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    Betrachtung des Goldenen Mittelalters im Rahmen der Freiwirtschaft - 500 Beiträge pro Seite

    eröffnet am 08.03.03 17:22:57 von
    neuester Beitrag 11.03.03 09:58:20 von
    Beiträge: 34
    ID: 705.412
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      schrieb am 08.03.03 17:22:57
      Beitrag Nr. 1 ()
      Unsere Wurzeln unsere Erfolges in Zentraleuropa liegen in der Zeit zwischen 1100 n.C. bis 1300 nach Christus...


      vorher sah es so aus:

      Ein anderes wesentliches, gesellschaftshistorisches Moment muss man bei der Betrachtung der Entwicklung des Handwerks im ersten Jahrtausend n. Chr. unbedingt mit heranziehen.War noch bis zum Ende der Völkerwanderungszeit, im Reiche der Franken bis etwa 500 n.Chr., der Bauer und Handwerker noch freier Mann auf seinem Lande, auch wenn es oftmals noch so klein war, so setzte mit der Christianisierung eine unheilvolle Entwicklung für die allermeisten Menschen ein, überall dort, wo die Kirche langsam ihre Macht ausbreitete. Die Unfreiheit kommt !

      Man kann sehr gut nachvollziehen, dass von der geknechteten undgeschundenen Bevölkerung dieser Zeit natürlich keinerlei schöpferische Impulse auf den unterschiedlichsten gesellschaftlichen Gebieten ausgingen.

      Das dunkle frühe Mittelalter hielt auch für das Handwerk nichts Gutes bereit. Frondienste, Leistung des Zehnten,Zwangsschenkung auf dem Totenbett sind Merkmale dieser Zeit, unter denen die allermeisten zu Unfreien, zu "Barschalken " wurden und den Grundherren und Bischöfendienen mussten. In dem Maße, wie die freie Landbevölkerung arm wurde, mehrte sich der Reichtum der Kirche in den Jahren von 500-1000 n. Chr.[ ins Unermessliche. Mächtige Bistümer entstanden, die gewaltigen Grundbesitz ihr Eigen nannten und keinerleiAbgaben an den König entrichten mussten.
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      schrieb am 08.03.03 17:24:11
      Beitrag Nr. 2 ()
      aha, man war unfrei, mußte für jemanden fremdes wirtschaften und hatte keinerlei persönliche Anreize,
      selbst etwas zu unternehmen.

      Fast wie im Kommunismus....
      Avatar
      schrieb am 08.03.03 17:36:50
      Beitrag Nr. 3 ()
      Die [...] Wiedergewinnung der Freiheit [wäre] sicherlich nicht denkbar gewesen, wenn nicht ein neues Moment in der städtischen Entwicklung aufgetaucht wäre. Das war die Masse der in die Städte strömenden Bauern. Stadtluft macht frei ! Wer in die Stadt ging, der wollte sich dem Druck seines Grundherren entziehen. Es waren vielleicht die Selbstbewusstesten und Tüchtigsten, die diesen Schritt wagten. So kam auch als neues Element der Gedanke der persönlichen Freiheit und der schaffenden Arbeit als bedeutende Triebfeder eines aufstrebenden Handwerk in die Stadt.



      Es waren im Wesentlichen zwei wichtige Punkte, die zur Blüte der mittelalterlichen Städte und des Handwerks und damit des ganzen mitteleuropäischen Wirtschaftsraumes führten. Zum einen war es die innere Kraft der Stadtbevölkerung, ihre Organisation, die Arbeitsteilung und der Fleiß der Handwerker und der weltoffene Drang der Kaufleute freien Handel zu führen.
      Dies war zweitens Motor und Bedingung zugleich, um die im 12.Jahrhundert einsetzende gewaltige Welle der Kolonisation und Städtegründungen zu erklären.

      ....In all die Städte und Dörfer strömten Kaufleute, Handwerker und Bauern aus Franken Schwaben oder Sachsen um ihr Glück zu suchen und dabei mit ihrem Fleiß und ihrer Schaffenskraft in der neuen Heimat Zeichen zu setzen. Große Handelstraßen entstehen. Von Nord nach Süd, von West nach Ost durchziehen sie Mitteleuropa und bedürfen des Schutzes der Landesherren, den sie meistens auchgewähren, denn sie zogen ja ebenfalls großen Nutzen aus reichen Städten und florierendem Handel.

      ...

      Diese Epoche ist neben den natürlich vorhandenen machtpolitischen Auseinandersetzungen,Wirrungen und mittelalterlichen Unzulänglichkeiten des Lebens ein Beweis für den wirtschaftlichen Aufschwung in ganz Europa.

      Handwerker, Kaufleute, Bauern und auch friedlich gesonnene, aber wehrhafte Ritter hatten einen großen Anteil daran.

      Vor allem aber war es die städtische Kultur, die neue gesellschaftliche und wirtschaftliche Kräfte freisetzte und dabei weit über die Stadtmauern hinaus ausstrahlte.

      ...

      Die mittelalterliche Hochblüte des Handwerks, seine Ausdehnung, war gewiss begünstigt durch die zahlreichen Handelstraßen, die sich auf deutschem Gebiet kreuzten, durch mancherlei Anregungen und Einflüsse aus Italien, Frankreich und dem Orient und günstige Beschaffungsmöglichkeiten von Rohstoffen durch eine große Ausdehnung des Reichsgebietes. Entscheidend war jedoch, was die Bürger durch ihre handwerkliche Kultur aus dieser günstigen Lage wirklich gemacht haben, wie es ihnen gelang die Qualität ihrer Produkte so zu steigern, dass ihnen Absatzgebiete sicher waren und der Ruf dieser Waren eine ständige Nachfrage [!!!! wichtig: merken!] sicherte.

      Untrennbar verbunden, ja Voraussetzung dafür war die Leistung, eine Organisation des deutschen Handwerks weit über den deutschen Raum hinaus zu schaffen, die Jahrhunderte hindurch funktioniert hat, Zehntausenden von Familien Verdienst gab und dafür sorgte, das die Qualität der Produkte sich abhob von Billigwaren. Hier liegen die Grundlagen des Begriffs "Made in Germany" und bilden zweifelsohne die weit zurück reichenden Wurzeln des Wohlstandes in der jetzigen Zeit.




      Alles aus:home.t-online.de/home/elektro-innung-chemnitz/ geschichte.pdf
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      schrieb am 08.03.03 17:38:40
      Beitrag Nr. 4 ()
      so, nun haben wir eine Anzahl wichtiger Begriffe der Marktwirtschaft gesehen, die zur Blüte der Wirtschaft führte, so wie wir sie auch heute noch kennen.

      Damals legte man damit die Grundlage für unser reiches Erbe...
      Avatar
      schrieb am 08.03.03 17:46:05
      Beitrag Nr. 5 ()
      Doch was ist jetzt da dran?

      Ist es Quatsch, gibt es Beweise, die gegen Lietaers Theorien sprechen?


      Der Archetypus der Großen Mutter

      Lietaer erklärt das Wirtschaftsystem der lokalen Währungen im Mittelalter mit dem Archetypus der großzügigen Mutter. Interessanterweise erlangte gerade in dieser Zeit ein religiöses Symbol eine große Bedeutung: Die berühmte schwarze Madonna. Es gab hunderte von diesen Madonnen im 10. bis 13. Jahrhundert, die ursprünglich Statuen der Göttin Isis mit ihrem Sohn Horus im Schoß waren. Diese Figuren wurden von den ersten Kreuzrittern direkt aus Ägypten importiert. Ihr spezieller waagrechter Stuhl wurde cathedra genannt (daher kommt auch der Name Kathedrale) und interessanterweise war es gerade dieser Stuhl, der im alten Ägypten das Symbol für Isis war. Die Statuen der schwarzen Madonna wurden im Mittelalter auch identifiziert mit der Alma Mater, der "Großzügigen bzw. Großen Mutter"", ein Ausdruck, der auch heute noch in vielen Ländern für die Universität gebraucht wird. Die schwarzen Madonnen waren direkte Nachfolgerinnen der Großen Mutter in einer ihrer ältesten Formen. Sie symbolisierte Geburt und Fruchtbarkeit.

      Sie vertritt das Grundgefühl des Reichtums und des Überflusses, der Geborgenheit und Gewißheit, versorgt zu sein.

      Sie unterscheidet sich damit grundlegend von der durch Knappheit, Verlorenheit und Angst geprägten Stimmung des patriachalen Kapitalismus.

      Sie symbolisiert den Geist, der in der Materie inkarniert war, bevor die patriarchalen Gesellschaften die Materie und den Geist voneinander trennten.


      Für Lietaer gibt es hier eine direkte archetypische Verbindung zwischen zwei Kulturen, die beide ein Geldsystem mit Nutzungsgebühren verwendeten und damit einen ungewöhnlichen Wohlstand für alle Menschen erzeugten: das alte Ägypten und das Europa des 10. bis 13. Jahrhunderts.

      Die Verwendung dieses Geldystems korrespondiert nach Lietaers Ansicht genau mit der Verehrung des gleichen Archetyps.

      Seiner Ansicht nach versetzte die Erfindung des Schießpulvers im frühen 14. Jahrhundert die Fürsten in die Lage, ihre Macht zu zentralisieren.

      Das erste, was sie taten, war das Monopol des Geldsystems durchzusetzen. Es wurden keine Kathedralen mehr gebaut, der Anreiz für langfristige Investitionen war verlorengegangen.

      Es ist paradox, daß genau in der Zeit des angeblichen Machthöhepunktes des Christentums in Europa, in der ja der Archetyp der Großen Mutter unterdrückt wurde, die Lebensqualität am höchsten war und die schwarze Madonna verehrt wurde.

      Neuere Geschichtsforschungen haben aber ergeben, daß das Mittelalter nicht dunkel und grausam war. Wie oben beschrieben war es eine wirtschaftliche und kulturelle Blütezeit. Interessanterweise ist es auch - entgegen der Meinung, die sich im Bewußtsein des Menschen heute festgesetzt hat - falsch, daß im Mittelalter die Kirche die Macht und somit das Sagen hatte.

      Die wahrhafte "Machtergreifung" der Kirche fand erst Anfang / Mitte des 14. Jahrhunderts statt - die gleiche Zeit, die Lietaer als Machtergreifung der Fürsten und somit den sozialen und kulturellen Niedergang angibt.

      !!!

      Wenn man sich die Mühe macht, bei mittelalterlichen Städten herauszufinden, welche Bauwerke den kulturellen Mittelpunkt darstellten, wird man feststellen, daß dies nicht unbedingt die Kirche war (oft erst ab Mitte des 14. Jahrhunderts), sondern meist eine (Ritter- oder Tempelritter) Burg, deren Platz später eine Kirche einnahm. Die Kathedralen, die in der Blütezeit des Mittelalters gebaut wurden, waren wahrscheinlich Werke von den aus Jerusalem heimkehrenden Tempelrittern. Sie wurden erst später von der Kirche "übernommen" (vgl. hierzu Dr. Sonja Klug: Die Kathedrale von Chartres und ihre Geheimnisse, Tattva Viveka Nr. 9).

      Die Städtegründungen wurden meist von Bürgern initiiert, Handwerker haben mehr verdient und weniger gearbeitet als es heute der Fall ist.
      Das sogenannte "dunkle" Mittelalter existierte nicht im historischen Mittelalter, sondern fand ihren Anfang kurz vor Beginn der Renaissance, in welcher die Inquisition ihren Höhepunkt hatte.

      Die Bedeutung des kollektiven Unterbewußten und die Unterdrückung der Archetypen

      Lietaers Theorie der Knappheit als unerläßliche Bedingung für das weltweit existierende Wirtschaftssystem basiert auf C.G. Jungs Theorie der kollektiven Psychologie.
      Jung hatte bei seiner praktischen Arbeit festgestellt, daß bei seinen Patienten in den Sitzungen immer gleiche Inhalte und Verhaltensweisen im Unterbewußtsein verankert waren. Daraus schloß er, daß eine die individuelle Psyche überschreitende Dimension des Unterbewußten existierte - das "kollektive" Unterbewußte. Dabei tauchten wiederholt mythologische Motive auf, die unabhängig von Bildung und Erziehung des Einzelnen die gleichen waren - die sogenannten Archetypen.
      Nach Jung können die Archetypen als Grundstrukturen menschlicher Erfahrung definiert werden, deren Wirkung sich analog zu den ihnen entsprechenden Situationen des menschlichen Lebens entfaltet. Wenn ein bestimmter Archetyp allerdings unterdrückt wird, tauchen zwei Schattenwesen auf, die Antipoden zueinander sind. Man kann es auch so formulieren: Ein Archetyp vereinigt alle Aspekte - die negativen wie die positiven - des Motives, welches er repräsentiert.
      Im Falle des Archetyps der Großen Mutter sind die typischen Eigenschaften "(...) das Mütterliche schlechthin, die magische Autorität des Weiblichen; die Weisheit und die geistige Höhe jenseits des Verstandes; das Gütige, Hegende, Tragende, Wachstum, Fruchtbarkeit und Nahrung Spendende; die Sätte der magischen Verwandlung, der Wiedergeburt (...); das Geheime, Verborgene, das Finstere, der Abgrund, die Totenwelt, das Verschlingende, Verführende und Vergiftende, das Angsterregende und Unentrinnbare."

      Wenn also die Schatten des Unterbewußtseins nicht integriert werden, wenn nicht der Archetyp in seiner Ganzheit angenommen wird, manifestiert sich dieser Schatten - allerdings verzerrt, weil er gewaltsam unterdrückt und dadurch auch gewaltsam wieder erscheint - in der materiellen Welt.

      Nach Lietaers Auffassung ist genau dies auch der Fall. Der Archetyp der Großen Mutter wurde seit Beginn der bekannten Menschheitsgeschichte, seit 6000 Jahren, gewaltsam unterdrückt. Dies begann im Westen mit der indo-germanischen Völkerwanderung, verstärkt durch die Anti-Göttin-Haltung im Juden-und Christentum mit Höhepunkten in drei Jahrhunderten Hexenverfolgung bis hin zur Viktorianischen Epoche.

      Der manifestierte Schatten in der Gesellschaft ist aufgrund des langen Zeitraums der Unterdrückung gewaltig. Die Schatten der Großen Mutter manifestieren sich nach Lietaers Theorie als Gier und Angst vor Knappheit (und nach meiner Auffassung auch noch als verzerrtes Extrem am anderen Ende der Achse der Eigenschaften des Archetyps der Großen Mutter: als materieller Überfluß, von dem man nahezu erstickt wird).

      Jemand, der den Archetyp der Großen Mutter darstellt, d.h. ihn in seiner Persönlichkeit erkannt und integriert hat, der vertraut auf die Fülle des Universums; nur derjenige, der kein Vertrauen hat, braucht ein dickes Bankkonto.

      "Der erste Mensch, der damit begonnen hat, als Schutz gegen die Unwägbarkeiten der Zukunft eine Menge Güter anzuhäufen, mußte damit automatisch seinen Besitz gegen den Neid und die Bedürfnisse anderer Menschen verteidigen. Wenn eine Gesellschaft Angst vor Knappheit hat, wird sie eine Atmosphäre schaffen, in der die Ängste wohlbegründet sind. Es handelt sich hier um eine sich selbst erfüllende Prophezeiung."


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      schrieb am 08.03.03 17:52:15
      Beitrag Nr. 6 ()
      Das Goldene Mittelalter - bessere Lebensbedingungen als heute

      Das Hochmittelalter war die größte Entwicklungsperiode der deutschen Geschichte. Damals waren die sozialen Unterschiede so ausgeglichen wie nie mehr im historischen Verlauf. Wer viel hatte, erwarb den Wohlstand durch Arbeit, nicht durch leistungslose Zinsen.

      Das Minimum der arbeitsfreien Tage pro Jahr lag bei 90, oftmals über 150. Sehr bald wurde auch der Montag als arbeitsfrei eingeführt, damit mußten die Handwerker nur 4 Tage in der Woche arbeiten. Noch am Ausgang dieses Zeitalters, um 1450, konnte Erzbischof Antonin von Florenz es als selbstverständlich bezeichnen, daß für die Gewinnung des notwendigen Lebensunterhaltes eine kurze Arbeitszeit genüge und daß nur derjenige lange und viel arbeiten müsse, der nach Reichtum und Überfluß strebe.

      Die tägliche Arbeitszeit war z.B. bei Bergwerksknappen in Freiburg auf 6 Stunden begrenzt.

      Auch auf dem Land war die Ausbeutung zurückgedrängt, weil der geknechtete Bauer die Möglichkeit hatte, in den schnell wachsenden Städten einem Handwerk nachzugehen.

      Das Einkommen war so hoch ???, daß sich etwa in Augsburg ein Tagelöhner mit seinem täglichen Verdienst 5-6 Pfund des teuersten Fleisches leisten konnte. In Meißen mußten jedem Maurergesellen wöchentlich 5 Groschen Badegeld gegeben werden, in einer Zeit, in der ein einziger Scheffel Korn 6 Groschen und 5 Pfennige kostete. Der sächsische Scheffel faßte 103,8l.

      Im Vergleich mit unserer Zeit, in der die Freizeit immer enger beschnitten wird und der Druck am Arbeitsplatz unerträglich zu werden droht, war das Hochmittelalter, mit der größten Kulturblüte unserer Geschichte ein richtiges Paradies.

      Das goldene Mittelalter - durch zinsfreies Geld

      In der Zeit von 1150 bis 1450 gab es in Mitteleuropa eine krisenfreie Zeit, welche durch eine geniale zinsfreie Währung erreicht wurde: Um 1150 begann Erzbischof Wichmann (1110-1192) aus Magdeburg damit, Münzen herauszugeben, welche zweimal im Jahr zum Umtausch aufgerufen wurden. Ziel war es, die Steuern einfach und regelmäßig einzutreiben. Dabei wurden 12 alte Pfennige gegen 9 neue ausgetauscht, die Differenz war Steuer. Um die Münzen schnell und ohne viel Aufwand wieder einschmelzen und umprägen zu können, waren sie nur einseitig geprägt und aus dünnem Blech, daher ihr Name "Brakteaten" (bractes = dünnes Blech). Bald schon breitete sich diese Methode über das ganze Land aus. Das führte dazu, daß sich Geldhortung nicht mehr lohnte. Um dem nächsten Umtausch zu entgehen, wurde Geld zinslos weiterverliehen, da nur der Besitzer der Münzen die Umtauschgebühr zahlen mußte. Damit war Geld wieder reines Tauschmittel, nicht mehr Schatzmittel. Wie gewaltig dieser wirtschaftliche Aufschwung gewesen sein muß, zeigt die Entwicklung der Städte in Deutschland (Abb. 5).






      Abb. 5: Städteneugründungen in der Geschichte

      Um 1300 wurde ein Höhepunkt der Städteneugründungen, als Maß für die wirtschaftliche Entwicklung, erreicht, welcher in der ganzen Geschichte vor und nach dieser Zeit nie mehr erreicht wurde. In der Zeit von 1150-1450 wurden die großen Dome und Kathedralen in Europa gebaut. Finanziert durch freiwillige Spenden der Bürger.

