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    Inverse Zinsstruktur  4243  0 Kommentare Code Red beim Rezessionsindikator – oder ist diesmal doch alles anders?

    Marko Gränitz, renommierter Gastautor der wallstreet:online-Partnerredaktion von Smart Investor, kommt nach seiner Analyse von aktuellen Daten der Kapitalmarktforschung zu einem für Anleger überraschenden Schluss. Lesen Sie Antworten auf die Fragen, ob eine Rezession kurz bevorsteht und wie Anleger sich gegen das Rezessionsrisiko absichern können:



    Sieben Signale, sieben Treffer

    Prof. Campbell Harvey von der Duke University ist der „Vater“ eines viel beachteten Rezessionsindikators: der inversen Zinsstruktur. Seiner Definition nach tritt das Signal auf, wenn die Zinsen für Dreimonats-Treasury-Bills über denen von Zehnjahres-Treasury-Bonds liegen. Schon im Jahr 1986 belegte er diesen Zusammenhang in seiner Dissertation, in der er die zurückliegenden vier Rezessionen in der rückwärtigen Betrachtung richtig vorhersagen konnte.

    Das ist eine sehr kleine Stichprobe, die aber dadurch besticht, dass dem Zusammenhang ein fundierter fundamentaler Erklärungsgehalt zugrunde liegt: Die Zinsen beinhalten Wachstumserwartungen der Marktteilnehmer auf verschiedenen Zeithorizonten. Demnach fallen die zukünftigen Wachstumserwartungen bei einer Invertierung der Zinskurve entsprechend schwach aus. Nach Veröffentlichung seiner Arbeit bestätigte sich die Aussagekraft des Indikators in drei weiteren richtig angezeigten Rezessionen.

    Bisher gab es also sieben Signale, von denen alle zutreffend waren, wobei die längste bisherige Vorlaufzeit bei Betrachtung von Quartalsdaten 21 Monate betrug. Andere Indikatoren wie das Wirtschaftswachstum, Arbeitslosenzahlen und der Aktienmarkt sind Harvey zufolge dagegen nachlaufend und schlagen erst dann wirklich an, wenn die Rezession bereits beginnt.

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    Rezession voraus?

    Spannend ist nun, dass der Indikator per Ende des zweiten Quartals 2019 erneut ein Code-Red-Warnsignal anzeigt, wie Harvey es in einem Interview mit dem US-Vermögensverwalter Ritholtz Wealth Management beschreibt. Sehen wir also aktuell das achte Signal, das auf die achte richtig angezeigte Rezession in den USA hindeutet?

    Harvey vertraut seinem Indikator auch diesmal und geht grundsätzlich davon aus, dass es dazu kommen sollte, denn auch andere Definitionen wie die Zinsdifferenz zwischen Fünfjahres-Treasury-Bonds und Dreimonats-Treasury-Bills sowie zwischen Zehn- und Zweijahres-Treasury-Bonds invertierten dieses Jahr. Allerdings räumt er ein, dass es diesmal durchaus Einschränkungen gibt. Die Zinsen sind zwar historisch niedrig und zum Teil durch die expansive Notenbankpolitik verzerrt.



    Wichtiger ist seiner Einschätzung nach jedoch ein anderer Faktor: Alle Welt spricht heute davon, dass der Indikator ein Signal gegeben hat – dieser Popularität erfreute sich die inverse Zinsstruktur in den bisherigen Zyklen nicht. Infolgedessen ist es möglich, dass diesmal ein Feedback-Mechanismus entsteht, indem viele Marktteilnehmer den Effekt antizipieren und somit einpreisen. Das geschieht etwa über vorsichtigere Investitionsentscheidungen in Unternehmen aufgrund sich womöglich anbahnender schwierigerer Zeiten. So erwarteten einer Umfrage der Duke University zufolge 67% der befragten Finanzvorstände eine Rezession im Jahr 2020. Werden diese Erwartungen aber bereits heute in den realen Entscheidungen berücksichtigt, könnte die Rezession am Ende vielleicht ganz ausbleiben und in einer bloßen Wachstumsdelle enden.

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    Externe Schocks

    Interessant ist auch die Frage, inwieweit externe Schocks als Auslöser für Rezessionen fungieren können. Die Federal Reserve Bank of St. Louis veröffentlichte im Jahr 2018 den Artikel „Does the Yield Curve Really Forecast Recession?“ von David Andolfatto und Andrew Spewak, in dem argumentiert wird, dass die inverse Zinsstruktur keine Rezession voraussagt, sondern lediglich ein Umfeld anzeigt, in dem eine solche wahrscheinlicher ist. Demnach treten Rezessionen auf, wenn in dieser Situation zusätzlich noch negative Schocks auftreten – aktuelle Beispiele wären etwa eine echte Eskalation im Handelskonflikt oder ein Krieg der USA mit dem Iran, ganz im Sinne eines angeschlagenen Boxers, der sich mit der Zeit vielleicht wieder erholen würde, aber dann einen unvorhersehbaren Knock-out abbekommt. Wenn man dieser Argumentation folgt, würde sich bei so mancher Rezession in der Vergangenheit ein solcher Schock finden.

    Fazit

    Das Vorliegen einer inversen Zinsstrukturkurve gilt in der Kapitalmarktforschung als signifikantester Einzelindikator für eine bevorstehende Rezession. Allerdings zeigt der ebenfalls viel beachtete Frühindikator LEI (Leading Economic Index) noch keine Anzeichen dafür. Die extrem lockere Geldpolitik stellt zudem eine historische Sondersituation dar. Die Marktteilnehmer haben gelernt, dass man sich scheinbar auf die Notenbank verlassen kann – zuletzt infolge der heftigen Kursverluste im vierten Quartal 2018, nach denen plötzlich wieder heftig zurückgerudert wurde.

    Diese Grafik von Michael Batnik zeigt den Verlauf der Zinsdifferenz und die Häufigkeit, mit der dieses Thema in der New York Times erwähnt wurde. Die inverse Zinsstruktur als Rezessionsindikator ist heute alles andere als ein Geheimnis.
    Quelle: Michael Batnick im Interview mit Campbell Harvey, Ritholtz Wealth Management

    Entscheidend könnte sein, dass die Marktteilnehmer dazugelernt haben und der Rezessionsindikator in aller Munde ist. Demnach würden die Risiken schon jetzt zunehmend eingepreist, sodass sich die Rezession immer weiter nach hinten verschiebt und am Ende abgeschwächt als bloße Wachstumsdelle ausfällt. Dies scheint aus aktueller Sicht das wahrscheinlichste Szenario – zumindest, solange externe Schocks ausbleiben, die eine langsamer wachsende US-Wirtschaft durchaus in die Rezession drücken können. Statt jetzt also aus Angst vor einer baldigen Rezession aus dem Aktienmarkt auszusteigen, scheint es vernünftiger, das eigene Portfolio lediglich defensiver zu positionieren – etwa, indem von Wachstumswerten auf Value-Titel umgeschichtet wird. Letztere performten in der Vergangenheit in Zeiten schwachen oder negativen Wachstums besser und sind nach mehr als zehn Jahren Growth-Outperformance zudem ohnehin attraktiv.

    Autor: Dr. Marko Gränitz / Smart Investor

    Diese Analyse aus der aktuellen Smart Investor-Ausgabe 11/19 bezieht sich auf Daten, die bis zum 25.10.2019 erfasst wurden.




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