Industriepolitik Chinas und der USA schaukeln sich gegenseitig hoch
Die Beschlüsse für die Einführung von extrem hohen Zöllen der USA u.a. auf chinesische E-Autos ist ein weiterer Beleg für eine gefährliche Spirale der Industriepolitik und des Protektionismus in beiden Staaten.
- USA und China führen gefährliche Spirale der Industriepolitik mit extrem hohen Zöllen ein.
- Chinesischer Ökonom Zhang kritisiert Industriepolitik beider Länder als zum Scheitern verurteilt.
- Unternehmertum und Markt sollen Innovationen vorantreiben, nicht staatliche Planung.
Rainer Zitelmann mit Weiying Zhang.
Aber die Industriepolitik ist aus dem gleichen Grund zum Scheitern verurteilt wie die Planwirtschaft. Dies ist eine der Thesen in dem bemerkenswerten Buch des chinesischen Ökonomen Weiying Zhang, Professor an der Peking-University. Zhang ist der renommierteste marktwirtschaftliche Ökonom Chinas und hat Deng Xiaopings Wirtschaftspolitik in den späten 1980er- und den 1990er Jahren stark beeinflusst, zuletzt jedoch an Einfluss verloren, da China in den vergangenen Jahren wieder stärker auf staatliche Industriepolitik setzt. Er kritisiert in seinem soeben bei Cambridge University Press erschienenen Buch „Re-Understanding Entrepreneurship“ sowohl die chinesische als auch die amerikanische Industriepolitik, die sich wechselseitig in einer Spirale des Irrtums beeinflussten: „Teilweise als Reaktion auf die chinesische Industriepolitik hat auch die amerikanische Regierung in den vergangenen Jahrzehnten auf die eine oder andere Weise eine Industriepolitik eingeführt. Beispiele dafür sind die Verabschiedung des CHIPS and Science Act und des Inflation Reduction Act unter der Leitung von Präsident Biden.“
Wenn westliche Politiker glaubten, der wirtschaftliche Erfolg Chinas sei ein Ergebnis staatlicher Wirtschaftslenkung bzw. Industriepolitik gewesen, sei das eine Fehldeutung des chinesischen Erfolges. Ein vor fünf Jahren veröffentlichtes Papier desWorld Economic Forum „Chinas Privatsektor ... ist heute der Hauptmotor des chinesischen Wirtschaftswachstums. Die Zahlenkombination 60/70/80/90 wird häufig verwendet, um den Beitrag des Privatsektors zur chinesischen Wirtschaft zu beschreiben: Er trägt 60 % zum BIP Chinas bei und ist für 70 % der Innovationen, 80 % der städtischen Beschäftigung und 90 % der neuen Arbeitsplätze verantwortlich. Das Privatvermögen ist auch für 70 % der Investitionen und 90 % der Exporte verantwortlich.“
Seit den 1980er Jahren hat China viele Beispiele für das Scheitern der Industriepolitik erlebt, aber nur sehr wenige Erfolge. Der Grund, warum Industriepolitik regelmäßig scheitert ist der gleiche, warum Planwirtschaft immer wieder gescheitert ist: Die Annahme, Politiker und Beamte wüssten besser als Millionen Unternehmer und Konsumenten, was die viel versprechendsten Innovationen der Zukunft seien, ist durch nichts begründet. So wie Sozialisten irren, wenn sie immer wieder erklärten, die Planwirtschaft sei im Prinzip überlegen, nur eben bislang nicht umgesetzt worden, so irren sich Vertreter der Industriepolitik, die trotz all der Fehlschläge behaupten, man brauche nur eine „bessere“ Industriepolitik. (Weiter auf Seite 2)
Dass die Regierungen die Zukunft richtig voraussagen könne, sei ein großer Irrtum, so Zhang. 1992 habe ein Unternehmer in China eine Lizenz zur Autoproduktion beantragt, die ihm verweigert wurde. Die Staatliche Planungskommission erklärte damals Der Unternehmer startete sein Geschäfts 10 Jahre nach der ersten Beantragung und wurde einer der erfolgreichsten in seiner Branche.
