorteil, wie die Geschichte bis in die Gegenwart lehrt.


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      Literatur:

      Eibl-Eibesfeldt, I. (1970,1984): Liebe und Haß. Zur Naturgeschichte elementarer Verhaltensweisen. Piper, München
      Eibl-Eibesfeldt, I. (1975, 1984): Krieg und Frieden aus der Sicht der Verhaltensforschung. Piper. München
      Eibl-Eibesfeldt, I. (1984. 1986): Die Biologie des menschlichen Verhaltens. Grundriß der Humanethologie. Piper, München
      Eibl-Eibesfeldt, I. (1988): Der Mensch, das riskierte Wesen. Zur Naturgeschichte menschlicher Unvernunft. Piper, München
      Eibl-Eibesfeldt, I. (1991): Deutschlands Zukunft Nationalstaat oder multikulturelle Gesellschaft?
      In: D.KelIer (Hg.): Nachdenken über Deutschland. Verlag der Nation Berlin. S.38-63
      Eibl-Eibesfeldt, I; Hass. H.; Freisitzer. K. Gehmacher, E.; Glück. H. (Hg.): Stadt und Lebensqualität. DVA Stuttgart & ÖBV, Wien, S. 49-84
      Lorenz, K. (1963): Das sogenannte Böse. Borotha-Schoeler, Wien

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      http://www.estelmann.com/private/eibl1.htm
      Avatar
      schrieb am 24.02.03 22:55:37
      Beitrag Nr. 2 ()
      In einem weiteren Buch (Krieg und Frieden) führte ich dann aus, dass der Krieg keineswegs in unseren Genen schlummere, sondern als strategisch geplante, mit Waffen durchgeführte, auf Destruktion des Gegners gerichtete Gruppenaggression ein Ergebnis der kulturellen Evolution sei.
      Der Krieg nütze zwar angeborene Verhaltensdispositionen, andere würden jedoch über Indoktrination ausgeschaltet.
      So die uns angeborenen Hemmungen des Mitleids, die normalerweise als natürliche Gegenspieler das Eskalieren von Aggressionen ins Destruktive verhindern.
      Unter anderem beobachten wir bei den technisch zivilisierten Nationen ebenso wie bei Naturvölkern, dass Feinde zu Nicht-Menschen erklärt werden.[ vgl. Indianer-Problematik! ]
      Man verschiebt gewissermaßen die Auseinandersetzung auf ein zwischenartliches Niveau. Als Produkt der kulturellen Entwicklung ist der Krieg daher durchaus auch kulturell unter Kontrolle zu kriegen.
      Man muß nur wahrnehmen, dass er bisher Funktionen wie die der Ressourcensicherung erfüllte, die es, wenn man den Frieden will, auf unblutige Weise zu erfüllen gilt.



      Deswegen ist Krieg heutzutage nicht mehr notwendig- es ist nicht unser vorherbestimmtes Schicksal, man will uns das nur glaubend machen!

      Wir sind auf dem falschen Weg, Bush ist der gefährlichste Vertreter dieses Irrweges.
      Avatar
      schrieb am 25.02.03 06:40:59
      Beitrag Nr. 3 ()
      Auch Politiker, die in einem demokratischen Verfahren in Führungspositionen gewählt wurden, fallen leicht den Verführungen der Macht anheim. Sie werden zwar auf Grund ihres freundlich sympathischen und wohl auch sicheren Auftretens gewählt, aber Blender schlüpfen leicht in diese Rolle und da das Wahlvolk seine Politiker nicht wirklich kennt, ist die Auslese der Politiker schwierig, solange man nicht über objektivere Kriterien für Kompetenz verfügt.

      Das Machtstreben ist nun deshalb so problematisch, weil es sich dabei um einen Antrieb handelt, der keine abschaltende Situation kennt. Anders als bei Hunger, Durst oder Sex, die gegen Übertreibung durch Mechanismen der Sättigung abgesichert sind, gibt es beim Machtstreben keine Sättigung und keine abschaltende Endsituation. Im Gegenteil.

      Hat ein Mann Erfolg (bei Frauen ist die Physiologie des Erfolgstrebens noch nicht untersucht), dann kommt es zu einem Anstieg des Bluttestosteronspiegels. Tennispieler, die ein Match gewinnen, erleben innerhalb der nächsten 24 Stunden einen signifikanten Anstieg dieses Hormonspiegels, verlieren sie aber, so sinkt dieser ab. Das gleiche erleben Studenten, wenn sie eine Prüfung erfolgreich bestanden haben. Dieser Hormonreflex bei Erfolg hebt das Selbstgefühl und stachelt damit weiter an. In der Kleingruppe sind dem, was jemand erreichen kann, natürliche Grenzen gesetzt. Außerdem ist das Machtstreben durch persönliche Verbundenheit gemildert. In der anonymen Großgesellschaft der heutigen Welt dagegen sind Aufstiegsmöglichkeiten quasi unbegrenzt. Schon sprechen die amerikanischen Militärs davon, dass Amerika nunmehr Weltmacht No.1 sei und sie diese Position auch gegenüber Europa verteidigen würden, notfalls mit Gewalt.

      Mit den heute von der Technik zur Verfügung gestellten Mitteln kann das ausufernde Machtstreben höchst gefährlich werden. Gewiß, die positive Rückkoppelung, die den Erfolgreichen weiter anstachelt, bringt ihn zuletzt oft selbst um die Früchte des Erreichten. Viele Heerführer haben sich zu Tode gesiegt. Aber es blieben dabei viele Mitmenschen auf der Strecke.



      Hierin, und hauptsächlich hierin ( neben dem Machtstreben iat auch das Maximale Gewinnstreben einzelner gesellschaftsschädlich ) liegt die Ursache des Scheiterns sämtlicher Systeme, die Macht nicht genug begrenzen.


      Also sowohl des Kommunismus als auch des Kapitalismus.


      Denkt mal weiter, was das alles bedeutet!
      Avatar
      schrieb am 26.02.03 07:50:26
      Beitrag Nr. 4 ()
      Sittin,
      ne,wir werden nie paradiesische Zustände erreichen,sollten
      dies jedoch permanant anstreben

      die Meinung über die Fremden teile ich nicht

      Vieles ist richtig,mir aber zu abstrakt,was ändert sich dadurch?

      Ich bin ein Freund des Konkreten
      Avatar
      schrieb am 26.02.03 21:34:24
      Beitrag Nr. 5 ()
      opti, leider sind wir ja immer noch auf den entgegengesetzten Kurs- wir müssen erstmal das Ruder rumreissen, bevor es uns umreißt!


      **********************************************


      #113 von Stormy 26.02.03 20:31:55 Beitrag Nr.: 8.741.500 8741500
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      Der manische Mensch (von Thomas Fuchs)

      Schon diese kurze Beschreibung der Manie als Krankheitsbild dürfte einige Assoziationen zu aktuellen gesellschaftlichen Phänomenen geweckt haben. Gehen wir nun diesen Parallelen systematischer nach, und zwar anhand einiger Grundstrukturen, die sich an der Manie erkennen und als Folien einer Zeitdiagnose gebrauchen lassen.


      1) Expansivität

      Die Grundbewegung des manischen Menschen ist die Expansion. Die gewohnte Welt ist ihm zu eng, Grenzen erkennt er nicht an: Er platzt gleichsam aus den Nähten. Weiter, höher, schneller - darauf ist alles Handeln ausgerichtet. In seinen expansiven Größenideen identifiziert der manische Mensch sein Selbst mit dem Raum der Welt. Er plant seine Projekte maßlos ins Weite und Großartige. Allerdings kann er sein Handeln wenig den Umständen anpassen, denn er verkennt Risiken und nimmt nicht mehr wahr, welche Resonanz er erfährt. Stattdessen zwingt er seine Eigenordnung der Außenwelt auf. Er bemächtigt sich der Welt, ohne sich von ihr bestimmen zu lassen, ohne Rücksicht auf ihre Eigenheiten und Eigenzeiten.


      Den Beleg für einen solchen Zustand der Gesellschaft zu finden, fällt nicht schwer: Ein Blick in den Wirtschafts- und Börsenteil der Zeitung genügt. Die Verbindung von neuen Technologien, kapitalkräftigen Anlegern und expansionslüsternen Unternehmen hat den Kapitalismus zur Jahrtausendwende in einer bisher ungeahnten Weise beschleunigt. Enthemmend wirkte sich vor allem der Zusammenbruch der kommunistischen Systeme aus, der dem Markt die immerhin noch angelegten Zügel schießen ließ. So ist seit der Wende die Gewinnentnahme aus den Unternehmen auf das Doppelte gestiegen. In der Hektik der Börsen spiegelt sich der Verlust jeder Proportion zwischen dem angehäuften privaten Reichtum einerseits und der realen Produktivität der Gesellschaft andererseits.