      Allein schon hieraus wird deutlich, wie zuversichtlich die Menschen damals gewesen sein mußten. Wer spendet schon für ein Jahrhundertprojekt, wenn er schon morgen nicht weiß ob er noch leben wird? Auch eine Ausbeutung über Bodenrente wurde oftmals dadurch verhindert, indem die festen Kosten der Stadtverteidigung auf den Grundbesitz umgelegt wurden. So verfügte Worms, daß jeder Bodeneigentümer "Wachtgeld" zu entrichten habe.

      Die Situation änderte sich, als auf Druck von machtsüchtigen Kaufleuten hin, schrittweise Geld eingeführt wurde, welches nicht mehr verrufen wurde. Das Augsburg der Fugger gehörte mit zu den ersten Plätzen, an denen die Münzverrufung auf 4 Jahre hinausgeschoben wurde. Nach vollständiger Einführung des Dickpfennigs (beidseitig geprägtes schweres Geld) konnten die Fugger sich zwischen 1480 und 1560 zu einer der mächtigsten Familien der damaligen Welt aufschwingen. Geld wurde dann nur noch hochverzinst verliehen. Beispielsweise brachte eine Anlage von 900 Gulden nach 6 Jahren 30.000 Gulden Zinsertrag. Bei den dem Bauern auferlegten Geldabgaben mußte er im Falle von Säumigkeit Zinsen zahlen, und zwar nach dem sogenannten "Rutscherzins" für jeden Tag des Verzuges den verdoppelten Zinssatz. Mit der schrittweisen Einführung des "Ewigen Pfennigs" verschob sich damit die Vermögensverteilung innerhalb weniger Jahrzehnte so drastisch, daß die gotischen Bauten aus Geldmangel in ganz Mitteleuropa nicht mehr fertiggestellt werden konnten.

      Überall in Europa wurden die Dome mehr als 300 Jahre nicht weitergebaut und erst im letzten Jahrhundert vollendet. Die wirtschaftliche Situation der Bevölkerung verschlechterte sich so stark, daß es Anfang des 16. Jahrhunderts zu blutigen Bauernkriegen kam.

      Die Zünfte waren nicht mehr für jeden frei, für die meisten war der Weg in die Selbständigkeit versperrt, es entstand eine neue Schicht der abhängigen Lohnarbeiter.

      Gleichzeitig wurden neue Entdeckungen und Erfindungen unterdrückt. So wurde beispielsweise der Vorläufer des mechanischen Webstuhls 1586 von der Zunft verboten und der Erfinder ermordet. Da sich die Menschen die schnelle wirtschaftliche Verschlechterung nicht erklären konnten, kam es zu Hexenverbrennungen, die ab 1484 zunehmend veranstaltet wurden. Das finstere Mittelalter zog herauf und hält im Prinzip bis heute an...



      www.geldcrash.de
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      schrieb am 08.03.03 17:55:20
      Beitrag Nr. 7 ()
      In Gesellschaften, in denen das Weibliche nicht unterdrückt wurde, unterlagen Sex, Tod und Geld auch keinem Tabu, wie es in der modernen Welt der Fall ist. Wurde das Weibliche dagegen niedergehalten, verschwanden diese Themen aus dem Blickfeld. Wie Jung es ausdrückte, erscheint in unserem Leben als Schicksal, was wir nicht ins Bewußtsein rufen können. Daher sind wir in unserer Welt »vom Schicksal dazu verdammt«, daß unser Dasein von Emotionen gesteuert wird, die um diese drei Themen kreisen. Bezeichnenderweise handelt es sich bei Sex, Tod und Geld um die drei Hauptattribute eines einzigen Archetyps: der »Großen Mutter«. Sie wurde in der westlichen Geschichte jahrtausendelang unterdrückt.
      Ich behaupte, daß wir diese abgetrennten Energien in unser Bewußtsein reintegrieren müssen, um wieder »ganz« zu sein, also persönlich und kollektiv gesund zu werden. Bei dem Versuch, Licht in unser Verhältnis zum Geld zu bringen, verfolgt dieses Buch denn auch letztlich das Ziel, Geld dadurch zu unserem »Diener« zu machen, anstatt es weiterhin als unseren »Herrn« zu erdulden.


      www.futuremoney.de
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      schrieb am 08.03.03 18:09:48
      Beitrag Nr. 8 ()
      Die soziale Frage: Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit

      Die soziale Frage kreist um das Streben der Menschen nach individueller Freiheit, rechtlicher Gleichheit und nach einer gerechten Verteilung der gemeinsam erzeugten Güter.
      Die politische und wirtschaftliche Befreiung des Individuums war das Hauptanliegen des Liberalismus. Der mit dem frühen wirtschaftlichen Liberalismus einhergehende schrankenlose Kapitalismus konnte jedoch keine Gerechtigkeit im Wirtschaftsleben herbeiführen. Aus dem offenkundigen Versagen des historischen Liberalismus erwuchs der Sozialismus mit dem Ziel, die mißbrauchten Freiheitsrechte zugunsten von Gleichheit und Gerechtigkeit einzuschränken. Auch die sozialistischen Experimente mit Verstaatlichungen und Planwirtschaft sind inzwischen gescheitert.
      Weder der Liberalismus mit seiner einseitigen Betonung der Freiheit noch der Sozialismus mit seiner einseitigen Betonung der Gleichheit vermag in seiner historischen Form die sozialen Probleme nachhaltig zu lösen. Es stellt sich hieraus die Frage, wie der Gegensatz zwischen Liberalismus und Sozialismus auf einer höheren Ebene überwunden und eine monopol- und ausbeutungsfreie Wirtschaft ohne private Vorrechte und staatliche Bevormundung realisiert werden kann.
      Ein weiterer Impuls zur Verwirklichung einer sozialen Gerechtigkeit entwickelte sich aus der Christdemokratie: Die "soziale Marktwirtschaft" ermöglichte das "Wirtschaftswunder" und durch die soziale Verpflichtung der leistungsfähigeren gegenüber den weniger leistungsfähigen Haushalten einen bis dahin nicht gekannten Wohlstand für breite Bevölkerungsschichten. Der Sozialstaat übernahm die Aufgabe der Umverteilung, d.h. die Transformation der sich auf den Märkten bildenden Primärverteilung des Volkseinkommens in eine als gerechter empfundene Sekundärverteilung durch eine als geeignet erachtete Steuerpolitik bzw. Ausgabenpolitik. Auch heute herrscht noch fast ausschließlich die Ansicht vor, für die Lösung der sozialen Frage sei nur "Vater Staat" zuständig und verantwortlich. Die staatlichen Umverteilungen haben sich jedoch als unzulänglich für die Lösung der sozialen Frage erwiesen; die Schere zwischen Arm und Reich öffnet sich immer schneller (vgl. Creutz 1997).

      Die Sozialpartnerschaft der sozialen Marktwirtschaft ist zerbrochen, der Wohlfahrtsstaat nicht zuletzt wegen der steigenden Zinslasten nicht mehr finanzierbar. Wir stehen also wieder vor der Aufgabe, Lösungen für die soziale Frage zu finden, bei denen alle drei Ziele der Französischen Revolution von 1789 in bestmöglicher Weise verwirklicht sind: Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit, oder allgemeiner: Brüderlichkeit bzw. Geschwisterlichkeit. Bereits bei der allgemeinen Formulierung dieser Ziele treten jedoch schwerwiegende Probleme in Form von Zielkonflikten auf. So besteht etwa eine grundsätzliche "Unschärferelation" zwischen Gleichheit und Freiheit: Die Gleichheit gefährdet die Freiheit und die Freiheit führt fast zwangsläufig zu Ungleichheiten. Gleichheit gibt es demnach nur auf Kosten der Freiheit und umgekehrt (vgl. Popper 1943). Eine Lösung für diesen Zielkonflikt wurde mit dem Postulat der "Dreigliederung des sozialen Organismus" vorgeschlagen (Steiner 1919). Die Dreigliederungslehre unterteilt das Gesellschaftssystem in drei Lebensbereiche, von denen jeder zu einem Ideal der Französischen Revolution korrespondiert: Freiheit soll vor allem im Geistesleben realisiert werden, welches Wissenschaft, Bildung und Kultur umfaßt; Gleichheit gehört zum Bereich Rechtsleben, in dem es um alle Formen von zwischenmenschlichen Vereinbarungen geht; und Brüderlichkeit ist im Wirtschaftsleben angesagt, wo Produktion, Zirkulation und Konsumtion von wirtschaftlichen Werten ablaufen. Jedem Ziel wird auf diese Weise eine Domäne zugeordnet, so daß die Zielkonflikte verschwinden. Im wirtschaftlichen Subsystem kann es nur eingeschränkte Formen von Freiheit und Gleichheit geben: Wahlfreiheit des Konsumenten, das freie Unternehmertum sowie die Chancengleichheit aller Wettbewerber und Marktteilnehmer in einem geeigneten ordnungspolitischen Rahmen.


      Gerechtigkeit im Wirtschaftsleben schaffen heißt: nach und nach die Quellen der Ungerechtigkeit zum Versiegen bringen. Die Quelle der Ungerechtigkeit, von der in diesem Essay die Rede sein wird, sind die leistungslosen Kapitaleinkommen für Nichtbedürftige, die unser Geldsystem zuläßt. Damit ist bereits festgestellt, daß hier die Ursachen von Ungerechtigkeiten nicht - wie sonst allgemein üblich - in der realen Sphäre der Volkswirtschaft gesucht werden, sondern in der monetären Sphäre, speziell im Geld selbst.

      Heinrich Heine (1842) beschreibt die soziale Ungerechtigkeit seiner Zeit wie folgt: „Hier in Frankreich herrscht gegenwärtig die größte Ruhe. Ein abgematteter, schläfriger, gähnender Friede. Es ist alles still, wie in einer verschneiten Winternacht. Nur ein leiser, monotoner Tropfenfall. Das sind die Zinsen, die fortlaufend hinabträufeln in die Kapitalien, welche beständig anschwellen; man hört ordentlich wie sie wachsen, die Reichtümer der Reichen. Dazwischen das leise Schluchzen der Armut. Manchmal auch klirrt etwas, wie ein Messer, das gewetzt wird."
      Im Verlauf der folgenden Abhandlung wird gezeigt, daß die Einführung eines sogenannten neutralen Geldes, das als solches keinen Einfluß mehr auf die realen Wirtschaftsvorgänge hat (vgl. Hayek 1933), nicht nur zu mehr Gerechtigkeit bei der Verteilung des gemeinsam erarbeiteten Sozialprodukts führt, sondern auch aus systemtheoretischen Gründen dringend notwendig ist.
      Dieser Essay wird einen "dritten Weg" aufzeigen, auf dem Freiheit auch ohne Kapitalismus und soziale Gerechtigkeit auch ohne Marxismus und Gleichmacherei möglich ist. Zur Verwirklichung einer nachhaltigen sozialen Gerechtigkeit bedarf es einer Reform der Geldordnung, die mit einer Befreiung der Markwirtschaft vom Kapitalismus, d.h. von leistungslosen Kapitaleinkommen, einhergeht. Als erster Schritt zu einer solchen Geldreform wird eine innovative Finanzdienstleistung vorgestellt, die die Einführung eines neutralen Geldes auf lokaler Ebene durch Geschäftsbanken ermöglicht.

      "Die Tatsache, daß ein Fünftel der Menschheit immer reicher und vier Fünftel immer ärmer werden, das liegt natürlich an unserer Wirtschaftsart und ganz speziell an unserem Geldsystem. Ich glaube, daß an diesem Geldsystem etwas geändert werden muß, um zu irgendeiner Art von Gleichgewicht in der Welt zu kommen."
      Michael Ende

      http://www.buechergilde.de/thema/projekte/olah_langtext.shtm…
      Avatar
      schrieb am 08.03.03 18:16:11
      Beitrag Nr. 9 ()
      Das Goldene Mittelalter - bessere Lebensbedingungen als heute

      :confused:

      dies ist wohl eher eine mär.........

      die vielen freien tage waren kirchen(heilige)tage.
      Avatar
      schrieb am 08.03.03 18:28:44
      Beitrag Nr. 10 ()
      Oh du unheilige Volksverbloedung!

      Nach den Ideologien des Klassenkampfes und des Rassenkampfes nun der Geschlechterkampf.

      Mystische, voellig haltlose Phantasien von "grosser Mutter" und ebenso sinnlose Behauptungen, die jede(r) daherschwaetzen kann von Frauen und Wirtschaftsbluete - so wie frueher von Proletariat oder Arbeiterklasse und Wirtschaftsbluete oder Rassenreinheit und Wirtschaftsbluete.

      Krank, mystisch, hochgefaehrlich!

      Nun also gegen Maenner und gegen die menschliche Natur, gegen natuerliche Geschlechterbeziehungen, die Grundlage von Leben, Familie und Gesellschaft.

      Dazu das alte Maerchen von der angeblich gluecklosen "zinslosen" Zeit.

      Dieses Maerchen kennen wir von utopischen Sozialrevolutionaeren. "Zinswucher" wurde bekaempft im Namen "armer Bauern und Arbeiter".

      Die Angst vor Zinsen und Reichen wurde geschuert und benutzt auch von rechtsradikalen Antisemiten, eine genauso verrueckte Spinnerei.

      Diesmal nun matriarchalisch und wieder gegen Zinsen.

      Nun zu den Fakten: Fehlender Geldverleih - denn wo es keine Zinsen gibt, besteht keine Geschaeftsgrundlage, kein Anreiz, die Gefahr einzugehen, die Mittel nicht oder erst spaeter zurueckzuerhalten - fehlender Geldverleih war Grund wirtschaftlicher Stagnation.

      Wo es keine Kredite gab, wuchs Wirtschaft gar nicht oder sehr, sehr langsam. An eine Industrialisierung war gar nicht zu denken. Womit haetten Neuerungen und Maschinen bezahlt werden sollen VOR dem Geschaeft damit?

      Auch im islamischen Bereich gab es wegen des Zinsverbotes (und anderen Gruenden) eine laengere Stagnation.

      Nicht einmal das Kaiserreich konnte bestehen ohne grosszuegige Finanzierung, man denke an die Fugger.

      Renaissance und Fortschritt - und neue Erfindungen im Handwerk bedurften der Finanzierung. Erst mit dessen Entstehen konnte der finstere Teil des Mittelalters ueberwunden werden.

      Aber es hat wohl keinen Zweck, mit kranken Mystizismen zu argumentieren, die diesmal nicht aus der rassistischen, sondern der geschlechtlichen Ecke kommen, sich aber bis ins Detail verblueffend aehneln.

      Wir haben die Nazis ueberlebt, den Kommunismus, und diesen neuen Wahn werden wir auch noch ueberleben.

      Pfffffft - Geschichtsunterricht miserabel oder abgeschafft, und das Ergebnis sind wahnwitzige Maerchen als Faktenersatz?
      Avatar
      schrieb am 08.03.03 18:32:36
      Beitrag Nr. 11 ()
      ja,ja, die gute alte zeit ...;)

      pest und cholera, blinddarmentzündung ein todesurteil.
      alles egal - hauptsache zinsfrei :D
      Avatar
      schrieb am 08.03.03 18:33:29
      Beitrag Nr. 12 ()
      #9,#10

      bitte konkrete Gegenbeispiele, und keine Verdächtigungsreden


      Die Blütezeit des Hochmittelalters
      Keynes hielt seinerzeit ein Stempelgeld im Sinne Gesells für "nicht durchführbar". Dabei gab es durchaus historische Vorbilder für ein nicht hortbares Geld. So wurde beispielsweise die Blütezeit des Hochmittelalters maßgeblich von den zu dieser Zeit herrschenden Geldver-hältnissen begünstigt, wenn nicht gar hervorgerufen (Weitkamp 1993). Aus Mangel an Gold und Silber brachten einige deutsche Fürsten dünne Blechmünzen, "Brakteaten", in Umlauf, die aus fiskalpolitischen Gründen regelmäßig "verrufen" wurden, wodurch sie ihre Gültigkeit verloren und gegen eine Umtauschgebühr, "Schlagschatz", gegen neue Blechmünzen eingetauscht wurden. Es lohnte sich also nicht, diese Münzen zu horten. Die regelmäßige Münzerneuerung, "Renovatio", wirkte als Umlaufantrieb des Geldes. "Noli thesaurare!" lautete das päpstliche Gebot auf den Münzen des mittelalterlichen Kirchenstaates.
      Weitkamp (1993): "Welch ein Zufall! Von 1271 bis 1292 weilte Marco Polo, der Sohn Venedigs, in China und berichtet, heimgekehrt, über das Hochmittelalter Chinas, das unter Kublai Khan dort seine wohl höchste Blüte entfaltet hatte. Und Polo wird uns der Zeuge dafür, daß diese Kulturblüte ebenfalls ein Geschenk des wohlgeordneten Geldwesens war und daß dort ein Papiergeld mit Umlaufsteuer die viele Jahre währende, Jahrhunderte lang blühende Hochkultur veranlaßte. Es ist wirklich so, als habe ein Frühlingshauch die ganze damalige Welt gleichzeitig erwärmt und zur nachhaltigen Blüte förmlich gezwungen."
      Ab 1350 wurde in Europa nach und nach der "ewige Pfennig", auch "Dickpfennig" genannt, wieder eingeführt; wahrscheinlich deshalb, weil es einige Fürsten übertrieben hatten und teilweise viermal im Jahr eingetauscht wurde, um entsprechend viermal im Jahr Steuern erheben zu können. Nach dem Hochmittelalter folgte das "finstere" Mittelalter. Die Blüte war quasi ein Nebeneffekt der "Falschmünzerei" der Fürsten. "Rumlaufen wie falsches Geld" sagt der Volksmund heute noch.


      von letzter Quelle nochmals!
      Avatar
      schrieb am 08.03.03 18:42:28
      Beitrag Nr. 13 ()
      #10

      die nazis hatten "brechen der zinsknechtschaft" mit im programm.

      auch der islam hat seine probleme mit zinsen (sind durch die religion verboten).
      trotzdem dürfte so ein islamischer staat zum leben nicht attraktiver als das mittelalter sein.

      was beim ganzen untergeht: zinsen werden intern hin und hergeschoben.
      die welt ist ja nicht verschuldet.
      Avatar
      schrieb am 08.03.03 18:49:08
      Beitrag Nr. 14 ()
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      Wednesday 27.September 2000, 21:48
      Eckhard Siemer (mabat@olis.north.de):
      Hallo ihr Lieben. Zunächst einmal zu dem, was dieser Dr. Paul C. Martin "Das Brakteaten-Märchen der Freiwirte" nennt. Dieser stellt richtig fest, daß die "Renovatio", die Münzverrufung, schon nach etwa 10 Jahren eine Reduzierung der ursprünglich umlaufenden Geldmenge auf etwa 1 % bewirkt hätte. Abgesehen davon, daß dieser Dr. Martin einen pöbelhaften Ton an den Tag legt möchte ich dieses Rätsel durch ein paar hof- fentlich hilfreiche Hinweise, lösen. Und zwar ist es so, daß es, wie z.B. bei Fernand Braudel dargestellt, in dieser Zeit kulturelle, genauer genommen eben religiöse Barrieren, im Handel zu überwinden galt. So wie auf Grundlage des Augustinus spätestens seit den Karolingern die Geistlichen Herren über die Rechtsprechung im Geldwesen verfügten (Hans v. Schubert), war es eben auch in anderen Kulturen, sofern sie über normierte Zahlungsmittel verfügten (z.B. bei den Arabern).
      Wollte man nun im Rahmen des Fernhandels (dieser war bevorzugt, weil Gewinn erzielt werden sollte), zu einer Messe reisen, so mußte man bereits vorher über die entsprechenden Symbole verfügen, Sprich über die geeigneten Zahlungsmittel verfügen. Dies lag daran, daß es in der Regel nicht erlaubt war, die zum Ort der Messe mitgebrachten Waren wieder mitzunehmen, auch war es so, daß eine Art Geistlicher Notar dem Tausch beiwohnte und bei ungültiger Münzsorte sofort die Demourrage-Gebühr erhob.

