Value Investing ist tot – Es lebe... Value Investing!
Wachstums-Aktien sind angesagt, die Kurse der Technologie-Werte steigen rasant und hieven die Aktien-Indizes weltweit auf neue Höchststände. Und das mitten in der schwersten Wirtschaftskrise aller Zeiten. Trotz und wegen Corona.
Allgemein wird gerne zwischen Value- und Growth-Aktien unterschieden. Die einen sollen unterbewerte Buchwert-Schnäppchen sein, während die anderen hochbewertete Umsatzdynamiker sind. In vorangegangenen Jahrzehnten wechselten sich die Vorlieben der Börsianer regelmäßig ab und es gab jeweils über viele Jahre Perioden, in denen Wachstumswerte viel besser liefen als Value-Aktien und umgekehrt.
Es gab also ein Muster und wir Menschen lieben Muster und Schubladen. Ungewissheit meiden wir lieber, aber sobald wir etwas einordnen können, halten wir es für beherrschbar – und vorhersagbar. Das ist natürlich eine Illusion, aber eine sehr beruhigende. Und Basis für einen Großteil unserer Anlage-Entscheidungen.
Kleine Geschichtsstunde
Vor dem Platzen der Internetblase im Jahr 2000 liefen die Technologie-Werte wie wild, während mit Value-Aktien kaum etwas zu verdienen war. Value-Star Warren Buffett wurde damals schon als antiquiert abgeschrieben. Aber seine Stunde kam, als die Technologie-Werte abstürzten und die klassischen Werte eine Renaissance erlebten. Das Wellenmuster funktionierte. Bis zur Finanzkrise 2008/09.
Da gingen alle Aktien in den Keller und erholten sich später wieder. Aber in diesen nunmehr 12 Jahren und durch alle zwischenzeitlichen Krisen hinweg erzeugen die Technologie-Werte eine dauerhafte Überrendite und zwar eine mit jedem Jahr weiter zunehmende.
Dem bisherigen Muster entsprechend wird regelmäßig immer wieder mal das neue Zeitalter der Value-Aktien ausgerufen, denn dieses Ungleichgewicht kann ja nicht ewig anhalten. Oder doch? Fakt ist jedenfalls, dass es immer nur kurze Phasen gab, wo Value-Aktien mal wieder angesagt waren, während ansonsten fast nur die Wachstums-Aktien dominieren.
Dafür gibt es natürlich Gründe. Der erste sind die niedrigen Zinsen und die Notenbankpolitik, denn dieses viele billige Geld fließt auch in Wachstums-Unternehmen, die unter normalen Umständen vielleicht Finanzierungsprobleme bekommen hätten.
Der andere Grund ist, dass die Unterscheidung zwischen Value- und Growth-Aktien nicht mehr passt. Heute wird alles, was nicht mit Hoch-Technologie zu tun hat und mit mindestens zweistelligen Wachstumsraten aufwarten kann, pauschal als Value-Aktie bezeichnet, ob nun Energie-Werte, Auto-Konzerne oder zyklische Stahl-Werte.