      Keineswegs sind es nur Berufsspekulanten und Abenteurer, die das Rad ankurbeln; der Börsenrausch hat längst den Normalverbraucher erfaßt. Immer neue Kursrekorde und Traumgewinne ziehen die Massen an. "Machen Sie Ihre erste Million", "Fangen Sie noch heute an, reich zu werden", "Spekulier dich reich" fordern Finanz- und Boulevard-Blätter ihre Leser auf.8 18 Börsenzeitschriften zählt man bereits hierzulande, und die Spekulation nimmt absurde Züge an. "Kurse von High-Tech-Unternehmen, die an der Wachstumsbörse neu platziert werden, sprin-gen am ersten Handelstag ohne ersichtlichen Grund um mehrere hundert Prozent höher. Anleger folgen blind den Aktientipps in TV-Sendungen."9 Millionen verlangen nach Anteilsscheinen einer noch vor kurzem völlig unbekannten Chip-Firma, die den passenden Namen "Infineon" trägt: grenzenlos. Ihr Chef ist nebenberuflich Autorennfahrer, was ja auch erfolgversprechender wirkt, als in der Freizeit Halma zu spielen.10

      Im manischen Gründungsfieber zählen nicht mehr Erfahrung und solide Finanzierung, sondern Risikolust und Draufgängertum. Dazu verleiten neue Formen der Wirtschaft, die nicht mehr auf reale Produktivität gegründet sind. Potemkinsche Dörfer etablieren sich allein durch Größenideen und Selbstüberzeugtheit. Neue Internet-Firmen entstehen im virtuellen Raum, es genügen bloße Ankündigungen, um an der Börse bereits Erwartungen zu wecken und das Spekulationsfeuer zu entfachen. Zahlreiche "Wagniskapitalfirmen" stehen bereit, sie mit "Venture-Capital" zu versorgen. Auf diese Weise er-werben sich heute 30jährige Jungunternehmer nach wenigen Jahren Millionen- oder Milliarden-Vermögen - ohne je eine Mark Gewinn erwirtschaftet zu haben. "Der Maßstab dieser Gründerelite ist nicht Hamburg, Berlin oder München, sondern Europa oder die Welt. Schon kurz nach dem Start eröffnen sie Filialen in London oder San Francisco."11

      Gleichzeitig hat die Fusionsmanie den Globus erfaßt. Längst verleiben sich die Firmen der New Economy die Traditionsfirmen der alten Wirtschaft ein. Wer andere nicht verschlingt, muß damit rechnen, bald selbst zur Beute zu werden - so kann die Manie der Manager auch paranoide Züge erhalten. Das Kapital für die Transaktionen liefert die Börse, nicht mehr mit Bargeld, sondern mit Aktien - also Geld, das von Unternehmen selbst gedruckt wird. Börsenboom und Fusionsmanie schaukeln sich ge-genseitig hoch. Euphorisch kündigen zwei deutsche Bankhäuser ihre Vereinigung zum weltgrößten Finanzunternehmen an (Jahresbilanz 2,4 Billionen DM): "Was hier entsteht, ist ein europäisches Powerhaus mit globaler Reichweite und internationaler Konkurrenzfähigkeit" - so einer der Vorstandschefs.12 Ein solcher Riese will noch mehr verschlingen, und so drängt der Vorstand schon weiter: "Viel Zeit haben wir bei alledem nicht. Speed, speed, speed - es gilt das alte Motto."13 Im letzten Moment scheitert jedoch das Projekt kläglich, im Größenrausch hatte man einige wichtige Details der Kooperation nicht bedacht.


      2) Beschleunigung

      Manisches Handeln ist geprägt von rastloser Hetze und Getriebenheit. Die Gegenwart genügt nicht, ja sie ist geradezu definiert durch das, was noch möglich wäre, was noch fehlt. Das eigentliche Leben ist immer anderswo. Der manische Mensch ist sich ständig selbst vorweg, in der vermeintlich unbegrenzten Offenheit seiner Möglichkeiten. Er kann die Zukunft nicht mehr erwarten, sondern muß sie in Angriff nehmen und erobern. Dabei mißachtet er die natürlichen Rhythmen, die der Beschleunigung entgegenstehen: Er verdrängt die zyklische Zeit des eigenen Leibes und der äußeren Natur zugunsten der linear beschleunigten Zeit.


      Immer rascher dreht sich das Rad von Innovation, Produktion, Konsum und Verbrauch. Die Werbeindustrie gaukelt uns ständig neue Möglichkeiten vor und treibt den Zeitrausch an. Schneller, lustvoller, intensiver leben, alles ausschöpfen! Rund um die Uhr und sonntags einkaufen! Fortwährend hämmert man uns ein, daß es gerade noch Zeit sei, hier einen Vorteil zu ergattern, da noch den Bausparvertrag, dort noch die Lebensversicherung abzuschließen.Wer am schnellsten ist, erhält die Prämie. Dazu braucht man mehr als zwei Beine. Supersportwagen, 4-Wheel-Drives, Freizeit-, Funvehikel oder Kleinstmobile - die Zahl der Modelle der Autoindustrie ist geradezu explodiert. Oder nehmen wir die Bildmedien: Die Programmangebote haben sich vervielfacht, die Sendeeinheiten verkürzt, die Handlungsabläufe und Schnittwechsel kontinuierlich beschleunigt (man vergleiche beispielsweise ein nahezu stroboskopisches Elaborat wie Tim Tykwers "Lola rennt" mit den behäbigen "Kommissar"-Filmen der 70er Jahre!). Ständig neue EDV-Programme erfordern schon wieder Umstellungen, noch ehe man sich in das alte Verfahren richtig einarbeiten konnte. Überall entstehen Erfahrungen des Zurückbleibens.

      Beschleunigung liegt freilich in der Logik des Systems: Der Markt ist angelegt auf die Überwindung der Grenzen von Raum und Zeit. Seit den Anfängen des Kapitalismus geht es dem Kaufmann um den Vorsprung vor der Konkurrenz; Monate, Tage oder Stunden früher dazusein, entscheidet über Gewinn oder Verlust. Zukunft bedeutet im Kapitalismus nicht, etwas auf sich zukommen zu lassen, sondern anderen zuvorzukommen. Zugleich erzeugt der Markt ständig neue Möglichkeiten, immer schnellere Abfolgen von Anbietern und Angeboten. Derzeit erleben wir eine regelrechte Explosion der Wahlmöglichkeiten, vom Supermarkt über Telefonanbieter bis zum Stromversorger.14 Wer sich nicht über das jeweils beste Angebot informiert, hat scheinbar schon verloren. Es fällt immer schwerer, bei einer Wahl zu bleiben, Gewohnheiten zu bilden und sich nicht vom ubiquitären Marktgeschrei irritieren zu lassen. Denn der manische, innovationsbesessene Mensch hat nichts mehr übrig für Traditionen und Gewohnheiten.

      An der Spitze der Beschleunigungskaskaden stehen der Geld- und der Informationskreislauf. Die Finanzmärkte aller Weltstädte sind ohne "time lag" miteinander verbunden. In Sekundenbruchteilen werden Millionen zwischen den Börsen der Welt bewegt, täglich mehr als tausend Milliarden Dollar transferiert, meist ohne etwas anderes zu kaufen als Geld: Der realwirtschaftliche Anteil der Transaktionen ist minimal. Aus der Akzeleration des Marktes folgt notwendig die ebenso beschleunigte Kommunikation. Bezeichnenderweise wurde das Telefonsystem im 19. Jahrhundert zunächst zur schnelleren Nachrichtenübermittlung zwischen den Aktienbörsen errichtet.15 Seither hat sich der Informationsfluß ständig beschleunigt; und gemessen an der Taktfrequenz der Prozessoren, verläuft auch seine Beschleunigung längst nicht mehr gleichmäßig, sondern exponentiell. (Soeben erscheint der erste Gigahertz-Prozessor auf dem Markt - eine Milliarde Schalttakte in der Sekunde.16)

      So wie das Geld nur noch Geld kauft, beginnt freilich die Information heute sich selbst zu informieren. Denn mit dem Tempo ihrer Vervielfältigung kann die tatsächliche Verwertung längst nicht mehr Schritt halten. Die Masse an potientiell verfügbarem Wissen läßt sich immer weniger in aktuelles Wissen umwandeln. Die bloße Bewegung von "Informationen" bleibt aber ein völlig sinnloses Geschehen, solange sie ein Mensch nicht versteht und sich aneignet. An die Stelle des persönlich erworbenen und selbst beherrschten Wissens tritt dann eine anonym zirkulierende Informationsmasse - ein Scheinwissen. Damit entstehen letztlich neue Formen der Dummheit: So wie für das zirkulierende Geld keine reale Deckung mehr existiert, so wird der Teilnehmer an der globalen Informationsflut zum bloßen Relais, dessen technisches Vermögen der Informationsverarbeitung in umgekehrtem Verhältnis zu seiner Bildung steht. Eine weitere Nachricht in den globalen Informationspool eingespeist zu haben, wird wichtiger als das individuell organisierte Wissen - so als wäre das Internet realer als seine Benutzer. Auch hier koppeln sich Beschleunigungsprozesse von denen ab, denen sie eigentlich dienen sollen.