      Nun, und daß ist entscheidend, versuchte man dieses gültige Zahlungsmittel dadurch zur Verfügung zu haben, daß in der Fernen Heimat "Nachgemünzt" wurde. Diesen "Nachprägungen", welche heute als Delikt wegen Herstellung von Falschgeld verfolgt werden würde, war das große Geschäft bei den Münzverrufungen. Man bedenke ein- mal, daß der überwiegende Teil der umlaufenden Münzen aus Nachahmungen bestanden haben wird. Hierdurch erst erscheint es denn auch Sinnvoll, wenn, wie bei Julius Menadier beschrieben, z.B. König Ethelred in seiner 8 Jährigen Amtszeit gut 400 Münzumstellungen vornehmen ließ. Die Bedeutung der Nachmünzungen wird sehr schön bei Hermann Grote, Münzstudien VIII, dargelegt. Dabei gilt wie ganz grob gesagt die Faustregel : Denjenigen, dessen Münze am meisten gefälscht wird, ist oftmals der größte Schlagschatz geboten. Aber, auch hierbei gibt es Elastizitäten! Dort wo die Renovatio öfter als zweimal pro Jahr, z.B. Ostern und Maria Himmelfahrt, vorgenommen wurde, fand möglicherweise eine weniger Ausgeprägte Nachahmung statt. Diese Praxis der "Geldfälschung" für eigene Rechnung ist übrigends seitens der Christenheit für den Dirhem belegt sowie insbesondere für die zunächst über keine Münze verfügenden Slavischen Völker, welche untereinander auf der Basis von Waage und Hacksilber tauschten. Der Effekt : Starker Abfluß von Münzfähigen Metalles und damit latente Verarmung durch Handel. (Abfluß von Gold aus dem Gebiet der Christenheit in das des Moslemischen Kulturraumes bzw Abfluß von Silber vom Slavischen Kulturgebiet in das der Christen.) All right, der Hermann Grote hats schon 1867 erklärt, außerdem haben wir da ja noch Kopernikus und Gresham mit ihren Gesetzen. Ich hoffe, daß aus euerem Gäste/Notiz-Buch diese Seite(n) nicht wegen übermäßiger Inanspruchnahme herausgenommen werden und wünsche mir, daß mein "Gefasel" neben dem von Dr. Martin Berechtigung findet. Im übrigen : www.Geldreform.de ist eine interessante Sache. Schön das es das gibt.
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      Wednesday 27.September 2000, 22:20
      willi ():
      Lieber Herr Simer, warum sollte denn durch die Münzrenovationen nach 10 Jahren nur noch 1% der ursprünglichen Geldmenge umlaufen? Das eingezogene Münzmetall wurde doch wieder postwendend ausgemünzt. Die Geschichte mit der Fälschung fremder Münzsorten klingt interessant; haben Sie dafür Belege oder Literaturquellen anzubieten? Mir ist bei Ihrem Beitrag nicht ganz klar geworden, ob Sie die Fundamental-Kritik von PCM am angeblichen "Brakteaten-Märchen" teilen oder ob sie die Münzverrufung - im Sinne der Freiwirte - als wirtschaftsanregendend interpretieren. Warte interessiert auf Ihre Antwort. Nette Grüsse, willi
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      Thursday 28.September 2000, 00:19
      Eckhard Siemer (mabat@olis.north.de):
      Hallo ihr lieben. Ich sehe schon, is nix mit Silbenunterbrechung, immer schön Satz und Wort zuende schreiben. Na und sonst ist mein Schrieb zu PCM eben etwas spontan und flüchtig aufgesetzt. Es sind einige Schreibfehler enthalten und ich habe die Seitenzahlen für die Quellenangaben nicht im Kopf aber das wesentliche ist doch wohl, daß der Dr. Martin eine wirklich umstrittene Position einnimmt. Hävernick und Saberschinsky treten schon sehr entschieden auf aber die Art des Aufsatzes von Herrn Martin zwang zu einer wenigstens flüchtigen Stellungnahme. Ich bemühe mich beizeiten um eine Ergänzung der Angaben und die notwendigen, diesmal dann exakten, Quellenverweise. Soweit jedoch schon einmal vorab : Die Brakteaten sind eine besonders kunstvolle Ausprägung in der renovatio moneta. Das wirkliche Caput dieses Zeitalters wurde bei den Münzverrufungen aber schon durch die Otto-Adelheid-Pfennige - weiträumig - in Umlauf gesetzt, wie Brita Malmer`s Untersuchungen in der in Skandinavien erschienenen Handlingar sehr schön aufzeigen. Der Bericht ist zwar in einem Buch mit Skandinavischem Titel erschienen, aber in Deutsch bzw. Englisch verfaßt. Der Herausgebende Autor ist glaube ich Nils Ludvig Rasmusson. Ach ja, ich hab mir das zurückliegende Gästebuch/Notizbuch angesehen - wirklich interessant. So weit so schön, wenn ich es auch deutlich genug gesagt habe, daß was man dem Herrn Giacinto Auriti vorwirft (er aber ganz offenbar nicht tat), nämlich das Nachprägen von Geld (damals vor allem Münzen) war im "finsteren" Mittelalter wahrscheinlich Voraussetzung für die erfolgreiche Münzverrufung. Ich denke, der Hermann Grote ist hier wirklich eine kleine, aber entscheidende, Hilfe. Bis demnächst ...
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      Thursday 28.September 2000, 00:40
      Eckhard Siemer (mabat@olis.north.de):
      Die Münzverrufungen erlaubten sicherlich bei Einhaltung des Zinsverbotes (wenn man vom "trockenen Wechsel" absieht), eine sehr hohe Geldumlaufgeschwindigkeit. Dies könnte durchaus den Bau von Kathedralen in kleinen Ortschaften ermöglicht haben. Man muß aber auch beachten, daß in Deutschland keine Steuer erhoben werden konnte, weil nicht durchsetzbar, trotzdem galt es die damalige Weltbank, den Vatikan, finanziell für die damaligen Kreuzzüge zu stützen. Diese blutigen kriege waren zwar in der Tat mehr als blöd, aber einem Muslim durfte der Christliche Kaufmann ganz legal Zinsen in Rechnung stellen, weil er Heide war. So war das, wie eure Homepage selbst belegt. In Frankreich waren die Templer dabei für die Verwaltung der "Deposita pietatis" zuständig. Lange Rede kurzer Sinn, ich möchte den Herrn Martin widerlegen und finde Gesell sehr interessant, kenne ihn aber nur ansatzweise durch die Zeitschrift für Sozialökonomik. Ich habe übrigens viele offene Fragen bezüglich der früher in Frankreich umlaufenden "Méréaux". Kann mir jemand weiterhelfen ?
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      Thursday 28.September 2000, 11:32
      Eckhard Siemer (mabat@olis.north.de):
      Da bin ich schon wieder - moin zusammen. Willi sagt, der Schlagschatz wäre gar nicht so hoch gewesen. Ich führe hier den bei B.willings genannten Arthur Suhle ins Feld und gebe im, zumindest was Magdeburg und sein Einzuggebiet betrifft, völlig recht. Anders war dies möglicherweise bei der Münzverrufung in Köln. Nach Walter Hävernick fand diese im Durchschnitt etwa alle 6-8 Jahre statt und ereignete sich, wenn der jeweilige HerrscherIn, in diesem Falle z.B. die Staufer, verstarb oder dieser mal wieder einen blöden Krieg begann bzw. dieser mit ihm begonnen wurde. Wie ich mit Hinweis auf Hermann Grote zeigen wollte, wird die Kölnische Münze wesentlich stärker nachgeprägt worden sein, da sie weniger oft verrufen wurde. Tatsächlich wird nur die schlechte Infrastruktur und die Verderblichkeit der Waren bzw. die Transportkosten die Vielzahl verschiedener Münzverrufungsregelungen nebeneinander ermöglicht haben. Wie dem auch sei, Hävernick sagt, man zog die Münzverrufung sogar zur finanzierung von Kriegen heran. Dies war aber nur möglich, weil seltenere Verrufungen eine größere Geldmenge begünstigten. Was ich sagen will ist: nicht überall war Köln oder Regensburg und die Entnahmen bei der Verrufung waren bis zu Bonifaz dem VII (Anfang des 14. Jahrhunderts) gering. Erst damals, das Banksystem der Templer ging unter, der Papst wurde aus Agnani entführt und das Exil von Avignion begann, zusätzlich rutschte infolge einer kleinen Eiszeit die Weinanbaugrenze etwa 600 km Richtung Süden, Hunger, Dauerregen und Mißernten - und die Pest - kamen die Münzverrufungen immer mehr häufiger vor. Aber man bedenke, andernorts kam es zu beginn des 14. Jahrhunderts zum Credit Crunch, die Deflation war da. Auslöser : der Beginn des 100 Jährigen Krieges, der Untergang der Bardi und Peruzzi ... . Also wunderschön, daß ihr den Karl Walker herausgekramt und ins Netz gestellt habt, denn das Brakteatensystem ist in der Tat eine Anti-Hortungs-Währung, die dem Menschen Dient, statt über ihn zu herrschen.
      Wichtig erscheint mir bei Karl Walker, daß das Brakteatengeld vom Hals in die Tasche gewandert ist. Er spricht die Funktion der goldenen Schmuckbrakteaten der Völkerwanderungszeit an, welche in Helgö, Sigtuna, Birka etc. (siehe Heinz Kellenbenz und Karl Hauck) angefertigt wurden. Dies wird bei Saberschinsky energisch bestritten. Dieser beruft sich darauf, daß die Schmuckbrakteaten des 5. und 6. Jahrhunderts nicht vorläufer des Brakteatengeldes sein könnten, weil es etwa 300 Jahre keine Goldverarbeitung im christlichen Europa gegeben habe und verweist darauf, das Arthur Suhle ebenfalls ein entschiedener Gegner der These sei, daß die Goldbrakteaten Vorläufer der Brakteatenwährung seien. Dem läßt sich aber entgegnen, daß : 1. Suhle in der 1. Ausgabe des Geldes im Mittelalter von seinen Anfängen bis ... die gegenteilige Meinung vertritt, sprich die von Karl Walker und erst in der 2. Auflage einräumt, daß diese, seine Auffassung "heftig umstritten sei". 2. Die spätere Brakteatenwährung wurde nicht in Gold, sondern in Silber gefertigt, so wie die früheren Preßblechfibeln aus der Schmuckbrakteatenzeit. 3. Gold war durchaus vorhanden. Dies zeigen die Untersuchungen von Philip Grierson, wonach neben dem Byzantinischen Besam und dem Arabischen Dirhem, der Römische Mancus existiert haben muß. Allerdings als zeremonielle Währung.

      Ansonsten wurde der Dirhem Nachgeprägt, sobald Araber in Spanien eine Münzstätte eröffneten. 4. Es soll eben vom 7. bis zum 12. Jahrhundert keine Brakteatenprägung gegeben haben. Dies stimmt nicht, wie im Nordisk Kulturhistorisk Lexikon nachzulesen ist, bzw. wie Philip Grierson für Brakteaten aus Haitabu nachwies, die um etwa 950 geprägt wurden. Weitere Angaben bei Rasmusson und Holst. 5. Neuere Forschungen von Karl Hauck (Ikonologie der Goldbrakteaten) haben Schmuckbrakteaten für alle Jahrhunderte hervorgebracht, diese sind z.B. im römisch-germanischen Museum zu Mainz ausgestellt. Der in Arbeit befindliche Abschlußband der Untersuchungen des Teams um Hauck wird zusätzliche Klarheit schaffen.

      6. Sollte dies alles nichts gelten, nehmen wir es doch wie Herr Martin selbst und erklären uns die behauptete 300 Jahre umfassende Lücke in der Goldprägung mit der Umstellung des gregorianischen Kalenders. Ansonsten kommen wir wie Saberschinsky zu dem Schluß, daß Geld damals eine völlig andere Funktion gehabt haben müßte. Tja, schon wieder lange Rede, kurzer Sinn - was ich zu guter letzt sagen wollte ist, daß spätestens ab etwa dem Jahre 1060 über Norddeutschland hinweg sich eine völlig anders funktionierende weiche Währung ausbreitete. Es ist Bernd Kluge, der schön herausarbeitete, das aus dem Norden eine andere Geldform in den vorher zumindest vorübergehend Münzfreien Nord- und Ostdeutschen Raum strömte. Und deshalb : Haltet an eurem Musterbeispiel, namentlich der Brakteatenwährung, fest. So und nu bedank ich mich bei euch und eurem Notizbuch dafür, das es einem neunmalklugen Studenten die Möglichkeit gibt, über liquides zu fachsimpeln. Zum Abschluß nocheinmal : Wer kann mir Auskunft geben über Ursprung und Handling der Méréaux-Münzen ? Bitte schreibt doch eine e-mail oder gebt den Tip hier ins Gäste- und Notizbuch ein. Tschüs ... P.S.: Die gesetzlichen Grundlagen, welche Martin zitiert, Schwaben- und Sachsenspiegel, haaben eher proklamatorischen Charakter, wie man bei Hermann Grote, Münzstudien VIII, nachlesen kann. Dies liegt unter anderem daran, weil sich die weltlichen Mächte jener Zeit gegenüber der Gratianischen Dekretalengesetzgebung behaupten mußten.
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      Friday 29.September 2000, 09:33
      Tristan Abromeit (Abromeit@T-Online.de):
      Zu: Das Brakteaten-Märchen der Freiwirte Ich habe gestern in einem Rundbrief an Mitwirker in der Freiwirtschaftsschule geschrieben: Auf der Seite von Wolfgang Roehrig (...) habe ich einen Beitrag von Dr. Paul C. Martin über die Wirkung der Brakteaten gelesen. Er klassifiziert die freiwirtschaftliche Darstellung als Märchen ein. Ich wollte heute den Beitrag noch einmal lesen, um genauer darauf eingehen zu können, habe den Beitrag aber nicht mehr gefunden. Es sind aber schon Diskussionsbeiträge dazu eingegangen: Z.B. von Eckhard Siemer (...). Er geht in mehreren Beiträgen auf den Sachverhalt ein und meint seine erste Reaktion wäre auch auf den pöbelhaften Ton von Dr. Martin zurückzuführen. Ich habe das nicht so empfunden, wenn ich im Nachhinein die Tonlage beurteilen sollte, würde ich sagen "sarkastist". Was mir an der Sache wichtig ist: Jede Gruppe / Schule, die anderen Menschen Inhalte vermitteln will, ist auf Argumentationsmuster angewiesen., weil es unmöglich ist, für jedes Gespräch, für jeden Schrieb originäre Argumente zu prägen.
      Der Anwender von Argumentationsmustern kann aber nicht bei jeder Anwendung die Richtigkeit des Musters überprüfen. Es gehört zur Forschungsarbeit einer Schule, Argumentationsmuster immer wieder auf die Gültigkeit hin zu überprüfen, für ungültig zu erklären oder neuen Erkenntnissen anzupassen. Diese Arbeit ist wichtig. Ein falsches Argument kann Dutzende von richtigten Argumenten die Glaubwürdigkeit rauben. Die in Gang gekommene Diskussion ist nützlich und wichtig. Wir sollten P.C. Martin dafür danken. Das Gästebuch einer Internetseite kann dazu Anregungen liefern. Die Klärung des Sachverhaltes muß aber mit soliden wissenschaftlichen Mitteln erfolgen. Wir sollten Dr. P. C. Martin bitten, mit seinen Möglichkeiten, die größer sind als die unseren, eine wissenschaftliche "Untersuchung über die Entstehung des Märchens von den Wohltaten der Brakteaten" unter Verwendung aller Internet-Hinweise, freiwirtschaftlicher Literatur und sonstigen Quellen zu veranlassen. Ganz nach dem Motto von Karl Raimund Popper:
      Nicht die Verifizierbarkeit einer Theorie ist wichtig, sondern die Frage ob sie sich einer Falsifizierung widersetzt.

      Beide Seiten - Dr. Martin für seine publizistische Arbeit, die Freiwirtschafsschule für ihre Aufklärungsarbeit - hätten einen Nutzen von der Klärung. Ungeklärte Fragen der Vergangen wirken meisten destruktiv in der Gegenwart weiter. Tristan Abromeit N.S. Ich habe gestern den Beitrag von Martin im Gästebuch gesucht. Er muß auf der Startseite angeklickt werden.
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      Friday 29.September 2000, 17:41
      W. Roehrig (roehrig@geldreform.de ):

      Lieber Eckhard Siemer,
      Dank fuer Deine Hinweise zum Brakteatenmaerchen von P.C.Martin. Vielleicht bist Du in der Lage, seine Vorwürfe Punkt für Punkt zu relativieren und Deine Sicht der Dinge in einem kleinen Papier darzustellen. Diesen Text würde ich dann sehr gerne als Erwiderung zu Herrn Martin ebenfalls auf die Startseite stellen. Diese waere ein Schritt in Richtung Wissenschaftlichkeit, die Herr Abromeit anmahnt. Ist das moeglich?

      fragt freundlich Wolfgang Roehrig


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      Saturday 30.September 2000, 18:03
      Siemer Eckhard (mabat@olis.north.de):
      Hallo Herr Röhrig. Entschuldigung, daß ich mich im Gäste-und Notizbuch so drastisch über Herrn Dr. Martin geäußert habe. Ich finde darüberhinaus, daß der Beitrag von Herrn Dr. Martin in Teilen sehr lehrreich ist. Die Reaktion darauf war von mir deswegen so entschieden, weil Herr Dr. Martin eure in der bisherigen Auseinandersetzung gewonnenen Auffassungen pauschal als "Märchen" abqualifiziert und sie für das "gefasel" von "ahnungslosen Freiwirten" hält. Nun ja, ich werde nicht noch einmal im Gäste- und Notizbuch unsachlich werden. Ihre Idee, auf die von Herrn Dr. Martin dargelegten Sachverhalte mit einer Gegenposition zu reagieren, freut mich sehr. Ich würde etwa 4 bis 6 Wochen Zeit für eine Quellenrecherche benötigen und wäre Anfang November so weit. Grüße an euch alle ...



