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     1995  0 Kommentare WDR meint: „Mao hatte echten Weitblick“ - Seite 2

    Wer Kritik übte, wurde bestraft, und davon war nicht nur eine kleine Minderheit betroffen, wie etwa ein Bericht über Fengyang zeigt. Dort wurden 28.026 Menschen (über zwölf Prozent der Bevölkerung) mit körperlichen Züchtigungen oder der Kürzung der Essensrationen bestraft. 441 Menschen starben an den Folgen, 383 wurden schwer verletzt.

    Der chinesische Journalist Yang Jisheng berichtete: „Der Hunger war gegen Ende schrecklicher als der Tod selbst. Die Maiskolben waren gefressen, das wilde Gemüse war gefressen, die Baumrinde war gefressen, Vogelmist, Mäuse und Ratten, Baumwolle, alles hatte man sich in den Bauch gestopft. Wo man Guanyin-Erde, eine Art fetten Lehm, fand, schob man sich bereits beim Graben dicke Klumpen in den Mund.“ Es kam immer wieder zu Kannibalismus. Zuerst wurden die Kadaver toter Tiere gegessen, doch später begannen die Dorfbewohner in ihrer Verzweiflung, Tote auszugraben, zu kochen und zu essen. Menschenfleisch wurde sogar, wie anderes Fleisch, auf dem Schwarzmarkt gehandelt. Eine nach Maos Tod entstandene (und prompt verbotene) Studie über den Bezirk Fengyang in der Provinz Anhui verzeichnete allein für den Frühling 1960 63 Fälle von Kannibalismus, darunter ein Ehepaar, das seinen achtjährigen Sohn erwürgte und aufaß.

    All das wollte die kommunistische Führung zunächst nicht wahrhaben. Sie wurde Opfer ihres eigenen Angstregimes. Die Kommunen meldeten sensationelle Ernteergebnisse, die das sozialistische Wunder belegen sollten. Wer realistische Zahlen meldete, bekam statt der roten eine weiße Fahne, wurde der Lüge beschuldigt und Opfer von Gewalt. In der Tat hatten sich die Bauern in den Jahren zuvor teilweise mit falschen Angaben gegen die Erhöhung der Getreideabgaben gewehrt. Aber bald schon galt jeder, der erklärte, er habe Hunger, als Feind der sozialistischen Revolution und Anhänger des Kapitalismus. Die Aussage „Ich habe Hunger“ wurde immer mehr zu einem Tabu.

    Der radikale Schwenk nach Maos Tod

    Nach dem menschlichen und ökonomischen Desaster der Mao-Ära erkundeten die Chinesen in anderen Ländern, wie es dort aussah und was sie von ihnen lernen könnten. 1978 begann eine rege Reisetätigkeit führender chinesischer Politiker und Wirtschaftler. Sie unternahmen 20 Reisen in mehr als 50 Länder, um herauszufinden, was sie wirtschaftlich von ihnen lernen könnten. Unter anderem besuchten sie Japan, Thailand, Malaysia, Singapur, die USA, Kanada, Frankreich, Deutschland und die Schweiz. Bevor eine Delegation von 20 hochrangigen Politikern und Wirtschaftlern die erste Reise nach Westeuropa seit Begründung der Volksrepublik China antrat, forderte Deng Xiaoping die Mitglieder der Reisegruppe auf, so viele Fragen wie möglich zu stellen, genau zu beobachten und herauszufinden, wie diese Länder ihre Wirtschaft managten.


    Rainer Zitelmann
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    Dr. Dr. Rainer Zitelmann ist Historiker, Politikwissenschaftler und Soziologe - und zugleich ein erfolgreicher Investor. Er hat zahlreiche Bücher auch zu den Themen Wirtschaft und Finanzen* geschrieben und herausgegeben, viele davon sind in zahlreiche Sprachen übersetzt worden. * Werbelink
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    Verfasst von Rainer Zitelmann
    WDR meint: „Mao hatte echten Weitblick“ - Seite 2 Der WDR meint: „Mao hatte echten Weitblick“. Schon in der Mao-Bibel sei „schwarz auf weiß“ festgeschrieben worden, was dann in den kommenden Jahrzehnten passiert sei.

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