      Betrachten wir schließlich ein letztes Beispiel von Beschleunigung, nämlich die biologische Akzeleration. Seit dem 19. Jahrhundert, besonders aber seit dem 1.Weltkrieg ist bekanntlich eine zunehmende Vorverlagerung der Pubertät zu beobachten, verbunden mit gesteigertem Größenwachstum, verkürzter Schlafdauer, erhöhter nervöser Ansprechbarkeit und Erregbarkeit. Kinder kommen heute 2-3 Jahre früher in die Pubertät, werden 6-10 cm größer und schlafen 1-2 Stunden weniger als noch vor hundert Jahren. Auch wenn die Ursachen dafür nicht eindeutig geklärt sind, stellt die Reizintensivierung zweifellos einen wesentlichen Faktor dar. Es ist zu vermuten, daß die Computerisierung der Kindheit einen weiteren biologischen Beschleunigungsschub bewirken wird. Die Akzeleration bringt allerdings Disharmonien zwischen körperlicher, seelischer und sozialer Entwicklung mit sich. Die seelische Reifung wird durch die frühzeitige kognitive Stimulierung häufig gestört. Die Psychiatrie entdeckt dann bei den Schulkindern neue Krankheiten wie das "hyperkinetische" oder das "Aufmerksamkeitsmangelsyndrom" (Attention Deficit Disorder): Eine Hirnstoffwechselstörung soll nun vorliegen, wo Kinder schlicht auf Reizüberflutung und mangelnde familiäre Geborgenheit überfordert reagieren. Die Opfer der kollektiven Beschleunigung sind immer Einzelne. Es muß an ihnen liegen, wenn sie nicht Schritt halten können.


      3) Flüchtigkeit (Volatilität)

      Trotz seiner Empfänglichkeit für immer neue Reize fehlt es dem manischen Menschen an wirklichem Interesse für die Dinge und Menschen, mit denen er zu tun hat. Seine Ungeduld läßt immer nur flüchtige, oberflächliche Kontakte zu. Eine tiefere, nachhaltige Auseinandersetzung mit dem Neuen oder Fremden kommt nicht zustande. Die Gedanken und Einfälle sind charakterisiert durch Ablenkbarkeit, Sprunghaftigkeit und Ideenflucht. Auch die Resultate manischen Handelns sind selten dauerhafter Natur. Zuviele Projekte werden begonnen und nach kurzer Zeit desinteressiert wieder beiseite geschoben. Was heute Begeisterung auslöst, ist morgen schon wieder veraltet oder vergessen. Vergangenheit und Tradition vermitteln keine gültigen Orientierungen; die Beziehungen bleiben unverbindlich. Das Dauerhafte löst sich auf in der Fülle beliebiger Möglichkeiten. - Der Psychiater Ludwig Binswanger bezeichnete diesen Grundzug des Manischen als "Volatilität".17


      Unser gesellschaftlicher Umgang mit Gedanken, Einfällen und Informationen läßt sich als eine institutionalisierte Ideenflucht bezeichnen. Während frühere Zeiten den Wert von Gedanken vor allem darin sahen, daß sie in gleicher oder ähnlicher Form seit je gedacht und gelehrt worden waren, sind wir umgekehrt von einer Neomanie befallen, in der Innovation per se schon als Wert gilt. Entsprechend wächst der Anteil der Ideenproduktion an der Wertschöpfung ständig. Die Aktienkurse von Software- und Ideenfirmen bewegen sich kometenhaft nach oben oder wieder nach unten, anders als die gemächlichen Bewegungen klassischer, auf den Produktionsmitteln basierender Unternehmungen. Die Regeln des Softwaregeschäfts, flüchtige Vorteile und ständige Bedrohung der Marktposition bestimmen immer mehr die Wirtschaft. "Volatilität" ist nicht zufällig auch der Fachausdruck für den labilen Zustand einer überhitzten Börse.

      Die Neomanie liegt schon im gesellschaftlichen Leitbegriff der Information, der nämlich kommunikationstheoretisch nichts anderes bedeutet als das Neue gegenüber dem Wahrscheinlichen oder Erwarteten, oder die Differenz zur Redundanz. Information, in ‚bit` gemessen, ist ein rein technisches Maß, das nicht zwischen guten oder schlechten, intelligenten oder dummen Nachrichten unterscheidet. Kein Computer kann Sinn oder Wert einer Nachricht beurteilen - er registriert nur Unterschiede. In einer Welt, in der "Information" als solche zum höchsten Wert wird, droht die Fähigkeit zur Auswahl, Bewertung und Sinnbildung zu verkümmern. So können wir uns zwar immer mehr Informationen verschaffen, jedoch ohne sie noch verar-beiten und zu einem sinnvollen Ganzen integrieren zu können. Daten und Bilder ziehen an uns vorüber, ohne einen nachhaltigen Eindruck zu hinterlassen. Der Ideenflucht entspricht das flüchtige Betroffensein ohne Konsequenz. Ruanda, Kosovo, Indonesien, Tschetschenien - wofür soll ich mich einsetzen? Im Meer der In-formationen drohen wir die Orientierung und Handlungsfähigkeit zu verlieren.

      Flüchtigkeit kennzeichnet auch die Bewegungen und Begegnungen. Die explosionsartige Beschleunigung des Verkehrs läßt zwar die Entfernungen schrumpfen, aber um den Preis, daß nun das Nahe nicht mehr wahrgenommen wird. Denn der manische Mensch überspringt das Nächste; er ist immer schon beim Übernächsten und Fernsten, das im Nu erreichbar ist. Allerdings kommt dort nicht wirklich an. Ankommen setzt voraus, dass man unterwegs war, d.h. die Bewegung selbst in ihrer eigenen Zeit erfahren konnte.18 Und es setzt voraus, daß man sich am Ort der Ankunft aufhält, dort verweilt und sich der Begegnung überläßt. Aber dieses Verweilen würde ja der nächsten Bewegung Zeit stehlen. Proportional mit der Zahl der Stationen steigt daher die Folgenlosigkeit der Begegnungen. Es entsteht eine unruhige Aufenthaltslosigkeit, eine "zielstrebige Ziellosigkeit".19 Eigentümlicherweise verlieren die erstrebten Ziele schon bei der Annäherung ihren Reiz, so als ahnte man die wiederum ausbleibende Erfüllung schon voraus. Das ungeduldige Warten im Transit-Raum ist das Signum der Zeit. Diese moderne Befindlichkeit hat schon Brecht in seinem Gedicht "Radwechsel" beschrieben:

      Ich sitze am Straßenrand
      Der Fahrer wechselt das Rad.
      Ich bin nicht gern, wo ich herkomme.
      Ich bin nicht gern, wo ich hinfahre.
      Warum sehe ich den Radwechsel
      Mit Ungeduld?