      Sicher alles Kommunisten! :rolleyes:http://userpage.fu-berlin.de/~roehrigw/gaestebuch/20001013.h…
      Avatar
      schrieb am 08.03.03 18:51:03
      Beitrag Nr. 15 ()
      #13 :laugh:


      nein?


      warum zahlen wir alle denn Zinsen auf die Schulden?

      Das war ein echter Offenbarungseid! :laugh:


      Natürlich ist die Summe aller Guthaben und Schulden null.
      Und trotzdem verteilt sich Geld immer merkwürdiger...
      Avatar
      schrieb am 08.03.03 18:54:30
      Beitrag Nr. 16 ()
      Es ist zecklos, Argumente gegen mystische Spinner zu bringen. Einfach noch mal denselben Quatsch hineinzukopieren, ohne auf eines der Argumente einzugehen, ist eine geistige Bankrotterklaerung, du Muttersohn sitzendes Buellchen.

      Wie soll das Papiergeld denn seine Wirkung tun, wenn es nicht - gegen Zins, wie sonst - verliehen wird?

      Ohne Kredite konnte nicht einmal der Kaiser oder Koenig seinen Staat finanzieren, einen Krieg bestehen, in den er verwickelt wurde. Der Staat waere zusammengebrochen, und zwar rasch. Von Fugger bis Rothschild (1871) waere der jeweilige Staat ruiniert gewesen ohne Hilfe durch geliehenes Geld.

      Gleiches gilt fuer die Wirtschaft. Von den Erfindungen der Renaissance ueber den z.B. den Zeppelin bis zur heutigen Produktforschung - ohne Kredit kein Fortschritt.

      Aber mystisches Geschwaetz ist irrational und uebergeht Argumente, die antisemitischen Wirrkoepfe genauso wie diese neue Spinnerei im Umfeld von Esoterik und Feminismus.
      Avatar
      schrieb am 08.03.03 18:58:34
      Beitrag Nr. 17 ()
      sitting bull,

      hat irgendjemand kredite von ausserirdischen ??
      jeder schuld steht ein guthaben gegenüber - und das ganze auf dieser welt. :D
      Avatar
      schrieb am 08.03.03 19:09:10
      Beitrag Nr. 18 ()
      Ich wüßte nicht was eine Konversation mit euch bringen sollte, da ihr ja gar keine Konversation wollt, sondern mich hier las Narren darstellen wollt...

      Das schenke ich mir lieber, soll sich jeder ein eigenes Bild davon machen!


      Roland Geitmann

      Bibel, Kirchen und Zinswirtschaft


      Überarbeitete Fassung eines Vortrags auf einer Tagung
      der "Internationalen Vereinigung für Natürliche Wirt-
      schaftsordnung" am 10. September 1989 in Wuppertal-
      Neviges.
      Erstmals veröffentlicht in Zeitschrift für Sozialökonomie Heft 80/1989



      A.

      Was Hunderttausende von überschuldeten
      Haushalten in der Bundesrepublik, Tausende
      von Firmenkonkursen und dadurch bedingte
      Familientragödien um uns herum nicht ver-
      mochten, bewirken schließlich Hunger und
      Elend der hochverschuldeten Entwicklungslän-
      der wenigstens ansatzweise, nämlich, daß ein-
      zelne Theologen sich öffentlich an biblische Re-
      geln über Zinsen und Schuldenerlaß erinnern
      (1), also daran, daß es verwerflich ist, sich an
      der Not anderer zu bereichern und mehr zu-
      rückzuverlangen als man leihweise gegeben hat.
      Der weltweite Skandal, daß wir Reichen im
      Norden vom Süden nicht nur Schuldentilgung
      verlangen, sondern auch Zinsen eintreiben, und
      zwar weit mehr, als wir Entwicklungshilfe
      leisten, kann vielleicht auch den Blick dafür
      schärfen, daß solche Ausbeutung Grundprinzip
      unserer Wirtschaft geworden ist. Noch wird
      kaum erkannt, daß in allen Preisen ein erheb-
      licher Zinsanteil steckt, daß vier Fünftel der
      Verbraucher viel mehr Zinsen zahlen als sie je
      einnehmen, daß die Verzinsung des Anlagekapi-
      tals zu exponentiellem Wachstum unserer Wirt-
      schaft zwingt und damit der Treibriemen ist für
      Umweltzerstörung, Technisierung, Arbeitslosig-
      keit, Verarmung, Staatsverschuldung und mili-
      tärische Rüstung (2).

      Die tödlichen Auswirkungen solcher auf Hab-
      sucht und Ausbeutung fußenden Wirtschafts-
      weise sind der Menschheit im Prinzip seit Jahr-
      tausenden bekannt. Babylon, Ägypten und
      Rom, aber auch das alte Israel der Könige lie-
      fern dafür Anschauungsmaterial. Deshalb kann
      nicht überraschen, daß sich Regeln zur Geld-
      und Bodenordnung und dabei insbesondere das
      Zinsverbot wie ein roter Faden durch die Reli-
      gionsgeschichte, insbesondere auch das Chri-
      stentum ziehen. In einer Zeit, welche diese
      Weisheiten nahezu völlig vergessen hat und in
      der sich die Folgen dessen dramatisch zu-
      spitzen, mag es hilfreich sein, sich der Erkennt-
      nisse früherer Jahrhunderte zu erinnern und da-
      raus Impulse für die Suche nach einer gerechten
      Ordnung zu entnehmen.




      B.

      Betrachtet man im groben Überblick die letzten
      3000 Jahre unserer Kulturgeschichte nach der
      inhaltlichen Strenge des religiösen Zinsverbotes,
      so ergibt sich ein weiter Bogen. Er beginnt um
      1250 v.Chr. mit den mosaischen Gesetzen et-
      wa auf halber Höhe, findet in der Bergpredigt
      von Jesus Christus seinen Scheitelpunkt und ge-
      gen Ende des 20. Jahrhunderts seinen (vor-
      läufigen ?) Tiefpunkt. Theologen der letzten
      150 Jahre neigen dazu, das Zinsverbot rückwir-
      kend zu relativieren und damit den Bogen zu ni-
      vellieren und das Anliegen als überholt darzu-
      stellen. Deswegen sind viele Interpretationsfra-
      gen in dieser Ideengeschichte umstritten (3).




      I. Bibel


      1.Mosaische Gesetze

      Zu den göttlichen Gesetzen, die Mose nach dem
      Auszug aus Ägypten vom Berge Sinai dem
      Volk Israel verkündete, gehört auch das
      Zinsverbot:

      "Wenn du (einem aus) meinem Volke Geld
      leihst, einem Armen neben dir, so handle an
      ihm nicht wie ein Wucherer; ihr sollt ihm
      keinen Zins auflegen." (4)


      Jeder Zins, unabhängig von seiner Höhe, gilt
      hiernach als verbotener Wucher. Der Hinweis
      auf den armen Bruder als Zinszahler deutet
      zwar darauf hin, daß primär das Konsumdarle-
      hen gemeint ist. Dies erlaubt aber noch nicht
      den in neuerer Zeit gezogenen Gegenschluß,
      daß das verzinste Produktivdarlehen folglich er-
      laubt sei. Denn das Zinsverbot ist eingebettet in
      weitere Regeln: das `Erlaßjahr` (5. Mose 15,1-
      11), wonach in jedem 7. Jahr alle Schulden zu
      erlassen sind, und das "Halljahr" (3.Mose 25),
      das im 50. Jahr den Grundbesitz an die ur-
      sprünglichen Eigentümer zurückfallen läßt, so
      daß der Boden nicht auf Dauer veräußert wer-
      den kann und sich sein Preis am Wert der noch
      ausstehenden Ernten bemißt. Diese für seine
      Durchsetzbarkeit notwendige Einbettung in
      Erlaßregeln und Bodenrecht hat das Zinsverbot
      im Laufe der Geschichte verloren - mit schwer-
      wiegenden Folgen.

      Mose beschränkt das Verbot auf das Zinsneh-
      men gegenüber dem eigenen Volke und erlaubt
      es gegenüber Ausländern (so ausdrücklich 5.
      Mose 23,20). Diese Unterscheidung treffen die
      Juden bis heute, was einen Teil ihrer tragischen
      Geschichte ausmacht.



      2. Propheten

      Daß das Volk Israel sich bald nach dem Tode
      von Mose und Josua von diesen Geboten ab-
      wandte und welche schlimmen Folgen das hatte,
      schildert uns das Alte Testament sehr eindrück-
      lich. Trotzdem nahmen die Propheten zumin-
      dest in diesem Punkt keine Anpassung an die
      Wirklichkeit vor, sondern verschärften das Zins-
      verbot. Während der babylonischen Gefangen-
      schaft um 597 v.Chr. warnt der Prophet
      Ezechiel (Hesekiel):

      "Wer auf Zins leiht und Zuschlag nimmt,
      sollte der am Leben bleiben? - Er wird nicht
      am Leben bleiben!... Er muß sterben! Sein
      Blut komme über ihn!" (18,13) (5).

      Die Beschränkung auf Israeliten gegebene Dar-
      lehen ist entfallen. Doch erst die Makkabäer
      setzten im 2. Jahrhundert v.Chr. Zinsverbot, Er-
      laß- und Halljahr für kurze Zeit durch, bis die
      Römer die Herrschaft übernahmen.



      3. Christliche Botschaft

      Noch weiter geht Jesus Christus in seinen For-
      derungen. In seiner Bergpredigt sagt er:

      "vielmehr liebet eure Feinde und tut Gutes
      und leihet, ohne etwas zurückzuerwarten.
      Dann wird euer Lohn groß sein und ihr wer-
      det Söhne des Höchsten sein... "(Lukas, 6,35)

      Damit wird das Verbot des Zinsnehmens als
      selbstverständlich vorausgesetzt und darüber
      hinaus gefordert, gegebenenfalls auch auf die
      Rückgabe des Geliehenen zu verzichten. Dies
      wird noch deutlicher bei der Wiedergabe der
      Bergpredigt bei Matthäus (5,38 ff.), wo das
      Thema `Borgen` im Zusammenhang mit der
      Aufforderung angesprochen wird, nach einem
      Schlag auf den rechten Backen auch den
      anderen darzubieten, sowie dem, der den Rock
      will, auch den Mantel zu lassen. Anschließend
      heißt es:

      "Gib dem, der dich bittet, und wende dich
      nicht von dem ab, der von dir borgen will.!"
      (5,42).

      Daß materielles Gewinnstreben und Christus-
      nachfolge unvereinbare Gegensätze sind, wird
      an vielen Stellen deutlich, etwa in dem
      Ausspruch, daß ein Kamel leichter durch ein
      `Nadelöhr` gehe (womit ein Fußgängertor ge-
      meint ist), als daß ein Reicher ins Reich Gottes
      komme (Matthäus 19,24), und in dem markan-
      ten Satz

      "Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mam-
      mon" (Matthäus 6, 24).

      Apostel Paulus verurteilt leistungslose und
      schmarotzende Einkommen:

      "Wenn jemand nicht arbeiten will, soll er
      auch nicht essen" (2. Thessalonicher Brief
      3.10). (6)

      Von dieser Höhe ethischer Forderungen haben
      wir uns inzwischen weit entfernt.



      II. Kirche

      1. Frühzeit

      Als Quellen hierfür dienen neben den Synoden
      vor allem die als `Kirchenväter` und Heilige
      verehrten altchristlichen Kirchenschriftsteller,
      die entgegen den geltenden römischen Gesetzen
      das Zinsnehmen einhellig untersagten (7). Von
      Lactantius (gest. 330 n.Chr.), einem der höchst-
      gebildeten und gelehrtesten Männer seiner Zeit,
      stammt folgender Satz:

      "Es ist äußerst ungerecht, mehr zu fordern,
      als man gegeben hat, So handeln, das ist sei-
      nen Nächsten ausbeuten und auf perfide Wei-
      se mit seiner Not spekulieren."

      Nachdrücklich verdammte der heilige Gregor
      von Nyssa (ca. 334-394 n.Chr.), griechischer
      Bischof und bedeutender Theologe und Mysti-
      ker, den Zins:

      "Was ist für ein Unterschied durch Einbruch
      in Besitz fremden Gutes zu kommen auf heim-
      liche Weise und durch Mord als Wegelage-
      rer, indem man sich selbst zum Herrn des Be-
      sitzes jenes Menschen macht oder ob man
      durch Zwang, der in den Zinsen liegt, das in
      Besitz nimmt, was einem nicht gehört?"

      Auch Ambrosius (340-397), Augustinus (354-
      430) und Hieronymus (331-420) verurteilten
      das Zinsnehmen scharf, obwohl sie sich dadurch
      heftigen Angriffen aussetzten.

      Auf zahllosen frühkirchlichen Synoden wurde
      das Zinsverbot beschlossen und bekräftigt. Die
      Synode von Elvira (im Jahr 306) verbot das
      Zinsnehmen sowohl dem Klerus als auch den
      Laien. Nach dem christenfreundlichen Mailän-
      der Toleranz-Edikt im Jahr 313 durch Konstan-
      tin erwies sich die Kirche prompt um ein Stück
      angepaßter und beschränkte das Zinsverbot auf
      den Klerus, so die Synode von Arles im Jahr
      314 und das Konzil von Nicäa im Jahr 325 wie
      auch spätere Synoden und Konzilien (8). Eine
      Unterscheidung zwischen Wucher und Zins gab
      es indes ebensowenig wie danach, zu welchem
      Zweck das Darlehen gegeben wurde, ob zum
      Konsum oder zum Erwerb (9). Zur Begründung
      dienten zum einen das Alte und Neue Testa-
      ment, zum anderen die natürlichen Prinzipien
      der Gerechtigkeit, wie sie schon in der griechi-
      schen Philosophie insbesondere durch Aristote-
      les formuliert wurden.



      2. Mittelalter

      Allgemeine Geltung erlangte das Zinsverbot
      erst unter den Karolingern. Nachdem England
      787 vorausging, legte Karl der Große der Sy-
      node von Aachen im Jahr 789 ein entsprechen-
      des Gesetz vor. Kaiser Lothar bestimmte im
      Jahr 825:

      "Wer Zins nimmt, wird mit dem Königsbann
      belegt, wer wiederholt Zins nimmt, wird aus
      der Kirche ausgestoßen und soll vom Gra-
      fen gefangen gesetzt werden."

      Nach Geltung und Wirkung ist zweifellos das
      Mittelalter der Höhepunkt des Zinsverbots. Die
      religiöse Haltung der Menschen, das mittelalter-
      liche Bodenrecht und die zunächst noch vor-
      herrschende Naturalwirtschaft machten dies
      möglich. Als die Geldwirtschaft zunahm, er-
      leichterten es die immer wieder zum Umtausch
      aufgerufenen Brakteaten (ca. 1150 -1350) (10),
      das Zinsverbot aufrechtzuerhalten, zumal die
      von Landwirtschaft und Handwerk ferngehalte-
      nen und auf Geld- und Warenhandel beschränk-
      ten Juden die Rolle des Sündenbocks wahrnah-
      men.

      Deshalb konnte das zweite Laterankonzil 1139
      beschließen:

      "Wer Zins nimmt, soll aus der Kirche ausge-
      stoßen und nur nach strengster Buße und mit
      größter Vorsicht wieder aufgenommen wer-
      den. Einem Zinsnehmer, der ohne Bekehrung
      stirbt, soll das christliche Begräbnis verwei-
      gert werden."

      Papst Eugen III. verkündete 1150:

      "Wer mehr nimmt als die Leihsumme aus-
      macht, verstrickt sich in die Sünde des Wu-
      chers. Alles was zur Leihsumme hinzukommt,
      ist Wucher."

      Und selbstbewußt gegenüber weltlichen Herr-
      schern statuierten die Päpste Alexander III.
      (1179) und Klemens V. (1311):

      `Jede Gesetzgebung, die den Zins erlaubt, ist
      null und nichtig.`

      Wie diffizil die Materie jedoch bei näherem Hin-
      sehen ist, zeigen die ausführlichen Erörterungen
      beim heiligen Thomas von Aquin (1224 -1274),
      dem bedeutendsten Theologen und Philosophen
      des Mittelalters. Zwar verurteilt auch er den
      Zins als in sich ungerecht (unter Berufung u.a.
      Auf Aristoteles):

      "Das Geld kann nur durch Ausgeben ge-
      braucht werden, also ist dem Gläubiger kein
      Zins zu vergüten. Auf Zins ausleihen ist Sün-
      de."

      Doch anerkennt Thomas nicht nur Miete und
      Pacht, und zwar bei Dingen, die durch den Ge-
      brauch nicht verbraucht werden, sondern auch
      Gewinn- und Verlustbeteiligung durch einen
      Gesellschaftsvertrag und Schadensersatz kraft
      gesonderter Vereinbarung.

      Gedrängt durch die Bedürfnisse der Wirt-
      schaftspraxis entwickelt die Spätscholastik
      (14./15. Jh.) hieraus eine verzweigte Zinstitel-
      theorie, welche das Zinsverbot zunehmend
      durchlöchert. Danach kann der Darlehensgeber
      im begründeten Einzelfall Ersatz für ihm ent-
      standenen Schaden oder auch entgangenen Ge-
      winn verlangen, wie auch einen Risikozuschlag
      und Konventionalstrafe bei verzögerter Rück-
      zahlung, sofern solches gesondert vereinbart
      wurde. Auch entsprach es dem eigenen Inter-
      esse der Kirche, insbesondere dem vieler Klö-
      ster, den Rentenkauf anzuerkennen, wodurch
      sich der Grundstücksverkäufer von dem Käufer
      eine regelmäßige Leistung versprechen lassen
      konnte, sei es auf Dauer, sei es einseitig oder
      beidseitig kündbar. Sobald diese Leistung nicht
      mehr abhängig war von dem jeweiligen Ertrag
      eines konkreten Grundstücks, näherte sich ein
      solches Vertragsverhältnis dem verzinsten Dar-
      lehen.

      Anerkannt wurde auch die Forderung nach Er-
      satz von Aufwendungen, die Leihanstalten
      kirchlicher Orden (Montes pietatis) hatten, die
      in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts in
      italienischen Städten hilfsbedürftigen Menschen
      gegen Pfand Geld oder andere Dinge liehen.

      Sehr umstritten blieb dagegen der Versuch, das
      Zinsverbot durch einen sogenannten `contrac-
      tus trinus` zu umgehen, bei dem durch Koppe-
      lung eines Gesellschaftsvertrages mit zwei Ver-
      sicherungsverträgen eine feste Gewinnbeteili-
      gung und die Rückgabe des geliehenen Betra-
      ges vereinbart wurden.



