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    Bilxa Bargeld: "Es war richtig, das Stadtschloss abzureißen" - 500 Beiträge pro Seite

    eröffnet am 07.12.07 20:09:05 von
    neuester Beitrag 07.12.07 23:22:33 von
    Beiträge: 7
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      schrieb am 07.12.07 20:09:05
      Beitrag Nr. 1 ()
      "Es war richtig, das Stadtschloss abzureißen"

      Festspielhäuser, ICC und die noch nicht mal errichtete Feudalarchitektur: in den Augen von Blixa Bargeld taugt alles für die Abrissbirne. Der Sänger der Einstürzenden Neubauten plaudert über das neue Album "Alles wieder offen", das alte West-Berlin und erklärt, warum die DDR mit dem Palast der Republik recht hatte.


      WELT ONLINE: Wer in den Achtzigern kulturell geprägt wurde, für den klang West-Berlin wie die Einstürzenden Neubauten. Diese Art Musik hätte nirgendwo anders entstehen können.
      Blixa Bargeld: Das habe ich immer so gesehen und behauptet, und rückblickend sehe ich es genau so.

      WELT ONLINE: Warum ist West-Berlin kulturell noch so präsent, dass sogar sein Verschwinden bitter beklagt wird?
      Bargeld: Ich würde das nicht übertreiben.1984 war auch dort die Luft raus. Die Mauer ist nicht von Montagsdemonstrationen zum Einsturz gebracht worden. Die Mauer ist im Vakuum von West-Berlin implodiert. Schon 1985 war für mich aus der Situation der Stadt nichts mehr herauszuholen. Aber das kann ich auch erst sagen, indem ich zurück blicke.

      WELT ONLINE: Es gibt heute noch ... Weiterführende links
      "Jede Narbe erinnert an ein Konzert"
      Tanz auf den Trümmern
      So klingt Istanbul
      Lied vom Heimweh ohne Erinnerung
      Bargeld: ... einen Riesenprozess an Legendenbildung. Ich weiß nicht, wie viele West-Berlin-Filme noch gedreht, wie viele West-Berlin-Bücher noch geschrieben werden. Ich weiß nur dass ich jeden Monat eine Anfrage, und zwar international, zur Vergangenheitsbewältigung, ignoriere. Wir wissen doch alle: Geschichte wird hinterher geschrieben und ändert sich über Generationen. Die Legendenbildung erfasst nicht nur West-Berlin. Siehe "Verschwende deine Jugend", das Suhrkamp-Buch, und der Film noch mehr. Da wird hinterher erklärt, warum die Dinge sind, wie sie sind. Oder warum sich etwas so und nicht anders anhört. Gegen diese Legenden kommt man nicht mehr an mit einem einfachen: "Es war ganz anders."

      WELT ONLINE: Wir sitzen hier im Osten exakt an der ehemaligen Grenze.
      Bargeld: Ich empfehle Ihnen, sich vor der Tür den Elektrokasten anzusehen. Ein unbekannter Fotograf hat ein Bild von The Fall 1989 darangeklebt mit Mauer und Wachturm.

      WELT ONLINE: Hat dieses West-Berlin kulturell etwas im neuen, sich nach Osten verlagerndem Berlin hinterlassen?
      Bargeld: Das kann ich Ihnen beim besten Willen nicht beantworten.

      WELT ONLINE: Die Musik der Einstürzenden Neubauten hatte sich mit der Öffnung Berlins auffallend verändert. Deutlich ruhiger. Romantischer.
      Bargeld: Also die Platte, die 1989 veröffentlicht wurde, war "Haus der Lüge". Die war schon aufgenommen, als die Mauer fiel. "Haus der Lüge" war sehr langsam. Wir waren die erste Band, die nach dem Mauerfall in der DDR spielte. Eine Woche später im VEB Elektrokohle. Wo Heiner Müller kam und die Ansage machte.

      WELT ONLINE: Auf dem neuen Album findet man ein Loblied auf die autonome Enklave "Nagorni Karabach" in Armenien. Das wird aber viele an West-Berlin denken und schwelgen lassen.
      Bargeld: Könnte man durchaus. Natürlich war Berlin eine Art Nagorni Karabach. Nur nicht bergig.

      WELT ONLINE: Warum ist die deutsche Popmusik so vom Text besessen? Bargeld: Ich finde das gar nicht ungewöhnlich. In der französischen Songkultur ist das Primat des Textes normal. Ich finde das komplett richtig.

      WELT ONLINE: Es gibt ja die These des Kulturbruchs, der zufolge sich die deutsche Popmusik von der Vertreibung ihrer herausragenden Künstler in den Dreißigern nie erholt hat.
      Bargeld: Meine Rede.

      WELT ONLINE: Wer sind die lebenden Pioniere der deutschen Songpoesie?
      Bargeld: Rio Reiser hat gute Texte geschrieben. Aber er ist tot.

      WELT ONLINE: Die Neubauten zitieren heute ausgiebig sich selbst. Wie geht man am elegantesten mit Geschichte um? Indem man Wege hinter sich vermint, wie Sie einmal singen?
      Bargeld: Um den eigenen Rückzug zu verhindern. Oder die fernzuhalten, die einem hinterher wollen.

      WELT ONLINE: Hat sich der Anspruch der Avantgarde erledigt? Der Wunsch, Festspielhäuser zu sprengen?
      Bargeld: Hach, ja. Festspielhäuser sprengen. Jetzt, elf Jahre nach Veröffentlichung der Platte, kann ich's ja verraten: "Die Explosion im Festspielhaus" hatte überhaupt nichts mit einem Festspielhaus zu tun. Es war eine sexuelle Metapher.