      Die Flüchtigkeit oder Volatilität der geistigen und räumlichen Bewegungen hängt zusammen mit einer Tendenz zum Verschwinden von Widerständen. Kommunikation und Verkehr erforderten ursprünglich die Auseinandersetzung mit dem Widerstand des Raumes, die Überwindung der Entfernung und der vielfältigen Hindernisse auf dem Weg. Solche leiblich erfahrenen Wege sind heute zunehmend überflüssig geworden. Virtuelle Kommunikation, Bild-übertragung, Daten- und andere Autobahnen ersparen mühevolle Annäherungen. Die bevorzugte Bewegungsform des manischen Menschen ist die des Surfens, Fliegens, Gleitens, Schwebens, Skatens - möglichst unleiblich-schwerelose Bewegungen mit minimalem Kontakt und Widerstand in einem volatilen Medium.20 Vergleichen wir dies mit einigen typischen Tätigkeiten in agrarisch oder handwerklich strukturierten Gesellschaften, etwa dem Wandern, Pflügen, Jäten, Hobeln, Meißeln: In solchen Bewegungen wird immer auch eine Gegenwirkung spürbar. Tätigkeiten, die sich gegen Widerstände durchsetzen und an ihnen wachsen, vermitteln aber Erfahrung. Erfahren heißt Widerstände kennenzulernen und sie in das eigene Wissen und Können zu integrieren. Wer erfahren ist, weiß, wo er mit seiner Aktivität ansetzen und wie er den Widerstand des Materials nutzen muß, um sein Ziel zu erreichen. Die großen Bildungsromane handelten von Wegen und Umwegen, von Reisen und Wanderjahren, die nötig waren, um den Protagonisten am "Erfahren" der Wirklichkeit reifen zu lassen. Stattdessen lautet heute das manische Motto der Bundesregierung: "Columbus mußte viele Jahre reisen, um die Welt zu entdecken. Unsere Schüler brauchen dafür nur einen Vormittag im Internet."21

      Tatsächlich verhält es sich umgekehrt: Je mehr Widerstände aus dem Weg geräumt, Schwellen eingeebnet und Distanzen übersprungen werden, desto geringer die Möglichkeit, Erfahrung zu sammeln. Und desto geringer schließlich auch die Frustrationstoleranz: Man hat nicht mehr gelernt, angesichts von Widerständen und Rückschlägen beharrlich zu bleiben. Die für die Ichreifung nötige Geduld, die Fähigkeit zum Aufschub unmittelbarer Bedürfnisbefriedigung oder zum Verzicht wird immer weniger geübt. Mehr noch: Solche Fähigkeiten stellen bereits keine Tugenden mehr dar. Die sofortige Befriedigung erscheint als gutes Recht, der Verzicht als Dummheit. Nur der mühelose Erfolg verspricht das Glück. Unter solchen Voraussetzungen können schon harmlosere Enttäuschungen oder Versagungen in Gereiztheit und - wie bei den Jugendlichen von Littleton oder Bad Reichenhall - in unvermittelte Aggression umschlagen. Schließlich bietet der Drogenrausch noch die Möglichkeit, die nicht mehr ertragbare Widerständigkeit der Realität aufzuheben.

      Wo immer weniger Erfahrungen gemacht werden, gilt auch der Erfahrene nichts mehr. Die Schnellen und die Jungen bestimmen die Richtung, denn sie sind "auf der Höhe der Zeit". Das allmählich Herangereifte und Gewachsene ist immer zu langsam, wenn es um Beschleunigung geht (Pflanzen lassen sich bekanntlich nicht aus der Erde ziehen). Eine im Jugendwahn befangene Gesellschaft kultiviert die neuen Tugenden der Spontaneität, Extrovertiertheit und des unmittelbaren Auslebens von Gefühlen. Damit erhebt sie eine der Jugend zugehörige Lebenseinstellung zum Ideal für alle - und verliert das Maß für das Verhältnis von Beständigkeit und Wechsel.

      Eine Gesellschaft, die ihre Orientierungen nicht mehr aus Erfahrung gewinnt, gibt schließlich auch ihr Geschichtsbewußtsein auf. Der manische Mensch will die Fesseln der Vergangenheit sprengen - man denke an die Walser-Rede - ohne seine Vergangenheit in die Zukunft mitzunehmen. Er verliert die geschichtliche Identität und Verantwortlichkeit, die aus einmal getroffenen Entscheidungen und Wertorientierungen resultiert. An ihre Stelle tritt die Beliebigkeit des Möglichen. Denn es gibt immer andere Orte, an denen man sein, andere Wege, die man begehen, andere Menschen, mit denen man zusammensein könnte. Unser Umgang mit den Apparaturen, das "Zappen", "Switchen", "Umprogrammieren", wird zum Umgang mit uns selbst. Die serielle Identität tritt an die Stelle von Verbindlichkeit, Reifung und Integration.


      4) Distanz- und Respektverlust

      Die manische Expansivität äußert sich in raumgreifendem Verhalten, in Distanzlosigkeit und Aufdringlichkeit. Der manische Mensch kennt keine Grenzen und Eigensphären, er verleibt sich den Raum der Anderen ein und eignet sich an, was er gerade benötigt. Im Gegenzug drängt er seine Einfälle der Umwelt auf, sein Rede- und Mitteilungsbedürfnis ist unerschöpflich. Er liebt das Schockierende und das Obszöne, denn alle Tabus sind ihm zuwider. Für die Feinheiten des Erotischen oder des Takts hat er keinen Sinn. Er macht sich nicht die Mühe, sich in die Sicht der Anderen hineinzuversetzen, und geht davon aus, daß ihre Interessen mit den eigenen übereinstimmen. So behandelt er alles mit einer heiteren Rücksichtslosigkeit, einer naiven Gewissenlosigkeit.


      Unsere Kommunikation nimmt heute Züge einer ubiquitären Geschwätzigkeit an - von den Talk-Shows bis hin zu den "Chat-Rooms" im Internet. Bereits das herkömmliche Telefon ist ein distanzloses Kommunikationsmittel, das es erlaubt, jederzeit in den Privatbereich des Empfängers einzudringen, jeden Mitteilungsimpuls sofort und per Lichtgeschwindigkeit zu realisieren. Das Handy ist nun das manische Kommunikationsmittel schlechthin, erlaubt es doch die simultane Befriedigung zweier zentraler manischer Bedürfnisse: des Bewegungs- und des Rededrangs (unnötig zu sagen, daß viele manische Patienten ihr Handy mit in die Klinik nehmen). Die Überflüssigkeit eines Großteils der "mobil" geführten Gespräche ist schon sprichwörtlich. Gleichwohl gibt es kaum einen öffentlichen Raum mehr, der von dieser Logorrhoe verschont bleibt. Kein Gespräch mit einem real Anwesenden, keine Veranstaltung ist so wichtig, daß sie nicht jederzeit unterbrochen werden könnten. Dabei scheint keiner der Benutzer selbst unter der permanenten Störbarkeit zu leiden - im Gegenteil: Erreichbar sein heißt wichtig sein.

      Ebenso werden fortwährend Intimitätsschranken eingerissen, etwa indem jede Talkshow das Innerste eines Menschen dem Voyeurismus der Zuschauer darbietet. Das Motto lautet: "Ich bekenne." Das Resultat ist allerdings, daß der Studiogast sein Inneres dabei gar nicht mehr "preisgeben" oder "offenbaren" kann, weil das Intime und Persönliche sich in der Zur-Schaustellung bereits aufgelöst hat. Was uns da an angeblich intimen Gefühlen, Lüsten, Abgründen oder traumatischen Erfahrungen distanzlos aufgedrängt wird, sind nur noch schlechte Kopien authentischer seelischer Phänomene, da diese überhaupt nur unter dem Schutz der Intimität existieren können. Der gierige Blick der medialen Öffentlichkeit bemächtigt sich mit geheuchelter Anteilnahme gerade des Abnormen und Abgründigen, um es auf dem Bildschirm sich prostituieren zu lassen. Dabei muß der abgestumpfte Voyeurismus mit ständig gesteigerten Exhibitionen und Perversionen gefüttert werden, die im Moment ihrer Ausstrahlung den Reiz des Tabubruchs schon wieder verlieren. "Big Brother" kann als vorläufiger Höhepunkt dieser manischen Distanzlosigkeit gelten.

      Ähnliche Beobachtungen kann man beim allgemeinen Umgang mit Grenzverletzungen machen. In einer deutschen Großstadt begeht jeder vierte Autofahrer nach einer Kollision Fahrerflucht22: Wo gehobelt wird, fallen eben Späne. Die gleiche Gesinnung verrät das Verhalten von Politikern in der jüngsten Parteispendenaffäre: "Ent-schuldigung" zu sagen ist heute keine Bitte mehr, keine Geste der Demut, sondern eine freche Selbstrechtfertigung für eine mutwillig begangene Grenzüberschreitung, deren Konsequenzen für andere schon einkalkuliert waren. Dreistigkeit wird belohnt, Schuldgefühle sind obsolet, bestenfalls zu bemitleiden. Schon bei Kindern gelten Zurückhaltung, Scheu und Schüchternheit als abnorm, sind Grund zum Aufsuchen eines Psychologen, während umgekehrt das selbstverständliche In-Besitz-Nehmen einer fremden Wohnung von den stolzen Eltern als Zeichen der Selbstsicherheit ihrer Sprößlinge gewertet wird. So sind sie für den Kampf um die Spitzenplätze der Gesellschaft am besten gerüstet.