      3. Neuzeit

      Seit dem Ende der Brakteatenzeit konnte sich
      die Kirche mit dem Zinsverbot nicht mehr
      durchsetzen. Sobald das Geld wieder als Wert-
      aufbewahrungsmittel geeignet war, sorgten Ge-
      winnsucht, Phantasie und die Vielfalt der wirt-
      schaftlichen Verhältnisse für eine rasche Ver-
      breitung des Zinses, damit für eine zunehmende
      Aufspaltung in Arme und wenige Reiche sowie
      für den wirtschaftlich-sozialen Niedergang im
      14./15. Jahrhundert. Gefördert wurde diese
      Entwicklung durch studierte Juristen, die das
      römische Rechtsdenken übernahmen, insbeson-
      dere die mit dem römischen Eigentumsbegriff
      verbundene absolute Verfügungsgewalt, und
      damit dem römischen Geldgeist zum Durch-
      bruch verhalfen.

      Eine solche Entwicklung brachte z.B. einen Ja-
      kob Fugger (II., 1459 - 1525) hervor, der in
      Venedig seine Lehrzeit verbrachte und mit
      Spürsinn die enormen, aber brachliegenden
      Geldrücklagen des mittleren und oberen Klerus
      aufstöberte und heimlich als verzinste Einlagen
      heranzog, um sie gewinnbringend weiterzuver-
      leihen, insbesondere an Kaiser Maximilian I.
      gegen Übertragung von Silber- und Kupfermo-
      nopolen und an Päpste, für die er führender
      Bankier wurde und auch den Ablaßverkauf
      organisierte (11). Beiläufig versuchte er auch auf
      die theologische Meinungsbildung zur Zinsfra-
      ge Einfluß zu nehmen, indem er den Theologie-
      professor der bayerischen Landesuniversität In-
      golstadt Johannes Eck protegierte und 1515 ei-
      ne Scheindisputation in Bologna förderte, bei
      der Eck für eine generelle Erlaubnis des Zins-
      nehmens bis 5 % plädierte (12).

      Durch Handelsmonopole und Zinsbelastung be-
      wirkte Teuerungen und dementsprechende wirt-
      schaftliche und soziale Not der ländlichen Be-
      völkerung waren Schubkräfte für die Reforma-
      tion Martin Luthers (1483 -1546) In mehreren
      Schriften wendet er sich leidenschaftlich gegen
      Wucher und Monopole (13):

      "Darum ist ein Wucherer und Geizhals wahr-
      lich kein rechter Mensch; er sündigt auch
      nicht eigentlich menschlich! Er muß ein Wer-
      wolf sein, schlimmer noch als alle Tyrannen,
      Mörder und Räuber, schier so böse wie der
      Teufel selbst! Er sitzt nämlich nicht als ein
      Feind sondern als ein Freund und Mitbürger
      im Schutz und Frieden der Gemeinde und
      raubt und mordet dennoch gräulicher als je-
      der Feind und Mordbrenner. Wenn man da-
      her die Straßenräuber, Mörder und Befeh-
      der rädert und köpft, um wieviel mehr noch
      sollte man da erst alle Wucherer rädern und
      foltern, alle Geizhälse verjagen, verfluchen
      und köpfen ..."

      Luther geht davon aus, daß Wucher (unabhän-
      gig von seiner Höhe) stets vorliegt, wo man
      Geld leiht und dafür mehr oder Besseres fordert
      oder nimmt, und daß Wucher Teuerung zur
      Folge hat und in kurzer Zeit das ganze Land
      auffrißt. Allerdings nennt er auch Ausnahmen,
      indem er Schadensersatz bei verspäteter Rück-
      zahlung und bei konkretem Gewinnentgang zu-
      billigt, den "Zinskauf" (Rentenkauf) über ein
      `benanntes` Grundstück in Form eines
      bestimmten Prozentsatzes des konkreten
      Ertrags erlaubt und darüber hinaus das `kleine
      Notwücherlein" zuläßt, das z B. dann vorliege,
      wenn eine Witwe außer einer Zinseinnahme für
      ihr Vermögen sonst nichts zum Leben habe.
      Trotz der entschiedenen Verurteilung des
      Zinsnehmens ermahnt Luther in der Praxis, den
      Zins pünktlich zu zahlen, sofern die Forderung
      nicht vom Fürsten für ungültig erklärt wurde,
      und rät diesem, den Zins nicht abrupt zu
      senken.

      Der Reformator Ulrich Zwingli (1484 - 1531)
      geht in Richtung Säkularisierung einen Schritt
      weiter, indem er einerseits den Zins für ungött-
      lich und unchristlich erklärt, andererseits dem
      Staat das Recht zuerkennt, den Zinsfuß festzu-
      setzen.

      Die Nähe zu Handel und Produktion ist noch
      stärker spürbar bei Johann Calvin (1509-1564),
      der das Zinsnehmen erlaubt, wenn es mit
      Billigkeit und brüderlicher Liebe im Einklang
      stehe; im Gegensatz zum Wucher könne der
      Zins nicht unerlaubt sein, da sonst gewinnträch-
      tiger Handel unmöglich sei. `Geld ist dazu da,
      sich durch wirtschaftliche Tätigkeit zu vermeh-
      ren.` Diese Einstellung hat den Kapitalismus in
      England und Amerika gefördert.

      Im 16. Jahrhundert wurde um die Zinsfrage au-
      ßerordentlich heftig gerungen. Um 1600
      schließlich wurde auf evangelischer Seite Lu-
      thers prinzipielle Absage an das Zinsnehmen
      "unauffällig korrigiert und der entstehenden
      Geldwirtschaft Rechnung getragen" (14). Die
      zunehmende Verquickung von Staat und Wirt-
      schaft, das evangelische Staatskirchentum und
      die staatlichen Bindungen der theologischen
      Fakultäten haben das Thema Zins so nachhaltig
      in der Versenkung verschwinden lassen, daß
      viele protestantische Pfarrer heute außer dem
      mißverstandenen Gleichnis von den anvertrau-
      ten Talenten (Matthäus 25,27) hierzu keinerlei
      Assoziationen mehr haben und im Zins insbe-
      sondere kein theologisches Problem mehr se-
      hen.(15)

      Demgegenüber muß man der Katholischen Kir-
      che bescheinigen, daß sie viel länger und nach-
      haltiger um die Zinsfrage rang. Obwohl weltli-
      che Mächte zunehmend den Zins ausdrücklich
      zuließen (so italienische Städte seit dem 14.
      Jahrhundert, Kurhessen 1550, Bayern 1553,
      Mecklenburg 1562, Preußen und Polen 1569,
      zuletzt Frankreich 1789) und trotz heftiger An-
      griffe bekräftigten über 40 Synoden im 16. bis
      18. Jahrhundert das Zinsverbot. Veranlaßt
      durch zinsfreundliche Schriften u.a. des italieni-
      schen Gelehrten Scipio Maffei erließ Papst Be-
      nedikt XIV im Jahre 1745 die bedeutsame En-
      zyklika "Vix pervenit", in der er das Zinsverbot
      aufrechterhielt, wenn auch mit Hinweis auf die
      in der Spätscholastik entwickelten externen
      Ausnahmetitel.

      Die Industrialisierung im 19. Jahrhundert und
      der Siegeszug des Kapitalismus veranlaßten je-
      doch zahlreiche katholische Moraltheologen
      insbesondere Pesch, Biederlack, Pruner, Ze-
      hentbauer, Ratzinger, Schindler, Cathrein, Lin-
      senmann) (16), das Zinsnehmen zu rechtfertigen.
      Die tatsächlichen Verhältnisse hätten sich
      verändert; Geld sei fruchtbar geworden, denn
      generell bestehe die Möglichkeit zu gewinn-
      trächtiger Anlage. Es wird zwischen Zins und
      Wucher unterschieden bzw. zwischen Konsum-
      tiv- und Produktivdarlehen. Man beruft sich auf
      das `moderne .sittliche Bewußtsein` und darauf,
      daß der Zins förderlich sei für Handel und Ver-
      kehr. Die tragischen Folgen erkennen nur
      wenige.

      Nur einzelne hielten dagegen. Zu nennen sind
      insbesondere

      Karl von Vogelsang (1818 - 1890), Jurist aus
      Mecklenburg, 1850 konvertiert, gründete in
      Wien die Monatsschrift für christliche Sozialre-
      form und bekannte: `Der Zins ist der Angel-
      punkt der Sozialen Frage.`

      Wilhelm Hohoff (1848 - 1923), Pfarrer und
      Verehrer von Karl Marx, Verfechter einer Ver-
      einigung von Christentum und Sozialismus und
      entschiedener Vertreter der Arbeitswerttheorie,
      wonach nur menschliche Arbeit Werte schaffen
      kann.

      Aus späterer Zeit sind zu nennen vor allem An-
      ton Orel (1881-1959), Jurist und Jugendführer
      mit seinem zweibändigen Werk "Oeconomia
      perennis" (1930), des weiteren Johannes Klein-
      happl (17), der Grazer Theologieprofessor Jo-
      hannes Ude (18) wie auch Abt Alois Wiesinger
      und Franz Koutny (19).

      Doch die Macht des Faktischen siegte schließ-
      lich auch in der Katholischen Kirche. 1870
      scheiterte eine zur Bekräftigung des Zinsverbots
      gestartete Initiative von 22 Bischöfen beim Er-
      sten Vatikanischen Konzil, weil dieses wegen
      des Ausbruchs des deutsch-französischen
      Krieges vorzeitig beendet wurde. In seiner
      Sozialenzyklika `Rerum novarum` vom Jahre
      1891 über die Arbeiterfrage spricht Papst Leo
      XIII. zwar von "gierigem Wucher", "unersättli-
      chem Kapitalismus" und davon, daß man den
      `alles verschlingenden Wucher aus der Welt
      schaffen` solle, ohne jedoch konkrete Schluß-
      folgerungen für das Zinsverbot zu ziehen.

      Im Kirchengesetzbuch von 1918 (Kanon 1543)
      versucht die Katholische Kirche in einem küh-
      nen Spagat die traditionelle Lehre und die heuti-
      ge Geldwirtschaft zu vereinen, indem sie einer-
      seits feststellt, daß der Darlehensvertrag keinen
      Gewinn rechtfertige, daß andererseits aufgrund
      (weltlichen) Gesetzes die Vereinbarung eines
      Gewinns erlaubt sei.

      Die Enzyklika "Quadrogesimo Anno" von Pius
      XI. 1931 über die Herrschaft des Geldes ist
      geprägt durch den Verteidiger des Zinsnehmens
      Oswald von Nell-Breuning. Die Enzykliken
      `Mater et Magistra` von Papst Johannes
      XXIII 1961, `Populorum Progressio` von
      Papst Paul VI. 1967 und `Sollicitudo rei
      Socialis` von Papst Johannes Paul II. sprechen
      zwar Symptome an, nicht aber das Zinsverbot.

      Die eingehend begründete Initiative (20) von
      deutschen und österreichischen Laien um Paul
      Bauschulte und Ernst van Loen an das Zweite
      Vatikanische Konzil (1962 - 1965) mit dem
      Ziel, die traditionelle Zinswucherlehre zu erneu-
      ern, scheitert an dem Widerstand insbesondere
      des Kapitalismus-Apologeten Kardinal
      Johannes Messner (21).

      Die ersatzlose Streichung des Zins-Kanons im
      neuen Kirchengesetzbuch von 1983 markiert
      das Ende des katholischen Zinsverbots.




      C.

      Welche Schlußfolgerungen erlaubt diese Ent-
      wicklung? Die sich christlich nennende Zivilisa-
      tion hat den modernen Kapitalismus hervorge-
      bracht; wird sie ihn auch selbst wieder überwin-
      den - oder wird dies vielleicht der Islam besor-
      gen?

      Müssen wir mit dem römischen Juristen und
      Dichter Seneca (gest. 65 n.Chr.) resignierend
      sagen:

      "Es gibt kein Heilmittel dort, wo das, was
      man als Untugend angesehen hat, zur Ge-
      wohnheit wird"?

      Martin Luther geht zwar davon aus, daß mit
      der Erbsünde auch der Wucher in der Welt
      bleibt, wird aber nicht müde, die Menschen vor
      ihm zu warnen:

      "Wucher muß also sein, aber wehe den
      Wucherern!" (22)

      Zuversichtlicher äußert sich demgegenüber der
      christliche Sozialpolitiker Friedrich Naumann
      (1860 -1919):

      "Wir zweifeln nicht daran, daß eine Zeit kom-
      men wird, in der sich eine christliche Bewe-
      gung gegen den Zins erhebt." (23)


      Das Zinsverbot ist Ausdruck eines religiös und
      sozialethisch wohlbegründeten Anliegens, das
      heute dringlicher ist denn je: zu verhindern, daß
      Menschen andere Menschen ausbeuten, daß die
      Wirtschaft krebsartig die Erde überwuchert und
      zerstört, wachsende Geld- und Schuldenberge
      das Leben zu ersticken drohen und daß der
      Mensch aus Habgier und Machtsucht Gottes
      Schöpfung dem Götzen Mammon opfert.

      Doch ein isoliertes Zinsverbot, das seine not-
      wendige Ergänzung durch Schuldenerlaßre-
      gegeln und Bodenrecht verloren hat, kann dies
      nicht leisten. Es wäre sogar schädlich, weil die
      Geldbesitzer mangels Anreizes ihr Geld zurück-
      halten würden und den Wirtschaftskreislauf ins
      Stocken brächten. Es müßte deswegen zumin-
      dest durch eine Pflicht zur Weitergabe von Geld
      ergänzt werden. Aber auch das wäre noch nicht
      ausreichend, weil das Geld dann zur Bodenspe-
      kulation verwendet würde mit all den schlim-
      men Folgen, die wir in Ballungsräumen erleben.
      Wie in den mosaischen Gesetzen vorgesehen,
      gehört also ein die Spekulation ausschließendes
      Bodenrecht zwingend hinzu.

      Doch für eine erwachsen werdende Menschheit
      haben religiöse Ge- und Verbote ihre Verbind-
      lichkeit verloren, auch wenn es leidvoller Er-
      fahrungen bedarf, sie durch eine aus Einsicht
      selbst zu entwickelnde Ordnung zu ersetzen.
      Hierfür enthalten die mosaischen Gesetze ent-
      scheidende Hinweise, zum einen den, daß es am
      Boden nur Nutzungsrechte geben darf; und zum
      anderen die in den Erlaßjahren liegende
      Erkenntnis, daß auch Geld und Geldforderun-
      gen altern und einmal sterben müssen wie alles
      auf der Erde. Diese beiden Elemente finden sich
      sowohl bei Silvio Gesell (24) (1862 - 1930) als
      auch bei Rudolf Steiner (25) (1861 - 1925) und
      könnten bei sachgerechter Ausgestaltung und
      Handhabung (26) den Zins marktwirtschaftlich
      zum Verschwinden bringen.

      Solche Vorstellungen stoßen auf Widerstand
      vor allem bei den Mächtigen dieser Welt, deren
      Geldthron allmählich schrumpfen würde, aber
      auch bei den Ausgebeuteten, weil ihre Denkge-
      wohnheiten und Sehnsüchte kapitalistisch ge-
      prägt sind. Um diesen Widerstand in und um
      uns herum zu überwinden, bedarf es großer An-
      strengungen. Die Kapitulation der Kirchen vor
      dem Kapitalismus war wohl notwendig, damit
      sich die Menschen zu ihrer Selbstverantwortung
      durchringen. Doch letztlich wird uns nur der
      religiöse Impuls Kraft und Richtung geben (27),
      damit die Katastrophen, die wir erleben, zu Ge-
      burtswehen einer neuen Zeit werden.

      Wer mit offenen Augen die vielfältigen Initiati-
      ven und Bewegungen wahrnimmt, z.B auf dem
      Markt der Möglichkeiten der Evangelischen
      Kirchentage (28), entdeckt Keime dieser neuen
      Zeit. Geld nicht festzuhalten und wuchern zu
      lassen, sondern kaufend, leihend und
      schenkend weiterzugeben und mit Boden nicht
      zu spekulieren, sondern ihn zum Nutzen aller zu
      pflegen, gehört ebenso zu diesen zukunftswei-
      senden Verhaltensweisen wie der geschwister-
      liche Umgang mit Menschen, Tieren und
      Pflanzen. Damit solche Keime gedeihen können,
      bedarf es sowohl sich wandelnden Bewußtseins
      als auch veränderter gesellschaftlicher und
      wirtschaftlicher Rahmenbedingungen. An bei-
      dem müßten die Kirchen mitwirken. Nur wenn
      sie über Appelle hinaus die konkreten Ansatz-
      punkte notwendiger Veränderungen benennen,
      insbesondere auch die Geld- und Bodenord-
      nung, und ihre eigenen Verstrickung in den Ka-
      pitalismus überdenken, werden die Kirchen auf
      ihrer geplanten Weltversammlung für Gerech-
      tigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung
      dieser Zielsetzung gerecht werden.


      Prof Dr. Roland Geitmann

      http://userpage.fu-berlin.de/~roehrigw/geitmann/
      Avatar
      schrieb am 08.03.03 19:26:22
      Beitrag Nr. 19 ()
      Das Brakteaten-Märchen der Freiwirte
      Geschrieben von Dr. Paul C. Martin am 04. Juni 2000 10:12:14; im Diskussionsforum http://f7.parsimony.net/forum8520/index.htm
      Liebe Pro- und Contra-Freunde!

      Zu den Glaubenssätzen der Freiwirte zählt auch die Geschichte der Brakteaten, einem Schwundgeld aus dem Mittelalter (MA). Sie ist sozusagen ein vorweggenommenes Wörgl und geht kurz gefaßt so:

      Es gab im MA weitsichtige Herrscher, die ihre Münzen für deren Ausgabe sie das Monopol hatten, in dem Sinne, dass sie diese Münzen als einzig zulässiges Zahlungsmittel erklären konnten, in regelmäßigen Abständen "verriefen", also für ungültig erklärten. Dabei geschah dann in etwa folgendes: In bestimmten Zeiträumen mussten die alten Münzen gegen neue umgetauscht werden. Die neuen Münzen hatten zwar das selbe Gewicht und Feingehalt, aber unterschieden sich im Münzbild wesentlich von den vorangegangenen. Hinfort "galten" nur die neuen Münzen, die alten durften für den Zahlungsverkehr nicht mehr verwendet werden.

      Der Clou der Sache war der Umtausch der alten gegen die neuen Münzen. Gegen eine bestimmte Anzahl alter gab es erheblich weniger neue Münzen. Damit wurden die Menschen gezwungen, die alten Münzen möglichst rasch auszugeben, was auf eine "Umlaufsicherung" des Geldes hinausläuft. Denn jeder versuchte, möglichst schnell noch die alten Münzen auszugeben, um eine entsprechende Minderung seines Barvermögens zu vermeiden. Mit diesen System wurde die Umlaufgeschwindigkeit der Münzen natürlich gewaltig gesteigert und das Geld floss schneller von einer Hand in die andere. Mit Hilfe dieses Tricks soll es möglich gewesen sein, die großartigen kulturellen Leistungen des MA zu "finanzieren", z.B. den uns bis heute in Erstaunen versetzenden Sakralbau.

