China in Deutschland
Chinas Heißhunger auf deutsche Technologie - Investitionen erreichen Rekordhoch
Die Chinesen haben nicht nur ein Auge auf deutsche Unternehmen geworfen. Ihr Appetit scheint nahezu unstillbar. Jüngsten Zahlen zufolge ist der Umfang der Übernahmen mit chinesischer Beteiligung in den vergangenen Monaten geradezu explodiert.
Allein in der ersten Hälfte des Jahres zählte die Unternehmensberatung Ginkgo Tree Advisors 30 Zusammenschlüsse und Übernahmen mit chinesischer Beteiligung in Deutschland, berichtete jüngst die „Welt am Sonntag“. Ein enormer Anstieg im Vergleich zu den Vorjahren: „Im ersten Halbjahr 2016 haben chinesische Investoren mehr Geld für deutsche Unternehmen ausgegeben als in den gesamten fünf Jahren zuvor; vielleicht sogar mehr als in den vergangenen zehn Jahren zusammen genommen“, sagt Daniel Koller, Managing Partner von Ginkgo Tree Advisors. Zum Vergleich: Im gesamten vergangenen Jahr kauften chinesische Unternehmen nur für 900 Millionen Euro in Deutschland ein, im Jahr 2014 waren es 1,7 Milliarden Euro.
Größenordnung der Übernahmen steigt
Vor allem die vielen großen Geschäfte der vergangenen Monate trieben die Zahlen in die Höhe. Das wohl spektakulärste war die Übernahme des Roboterherstellers Kuka durch den chinesischen Elektrogerätehersteller Midea für vier Milliarden Euro (mehr dazu hier, hier und hier). Der Mischkonzern Beijing Enterprises Holding übernahm im Februar für rund 1,4 Milliarden Euro EEW Waste to Energy, einen Produzenten von Müllverbrennungsanlagen. Die LED-Sparte des Leuchtmittelherstellers Osram ging für 400 Millionen Euro an ein chinesisches Konsortium und der Staatskonzern ChemChina übernahm für 900 Millionen Euro den Münchener Maschinenbauer KraussMaffei, der auch Maschinen für die Kunststoffproduktion herstellt.
Lockmitteln Niedrigzinspolitik
Die Niedrigzinspolitik der Notenbanken trägt einen großen Anteil an dem gegenwärtigen Boom bei den Übernahmen. Große Geschäfte zu finanzieren wird dadurch leichter, nicht nur für chinesische
Unternehmen. Sie profitieren zusätzlich davon, dass der chinesische Staat es im vergangenen Jahr insbesondere mittelständischen Unternehmen einfacher gemacht hat, im Ausland zu investieren.
Für die Auswertung wurden alle großen Übernahmen mit chinesischer Beteiligung untersucht. Es ist die erste Analyse dieser Art für das laufende Jahr. Tatsächlich dürfte weit mehr Geld den Besitzer
gewechselt haben, als die Zahlen belegen, denn nicht alle Geschäfte werden auch bekannt: Kleine Transaktionen, deren Volumen geringer ist als zehn Millionen Euro werden in der Regel nicht
öffentlich. Eine Berichtspflicht gibt es ohnehin nur in wenigen Fällen.
Leap-Frogging - Staatlich verordnete Einkaufsliste?
Eine ernst zu nehmende Frage, laut China-Experte Sebastian Heilmann, der vor einem systematischen Ausverkauf deutscher Hochtechnologie an die Volksrepublik warnt. Pekings Wirtschaftsprogramm ‚Made
in China 2025‘ sehe vor, dass die Volksrepublik bis 2025 eine führende Rolle in Hochtechnologiemärkten wie Robotik, künstlicher Intelligenz, Luft- und Raumfahrt, Elektromobilität oder bei
gentechnisch hergestellten Medikamenten erobere. Diese Spitzenposition könne Chinas Industrie aber aus eigenen Kräften oft nicht schnell genug erreichen, sagt Heilmann. „Daher streben Regierung und
Industrie ein ‚Leap-Frogging‘ an: Sie überspringen Entwicklungsstufen, indem sie ausländisches Know-how übernehmen. ‚Made in China 2025‘ lässt sich als staatlich verordnete Einkaufsliste lesen.“
Hier sei die Politik gefordert, so der 51-jährige Ökonom. (Mehr dazu hier: Eindringliche Warnung: Staat auf Einkaufstour: Ausverkauf deutscher Hochtechnologie an China)