100 Jahre Oktoberrevolution
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Stalin und seine intellektuellen Bewunderer - Seite 4
Der französische Philosoph Michael Focault, einer der angesehensten Vertreter des sogenannten Poststrukturalismus und Begründer der "Diskursanalyse", war von einem solchen Hass auf die herrschende Klasse der Kapitalisten beseelt, dass er 1971 in einer Fernsehdebatte mit Chomsky verkündete: "Das Proletariat führt nicht Krieg gegen die herrschende Klasse, weil es diesen Krieg für gerecht ansieht. Das Proletariat führt den Krieg gegen die herrschende Klasse, da es zum ersten Mal im Laufe der Geschichte die Macht ergreifen will. Hat das Proletariat einmal die Macht ergriffen, so ist es durchaus möglich, dass es über die Klassen, über die es triumphiert hat, eine gewaltsame, diktatorische und sogar blutige Macht ausübt. Ich wüsste nicht, was dagegen einzuwenden wäre."
Das tragische Paradox der Intellektuellen ist es, dass sie in allen sozialistischen Systemen, die allzu oft grausame Diktaturen waren, von Tätern, die diese System erdacht, konstruiert, herbeigesehnt oder zumindest gerechtfertigt haben, zu Opfern wurden. Gerd Koenen schreibt in seinem Werk über die Ursprünge und Geschichte des Kommunismus von den "Schicksalen der vielen erschöpften oder verstummten, deportierten oder erschossenen Dichter, Theater- und Filmemacher, Maler und Wissenschaftler, aus deren abgebrochenen oder verstümmelten Biografien die Kulturgeschichte der Sowjetunion zu einem übergroßen Teil besteht".
Ulrich Greiners Schlüsselerlebnis
Zum guten Ton in Deutschland und generell im linksintellektuellen Diskurs gehört die Versicherung, man dürfe Nationalsozialismus und Kommunismus nicht "gleichsetzen", ja, nicht einmal "vergleichen"
(was schon deshalb absurd ist, weil Unterschiede ja nur durch Vergleich deutlich werden). Der ZEIT-Redakteur Ulrich Greiner berichtet in seinem kürzlich erschienenen Buch "Heimatlos", in dem er
seine Wandlung vom Linksintellektuellen zum Konservativen beschreibt, über eine Diskussion, die er im Alter von 44 Jahren mit einem Historiker, einem Überlebenden der nationalsozialistischen
Konzentrationslager, führte. Dieses Gespräch war für ihn ein Schlüsselerlebnis auf dem Weg zur Abwendung vom linken Gedankengut. Greiner war einer der vielen, die sich große Mühe gaben,
nachzuweisen, warum der Kommunismus doch irgendwie besser sei als der Nationalsozialismus. Das Argument, das er seinerzeit ins Feld führte, lautete: "Der Terror Stalins und Hitlers seien
unbestreitbar gleich schrecklich gewesen. Der Nationalsozialismus jedoch habe es nie zu einer konsistenten Theorie gebracht, er habe sich zusammengeklaubt, was ideologisch herumlag und brauchbar
erschien, und er habe es auch nicht vermocht, Geistesgrößen und Intellektuelle dauerhaft in seinen Bann zu ziehen. Der Kommunismus hingegen blicke auf eine bedeutende philosophische Ahnengalerie
zurück, die wichtigsten Intellektuellen des Jahrhunderts seien ihm wenigstens zeitweise gefolgt. Es liege daran, so etwa schloss ich in meinem jugendlichen Eifer, dass diese Idee in einem
faszinierenden theoretischen System gipfelte." Nach seinen Ausführungen blickte Greiners Gesprächspartner ihn mit einem milden ironischen Lächeln an und sagte "jenen vernichtenden Satz sagte, der
mir nie wieder aus dem Kopf gegangen ist: ‚Das ist ja das Schlimme.'
Kürzlich erschienen, überall besprochen und beachtet: www.zitelmann-autobiografie.de