      Als wichtigste Quelle für dieses System gilt die Magdeburger Schöppenchronik (hg. von Karl Jänicke, Leipzig 1869). Die Schöppenchronik soll zur Zeit des Magdeburger Erzbischofs Wichmann (1152-1192) entstanden sein und wir lesen darin (S. 118): "He (Wichmann) leit ok erst twie in dem jare pennige slan, des vore nue was: man sloch to voren penninge to eines bischopes live" (Er ließ auch als erster zwei Pfennige im Jahr schlagen, was ganz neu war: Man schlug vorher einen Pfennig im Leben eines Bischofs).

      Bei Wichmann sollen die Bürger bei seinen Münzverrufstagen jeweils 12 alte gegen 9 neue Münzen getauscht haben, was eine 25prozentige Abwertung bedeutete.

      Die Münzen heißen Brakteaten, ein Wort das allerdings erst 1368 in einer Glosse zu einer Urkunde erscheint ("einen holen Pfennig bracteati"). Thüringer Gelehrte übernahmen gegen Ende des 17. Jh.s diesen Ausdruck, den Schrötter in seinem Wöterbuch der Münzkunde 1930 "ein mißbräuchlich angewandtes Gelehrtenwort" nennt (S. 83). Das Wort "Brakteat" selbst kommt vermutlich aus dem Griechischen (brachein = knittern) und im Lateinischen ist ein "bracteator" ein Goldschläger. Die Numismatik kennt drei verschiedene Formen der Brakteaten: 1. altgriechische (4.- 2. Jh.), goldene, dünne, einseitige Abdrücke, die offenbar anstelle von Münzen den Toten mitgegeben wurden; 2. germanische Schmuckbrakteaten und 3. die hier interessierenden deutschen Brakteaten des Mittelalters, die besser als "Hohlpfennige" bezeichnet werden.

      Diese Hohlpfennige sind aus ganz dünnem Silberblech und wurden mit nur einem Stempel auf einer weichen Unterlage, vermutlich Wildleder geschlagen. In den Urkunden werden sie als "denarii" bezeichnet wie alle anderen normalen kleinen Silbermünzen der vorangegangenen und späteren Zeit, ab dem 14. Jh. heißen sie in deutschen Urkunden "hole penninghe".

      Der Charme der Brakteaten alias Hohlmünzen ist ihr Aussehen. Es handelt sich dabei um ganze feine Silberplättchen mit einem Durchmesser von bis zu 5 cm (!!), siehe dazu die Stücke aus der grandiosen Sammlung Cahn (alte Münzhändler-Familie), die 1998 in Basel versteigert wurde (Auktion 87 der Münzen und Medaillen AG). Dabei wiegen die Stücke grundsätzlich weniger als 1 g, einige gehen sogar bis 0,5 g herunter. Sie sind also federleicht (können mit ein wenig Pusten sofort in die Luft befördert werden) und extrem zerbrechlich. Vollständige Brakteaten ohne Randausbruch sind sehr selten und erreichen Preise von um die 5000 Mark und mehr. Bei ihrer immensen Zerbrechlichkeit und Zartheit bestechen die Brakteaten durch ihre z.T. sensationellen Bildnisse: man sieht Porträts von Münzherren (Könige, Herzöge, Bischöfe), Stadttore, Löwen (bei Prägungen des Welfen Heinrichs des Löwen), Ritter mit gezogenem Schwert; die Porträts sind grundsätzlich en face.

      Aus dem Vorwort zum Cahn-Katalog sei zitiert: "Brakteaten, jene ungewöhnlichen Gepräge, die in zwei Generationen in den Münzstätten zwischen Elbe, Main und Weser geschaffen wurden. Diese Kunstwerke sind in ihrer Vielfalt und Fülle oft gerühmt worden. Aber mir scheint, dass für die Forschung noch viel zu tun ist: Die meisten Prägungen sind nie in Corpora (= historisch-kritische Gesamtkataloge, PCM) erfasst worden. Vieles am geschichtlichen Hintergrund, am geistigen und künstlerischen Ambiente dieser Blüte bleibt zu klären und die Frage nach den Künstlern ist nie gestellt worden..."

      So weit, so gut.

      Nun zu den ökonomischen Aspekten.

      1. Wie schon bei Cahn steht, sind die Brakteaten nur einem sehr kleinen Wirtschaftsraum zuzurechnen. Schwerpunkte Thüringen, Niedersachsen, Magdeburg, Halle, Halberstadt, Lausitz, Meißen usw. Im süddeutschen Raum gibt es nur einen Bereich im Viereck Augsburg, Ulm,. Basel, Bern. Die dortigen Stücke sind erheblich kleiner als etwa die Magdeburger (Wichmann). Im späteren MA bleiben sie noch als eine Art Scheidemünze erhalten, auch im Rheinland, der Pfalz und dem Elsaß.

      Damit ist natürlich nur etwa höchstens ein Zehntel des Gebietes abgedeckt, in dem sich die mittelalterliche Kultur und Wirtschaft abgespielt hat. Völlig fehlen die mit nicht minder grandioser Sakralbaukunst aufwartenden Gebiete Italien, Nordspanien, Frankreich und vor allem England, wo es ca. zwei Millionen Einwohner innerhalb kürzester Zeit fertig brachten, mehr als 40 der großartigsten Bauwerke zu "stemmen" (vgl. aus der zahllosen Literatur u.a. bloß Toman/Bednorz, Die Kunst der Romanik, 1996 mit den Karten S. 463 ff.; Kubach, Architektur der Romanik, 1974 ("Im alten Europa sind uns Zehntausende von romanischen Bauwerken erhalten"); Platt/Kersting, The Architecture of Medieval Britain, 1990). In diesen Bereichen kann also kein "umlaufgesichertes" Geld in der bei Wichmann angenommenen Art existiert und seine segensreiche Wirkung erzielt haben.

      Die Geschichte der Brakteaten als eines "flächendeckenden" Geldsystem des MA ist nicht zu halten.

      2. Der Zeitraum, in dem die Brakteaten in ihren unstreitigen Kerngebieten existiert haben, umfasste gerade mal 70 Jahrem (1130-1200), nicht die "300 Jahre", von denen in Freiwirte-Kreisen immer gefaselt wird. Nehmen wir das Wichmann-Modell, dann sind wir gerade mal bei 40 Jahren. Nehmen wir nun - laut obiger Quelle, die hier nicht näher untersucht werden soll - die zweimal im Jahr erfolgte Münzumstellung, so kommen wir zu bis zu 80 solcher "Umlaufsicherungen". Da jedesmal 25 Prozent Abschlag erfolgt, kann folgendes überschlägig berechnet werden: Nach drei Umstellungen (18 Monaten) war das Geld nur noch die Hälfte wert. Nach weiteren drei nur noch ein Viertel, nach weiteren drei noch 12,5 %, nach weiteren drei nur noch 6,75 %, dann 3,3 %, dann 1,7 %, dann 0,8 %. Also war Wichmanns Umlaufssicherung so gewaltig, dass den Bürgern das bei Wichmanns Amtsantritt zu 100 notierende Geld bereits nach zehn Jahren seiner Amtszeit auf ca. 1 % geschrumpft war.

      Damit - sofern die Geschichte mit den Münzverrufungen tatsächlich stimmt - handelt es sich bei Wichmann um eine klassische Hyperinflation und nicht etwa um eine Optimierung bzw. Verstetigung des Geldumlaufs.

      3. Der Grund, eine Hyperinflation zu veranstalten, vorausgesetzt, sie wird von der Bevölkerung überhaupt akzeptiert, kann nur in einer ex ante bestehenden Überschuldung der das monetäre System bedienenden Autorität haben. Und siehe da wir lesen: "Der außerordentliche Geldbedarf Wichmanns, hervorgerufen durch die Ostsiedlung, seine Beteiligung an der Italienpolitik Friedrichs I. und, namentlich 1179-1181, durch die Kämpfe gegen Heinrich den Löwen, zwang ihn zu einer Ausschöpfung aller Möglichkeiten in der Geldbeschaffung und zu Bestrebungen, die Finanzkraft des Erzbistums zu stärken" (Claude, Geschichte des Erzbistums Magdeburg, II, 1975, S. 135).

      4. Die Wichmann`schen Münzverrufungen haben natürlich niemals funktioniert, jedenfalls nicht, was den normalen Zahlungsverkehr betraf. Zwar konnte Wichmann wohl anordnen, dass Abgaben, die an ihn zu leisten waren, in den immer gerade neu geschlagenen (und gestalteten, um sie untereinander zu unterscheiden) Münzen zu erfolgen hatten, aber das kann den Bürger nicht weiter gejuckt haben. Da die Münzen ununterbrochen künstlich abgewertet wurden, dabei aber in jeder Neuausprägung mit gleichem Gewicht und gleicher Feinheit operiert wurde, war es ein Leichtes, die alten Münzen vor ihrer Außerkurssetzung einzusammeln und einzuschmelzen. Dann hat man eben das Silber in Barrenform kursieren lassen bzw. diente es der Münzstätte an. Aus einem (angenommen) 900-g-Barren wurden ja immer gleich viele 0,9 g schwere Brakteaten geprägt, nämlich ca. 1000 Stück.

      Auf die Einbeziehung der Barrenwährung in den Geldverkehr hatte übrigens schon Erich Born 1924 hingewiesen (Das Zeitalter des Denars). Hier S. 160: "Der Handel gebrauchte für seine Zahlungen vornehmlich die Silberbarren. Die Barrenform fand schon im 12. Jahrhundert in wachsendem Umfange Verwendung, da hierdurch allein dem Kaufmann ein gutes Geldumsatzmittel geboten war, das Ersatz für die fehlende geeignete Münze bot. Sie besaß den Vorzug der größeren Wertbeständigkeit... die das gemünzte Geld bei seinem sinkenden Gehalt und seiner örtlichen Verschiedenheit nicht bieten konnte."

      Wenn wir die Prägekosten mal beiseite lassen, erhielt der Barren-Lieferant also immer ca. 1000 Stück Münzen zurück, egal, welches Gepräge gerade "aktuell" war. Suhle (Das Münzwesen Magdeburgs unter Erzbischof Wichmann, 1950) weist auch darauf hin, das bei Münzfunden mit Wichmann-Münzen aktuelle und längst verrufene Münzen aufgetaucht sind, als nebeneinander kursiert haben müssen.

      5. In dem Constitutionum Imperialium, das aus der Zeit Friedrichs II. (1212-50) erhalten ist, steht im Kapitel XIV "Von Montze" ausdrücklich "Wir gebieten, daß man die alten Montze halt nach ihrem Recht, und verbieten daby allen falsche." Und im "Schwabenspiegel" steht im Kapitel CLXXXVI "Von pfennig slahen". "Alle pfennige sol man nit verslahen, vvann so ain niuuuer herre kumpt... Stirbet aber der herre ... die pfennig suln doch stan, untz driu iar furkoment". Im Sachsenspiegel steht unter § 71: "Phennige sol men virnyen (erneuern), alse nye herren coment."

      Beides sind klare Hinweise auf die übliche Münz-Praxis, wonach "fresh money" bestenfalls nach dem Tod eines Herrschers erscheinen darf, was sich aber als die normalste Sache der Welt herausstellt: Ein neuer Herrscher gibt neue Münzen (mit seinem Bild bzw. Titel) heraus, die sich aber bestenfalls minimal von den vorangegangenen unterschieden haben, um etwas mehr am Schlagschatz zu verdienen (dazu ausführlichste Münz-Literatur).

      Summa: Die Story mit den umlaufgesicherten Brakteaten, die von ahnungslosen Freiwirten immer wieder aufgetischt wird, ist ein monetäres Märchen, das einer numismatischen Überprüfung nicht standhält. Das Brakteaten-"System" war der Versuch einiger überschuldeter Souveräne, sich zusätzliche Geldquellen zu erschließen. Davon, dass wir es da mit einem nachahmenswerten Modell zu tun haben, kann keine Rede sein.

      Besten Gruß

      Dr. Paul C. Martin

      (der sich sehr auf eine Debatte zum Thema freut)

      Avatar
      schrieb am 08.03.03 19:27:22
      Beitrag Nr. 20 ()
      Replik auf das "Brakteaten-Märchen" von Dr. Paul C. Martin



      von Eckhard Siemer im Dezember 2000:



      Es ist nach allen Quellen der Geschichte keine Übertreibung zu sagen, daß die Blütezeit der Gotik mit den Brakteaten kam und mit dem Verschwinden der Brakteaten unterging.[1] Solche erstaunlichen Aussagen lassen sich in den Beiträgen finden, welche auf der Homepage der Geldreformer veröffentlicht werden und dort gelesen, kopiert und kommentiert werden können. Das eingangs gebrachte Zitat aus einem Beitrag von Karl Walker impliziert dabei, daß wir heutzutage nicht über das zweckdienlichste und/oder bestmöglichste Geldwesen verfügen. Der im Angesicht der heutigen Fehlentwicklungen völlig legitime Hinweis auf sozial gerechtere und deshalb ökonomisch zweckmäßigere Zirkulationsformen von Geld in der geschichtlichen Vergangenheit, hat geradezu zwangläufig die Stellungnahme der im heutigen Geldwesen genormten Zahlungsmittelbesitzer herausgefordert. Herr Dr. P. Martin eröffnete dann auch im Juni dieses Jahres die Debatte darüber, ob es sich bei dem Brakteaten-System um ein nachahmenswertes Modell handele und brachte dabei seine ablehnende Haltung ganz klar zum Ausdruck. Dies soll nun sowohl kritische Erwiderung auf die Positionen des Herrn Dr. Martin als auch Diskussionsbeitrag für das Modell des damaligen Brakteaten-Systems sein. Nehmen wir zunächst einmal wie folgt eine der Behauptungen aus der von Herrn Dr. P. Martin gelieferten Diskussionsgrundlage unter die Lupe :



      >Der Zeitraum, in dem die Brakteaten in ihren unstreitigen
      >Kerngebieten existiert haben, umfasste gerade mal 70 Jahre
      >(1130 - 1200), nicht die "300 Jahre", von denen in Freiwirte-
      >Kreisen immer gefaselt wird.



      Hier soll zunächst einmal in Abrede gestellt werden, daß die Brakteaten in ihren Kerngebieten gerade mal 70 Jahre existiert haben. Tatsächlich stellt Herr Martin eingangs fest, daß Brakteaten als solche bereits im 2. Jahrhundert nach Christi in Griechenland existiert haben.[2] Das von ihm verwandte Wörterbuch für Münzkunde sagt aber darüber hinaus, das ein weiterer Typ, nämlich die nordischen und germanischen Schmuckbrakteaten, "medaillen"-förmige Scheiben sind, deren Entstehungszeit von ungefähr 400 - 600 n. Chr. anzusetzen ist.[3] Derartige Brakteaten sind auch in christlicher Zeit weiter gearbeitet worden.[4] Nun, welche Eigenschaften haben diese Schmuckbrakteaten ?

      Wie die Forschungen von Karl Hauck gezeigt haben, lassen sich ihre Verbreitungsgebiete mit dem Einflußbereich frühgeschichtlicher Könige in Verbindung bringen.[5] Es sind oftmals Abdrücke von wirklichen Münzen.[6] Die Heiligtumschätze sakraler Zentren - also Pagamente -erleichterten die Produktion solcher Schmuckbrakteaten.[7] Aufgrund der Aufträge einer religiösen Oberschicht hin, stellten die Werkstätten zu den Festzeiten die Götterbildamulette her.[8] Die Festzeiten verwandelten die Sakralorte regelmäßig in Marktorte, zu deren unvergänglichsten Waren die Goldbrakteaten gehörten.[9] Auch bei den jüngeren Christus-Adler-Brakteaten des südwestdeutschen Christentums erweist sich ihre Verbreitung abhängig von den Kerngebieten der frühen Diözesen. Ähnlich spiegeln sich die Herstellungsräume dieser Christus-Adler-Brakteaten am Mittelrhein.[10] Inzwischen hat nach dem Stand von 1997 eine Identifizierung von über 550 Goldbrakteaten und rund 2700 Goldblechfigürchen als einer Art von Heiligtumswährung stattgefunden.[11] Das auch die Goldblechfigürchen als Edelmetallvotive bereits als Zahlungsmittel funktionierten und innerhalb des Münzsystems im Süden verrechenbar gewesen sind, ist bei Hoops recht gut belegt.[12] Die Verbreitung der Goldbrakteaten reicht weit über Skandinavien hinaus bis nach England und Ungarn.[13] Wie wir gesehen haben, waren die goldenen Schmuckbrakteaten schon in der Zeit der Wikinger verrechenbares Zahlungsmittel. Die Produktion von Goldbrakteaten setzte aber ähnlich wie die Herstellung von Filigran und Votivfolien auch den Zustrom der hochkarätigen spätantiken Goldmünzen in den Norden voraus. Als er zu versiegen begann, hörte auch die Fertigung der Gold-brakteaten auf.[14] Wie weiter unten noch dargestellt werden soll, ist das Verschwinden von Goldmünzen und der Verzicht auf die Herstellung von Goldbrakteaten keineswegs gleichzusetzen mit dem Nichtvorhandensein von Gold. Darüber hinaus läßt sich durch den angeblichen Goldmangel schon gar nicht das Nichtvorhandensein von Brakteaten als solche für einen Zeitraum von 500 Jahren konstruieren, wie bei Sarnowsky geschehen.[15] Sarnowsky beruft sich dabei auf die Forschungsergebnisse von Arthur Suhle.[16] Dort wird allerdings nicht als ganzes die Auffassung verworfen, daß Schmuckbrakteaten die Vorläufer der späteren Hohlpfennige seien, sondern die Umstrittenheit derselben begründet. In der vorhergehenden Auflage[17] vertritt Suhle die Vorläuferfunktion der Schmuckbrakteaten noch ohne Einschränkungen obwohl die gegenteilige Position Luschin von Ebengreuth`s ihm bekannt gewesen sein dürfte.[18] Doch der eigentliche Fehler, welcher sich implizit bei Herrn Dr. Martin sowie ausdrücklich bei Herrn Sarnowsky findet, ergibt sich in aus deren stillschweigender bzw. ausdrücklicher Auffassung, daß die Brakteaten während der Völkerwanderungszeit und im Anschluß an dieselbe auschließlich aus Gold hergestellt worden seien.[21] Dieser Fehler wird sehr schön deutlich anhand der zahlreichen neueren Brakteatenfunde, aber auch anhand von Arbeiten wie denen Karl Hauck`s, z.B. in seinem Aufsatz: "Mainz und Odense. Brakteaten als Devotionalien aus christlichen und heidnischen Zentren.", wo dieser anhand älterer Funde für das 6. und 7. sowie 8. Jahrhundert nicht nur Goldbrakteaten sondern insbesondere auch schon Silber-brakteaten präsentiert.[22] Offenbar haben sich die Funde dieser bereits aus Silber hergestellten Kreuz- und Engelsbrakteaten sowie die der sog. Christus-Adler Versionen im west- und süddeutschen Raum in den letzten Jahrzehnten so vermehrt, daß schon anhand der Motive und ihres Materials, einzelne Goldbrakteatenfunde als skandinavische Exporte diskutiert werden können.[23] Damit soll hier das frühe Auftreten von Silberbrakteaten behauptet werden. Sehr schön ist ein solcher auch bei Hoops abgebildet.[24] Um eine Kontinuität des Brakteatenwesens wahrscheinlich erscheinen zu lassen und um darüber hinaus die wenig glückliche Behauptung des Herrn Dr. Martin zu widerlegen, daß nämlich die Brakteaten in ihren Kerngebieten nur in einem Zeitraum von etwa 70 Jahre als Zahlungsmittel umliefen, möchte ich hier nochmals Dr. Martins Diskussionsgrundlage anhand des Negativbeispieles der ebenso unglücklichen Ergebnisse des Herrn Sarnowsky [25] konterkarrieren. Dieser sagt wie weiter oben bereits erwähnt, daß die 500 Jahre, welche zwischen dem Auftreten der goldenen Schmuckbrakteaten und dem der silbernen Münzbrakteaten liegen, nicht durch vereinzelte Silberschmuckstücke überbrückt werden können.[26] Dies soll an dieser Stelle kurzum widerlegt werden. Zunächst wurden solche Silberschmuckstücke auch in jüngster Zeit publiziert. Zum Beispiel im Jahre 1999 aus Anlaß einer Ausstellung der Stadt Paderborn.[27] Dort ist im ersten Band eine Preßblechscheibenfibel aus Silber abgebildet, welche in Paderborn gefunden wurde. Sie wird um das 7. Jahrhundert herum datiert.[28] Anhand des Motivs soll hier als sehr bemerkenswert hervorgehoben werden, daß diese silberne Fibel von Modeln abgepreßt wurde, die ursprünglich wohl für die Fertigung von anderen Zierblechen, namentlich goldenen Schmuckbrakteaten, gedient haben, denn motivgleiche Vorbilder sind mir nur als solche bekannt.[29] Drei weitere Preßblechscheiben aus Silber, welche auf den Anfang des 7. Jahrhunderts datiert sind finden sich im zweiten Band des Kataloges.[30]

