Als Blinder unter Sehenden – ein Motivationsbuch - Seite 2
In der Hotelküche hatte er Probleme, Wurst und Käse zu schneiden, weil er die rotierende Klinge der Aufschnittmaschine nicht richtig erkennen konnte. Einmal schnitt er sich so tief in den linken Zeigefinger, dass er für zwei Wochen krankgeschrieben wurde – seine Fingerspitze ist bis heute taub. Aber auch dafür fand er eine Lösung.
Was man bewundern kann, sind nicht nur seine Willenskraft und Fantasie, sondern auch die Fähigkeit, immer wieder Freunde zu finden, die ihm halfen, mit den schwierigen Situationen auf der Arbeit und im Privatleben fertig zu werden. Er blieb jedoch viele Jahre bei dem Prinzip, seine Behinderung zu verschweigen und nur gegenüber wenigen engen Vertrauen preiszugeben.
Aber es war kein gerader Weg, den er ging. Er bekam massive Suchtprobleme, die zusammen mit seinen Augenproblemen sein Leben nur noch schwerer machten. Und schon in jungen Jahren bekam er Krebs. Die Chemotherapie hatte massive Nebenwirkungen, unter anderem bekam er Knochenprobleme und musste eine künstliche Hüfte eingesetzt bekommen. Manchmal wollte er aufgeben, machte sogar einen Selbstmordversuch. Eine Freundin rettete ihn.
„Interessanter als das Warum sind die verborgenen Chancen.“
Was ihn vor allem rettete, war seine Lebenseinstellung. „Interessanter als das Warum sind die – zunächst verborgenen Chancen.“ (S. 126). Und: „Mit Dingen, die man nicht ändern kann, muss man sich anfreunden. Ich bin froh, dass mir das immer wieder gelingt. Mache ich mir etwas vor? Egal. Nennt mich meinetwegen einen unverbesserlichen Optimisten. Ich bin es gern, ich muss es sein, denn andernfalls wäre ich schon lange tot.“ (S. 127)
Seine Sehbehinderung wurde immer schlimmer. Irgendwann sah er weniger als zehn Prozent und selbst mit der dicksten Lupe konnte er kaum noch Buchstaben erkennen. Trotzdem erhielt er die „Lügenfassade“, wie er es nennt, immer noch aufrecht. Seine Begründung: „Ein Schauspieler, der Tag und Nacht denselben Charakter darstellt, verwächst irgendwann mit seiner Rolle. So ähnlich erging es auch mir: Dreizehneinhalb Jahre lang spazierte ich als vorgeblich Nicht-Behinderter durchs Leben, diese Situation wurde für mich zur Normalität. Mein Alltag war hart, nervenaufreibend, unendlich mühevoll, aber selbst wenn es mir möglich gewesen wäre, hätte ich daran wohl nichts ändern wollen – der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Zudem half mir die Lügenfassade, die ich mir zugelegt hatte, nicht nur in Bezug auf meine Außenwirkung, sie stützte mich auch nach innen ab.“ (S. 159).