      WELT ONLINE: Aber all Ihre Architektur-Anspielungen waren doch hoffentlich nicht durchweg metaphorisch?
      Bargeld: Nein. Natürlich! Es sind immer Metaphern. Es gibt jede Menge davon. Mein Vater kam vom Bau. Ich bin daher auf Baustellen groß geworden und musste sonntags den Beton spritzen gehen, damit er keine Risse bekam.

      WELT ONLINE: Dass aber damals die Berliner Kongresshalle ausgerechnet zusammenstürzen musste, als die Einstürzenden Neubauten auftauchten. War das eine Fügung?
      Bargeld: Das war ja zwei Monate später. Es ist immerhin ein Journalist dabei ums Leben gekommen. Vom SFB. Der stand zufällig da, als das Dach über ihm zusammenbrach.

      WELT ONLINE: Im Film "Berlin Babylon" wird zu Ihrer Band aber ausgiebig gesprengt.
      Bargeld: Jaaaa. Gerade lebt die Diskussion wieder auf, ob man das ICC abreißen soll. Interessante Vorstellung.

      WELT ONLINE: Sie halten offenbar viel davon als anerkannter Architekturkritiker.
      Bargeld: Ich bin ja grundsätzlich immer noch für abreißen. Ich bin ja auch dafür, das Stadtschloss schon wieder abzureißen. Prophylaktisch.

      WELT ONLINE: Und den Palast der Republik, den Sie als einer der letzten bespielt haben?
      Bargeld: Auch abreißen. Ist ja dann auch so gekommen. Allerdings bin ich keineswegs für den Abriss jedes Gebäudes.

      WELT ONLINE: Im Ernst: Wie geht man mit historisch fragwürdigen Gebäuden um? Abreißen oder stehen lassen?
      Bargeld: Niemand hat das ICC je gemocht. Wenn man es noch länger stehen ließe, würde es tatsächlich historisch und man müsste es stehen lassen. Wo man es doch erdbebensicher gebaut hat, weil Berlin ja bekanntlich auf diesen gewaltigen tektonischen Verwerfungen errichtet wurde und regelmäßig vom Erdbeben heimgesucht wird.

      WELT ONLINE: Also hat Ulbricht das Stadtschloss zu Recht abreißen lassen?
      Bargeld: Ich will mich keinesfalls mit der DDR nachträglich solidarisieren. Aber im Prinzip war es von ihrer Warte richtig, das Symbol des Feudalismus, das zerstörte noch dazu, abzureißen. Und so war es politisch auch richtig, einen Palast der Republik zu errichten.

      WELT ONLINE: Was macht man mit der Brache? Schlagworte
      Einstürzende Neubauten Blixa Bargeld Stadtschloss Walter Ulbricht Palast der Republik West-Berlin Alles wieder offen
      Bargeld: Ich fand die Idee eines Central Parks ziemlich gut. Bitte so wenig temporär wie irgend möglich. Das Stadtschloss war immer eine Katastrophe. Mit dieser Meinung stehe ich ja nicht alleine, sondern befinde mich auch in Gesellschaft durchaus kompetenter Architekten. Der Dom gegenüber ist auch eine hingeklotzte Katastrophe. Berlin ist voller Katastrophen. Immer noch.

      WELT ONLINE: "Das Winkelmaß als Senkblei der Geschichte", das stammt auch von Ihnen.
      Bargeld: Und: "Architektur ist Geiselnahme". Nun bin ich ja in erster Linie immer noch Musiker. Ich hatte nie vor, eindeutige Aussagen auf Platten zu pressen, welche Gebäude angerissen werden sollen.

      www.welt.de
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      schrieb am 07.12.07 20:43:17
      Beitrag Nr. 2 ()
      Antwort auf Beitrag Nr.: 32.700.597 von technostud am 07.12.07 20:09:05
      Avatar
      schrieb am 07.12.07 20:57:40
      Beitrag Nr. 3 ()
      Antwort auf Beitrag Nr.: 32.700.842 von DScully am 07.12.07 20:43:17Primitive Schnallen eher nicht, denke ich mal ...
      Avatar
      schrieb am 07.12.07 21:25:55
      Beitrag Nr. 4 ()
      Ein typischer Techno-Thre...
      Avatar
      schrieb am 07.12.07 22:32:40
      Beitrag Nr. 5 ()
      Antwort auf Beitrag Nr.: 32.700.597 von technostud am 07.12.07 20:09:05Wo Herr Bargeld Recht hat da hat er Recht....wenn die Neu- und Altbauten schon nicht von selbst einstürzen, muß man sie halt abreißen...immer wieder Kult diese Kapelle

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      schrieb am 07.12.07 23:14:34
      Beitrag Nr. 6 ()
      Antwort auf Beitrag Nr.: 32.701.639 von Art Bechstein am 07.12.07 22:32:40Yep! :laugh:

      "man sollte auch das neue Stadtschloss gleich wieder abreissen. Prophylaktisch." :laugh: :laugh: :laugh:
      Avatar
      schrieb am 07.12.07 23:22:33
      Beitrag Nr. 7 ()
      Manche Postings sollte man auch gleich wieder abreissen ... so schwierig ist das ja wohl nicht ein Bildchen reinzustellen, oder? :laugh:


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