      Doch signifikante Ergebnisse lassen sich z.B. bei Herbert Jankuhn schon aus den in den 50`er Jahren erscheinenden Studien der sog. Reichenau-Vorträge entnehmen.[31] Jankuhn schildert in seinem Vortrag unter anderem die Forschungsergebnisse bezüglich des Handelsplatzes am Stand von Domburg. [32] Gefunden wurde dort reiches numismatisches Material. Unter anderem sind etwa 800 Scaettas und fast 200 merowingische Goldmünzen von dort bekannt. Schon die Zahl der heute noch bekannten Münzen ist aufschlußreich, wenn auch angenommen werden muß, daß ursprünglich sehr viel mehr Goldmünzen gefunden wurden, die dann überwiegend eingeschmolzen worden sind. Legt man die zahlenmäßige Verteilung der Münzen zugrunde, so muß die Hauptblüte des Ortes in der Zeit der Scaettas gelegen haben.[33] Demgegenüber treten spätere Münzen zurück, denn auch absolut genommen bleiben die Zahlen der aus der Karolingerzeit stammenden Münzen vom Domburger Strand weit hinter den ebenfalls zufällig gefundenen Münzen aus Dorestad zurück.[34] Nach Jankuhn sprechen wie die Münzen vor allem auch die Fibeln für eine besondere Bedeutung dieses Handelsplatzes im 8. und frühen 9. Jahrhundert.[35] Auffällig ist, daß die noch in merowingischer Zeit stark abfallenden Münzreihen in Domburg mit einem starken ansteigen von Preßblechfibeln korrelieren. Noch im 6. Jahrhundert treten vereinzelt Stücke zutage und auch im 7. Jahrhundert sind die Funde spärlich. Erst die dem 8. Jahrhundert angehörigen Fibeln treten in sehr großer Zahl auf. Insgesamt gehört denn auch die Masse der in Domburg gefundenen Fibeln dem 8. und 9. Jahrhundert an.[36] Gemeinsam mit den ältesten angelsächsischen Silbermünzen, den Scaettas, fanden die Fibeln, also meist aus Edelmetall hergestellte Schmuckstücke, vom 7. bis 9. Jahrhundert geradezu eine massenhafte Verbreitung im Nord- und Ostseeraum. Darüber hinaus sind in Domburg langobardische Nachprägungen u.a. nach Justinian aufgetreten. Diese liegen als Abbildung leider nicht vor, sind aber wie bei M.J. Price am Beispiel langobardischer Nachahmungen der eigentlich in Byzanz geprägten Mauritius Goldtremissen im einzelnen dargestellt, Vorläufer der leichten und im Erscheinungsbild geradezu auffallend brakteatenähnlichen Gepräge.[37] Die Nachprägungen der Maurikios Tremisse maßen anders als die Nachprägungen der Justinian Tremisse mit 22 mm Durchmesser bereits das anderthalbfache ihrer Vorlage.[38]



      Doch wenden wir uns jetzt einmal von den Vorläufern der umstrittenen Brakteatenwährungen zu diesen selbst hin. Bei Karl Walker heißt es, daß mit dem allmählich zunehmenden Wirtschaftsverkehr ein größerer Bedarf an Tauschmitteln zutage getreten ist, wodurch ganz naturgemäß auch im nordisch-germanischen Raum die Entwicklung des Münzwesens in Fluß kam.[39] Nach Walker erübrigte es sich schließlich, die Prägung mit einer Anhänge-Öse zu versehen, da die Münzen dauernd von Hand zu Hand liefen und nicht mehr als Schmuck am Halse getragen wurden. So kamen seiner Auffassung nach etwa um die Mitte des zwölften Jahrhunderts in Skandinavien unter dem Dänenkönig Sven Grathe die einseitig geprägten Silberblech-Münzen auf, die man später als "Brakteaten" bezeichnete.[40] Diese Position läßt sich wie folgt belegen :



      Otto Scheel beschreibt beispielsweise einheimisches und fremdes Geld im Norden des 9. Jahrhunderts.[41] Dort bespricht dieser unter anderem eine nordische Prägung mit Vogelmotiv, welche sonst nur auf den in Birka gefundenen Hängeschmuckstücken vorkommt. Als Münzstätte ist Haithabu ermittelt worden.[42] Zusätzlich finden sich dort sehr wichtige Abbildungen, namentlich ein Pfennig Karls des Großen der Münzstätte Dorestadt, welcher vor 794 dort geprägt wurde und seit 794 zugunsten eines schwereren Pfennigs außer Kurs gesetzt wurde[43] sowie eine vor 800 hergestellte nordische Nachprägung mit sig. Emissionszeichen aus der Münzstätte Haithabu.[44] Entscheidend ist die Weiterentwicklung der Nachprägungen. Ebenfalls bei Scheel ist namentlich auch einheimisches und fremdes Geld im Norden für das 10. und 11. Jahrhundert publiziert worden.[45] Dort stellt dieser zunächst eine Nordische Nachprägung nach dem Vorbild von Dorestadt aus dem Zeitraum um 900 vor . Es handelt sich dabei bereits um einen dünnen Schrötling, welcher nach Meinung von Scheel zu den Halbbrakteaten des 10. Jahrhunderts überleitet.[46] Endlich wird dort auch ein Nordischer Halbbrakteat vorgestellt, welcher lediglich noch Reste der Formen des Dorestadt-Vorbildes aufweist.[47] Dieser Halbbrakteat der Münzstätte Haithabu stammt aus dem 3. Viertel des 10. Jahrhunderts.[48]

      Diese Ergebnisse werden auf das vielfältigste durch die Untersuchungen des dänischen Numismatikers Peter Christian Hauberg belegt.[49] Hauberg stellt dort zunächst die ältesten dänischen Münzgruppen der Prägestätte Lund vor, welche im Zeitraum von ca. 870 n. Chr. bis 900 n. Chr. dort entstanden sind.[50] Hierbei stellt Hauberg sehr schön identische Gepräge zu einander, welche mit zumindest auf einer der beiden Seiten gleiche Motive aufweisen, aber zum einen bereits Münze sind während dieselbe daneben mit Öse noch vorrangig ein Schmuckanhänger ist.[51] Auch dort wird durch Hauberg der Übergang zu den Halbbrakteaten ähnlich wie bei Scheel, aber wesentlich ausführlicher, dokumentiert. Bei Hauberg werden die aufkommenden Halbbrakteaten für den Zeitraum von 940 n.Chr. bis 960 n.Chr. angesetzt.[52] Weitere Hinweise zu dieser frühen Entstehung von Münzbrakteaten liefert Philip Grierson.[53] Dieser stellt beispielsweise einen zur Zeit des dänischen Königs Harald Blatand um 940 bis 985 geprägten Halbbrakteaten vor, welcher ebenfalls eine der Variationen des vor 794 geprägten Pfennigs Karls des Großen ist.[54]



      Halten wir als Zwischenergebnis an dieser Stelle einmal fest, daß es in Dänemark bereits Mitte des 10. Jahrhunderts zur Entstehung einseitig geprägter Brakteaten gekommen ist, welche in jedem Falle vollgültiges Zahlungsmittel waren. Inwieweit die Position Karl Walkers, daß die Brakteaten Mitte des 12. Jahrhunderts vom Halse herab in den Umlauf gelangten, zutrifft, und ob diese Evolution im Geldumlauf an anderen Orten Skandinaviens ebenfalls vordatiert werden muß, soll hier noch am Beispiel Norwegens kurz angesprochen werden.



      Einleitend sei hier auf die Angaben von Hans Holst verwiesen, wonach die ältesten Brakteatenfunde in Norwegen auf die erste Hälfte des 11. Jahrhunderts datiert werden können.[55] Eine ausführliche Darstellung der Datierung norwegischer Brakteatenfunde erhalten wir in der von Nils Ludvig Rasmusson herausgegebenen Handlingar.[56] Dort beschreibt Brita Malmer u.a. die ältesten norwegischen Brakteatenfunde.[57] Sie stellt fest, daß der dänische Einfluß auf das Norwegische Münzsystem während des 11. Jahrhunderts sehr groß ist.[58] Die dänische Münze wird in dieser Zeit ihrerseits wiederum seit König Svend Estridsen (1047-1074) durch die Byzantinischen Gepräge beeinflußt - dies sei hier jedoch nur anbei bemerkt.[59] Die von Hans Holst 1949 beurteilten Brakteatenfunde von Nedstrand datiert Brita Malmer nicht in die erste Hälfte des 11. Jahrhunderts, also in die Regentschaft unter Harald Hardrade, sondern in die Zeit drei Jahre nach dessen Tod, also die der Regentschaft von Magnus Haraldssons. Damit wurden die wohl ältesten Norwegischen Brakteatenfunde in die Zeit zwischen 1066 und 1069 datiert.[60] Wichtig sind in Hinblick auf die Frage, ob Schmuckbrakteaten die Vorläufer der Münzbrakteaten waren, die Brakteatenfunde an den Sakralorten (offering places) in Rautasjaure, Unna Saiva und Graträsk. Diese Brakteatenmünzen nehmen nach Brita Malmer eine bestimmte Schlüsselposition bezüglich des Verständnisses derjenigen Norwegischen Numismatik ein, welche im späteren 11. Jahrhundert geprägt wurde.[61] Uns soll hierbei aber insbesondere interessieren, daß die Brakteatenfunde von Rautasjaure, Unna Saiva und Graträsk in den Sakralorten des Gebietes von Lappland ebenso wie die Brakteatenfunde des Gresli hoards (datiert auf den Zeitraum 1068 - 1090), keinesfalls Nachprägungen von Pfennigen Karls des Großen sind.[62] Die Abbildungen der Brakteatenfunde[63] zeigen zwei wichtige Merkmale :



      1.) Sie wurden nach ihrer Herstellung recht ungestüm mit einem Loch versehen. (so scheint der rekurrente Anschluß (s.: Fr. Knapp) an die Schmuckanhänger gewahrt worden zu sein)



      2.) Einzelne von ihnen weisen ähnliche Motive wie die der goldenen Schmuckbrakteaten[64] bzw. die der leichten Scaettas[65] auf.



      Fassen wir hier bezüglich der Brakteaten einmal zusammen, so ist eine Vorläuferfunktion der goldenen und auch silbernen Schmuckbrakteaten für die späteren als Münze umlaufenden Brakteaten sehr wahrscheinlich. Wir konnten feststellen, daß es die Funktion der Schmuckbrakteaten als eine Art Heiligtumswährung gegeben hat.[66] Darüber hinaus waren sie auch Prestigeware, die man an andere verschenkte, wodurch der Empfänger in ein Abhängigkeitsverhältnis zum Geber gebracht wurde.[67] Auf Gotland dienten Schmuckbrakteaten ohne Öse und Randfassung als Charonspfennige.[68] Desweiteren sind die Schmuckbrakteaten ebenso wie Votivfolien aus Edelmetall innerhalb des im Süden herrschenden Münzsystems verrechenbar gewesen.[69] Zahlreiche Abbildungen von Goldblechfiguren stellt Margrethe Watt im Internet vor.[70] Abschließend sei hier noch H. Steuer bemerkt, welcher sowohl die goldenen Schmuckbrakteaten als auch die sog. Goldgubber (Goldblechfigürchen) zumindest als Tempelgeld bzw. Prestigegeld bezeichnet.[71] So nimmt es denn auch nicht wunder, wenn für die Inseln Gotland und Ödland aber insbesondere für das frühe Reichtumszentrum in Gudme zumindest eine Prestigegeldwirtschaft, wenn nicht gar eine Münzgeldwirtschaft diskutiert wird.[72] Um einem Spekulationsvorwurf nun aber zu entgehen, sollen hier die im Sinne der Geldwirtschaft umlaufenden Brakteatenwährungen erst für die Mitte des 10. Jahrhunderts als bewiesen angesehen werden. Diese begannen dann ihre Ausbreitung von Dänemark aus, wobei sie diese insbesondere nach dem Norden und dem Südosten hin fortsetzten. Die Auffassung Karl Walkers, wonach die Münzbrakteaten zunächst als Schmuck am Halse getragen wuden und später dann ohne Anhänge-Öse versehen als Zahlungsmittel von Hand zu Hand liefen, konnte vollauf belegt werden und ist ein ganz erstaunliches Ergebnis. Allerdings fand diese geldhistorisch evolutionäre Transformation vom Schmuckamulett zum Zahlungsmittel nicht erst unter dem Dänenkönig Sven Grathe (1146 - 1157) statt, sondern bereits zur Zeit Harald Blatand`s, (ca. 950 - 986). Spätestens im 3. Viertel des 10. Jhdts. war die Überleitung von den Schmuckbrakteaten zu den als Münze kursierenden Halbbrakteaten vollzogen. Damit müssen die Brakteaten als Zahlungsmittel um fast 200 Jahre früher als bei Karl Walker angesetzt werden.





      Wie wir gesehen haben, erreichten die Brakteaten etwa um 1060 das Gebiet Norwegens - aber wie kam es zur Ausbreitung dieser in Richtung Süden ? Owohl zumindest zwischenzeitlich in Friesland die sog. "Schuppen" geschlagen wurden, welche Nachprägungen der englischen Scaettas waren, und obwohl es Nachprägungen von verschiedenen Goldmünzen gegeben hat, muß die Münze im Norden Deutschlands zum Erliegen gekommen sein. Dazu sei hier Bernd Kluge wie folgt zitiert:



      "So registrieren wir zu Beginn der für die Festigung des Reiches aber auch für die Entwicklung des Münzwesens bedeutungsvollen Regierung Ottos I. (936-73) eine recht geringe Prägung in einer kleinen Anzahl von Münzstätten westlich und südlich der Rhein-Main-Linie. Diese Linie wird kaum überschritten, der Norden und Osten des Reiches sind münzenleer."[73] Dieser numismatische Befund stimmt nicht mit den Schriftquellen überein![74] Im letzten Jahrzehnt des 11. Jahrhunderts kommt es nördlich der Rhein-Main-Linie dann in Niedersachsen und Ostfalen zur Entwicklung eines neuen Münzstiles, welcher durch sehr dünne Münzen mit flachen Reliefs gekennzeichnet ist.[75] Obwohl nicht außer acht gelassen werden darf, daß das erste Viertel des 12. Jahrhunderts in numismatischer Hinsicht noch weitgehend eine terra incognita ist, signalisieren das Auslaufen der Funde im Ausland und ihre allmähliche Zunahme im Inland, den Beginn einer neuen Periode im deutschen Münzwesen, die man als die Zeit der Regionalpfennige, d. h. als die von räumlich und zeitlich in ihrer Gültigkeit eingeschränkten Pfennigen, bezeichnet hat.[76] Zunächst wuchs unter Bischof Reinhard (1106 - 1123) in Halberstadt die Ausmünzung von Pfennigen im Verlauf seiner 17-jährigen Herrschaft von ca. 19 mm auf 26 mm an.[77] Zur selben Zeit hatte man auch im Süden des Reiches den Übergang zum größeren Durchmesser vollzogen, der in Norditalien und Hochburgund schon früher vorkam.[78]



      Es kann also zunächst einmal festgehalten werden, daß die Ausprägung von Brakteaten unter Erzbischof Wichmann (1152-1192) in Magdeburg durchaus zeitgemäß war.[79] Desweiteren, daß schon früher, namentlich in Norditalien z.B., Brakteaten geprägt wurden. Hierbei handelt es sich zweifelsohne um die langobardischen Nachahmungen der sog. Mauritius Goldtremissen (um 582 - 602) bzw. um die etwa 690 n. Chr. begonnene lombardische (also langobardische) Münzprägung und die dieser im frühen 8. Jahrhundert nachfolgenden, in Lucca begonnenen Übergangsprägungen.[80] Welche Bedeutung das Geld(brakteaten)wesen der Langobarden, also der Lombarden, von der Münzstätte in Lucca aus für die Entstehung des modernen Bankwesens später erlangte, zeigen Robert Sabatino Lopez und insbesondere Thomas W. Blomquist auf.[81]



      Um die Frage, in welchem Zeitraum die Brakteaten ganz unstrittig existiert haben, hier jetzt abschließend zu beantworten, seien hier die Fakten zur ihrer Ausbreitung wie folgt kurz zusammengefaßt:



      Die Technik mit unscheinbaren "Hohlpfennigen" erreichte im 16. und 17. Jahrhundert ihr Ende.[82] Dabei handelt es sich um einige Gepräge, welche nach wie vor als Zahlungsmittel umliefen, oftmals aber auch schon um sog. Wanderbrakteaten, also um Präsenzzeichen der Pilger.