      5) Ressourcenerschöpfung

      Der manische Mensch lebt über seine Verhältnisse. Die Beziehung zum eigenen Leib wie zur Natur ist von willkürlicher Verfügungsgewalt geprägt. Der Manische mißachtet die Bedürfnisse seines Körpers, gönnt ihm keinen Schlaf, ignoriert die Zeichen beginnender Erschöpfung. Der Körper wird ohne Rücksicht ausgebeutet, zum bloßen Vehikel und Instrument des übersteigerten Antriebs. Das gleiche gilt für die natürlichen und sozialen Ressourcen, die in bedenkenlosem Raubbau verschleudert werden. "Nach uns die Sintflut" ist das Prinzip des manischen Menschen. Sein letztes Ziel ist die Befreiung von allen Abhängigkeiten, die ihn an seine natürliche Basis binden.


      Nicht alle können im Rausch von Beschleunigung, Konsum und Life Style mithalten. Über zwei Millionen Haushalte in Deutschland sind bereits hoffnungslos verschuldet. Immer größer wird das Heer der Frühberenteten, die die jeweils nächste Modernisierungswelle nicht mehr bewältigen und schon nach zwei, drei Jahrzehnten ausgedient haben. In Japan, das in der gesellschaftlichen Beschleunigung eine Spitzenstellung einnimmt, kennt man "Karoshi", den Tod durch Überarbeitung. Aber auch bei uns kommt es zu Überforderungserscheinungen: Immer mehr Menschen erkranken seelisch und körperlich an ihrer Arbeit, soziale Bindungen zerfallen als Folge der Hypermobilität, während gleichzeitig millionenfach Arbeitskräfte dauerhaft brachliegen, weil sie von der Maschinerie nicht genutzt werden können.

      Jede sinnvoll konstruierte Maschine bedarf eingebauter Regulatoren, die ein Überdrehen verhindern: Überdruckventile, Thermostate, Drehzahlmesser, Bremsen. Wir sitzen in einer Maschine, deren Motor sich immer rascher dreht, die jedoch über keine Bremsen verfügt. Gehemmt wird diese Maschine allenfalls durch Reibung, also durch Widerstände ihrer Einzelteile. Einer solchen Maschinerie droht der Kollaps durch Überhitzung. Die manische Entgleisung einer Gesellschaft beginnt dort, wo sie ihre Ökonomie nicht mehr in ein Verhältnis zu ihren Ressourcen setzen, also nicht mehr haushalten kann - was ja im Grunde immer eine Synthese von Ökonomie und Ökologie impliziert. Daß heute die ökologische Sicht der ökonomischen gegenübersteht, ist an sich schon Zeichen einer manischen Entkoppelung, eines Raubbaus an der natürlichen Basis des Haushaltens.

      Der natürliche und traditionelle Weg, diese Verhältnismäßigkeit zu wahren, bestand in einem rhythmischen Wechsel, sei es von Bebauung und Brache, sei es von Verausgabung und Erholung, von Aktivität und Schlaf. Aber Muße, Pausen, Erwarten, Schlaf sind für den manischen Menschen keine wertvollen, erholsamen Zeiten mehr, sondern nur lästige Verzögerungen. Es geht darum, in der knappen Frist des Lebens soviel Welt zu trinken und sich einzuverleiben wie nur möglich. Man kann heute junge Mütter auf der Straße sehen, die Rollerblades-fahrend und Walkman-hörend ihren Kinderwagen schieben, das Handy am Gürtel tragen und dazu noch einen Hund an der Leine führen. Und wenn Jugendliche sich auf Raver Parties mittels Designerdrogen und Techno-Rhythmen in dissoziierte Bewußtseinszustände peitschen, während sie zugleich ihren Körper bis zur völligen Erschöpfung ausbeuten, so spiegelt sich in diesem Extrem nur der Umgang der gesamten Gesellschaft mit ihren natürlichen und sozialen Ressourcen.

      Nicht umsonst schwebt den Propheten des Cyberspace wie Marvin Minski oder Hans Moravec eine gänzliche Entkoppelung des Menschen von seiner irdischen Leiblichkeit vor.23 Im manischen Zeitalter ist unser Leib selbst zu einem störrischen und antiquierten Hindernis geworden.24 Wir sind dem Stand unserer digitalen Beschleunigungstechniken nicht mehr angemessene Wesen: immer noch daran gebunden, Raum und Zeit zu überbrücken, um unseren trägen Körper in eine andere Umgebung zu schaffen; immer noch abhängig von natürlichen Rhythmen, von Essen und Schlafen; immer noch angewiesen auf viel zu langsam wachsende, nicht konvertible soziale Bindungen, auf nicht transferierbare mitmenschliche Wärme. Anstelle dieser antiquierten menschlichen Welt verspricht das elektronische Paradies des Cyberspace eine schwerelose, von keiner Stofflichkeit mehr verunreinigte Sphäre der Information und des Geistes. Hier findet der manische Mensch endlich das vollständig volatile, nämlich virtuelle Medium seiner Bewegung. Befreit von den Widerständen der leiblichen Existenz, von Mühsal, Leid, Schmutz, Verfall und Tod, erhebt er sich wie Euphorion im Faust25 vom irdischen Boden und taucht ein in den leeren Raum der unbegrenzten Möglichkeiten.


      6) Maßlosigkeit (Dysproportionalität)

      Das Wesen des Manischen liegt letztlich im Verlust des Maßes oder der Proportion, die zu gewinnen und immer wieder herzustellen die grundlegende Aufgabe der menschlichen Existenz ist, insofern sie sich nicht im Absoluten vollzieht, sondern in Raum und Zeit, in endlichen, leiblichen und irdischen Verhältnissen. Der manische Mensch verdrängt diese Gebundenheit und Endlichkeit; er verliert sich selbst in den illusionären Möglichkeiten maßloser Beschleunigung, Bereicherung und Expansion, in den Größenphantasien von Lust, Macht und Unsterblichkeit. Die entkoppelte Expansion schlägt schließlich um in Depression und Verzweiflung.

      In den vorangegangenen Abschnitten hat sich die Maßlosigkeit immer wieder als gemeinsamer Nenner der manischen Phänomene gezeigt. Der Begriff des Maßes zielt dabei nicht auf einfaches "Maßhalten" oder die "goldene Mitte". Er bezeichnet vielmehr das jeweils angemessene Verhältnis polarer Prinzipien, die in der menschlichen Welt immer neu in Ausgleich zu bringen sind: etwa Bewegung und Ruhe, Beschleunigung und Retardierung, Innovation und Tradition, Verausgabung und Erholung, Extroversion und Introversion, Wunsch und Verzicht, Autonomie und Bindung. Die angemessene Proportion zwischen solchen Polen kann in einem rhythmischen Ausgleich entstehen wie bei Wachen und Schlafen, Arbeit und Ruhe usw. Sie kann aber auch darin liegen, in der Bewegung zum einen Pol hin den jeweils anderen präsent zu halten. So kann sich z.B. die räumliche Bewegung am Widerstand der Ruhe, des Beharrlichen abarbeiten und dadurch zu Erfahrung werden. Innovation enthält Tradition, wenn sie nicht bloß das Alte auswechselt, sondern das Neue aus dem Bestehenden heraus entwickelt. Eine Wunscherfüllung kann durchaus Verzicht beinhalten, wenn sie im Bewußtsein der Beschränkung und des Ausschlusses anderer Möglichkeiten geschieht.

      Die manische Maßlosigkeit besteht nun darin, daß sie den jeweils expansiven Pol von seinem hemmenden Gegenüber entkoppelt und verabsolutiert. Das hemmende Moment wird nicht mehr wahrgenommen, sondern verdrängt oder überrollt. Dadurch entsteht der Schein, als ließen sich Wünsche immer weiter steigern, Prozesse unaufhörlich beschleunigen, Informationen unbegrenzt vervielfachen oder Machtsphären immer weiter ausdehnen. Diese lineare Fortschreibung der manischen Bewegung übersieht den dialektischen Umschlag, der nach dem Verlust der Proportion notwendig erfolgen muß, und der schon mehrfach angedeutet wurde. Betrachten wir noch einmal einige Beispiele: In dem Maße wie die Wünsche und Ansprüche sich vervielfältigen, sinkt die Befriedigung, die ihre Erfüllung noch gewährt. - Wo die Fortbewegung immer schneller verläuft und ein Ziel immer rascher auf das nächste folgt, kommt man schließlich nirgendwo mehr an und könnte ebenso gut zuhause bleiben. - Je mehr Daten und Informationen zirkulieren, desto geringer das persönlich durchdrungene Wissen, desto größer die Dummheit. - Intimste Bekenntnisse vor der Öffentlichkeit verlieren gerade ihre Intimität und werden zu langweiligen Selbstdarstellungen. Und die unaufhörliche Steigerung von Erlebnis, Lust und Rausch mündet schließlich in Monotonie, Leere und Verzweiflung.

