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     9581  1 Kommentar Hatte Marx doch Recht? - Seite 2

    Warum ein solches System scheitern muss, hat Ludwig von Mises bereits 1922 (also fünf Jahre nach Errichtung des ersten sozialistischen Staates in der Sowjetunion) theoretisch in seinem Buch „Die Gemeinwirtschaft. Untersuchungen über den Sozialismus“ begründet. Und die historische Entwicklung in den vergangenen 100 Jahren hat Ludwig von Mises bestätigt – und Karl Marx dann auch in der Praxis so eindeutig widerlegt, wie wohl nie zuvor eine Theorie widerlegt wurde. Trotzdem sind Intellektuelle früher wie heute immer wieder vom Marxismus fasziniert.

    Intellektuelle haben immer wieder geirrt

    Der Sozialismus sieht auf dem Papier immer gut aus – außer wenn das Papier in einem Geschichtsbuch ist. Nach einigen, meist rasch gescheiterten Versuchen, den Sozialismus zu verwirklichen (wie etwa die Pariser Kommune 1871), war der erste Großversuch die Sowjetunion, die als Folge der Sozialistischen Oktoberrevolution entstand.

    Heute gibt es kaum noch jemand, der das sowjetische System verteidigt, aber das war in den 1930er-Jahren anders. Führende Intellektuelle, Schriftsteller, Dichter und Journalisten begeisterten sich für die Sowjetunion und ihren Führer Stalin.

    Der berühmte französische Schriftsteller Henri Barbusse schrieb über seine Gedanken beim Gang über den Roten Platz in Moskau, dass dort in Lenins Gruft „der einzige in dieser Welt ist, der nicht schläft… Er ist der väterliche Bruder, der wirklich für alle gesorgt hat. Ihr, die ihr ihn nicht gekannt habt – er hat von euch gewusst.“ Und wenn der Blick des späten Spaziergängers sich empor zum Kreml wendet, in dem noch ein Licht brennt (Stalin war ein Nachtarbeiter), dann in der ruhigen Gewissheit, dass dort oben „der beste Teil eures Geschicks jetzt in den Händen jenes anderen Mannes liegt, der jetzt… für euch wacht und arbeitet – der Mann mit dem Kopf des Gelehrten, mit dem Gesicht des Arbeiters und dem Anzug des einfachen Soldaten.“

    Viele Intellektuelle verharmlosten den Terror Stalins oder unterstützten ihn sogar. Der irische Dramatiker George Bernard Shaw, der 1939 den Nobelpreis für Literatur bekommen sollte, schrieb acht Jahre davor nach seiner Reise in die Sowjetunion, Hamlets berühmte Worte paraphrasierend: „Unsere Frage ist nicht töten oder nicht töten, sondern wie die richtigen Leute zum Töten auswählen.“ Der angesehene deutsche Schriftsteller und Theaterkritiker Alfred Kerr schrieb 1933: „Das Faktum ‚Sowjetrepublik’ ist für mein Bewusstsein eine der größten und beglückendsten Tatsachen. Weil hier seit 2000 Jahren zum ersten Male ganz ehrlich der Versuch gemacht wird, durch Energie Gerechtigkeit in die Welt zu bringen. Wenn ich morgen sterbe, wird der Gedanke an dies vereinzelte Phänomen inmitten einer zaghaften und rückständigen Welt der letzte, der einzige solide Trost sein.“


    Rainer Zitelmann
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    Dr. Dr. Rainer Zitelmann ist Historiker, Politikwissenschaftler und Soziologe - und zugleich ein erfolgreicher Investor. Er hat zahlreiche Bücher auch zu den Themen Wirtschaft und Finanzen* geschrieben und herausgegeben, viele davon sind in zahlreiche Sprachen übersetzt worden. * Werbelink
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    Verfasst von Rainer Zitelmann
    Hatte Marx doch Recht? - Seite 2 Der aktuelle SPIEGEL fragt, ob Karl Marx nicht doch Recht hatte. Der Antikapitalismus erlebt eine Renaissance – in Form der grünen Ideologie, aber auch in Form des Marxismus.

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