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     2696  0 Kommentare Im Westen versteht man Chinas wirtschaftlichen Erfolg nicht - Seite 2

    Die Deutung der Ursachen des wirtschaftlichen Erfolges von China ist von größter Bedeutung – auch und gerade für die westlichen Länder. Entweder ist man der Meinung, dass China so erfolgreich war, weil der Staat dort eine große Rolle in der Wirtschaft spielt. So denken manche westlichen Politiker, die damit auch eine zunehmend stärkere Rolle des Staates rechtfertigen wollen. Oder aber man versteht, dass Chinas wirtschaftlicher Erfolg „not because of the state, but in spite of the state“ erfolgte, eine Formulierung, die der chinesische Ökonom Zhang Weiying gegenüber mir in einem Gespräch in Peking 2018 gebrauchte. Wer das versteht, der wird auch verstehen, dass Amerika und Europa nicht mehr, sondern weniger Staat brauchen. Und er wird verstehen, dass nicht nur für China, sondern auch für die USA und Europa gilt: Kapitalismus ist nicht das Problem, sondern die Lösung.

    Niemals in der Menschheitsgeschichte sind innerhalb weniger Jahrzehnte so viele Menschen bitterer Armut entkommen wie in China. Noch im Jahr 1980 lebten 88 Prozent der Chinesen in extremer Armut, heute sind es weniger als ein Prozent. Ob China weiter den Weg in Richtung Kapitalismus gehen wird oder ob in China Kräfte die Oberhand gewinnen, die für eine stärkere Rolle des Staates eintreten, ist noch offen. Seit Jahrzehnten gibt es in China diesen Kampf zweier Linien – und er ist nie endgültig entschieden.

    Das Freihandelsabkommen beweist jedoch, dass die chinesische Führung die Kraft wirtschaftlicher Freiheit verstanden hat. Ein Professor, mit dem ich in China viele Stunden diskutierte (er kannte die USA genau, weil er eine zeitlang Gastprofessor an einer amerikanischen Universität war), meinte zu mir: „Wir Chinesen werden die letzten Verteidiger des Kapitalismus sein.“ Offiziell ist „Kapitalismus“ in China (so wie im Westen) ein „dirty word“. Aber der Erfolg Chinas in den vergangenen Jahrzehnten beruht zweifelsohne auf kapitalistischen Reformen. Heute gibt es so viele Milliardäre in China wie nirgendwo auf der Welt – mit Ausnahme der USA. Das Konzept, mit dem Deng Xiaoping seinerzeit seine Reformpolitik begann: „Lasst einige erst Mal reich werden“ hat funktioniert.

    Ich habe 2018 und 2019 zahlreiche Vorträge in China gehalten: Die Menschen dort sind begeistert von der Idee, als Unternehmer reich zu werden. Ich erinnere mich an einen Vortrag an der HSBC Business School in Shenzhen, eine kleine Hochschule mit etwa 1000 Studenten. Ich hielt dort am Freitag Abend einen Vortrag darüber, wie man reich wird: Von den 1000 Studenten waren 850 da, der Hörsaal war überfüllt. https://www.youtube.com/watch?v=oskFI9rJzuw

    Der Vortrag und die Diskussion dauerten viele Stunden. Ich bezweifle, dass Freitag Abends an einer Universität in den USA oder Europa das Interesse an dem Thema auch nur annähernd so groß gewesen wäre. Ich vermute, in den USA und Europa würde man mehr Studenten zu einem Vortrag über Strategien zur Abschaffung des Kapitalismus oder über die moralische Verwerflichkeit des Reichtums motivieren.

    Rainer Zitelmann hat ausführlich über die Gründe für Chinas Wirtschaftserfolg in seinem Buch „Kapitalismus ist nicht das Problem, sondern die Lösung“ geschrieben.


    Rainer Zitelmann
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    Dr. Dr. Rainer Zitelmann ist Historiker, Politikwissenschaftler und Soziologe - und zugleich ein erfolgreicher Investor. Er hat zahlreiche Bücher auch zu den Themen Wirtschaft und Finanzen* geschrieben und herausgegeben, viele davon sind in zahlreiche Sprachen übersetzt worden. * Werbelink
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    Verfasst von Rainer Zitelmann
    Im Westen versteht man Chinas wirtschaftlichen Erfolg nicht - Seite 2 China hat mit 14 anderen Asien-Pazifik-Staaten den größten Freihandelsblock der Welt geschlossen. Das Freihandelsabkommen umfasst 2,2 Milliarden Menschen und rund ein Drittel der weltweiten Wirtschaftsleistung.

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