      Der Verlust des menschlichen Maßes im Erlebnis- und Beschleunigungsrausch ist auch das Thema des Faustischen Teufelspakts. Denn dieser Pakt bedeutet nichts anderes als die Aufhebung des hemmenden oder Ruhepols der Existenz, sinnbildlich dargestellt in Fausts Verjüngung und beliebiger Ortsveränderung. In Faust begegnen wir insofern dem Prototyp des manischen Menschen: "Stürzen wir uns in das Rauschen der Zeit, ins Rollen der Begebenheit! ... Nur rastlos betätigt sich der Mann."26 - Mephistos Erwiderung verspricht nun zwar die flüchtige manische Lust: "Euch ist kein Maß und Ziel gesetzt. Beliebts Euch, überall zu naschen, im Fliehen et-was zu erhaschen, bekomm Euch wohl, was Euch ergetzt!" - Doch Faust weiß sehr wohl um die innere Abgründigkeit des manischen Rauschs: "Du hörest ja: von Freud ist nicht die Rede! Dem Taumel weih ich mich, dem schmerzlichen Genuß, verliebtem Haß, erquickendem Verdruß ... Und was der ganzen Menschheit zugeteilt ist, will ich in meinem innern Selbst genießen ... mein eigen Selbst zu ihrem Selbst erweitern, und, wie sie selbst, am End auch ich zerscheitern." - Und wenig später: "So tauml ich von Begierde zu Genuß, und im Genuß verschmacht ich nach Begierde."27

      Die manische Flüchtigkeit ist nichts anderes als eine Flucht nach vorn - vor einem geheimen Schrecken, einer latenten Depressivität, vor Leid, Krankheit, Scheitern und Tod. Und am Grund des Rauschs selbst lauern wie bei Faust Leere und Verzweiflung. Die oberflächliche Fröhlichkeit und Euphorie des Manikers darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß sein Zustand mit Freude und Glück kaum etwas zu tun hat. Daher auch der häufige Umschlag der Euphorie in Gereiztheit oder in die gemischten Gefühle, die auch Faust beschreibt. Manche Kranke äußern bereits in der Manie, daß sie sich nicht wirklich zufrieden fühlen, die meisten erklären nach der Gesundung, daß sie kein Glück empfanden. Denn Glück liegt nicht in der manischen Getriebenheit in die Zukunft; Glück versammelt vielmehr die Lebenszeit mit ihren Freuden und Leiden in der Erfahrung von Gegenwart - im Augenblick, der als "Fülle der Zeit" erfahren wird. Der Verlust des menschlichen Maßes, der Taumel des Größen- und Beschleunigungswahns läßt solche Erfahrungen immer seltener und schließlich unmöglich werden.


      Das Studium der Manie lehrt uns die Bedeutung der "anthropologischen Proportion", des angemessenen Verhältnisses polarer Prinzipien für die menschliche Existenz.28 Man mag diesen Gedanken für die überholte Fixierung eines "Wesens des Menschen" halten. Die Postmoderne bestreitet jede Definition des Menschlichen als ideologisches oder kulturgebundenes Konstrukt; und im Zeitalter der Gentechnologie erscheint die Rede von einer menschlichen Natur endgültig als Anachronismus. Die Advokaten des schrankenlosen Fortschritts huldigen dem Relativismus, weil er sie am wenigsten hemmt. Der "Mensch nach Maß" ersetzt das menschliche Maß. Was also hindert uns an der permanenten Revolutionierung und Beschleunigung der Lebenswelt? Die zu Langsamen werden schließlich einmal aussterben. Warum sollten wir uns nicht immer schneller fortbewegen, immer schneller kommunizieren? Warum nicht mit der kognitiven Stimulierung der Kinder schon im Mutterleib beginnen? Warum nicht das Schneckentempo der Evolution technologisch beschleunigen, am Ende doch das Alter besiegen, ja Unsterblichkeit erlangen? Gibt es vielleicht eine überdauernde menschliche Natur, die solches verbietet?

      Es sei eine letzte Zeitdiagnose erlaubt: Eine anthropologische Proportion, ein inneres Maßverhältnis der menschlichen Existenz zu bestreiten, ist selbst schon ein Symptom des manischen Menschen.

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      schrieb am 26.02.03 22:38:27
      Beitrag Nr. 6 ()
      Wer Robert Kurz noch nicht kennt, ihr könnt euch schon mal den Namen merken! ;)


      Robert Kurz: Mit Volldampf in den Kollaps
      Wir leben heute in einer sehr seltsamen Situation; noch nie in der Geschichte der Modernisierung - also in den letzten zwei- bis dreihundert Jahren - hat es eine Situation gegeben, die von einer weltweiten sozialen Krise geprägt wurde, in der ein derartiges ökologisches Zerstörungspotential aufgebaut worden ist und in der so viel kulturelle Zerstörung und Verwahrlosung um sich gegriffen hat, bis hin zu Tendenzen in Richtung einer neuen Barbarei.

      Und das Seltsame und Paradoxe dabei ist gleichzeitig, daß in den letzten dreihundert Jahren die Gesellschaftskritik noch nie so stark abgerüstet hat wie heute. Diese Paradoxie gilt es zu erklären, denn die Welt war noch nie so kritikwürdig wie heute. Oberflächlich ist der Grund für diesen Widerspruch leicht auszumachen, er läßt sich in den Kontext des Zusammenbruchs des Staatssozialismus im Osten stellen. In den letzten Jahrzehnten war jene Theorie, welche das Zentrum der Gesellschaftskritik der letzten hundert Jahre gebildet hat, nämlich der Marxismus, stark vom Bezug auf diesen Staatssozialismus eingefärbt. Selbst jene KritikerInnen im Westen, welche ein kritisches Verhältnis zur Sowjetunion oder zu China hatten, nahmen, wenn auch untergründig, in ihrer Basisargumentation Bezug auf diesen Staatssozialismus. Die Folge ist, daß es uns in gewisser Weise allen die Sprache verschlagen hat.

      Das Problem, das hier drinsteckt, läßt sich wohl nur lösen, wenn man den Bezugsrahmen erweitert und nicht nur die Geschichte nach dem Zweiten Weltkrieg und den sogenannten Systemkonflikt als Bezugsrahmen nimmt. Den Systemkonflikt hat der Westen gewonnen. Wenn man aber den zeitlichen Rahmen erweitert und sich statt dessen auf jene letzten zwei- oder dreihundert Jahre bezieht, könnte man ironisch feststellen, daß der Staatssozialismus beinahe pünktlich zum zweihundertjährigen Jubiläum der Französischen Revolution zusammengebrochen ist.

      Für den kurzen Zeitraum nach dem Zweiten Weltkrieg erscheint es hingegen selbstverständlich, daß mit dem östlichen Staatssozialismus auch jegliche postkapitalistische Alternative am Ende ist. Und so soll es bis in alle Zukunft sein, will man der schönen Rede vom Ende der Geschichte des Herrn Fukujama und anderen Glauben schenken. Aus dieser Perspektive kann sich alles, was an Kritik formuliert wird, nur noch in den Bezugsrahmen der westlichen marktwirtschaftsdemokratischen Ordnung stellen.

      Der weitere Bezugsrahmen bringt einen jedoch auf ganz andere Gedanken: Was jetzt in die Krise gekommen ist, sind die gemeinsamen Grundlagen jener zweihundert oder mehr Jahre Modernisierungsgeschichte. Hier handelt es sich um eine gemeinsame Krise von Ost und West, welche nicht im Systemkonflikt und dessen Kriterien aufgeht, sondern viel tiefer reicht. Es mag einerseits für eineN gestandeneN Gesellschafts- und KapitalismuskritikerIn trostreich sein, daß, obwohl der Kapitalismus zwar übriggeblieben ist, er als nächstes auch in die Krise kommt. Andererseits ist es gleichzeitig schmerzhaft, heißt es doch, daß die bisherige Gesellschaftskritik, der Marxismus - zumindest so, wie wir ihn verstehen und wie er im theoretischen und öffentlichen Bewußtsein existiert -, daß dieser Marxismus und die mit ihm verbundenen Gesellschaftsformationen selber Teil dieser Modernisierungsgeschichte waren und somit Teil dessen, was jetzt insgesamt in die Krise kommt.