Innovationen erfolgen nicht durch staatliche Planung, sondern durch Unternehmertum. Die Rolle des Unternehmers, so eine der Thesen Zhangs, werde weder von Politikern noch von der klassischen Ökonomie richtig verstanden. Innovationen basieren nicht auf wissenschaftlichen Marktstudien, sondern auf dem „impliziten Wissen“ (auch Intuition genannt) von Unternehmern. Wenn ein Unternehmer sich irrt, was oft genug passiert, wird er dafür im Wettbewerb bestraft.
Das Problem staatlicher Industriepolitik ist, dass sie kurzfristig erfolgreich erscheinen kann, auch wenn sie langfristig scheitert. Wenn sie zu scheitern droht, werden die Fehler meistens nicht korrigiert, sondern die Politiker gehen den falschen Weg nur noch schneller. Der Ökonom Ludwig von Mises hat das als „Interventionspirale“ bezeichnet. Zhang meint: „Regierungsbeamte und Experten sind jedoch in der Regel nicht bereit, ihre eigenen Fehler einzugestehen, weil Fehler ihre eigene Unwissenheit entlarven. Eine Möglichkeit, Fehler zu verbergen, besteht darin, gescheiterten Projekten mehr Unterstützung zukommen zu lassen. Das Ergebnis ist ein Fehler nach dem anderen!“
Erst im Nachhinein zeige sich oft das Scheitern der Industriepolitik, wie man am Beispiel Japan sehen könne. Diese sei damals für extrem erfolgreich gehalten worden und wurde in China wie den USA bewundert. Studien belegen jedoch, dass die 20 erfolgreichsten japanischen Branchen kaum gefördert wurden, während die sieben erfolglosesten Branchen die meiste staatliche Förderung erhalten hatten.
Politiker in den USA und China nehmen sich heute wechselseitig ein Beispiel an den schlechtesten Teilen ihrer Politik, wie Zhang zeigt: Die Industriepolitik der USA unter Joe Biden „Das provoziert die chinesische Regierung, in ihrer Industriepolitik hartnäckiger zu sein. So kann sich die Industriepolitik der verschiedenen Länder gegenseitig beschleunigen.“
Ein weiteres Problem: Wenn Industriepolitik scheitere, werde dies oft verdeckt durch einen Prozess der “Selbstrechtfertigung”. Ein Beispiel sei die Förderung der E-Mobilität: „Wenn der Staat die Nutzung von Benzinfahrzeugen verbietet und ab 2030 nur noch Elektrofahrzeuge zulässt, ist das ein entscheidender Sieg für die Elektrofahrzeuge. Dies ist jedoch kein Beweis dafür, dass eine Industriepolitik zur Förderung von Elektrofahrzeugen richtig ist.“ Die Politik der Regierung könnte Technologien mit mehr Potenzial ausschalten. „Das Potenzial für Fortschritte bei benzinbetriebenen Fahrzeugen ist nach wie vor gewaltig“, so Zhang. Der Markt, nicht die Politik solle darüber entscheiden, ob sich innovative Verbrennermotoren oder elektrische Fahrzeuge durchsetzen.
Es ist eine Ironie der Geschichte, dass ein Ökonomie-Professor von der Peking-Universität, der sich von den Lehren von Ludwig von Mises und Friedrich August von Hayek leiten lässt, den Vereinigten Staaten die Grundsätze der kapitalistischen Wirtschaft und des Unternehmertums erklären muss.
Der Artikel wurde zuerst veröffentlicht im WASHINGTON EXAMINER: Zum Artikel.
Rainer Zitelmann ist Autor des Buches „Weltreise eines Kapitalisten“, das nächste Woche erscheint. Leserproben und Inhalt hier.