Willkommen bei uns Scharlatanen! - Seite 2
Aber Sie haben natürlich Recht: Ich könnte den genannten Artikel einfach der ihm zustehenden Vergessenheit anheimfallen lassen. Schon die Kommentare auf der Webseite zeigen, dass selbst Leute, die charttechnisch wenig oder gar nicht vorbelastet sind, klar erkennen, wie sehr sich der Autor mit seinen Auslassungen vergaloppiert hat.
Von keinerlei Sachkenntnis getrübt
Der Grund dafür ist einfach: Ganz offensichtlich hat sich der Autor nie auch nur ansatzweise mit den Hintergründen der Charttechnik beschäftigt. Wer aber ohne eine minimale Sachkenntnis argumentiert, läuft Gefahr, sich lächerlich zu machen. Und so geht der Artikel von derart grundlegend falschen Voraussetzungen aus, dass er sich schon wieder als Lehrbeispiel eignet – und zwar nicht nur dafür, wie man es nicht machen sollte.
Deshalb nehme ich ihn zum Anlass, mal zu erläutern, was Charttechnik kann und will – und was nicht. Diese Punkte geraten in der täglichen Routine leicht in Vergessenheit. Es ist aber empfehlenswert, sie sich immer mal wieder zu veranschaulichen, um mit der Charttechnik langfristig Erfolg zu haben.
Das sind die drei großen Fragen der Charttechnik
Ich werde mich dabei auf drei Fragen beschränken. Erstens: Auf welchen Grundannahmen beruht die Charttechnik? Zweitens: Was ist ihr theoretischer Hintergrund? Und drittens: Warum funktioniert die Charttechnik überhaupt?
Beginnen wir mit den Grundannahmen der Charttechnik. Natürlich glaubt kein ernsthafter Charttechniker, dass die Börsen nach irgendeinem Plan funktionieren, den man erkennen könnte. Tatsächlich beruht die Charttechnik auf den folgenden drei Grundlagen:
- Sämtliche Einflussfaktoren, welche die Märkte bewegen (also fundamentale, politische, psychologische und andere), sind in den bisherigen Kursen enthalten. Das gilt sogar für die Erwartungen
aller Marktteilnehmer über künftige Ereignisse und Entwicklungen.
Damit hat die Charttechnik allen anderen Analysemethoden eindeutig etwas voraus. Die Fundamentalanalyse z.B. kann auch mit noch so umfassenden Daten Zukünftiges überhaupt nicht erfassen und ist deswegen schließlich selbst aufs „Orakeln“ angewiesen – und das durch ein paar Handvoll Analysten (Stichwort „Gewinnschätzungen“). - Insbesondere die eingepreisten Erwartungen aller Marktteilnehmer bzw. ihre Änderungen führen zu immer wiederkehrenden Kursmustern, die man erkennen und analysieren kann und die Rückschlüsse auf den weiteren Trendverlauf erlauben.
- Die Kurse bewegen sich in der Regel in Trends. Hier reicht schon der Blick auf wenige Charts, um diese Grundannahme empirisch zu bestätigen.
Wie Chartformationen tatsächlich entstehen
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Hauptkritikpunkt an der Charttechnik ist meist der zweite Punkt. Warum sollen irgendwelche Kursmuster Hinweise auf den zukünftigen Kursverlauf sein? Aber es sind eben nicht „irgendwelche“ Kursmuster. Unter den Abermillionen Kursbewegungen, welche die Kurse täglich erzeugen, sind tatsächlich die meisten zufällig oder zumindest ohne besondere Bedeutung. Aber einige wenige haben sich als verlässliche Signale erwiesen. Und nur um diese geht es in der Charttechnik!