      Ich möchte nun versuchen, dieses Problem neu zu definieren. Meistens wurde das Problematische am Staatssozialismus mit dem Begriff der »nachholenden Industrialisierung« verbunden. Aber diese Reduktion bedeutet, das Problem bloß auf der quasi technischen Ebene der Industrialisierung und ihrer Kosten zu suchen und nicht von den gesellschaftlichen Formbestimmungen auszugehen. Nachholende Industrialisierung, das konnte nur ein Problem der - vom modern-kapitalistischen Standpunkt aus - relativ rückständigen Regionen der Welt sein: Rußland, China, der später sogenannten Dritten Welt, der postkolonialen Regionen. Überall dort stand nicht das Problem an, die westlich-kapitalistische Gesellschaft zu überwinden - was nicht da ist, kann logischerweise auch nicht überwunden werden -, im Gegenteil: Es wurden auf eine spezifische Art und Weise Formen wiederholt, wie wir sie im Westen vor hundertfünfzig oder zweihundert Jahren auch gekannt haben. Ich erinnere nur an die staatsökonomischen Systeme des Merkantilismus im 17. und 18. Jahrhundert, da fand sich vieles, was es auch im Staatssozialismus gab: Außenhandelsmonopol, staatliche Preisfestsetzung, staatliches Eigentum an den fortgeschrittensten Produktionsmitteln (das waren damals die Manufakturen). Das ist alles nichts völlig Neues, nur hat das im Westen schon viel früher stattgefunden und ist längst mehr oder weniger in Vergessenheit geraten. In diesem Sinn hat sich die westliche Entwicklung wiederholt, inklusive der revolutionären Formen.

      Von diesem Standpunkt aus gesehen, wäre die berühmte Oktoberrevolution eine Nachholung der Französischen Revolution im Osten, und auch die späteren nationalen Befreiungsbewegungen, die Revolution in China und ähnliche Revolutionen wären jeweils sozusagen das Imitat oder die nachholende Einlösung dessen, wofür im Westen die Französische Revolution steht, inklusive der Fahnen, der Barrikaden, des bewaffneten Kampfes und allem, was da an Mythologie mitschwingt. Das bedeutet natürlich für die westliche Linke die bittere Erkenntnis, daß man hier gewissermaßen einer optischen Täuschung erlegen ist. Nicht, daß die Geschehnisse unsinnig waren - es ist sowieso ein fragwürdiger Ansatz, geschichtliche Abläufe und Entwicklungen nach Gesichtspunkten wie richtig oder falsch oder gar gut und böse beurteilen zu wollen -, es sind epochale Formationen, in denen unter bestimmten Bedingungen Akteure aufgetreten sind, die nicht über ihren Schatten springen konnten, genauso wie wir heute nicht über unseren Schatten springen können. Doch ist dies ein anderer Schatten, weil wir achtzig oder hundert Jahre weiter sind und von heute aus auf diese Geschichte wie auf eine riesige Trümmerlandschaft zurückblicken können. So ist es eigentlich die gemeinsame Modernisierungsgeschichte, welche diese sogenannten Systemkonflikte hervorgebracht hat, viel mehr durch die historische Ungleichzeitigkeit in den verschiedenen Weltregionen als durch andere, postkapitalistische Inhalte bedingt.

      Das ist keine Verurteilung der Geschichte, ich möchte vielmehr den Charakter der heutigen Krise aufzeigen, welche eine gemeinsame Krise des jetzigen einheitlichen Weltsystems ist.

      Daß auch der Westen in der Krise ist, war schon vor dem Zusammenbruch des Staatssozialismus nicht gänzlich aus der Welt. Seit Anfang der achtziger Jahre ist das Stichwort von der Krise der Arbeitsgesellschaft auch im Westen aufgetaucht. Ich kann mich genau erinnern, wie besorgniserregend es war, als in Deutschland Anfang der achtziger Jahre die Arbeitslosigkeit erstmals die Millionengrenze überschritt. Heute wäre das schon wieder eine Erfolgsmeldung; damals hat man sich gefürchtet, es wurden sogar Stimmen laut, ob der Osten vielleicht doch die bessere Systemalternative sei. Sogar das gab es damals noch. Und dann kam dieser große Zusammenbruch. Das ganze System im Osten hat sich wie eine Mumie in Staub aufgelöst, und in der Folge hat man die eigene Krise erst mal ein bißchen verdrängt und vergessen, obwohl ja die sozialen Prozesse, die damit verbunden waren, die Massenarbeitslosigkeit und neue Armut, immer noch da waren. Schon zehn Jahre vorher sind in großen Teilen der Dritten Welt ganze Nationalökonomien zusammengebrochen. Die Misere Afrikas fing damals an, in Lateinamerika begann die Epoche der Hyperinflation und der Deindustrialisierung. Das verlorene Jahrzehnt, wie es dann Ende der achtziger Jahre genannt wurde. Man hat es also erst mal verdrängt und den Zusammenbruch des vermeintlichen Gegensystems zum Anlaß genommen, sich etwas in die Tasche zu lügen.

      Damit verknüpft wurde die Erwartung, daß sich mit der Öffnung des Ostens wunderbare neue Märkte auftun würden, ein neuer Akkumulationsschub des Kapitals wie nach dem Zweiten Weltkrieg zu erwarten sei und der Westen seine Krise gerade mit dem Zusammenbruch des Ostens lösen könne. Mittlerweile sind wir nahezu eine halbe Dekade weiter, und es zeigt sich immer deutlicher, daß diese Hoffnungen Trugbilder sind, die man sich aus dem Kopf schlagen kann. Im Gegenteil: Nicht nur kehrt die Krise in den Westen zurück (streng genommen war sie ja nie weg), sie wird auch in ihrem Ausmaß immer deutlicher erkennbar. Die Rückkoppelungsprozesse aus den Zusammenbrüchen im Osten ereilen auch uns allmählich, es kommt also eher Negatives aus diesen Zusammenbruchsregionen auf die westliche Ordnung zu. Das läßt sich in verschiedene Richtungen ausleuchten.

      Ein Aspekt dabei ist sicherlich, daß die Krise im Osten »Flüchtlingsströme«, Arbeitsimmigration, neue Formen von Massenkriminalität hervorbringt - früher hatten wir die Mafia nur im Süden, jetzt haben wir sie auch im Osten -, die unter anderem Anlaß für rassistische Reaktionen in der westlichen und gerade auch in der deutschen Bevölkerung sind. Das sind Erscheinungen dieser Krise, die sich mit ihrem Andauern fortsetzen werden. Wesentlich ist, daß sich die Hoffnung auf die neuen Märkte nicht erfüllt hat und daß, so paradox es vom Standpunkt der alten Kapitalismuskritik auch klingen mag, diese riesigen Massen im Osten für das westliche Kapital größtenteils nicht ausbeutungsfähig sind. Auf jeden Fall haben die großen Investitionsströme nach Osten bis jetzt nicht stattgefunden. Es gibt auch keine erkennbaren Tendenzen oder Absichten, diese geöffneten und sozusagen wehrlosen riesigen Regionen in einer anderen Weise zu annektieren, sie sich anzueignen, unter den Nagel zu reißen - sie stellen die verbrannte Erde der Marktwirtschaft oder der Modernisierung dar, und der Westen weiß nicht was er mit ihnen anfangen soll. Der Osten jagt ihm wieder Angst ein, vielleicht sogar stärker als zu Zeiten der alten Sowjetunion, denn jetzt könnte es ja sein, daß diese riesige, waffenstarrende, mit Atombomben vollgestopfte Region plötzlich völlig unkontrollierbare Gestalten hervorbringt, die wesentlich weniger berechenbar sind, als es der gute alte Breschnjew war.

      Was nun die gemeinsame Krise angeht, geisterte bei uns ein schönes Stichwort im Hinblick auf die deutsche Vereinigung durch die Zeitungen: statt Aufschwung Ost Abschwung West. Das bezog sich eher auf die Konjunktur und die Rezession der letzten beiden Jahre. Jetzt macht man sich wieder Hoffnungen auf Konjunkturbelebungen, aber es ist selbst in den offiziellen Kommentaren spürbar, daß dieser Aufschwung wohl auf sich warten lassen wird - zumindest ist ein säkularer Boom, der die jetzige Krise beheben könnte, nicht absehbar.

      Das hat etwas damit zu tun, daß wir es nicht mehr mit einer rein zyklischen Bewegung zu tun haben. Der sozusagen normale Zyklus der kapitalistischen Bewegung wird überlagert von einem anderen Problem, oft strukturelle Krise genannt. Deswegen spricht man mittlerweile von struktureller Massenarbeitslosigkeit und nicht mehr bloß von zyklischer. Das bedeutet, daß die Arbeitslosigkeit im sogenannten zyklischen Aufschwung der Konjunktur nicht mehr zurückgeht, sich statt dessen sogar eher noch ausdehnt.

      Das hat es in der Geschichte der Modernisierung noch nie gegeben. Die Massenarbeitslosigkeit (sofern es sie gab, vor allem während der Weltwirtschaftskrise) stellte ein zyklisches Phänomen dar, das mit dem ebenfalls zyklischen konjunkturellen Aufschwung immer wieder abgebaut wurde. Marx nannte das die »industrielle Reservearmee«. Die Arbeitslosen wurden nur als Reservearmee für den nächsten Aufschwung betrachtet und damit für die Reabsorption ihrer Arbeitskraft in die Verwertungsbewegung des Kapitals bereit gehalten. Das scheint nun vorbei zu sein. Denn von Zyklus zu Zyklus, ganz unabhängig von dessen Auf und Ab, hat sich die sogenannte Sockelarbeitslosigkeit erhöht. Ich habe vorhin erwähnt, für die Bundesrepublik Deutschland wäre es heute eine Erfolgsmeldung, »nur« eine Million Arbeitslose zu haben, mittlerweile sind es ca. vier Millionen. Und dabei ist das gar nicht die reale Zahl, denn in Wirklichkeit ist die Massenarbeitslosigkeit viel größer, würde man die ganzen Auffangmaßnahmen - Vorruhestand, ABM (sogenannte Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen ) - und die statistischen Tricks einbeziehen. Dieses Wegretouchieren eines Teils der Massenarbeitslosigkeit durch statistische Tricks ist in fast allen Ländern heute üblich, welche überhaupt noch eine Arbeitslosenstatistik führen. Für die Bundesrepublik heißt das, daß man sich bis vor ein paar Jahren noch auf die Gesamtzahl der ArbeitnehmerInnen bzw. die Lohnabhängigen bezogen hat. Inwischen bezieht man sich auf die Gesamtzahl der sogenannten Erwerbspersonen, inklusive sämtlicher Selbständiger und mithelfender Familienangehöriger, und wie die statistischen Bezeichnungen lauten, um damit die Statistik zu schönen. Dies nur als Beispiel; diese Tricks sind von Land zu Land verschieden, werden aber angewandt.

      Steigende Sockelarbeitslosigkeit ist also unabhängig von Zyklen, das ist nicht nur ein deutsches oder mitteleuropäisches, sondern ein globales Phänomen. Im Frühjahr 1994 hat die Internationale Arbeitsorganisation in Genf eine Analyse herausgebracht, wonach heute im Weltmaßstab real dreißig Prozent der arbeitsfähigen Bevölkerung arbeitslos sind, de facto arbeitslos. In dieser kritischen Analyse wurden einige der erwähnten Tricks durchleuchtet; diese Zahl kommt der Wahrheit näher als die offiziellen Statistiken, sie übersteigt die Arbeitslosenrate der Weltwirtschaftskrise von 1929/33. Vor allem hatte die damalige Weltwirtschaftskrise, trotz ihres Namens, nicht so globale Auswirkungen wie die heutige strukturelle Massenarbeitslosigkeit. Man kann also in der Tat von einer veritablen Krise der Arbeitsgesellschaft sprechen. Dabei gibt es zwei Merkwürdigkeiten: Die eine ist, daß sämtliche Modernisierungsideologien, Marxismus und Liberalismus eingeschlossen, Arbeit als eine ontologische oder anthropologische Grundgegebenheit verstehen. Man geht davon aus, daß die Menschen, seit es sie gibt, »gearbeitet« haben, und Arbeit erscheint als etwas, das außerhalb der Geschichte liegt. Wenn man nun von der Krise der Arbeitsgesellschaft redet, widerspricht man der eigenen Basisideologie, wonach die Arbeit etwas sei, was den Menschen vom Tier unterscheide. Und dann kann natürlich die Arbeit als solche nie in die Krise kommen.

      Der Widerspruch zeigt sich darin, daß hier ein Zusammenhang in die Krise kommt, der bisher nicht als historischer, das heißt als gewordener und wieder vergehender, betrachtet worden ist, sondern als menschlicher Grundsachverhalt schlechthin. Es handelt sich nicht um das, was Marx als Stoffwechselprozeß mit der Natur bezeichnet hat, der ist unaufhebbar, solange es Menschen gibt. Heute scheint vielmehr der Begriff des Verwandlungsprozesses von Arbeit in Geld in die Krise zu kommen, was Marx die abstrakte Arbeit nennt, nämlich die Verausgabung von Nerv, Muskel und Hirn in die gesellschaftliche Geldform und damit die Reproduktion des Menschen im Kontext von Arbeit, Geld und Warenkonsum - diese Verknüpfung von Arbeit mit Geld ist historisch und keineswegs überhistorisch.

      Das zweite, was paradox erscheint, ist, daß wenn man früher von der möglichen Krise oder zukünftigen Krise des Kapitalismus sprach, meinte man die Krise der Geldverwertung, und das scheint heute mega-out zu sein. Das Kapital ist ja anscheinend überhaupt nicht in der Krise, nur die Arbeit. Das ist insofern paradox, als diese beiden Momente Pole ein- und desselben Verhältnisses sind. So wie es unmöglich ist, daß sich dieses Abstraktum der Moderne, die Arbeit, vom Kapital emanzipieren und für sich alleine weiterarbeiten kann, wie das die Staatsreligion im Osten war oder auch die Grundauffassung des Marxismus darstellt, ebensowenig ist es möglich, daß die Arbeit für sich alleine in die Krise kommt und das Kapital munter weiterakkumuliert - dann würde ich eher an die katholische Transsubstantiationslehre oder an die unbefleckte Empfängnis glauben als daran, daß ein Kapital sich ohne eine entsprechende Höhe an Vernutzung von abstrakter Arbeitskraft, rein als Geldvermehrung, weiterverwerten kann. Hier scheint etwas nicht zu stimmen. Und darauf will ich jetzt näher eingehen. Ich möchte die Analyse dieser gemeinsamen Krise mit vier Stichworten kurz umreißen: 1. Rationalisierung, 2. Globalisierung, 3. Tertiarisierung, 4. Fiktionalisierung.



      ....




      Hier gehts weiter:

      http://www.nadir.org/nadir/archiv/PolitischeStroemungen/kris…


      [ PS: laßt euch vom Link nicht ablenken, entscheident ist, was im Text steht! ]
      Avatar
      schrieb am 27.02.03 15:18:15
      Beitrag Nr. 7 ()
      "Die ökonomische und technische Überlegenheit des westlichen Kapitalismus [gegenüber dem Kommunismus] war nie mehr als diejenige eines älteren Bruders, der den jüngeren gewohnheitsmäßig zusammenschlägt und darauf auch noch stolz ist."

      Zitat von Robert Kurz
      Avatar
      schrieb am 27.02.03 15:22:45
      Beitrag Nr. 8 ()
      das ist aber etwas kurz gedacht:laugh::)
      Avatar
      schrieb am 27.02.03 15:28:37
      Beitrag Nr. 9 ()
      Sittin,wenn du Diskussionen wolltest,würdest du diese Kopien:mad:mal in konzentrierter Form anbieten;)

      Stormy,yes, Internet transportiert Demokratie,realisiert
      Globalisierung.

      Globalisierung kratzt an den Toren der Diktatoren;)

      Nur,die amerikanische Form will ich ich auch nicht.
      Avatar
      schrieb am 27.02.03 15:30:11
      Beitrag Nr. 10 ()
      Indian boy,wären wir mal wieder beim Thema:laugh:

      keine rein wirtschaftlichen Interessen,you know;)
      Avatar
      schrieb am 27.02.03 15:40:17
      Beitrag Nr. 11 ()
      Frage:Gibst du mir dein Indianer-Ehrenwort,dass du nicht
      SIG bist:eek:?
      Avatar
      schrieb am 27.02.03 17:58:36
      Beitrag Nr. 12 ()
      ja!


      :)


      opti, ich habe im andren Thread vieles gefettet, was wichtig ist, man braucht aber Grundlagen zum diskutieren, und die sehe ich bei den meisten nicht, egal wie lang oder kurz, wie überspitzt oder sacht ich es bringe! ;)


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