      Entscheidend für die Aufhebung des Brakteatenwesens scheint in der Wissenschaft jedoch die Anordnung der Prägung des "ewigen Pfennigs" im Jahre 1413 zu sein.[83] Eben dieser Name des "ewigen Pfennigs" ist es, welcher schlechthin in der Wissenschaft zu einem Begriff wurde, um die Abschaffung des bis dahin in der Regel noch immer unbeschränkten Münzerneuerungsrechts zu bezeichnen.[84] Darüberhinaus ist anhand der bis jetzt publizierten Brakteatenfunde eine Entstehung dieses so ungewöhnlichen Münzgeldes auf das dritte Viertel des 10. Jahrhunderts festzustellen. Sein Ausbreitunggebiet umfaßte wie wir weiter oben gezeigt haben im 3. Viertel des 11. Jahrhunderts neben Dänemark bereits Norwegen aber auch Teile Russlands, wie bei Pritsak anhand des 1876 in Kiew (Ukraine) gemachten Münzfundes belegt.[85] Dieser Fund enthält unter anderem Brakteaten des sog. Cyril-Types, welcher zur Zeit des Byzantinischen Kaisers Michael VII. (1071-1078) offenbar in Novgorod geprägt wurde. Da sich zu dieser Zeit nach Bernd Kluge das Münzwesen in Deutschland im Umbruch befand, soll der Zeitraum vom 3. Viertel des 11. Jahrhunderts bis zum 1. Viertel des 15. Jahrhunderts als der einer ausgedehnten Existenz von Brakteatenmünzen bezeichnet werden. Damit soll ausdrücklich die Existenz der Brakteatenwährungen in einem Zeitraum von 300 Jahren, wie in Freiwirt-Kreisen behauptet, bestätigt werden.







      Wenden wir uns jetzt der räumlichen Kategorie des Brakteatenwesens zu indem wir hier wie folgt aus Dr. Paul C. Martins Märchen zitieren :



      >Brakteaten, jene ungewöhnlichen Gepräge, die in zwei Generationen
      >in den Münzstätten zwischen Elbe, Main und Weser geschaffen
      >wurden. (zitiert nach Cahn, J.)



      weiter heißt es bei P. C. Martin :



      >Wie schon bei Cahn steht, sind die Brakteaten nur einem sehr kleinen
      >Wirtschaftsraum zuzurechnen.



      und schließlich :



      >Damit ist natürlich nur etwa höchstens ein Zehntel des Gebietes
      >abgedeckt, in dem sich die mittelalterliche Kultur und Wirtschaft
      >abgespielt hat.



      Die Brakteaten sollen also nur einen sehr kleinen Wirtschaftsraum abgedeckt haben, welcher etwa höchstens ein Zehntel des Gebietes abgedeckt hat, in dem sich die mittelalterliche Kultur und Wirtschaft abgespielte. Dieser abgedeckte Wirtschaftsraum soll hier einmal in Abweichung zu P. C. Martin wie folgt benannt werden :



      Dänemark[86], Norwegen[87], Russland[88], Polen und Böhmen[89], sowie im einzelnen für Teile Deutschlands, Österreichs und der Schweiz, im Norddeutschen Wirtschaftsraum bis an die Weser im Westen, im Norden bis an die Nord- und Ostsee. Dort reichte das Kernland bis Magdeburg, nach Thüringen und in den Harz, bis zur Mark Brandenburg und Meissen. Daran schlossen sich die Oberlausitz und Schlesien an. Nach dem Süden hatten sich die Brakteaten südlich des Mains nach Schwaben, Württemberg, ins Bodenseegebiet und zu den schweizerischen Städten Basel, Bern, St. Gallen sowie östlich greifend, bis ins Österreichische, bis Wien ausgebreitet.[90] Dabei wird für die Schweiz z.B. festgehalten, daß Brakteaten die einzige Geldsorte waren, welche dort vom 12. bis 15. Jahrhundert Geltung hatten.[91]



      Wie sich leicht erkennen läßt, deckten die Brakteaten ein wesentlich größeres Wirtschaftsgebiet ab als bei P. C. Martin dargestellt. Trotzdem gilt es, folgenden Einwand von ihm bezüglich der Leistungsfähigkeit des Brakteatenwesens für die Mittelalterliche Kultur, nachzuprüfen.



      >Völlig fehlen die mit nicht minder grandioser Sakralbaukunst
      >aufwartenden Gebiete Italien, Nordspanien, Frankreich und vor allem
      >England, wo es ca. zwei Millionen Einwohner innerhalb kürzester Zeit

      >fertig brachten, mehr als 40 der großartigsten Bauwerke zu
      >"stemmen".



      Dies dürfte eine Anspielung auf die Aussage Karl Walkers darstellen, wonach die Entwicklung der Gotik unzweifelhaft in die Periode der dreihundertjährigen mittelalterlichen Hochkonjunktur fällt, die wir uns ohne Brakteaten-Zirkulation und ohne "Renovatio monetarum" gar nicht vorstellen können.[92]



      Dazu ist folgendes festzustellen : Dr. P. C. Martin unterläßt es hier, zwischen dem Gebiet der Brakteaten-Zirkulation und demjenigen zu unterscheiden, in welchem Münzverrufungen regelmäßig geübt wurden.



      Die räumliche Ausdehnung, in welcher die sog. Renovatio monetarum stattfand ist wesentlich größer, als diejenige der Brakteatenwährungen. Dies sei hier wie folgt belegt :



      Im Gebiet von England kommt es bereits mit Aethelred I. (?) und später unter Aethelred II. zu 6 - 7 Münzverrufungen im Jahr. Unter Aethelred II. kam es in etwa 80 Münzstätten zu einer ungeheuer reichen Prägung, welche mehrere tausend Varietäten hervorbrachte.[93] Julius Menadier spricht in diesem Zusammenhang von mehr als 400 verschiedenen Münzen, welche unter König Ethelred von Northumberland während seiner achtjährigen Herrschaft geprägt wurden.[94] Hierzu noch eine Einschätzung durch Kenneth Jonsson[95]: "A fundamental feature during the Viking Age is the difference between the lack of hoards in the countries where the coins were struck and the abundance of hoards in the Northern Lands. ... From an economic point of view it made no sence to hoard coins, which would depreciate in value when a new type was introduced and perhapseven depreciate progressively during an issue. Rather, the system encouraged people to circulate their coins as rapidly as possible."[96]



      Im Gebiet von Frankreich hatten aus volkswirtschaftlichen Gründen schon die Karolinger die Münzverrufungen, renovationes, revocationes, innovationes, mutationes monetae, angeordnet.[97] Mit dem Kapitular Karls d. Großen von Mantua anno 781 war die Annahme der alten Pfennige verboten worden.[98] Hierzu auch Weitkamp: Zu der Geldordnung Karls d. Großen ist zu sagen, daß dieser auf die Münzordnung der alten römischen Kaiser zurückgriff.[99] Wenig beachtet, aber von größter Wichtigkeit, waren zwei Vorschriften der Münzordnung Karls : Erstens war bei einem neuen Regenten das alte Geld ungültig zu erklären und es war verboten, es weiter zu benutzen, zweitens aber waren die alten Münzen gegen einen Schlagschatz, also eine Umtauschsteuer, gegen neue einzutauschen. Da der Wechsel der Herrscher bei der frühen und nicht selten unvermittelt eintretenden Sterblichkeit jener Zeiten verhältnismäßig oft erfolgte, wirkten sich diese Vorschriften wie eine gelinde, vorbeugende Enthortungsmaßnahme und auf eine geregelte Umlaufgeschwindigkeit aus.[100] Auch weisen die in Frankreich geprägten Denare besondere Unterscheidungszeichen auf, sog. Geheimpunkte. Diese Punkte lauten vom Namen déférants und nicht wie gewöhnlich geschrieben wird, différants. Nach Grote ist dieser Ausdruck der Astrologie entlehnt.[101]



      Dies läßt sogar häufigere Münzverrufungen vermuten. Ähnliche und ebenfalls auffällige Merkmale weisen die Englischen Penny`s unter Aethelred von England auf, welche häufig verrufen worden sind.[102] Gleiche Annahme soll hier für die sog. Otto-Adelheid-Pfennige geäußert werden. Anhand der Untersuchungen von Vera Hatz ist zu vermuten, daß diese Otto-Adelheid-Pfennige nicht nur bei Antritt eines neuen Regenten verrufen wurden, denn von den zahlreichen Nachprägungen einmal abgesehen, existieren zahlreiche Variationen dieses Pfennigs.[103] Hierbei wird es sich nicht nur um die Prägestättentrennung handeln, sondern auch um das Erkennungsmerkmal des jeweiligen Münzherren. Das würde wie bei den Denaren in Frankreich und den Pennies in England so auch in Deutschland eine erheblich häufigere Verrufung der Münzen zur Folge haben, namentlich wenn der jeweilige Münzherr an der jeweiligen Prägestätte verstarb. So ist dann auch bei Suhle zu lesen, daß die Pfennige in erster Linie für die Hauptheiligen der Bistümer geprägt wurden. Im 10. und 11. Jahrhundert sind es bereits etwa 50, die von den Münzherren, die selbst meist Geistliche waren, gefeiert wurden.[104] Das Münzverrufungen zur Steigerung der kgl. Einkünfte auch in Spanien vorkamen, beweist das 1236 dem König Jakob I. von Arragonien von den Ständen bewilligte Monetaticum ut non immutaretur moneta Jaccensis servatis lege, pondere et figura.[105] Die frühesten Nachrichten über Münzverrufungen haben wir dabei aus dem Gebiet von Böhmen. Dort spricht der im Jahre 1125 gestorbene Dekan der Prager Kirche, Cosmas, von drei bis viermal im Jahr vorkommenden Münzänderungen, deren Wirkungen verderblicher als die Pest oder feindliche Brandschatzung seien. Da der Chronist die tadelnden Worte dem längst gestorbenen Herzog Boleslaus II (gest. 999) in den Mund legt, kann man daraus schließen, daß die Verrufungen der Münze in Böhmen schon seit geraumer Zeit angedauert haben.[106] Schließlich ist es dann Eheberg, der es wahrscheinlich gemacht hat, daß sich die Münzverrufungen bereits im Anschluß an die Entwicklung des mittelalterlichen Markt- und Verkehrswesens herausgebildet haben.[107] Demnach richtete sich die Ausmünzung nach den Markttagen; denn es war um diese Zeit ein größerer Bedarf nach neuen Zahlungsmitteln vorhanden, da die Münzen, die an früheren Markttagen gebraucht worden, entweder abgenutzt, verloren, teilweise auch in die Fremde gewandert waren, aber auch andere Käufer und Verkäufer ohne gültige Münze zusammenkamen.[108] Diese Auffassung vertritt auch Kulischer, welcher berichtet, daß man in Polen die "revocationes", "innovationes" oder "mutationes" viermal im Jahre durchführte und das es Verordnungen gab, die zu jeder Messe neues Geld vorsahen.[109]



      Betrachten wir in diesem Zusammenhang die Brakteaten, so handelt es sich bei diesen Münzen um Gepräge, welches von seinen Eigenschaften her als geradezu typisches Zahlungmittel aus einem System von Münzverrufungen hervorging. Es scheint richtig, daß die Währungen der Brakteaten sich durch die Münzverrufungen begünstigt, weiträumig ausbreiten konnten und mit der Aufhebung der Gelderneuerung ihr Ende fanden. Dies ändert aber nichts daran, daß wie oben dargelegt, die Münzverrufungen auch in Spanien, Frankreich, England und denjenigen Teilen Deutschlands stattfanden, an welchen keine Brakteaten geprägt worden sind. Dieses Ergebnis findet sich auch bei Karl Walker, wo dieser feststellt : Es ... "ist zu ersehen, daß zwischen den Gebräuchen des fortgeschrittenen Westens und dem eigentlichen Brakteaten-Geldwesen nur gewisse Gradunterschiede bestanden. Tatsächlich hat die ""Renovatio monetarum"" bis weit über die Grenzen des eigentlichen Brakteatengebietes hinaus ihre Gültigkeit und Wirkung gehabt."[110] Ein Verzicht auf diese Unterscheidung ist daher ein grober Fehler !





      Doch wenden wir uns weiteren Aussagen zu, welche unsere von Paul C. Martin gelieferte Diskussionvorlage wie folgt enthält.



      >Da die Münzen ununterbrochen künstlich abgewertet wurden, dabei
      >aber in jeder Neuausprägung mit gleichem Gewicht und gleicher
      >Feinheit operiert wurde, war es ein Leichtes, die alten Münzen vor
      >ihrer Außerkurssetzung einzusammeln und einzuschmelzen. Dann hat
      >man eben das Silber in Barrenform kursieren lassen bzw. diente es der
      >Münzstätte an. Aus einem (angenommen) 900 g Barren wurden ja
      >immer gleich viele 0,9 g schwere Brakteaten geprägt, nämlich 1000
      >Stück.



      Und darüber hinaus schreibt Martin :



      >Auf die Einbeziehung der Barrenwährung in den Geldverkehr hatte
      >übrigens schon Erich Born 1924 hingewiesen (Das Zeitalter des
      >Denars). Hier S. 160: "Der Handel gebrauchte für seine Zahlungen
      >vornehmlich die Silberbarren."



      Dazu ist folgendes anzumerken :



      "Außer dem Schrot und Korn und der Größe des Remediums wird in den Münzordnungen regelmäßig auch ein Schlagschatz für den Münzherren als Vergütung für die ebenso heiklige als verantwortliche und mit Unkosten verbundene Arbeit der Münzherstellung vorbehalten. Er wird durch einen Abzug am Feingewicht in der Art erhoben, daß die aus der bestimmten Gewichtseinheit Barrenmetall verfertigten Münzen nach ihrem Nennwert höher bewertet erscheinen als der Kaufpreis für das gleiche Gewicht in Barren. Hält sich der Schlagschatz innerhalb angemessener Grenzen, so ist er nicht bloß gerechtfertigt, sondern auch gemeinnützlich, denn gute Münzen übertreffen das rohe Metall an Gebrauchswert, sowohl weil sie dem Verkehr die Mühe und Gefahr jeweiliger Abwägung und Prüfung ersparen, als auch wegen der Zahlkraft, die ihnen vom Staate (geistl. / weltl. Münzherr) beigelegt wird."[111]



      Weiterhin ist darauf zu verweisen, daß: "der früher streng verbotene Verkehr mit alter Münze oder Barrensilber" neben jenem mit neuen Pfennigen erst seit der Zeit der geldlichen Ablösung, also des Verkaufs der jeweiligen Rechte auf Münzerneuerung, in gewissem Grade gestattet wurde.[112]



      Und auch sonst nicht unwesentlich muß bemerkt werden :



      "Wir haben Nachprägung und Münzfälschung zu unterscheiden. Nachprägung nennen wir die widerrechtliche Nachahmung fremden Münzgepräges durch einen Münzherrn, also durch einen an sich zur Ausmünzung Berechtigten, um dadurch seinen eigenen Münzen den Umlauf im fremden Lande zu verschaffen, Münzfälschung im engeren Sinne ist aber jene Nachahmung von Münzen in gewinnsüchtiger Absicht, die durch jemand der nicht münzberechtigt ist, begangen wird.[113] Darüber hinaus war die Anfertigung eigener Prägestempel zur Erzeugung unechter Stücke zu kostspielig, um die Herstellung weniger Stücke lohnend zu machen.[114]



      Schließlich gilt dann noch ein letztes Faktum zu nennen:



      "Eine Abart der Barrenzahlung ist die Zahlung mit Mark gewegens, die in österreichischen Urkunden des 13. und 14. Jahrhunderts oft erwähnt wird. Sie stimmt ihrem Wesen nach überein mit der Münzmark, unterscheidet sich jedoch dadurch, daß nicht Barrensilber vom Feingehalt der umlaufenden Pfennige, sondern einfach außer Verkehr gesetzte Münze nach ihrem Gewicht in Zahlung gegeben wird."[115]

      Die Vorteile lagen im Verkehr mit dem Ausland, in welchem fremdes Geld ohnehin nur als Handelsmünze, also vorwiegend nach ihrem Metallwert genommen wurden. Dort konnten dergleichen "alte" Pfennige mit Vorteil abgesetzt werden, da man dabei die bedeutenden Präge- und Wechselkosten ersparte, die bei Anschaffung "neuer" Pfennige zu entrichten waren.[116] Man konnte also sehr bequem durch zuwägen alter Pfennige Zahlungen nach der Münzmark leisten. Dadurch sparte sich der Besitzer die eigene Prägung und damit den durch Seigerung und Verdampfen (bei jedem Schmelzvorgang) absolut sicher eintretenden Verlust sowie die übrigen Kosten, die mit dem Einschmelzen des Silbers verbunden waren. Darüberhinaus bedurfte der Besitzer der alten Pfennige keiner weiteren Beglaubigung über den Feingehalt des gelieferten Silbers und konnte überdies ohne Schwierigkeit das bedungene Gewicht bis auf ein zwanzigstel oder dreißigstel Lot (etwa bis auf 1 - 1/2 g. genau) zahlen.[117]



      Fassen wir die Argumente, welcher der Auffassung von Herrn Paul C. Martin entgegenstehen, daß nämlich der Handel vornehmlich Silberbarren verwendete, hier einmal zusammen.



      1.) Der Verkehr mit alter Münze oder Barrensilber war in der Zeit der Münzverrufungen streng verboten.

      2.) Die aus einer bestimmten Gewichtseinheit Barrenmetall verfertigten Münzen werden nach ihrem Nennwert höher bewertet als der Kaufpreis für das gleiche Gewicht in Barren.

      3.) Die Erzeugung eigener Prägestempel für die Nachahmung "neuer" Pfennige war zu kostspielig, um die Herstellung weniger Stücke lohnend zu machen.

      4.) Nicht Barrensilber vom Feingehalt der umlaufenden Pfennige, sondern einfach außer Verkehr gesetzte Münze wurde aus zahlreichen Gründen nach ihrem Gewicht in Zahlung gegeben.

      5.) Ein zur Ausmünzung Berechtigter ist dies nur an seiner eigenen Prägestätte. Außerhalb dieser Prägestätte handelt es sich bei seinen Nachahmungen fremden Münzgepräges um Münzfälschung in gewinnsüchtiger Absicht.



      Damit soll hier deutlich gesagt werden, daß aus einem (angenommen) 900 g Silberbarren im Mittelalter niemals immer gleich viele 0,9 g schwere Brakteaten geprägt wurden - wenn überhaupt, dann wurden es vielleicht ca. 1000 Stück. Insgesamt ist festzustellen, daß Siberbarren sich in der Zeit der Münzverrufungen nur für den Großverkehr erhalten hatten und daß die Zahlungen von Jahresdiensten nicht in Pfennigen, sondern in Barrensilber geleistet wurden.[118] Da im allgemeinen für jedes größere Geschäft von den vertragschließenden Parteien die Erklärung verlangt wurde, daß das Kaufgeschäft rechtmäßig sei, also nach gegenseitigem Übereinkommen und damit ohne Nötigung abgeschlossen worden ist, war die Öffentlichkeit des Handelsabschlusses und die Anwesenheit von Zeugen erforderlich. So der Tausch in der Gegenwart des die Einhaltung der Marktordnung überwachenden judex forensis vor Zeugen stattzufinden hatte, war eine Durchsetzung des Annahmezwanges der neuen Pfennige praktisch leicht durchsetzbar.[119] Ein Tausch außer Sichtweise der Marktfahne oder des Marktkreuzes, zudem auch noch ohne Zeugen, war nicht nur während des Mittelalters höchst gefährlich und konnte schnell als Diebstahl ausgelegt werden - worauf nicht selten der Tod stand. Aus all diesen Gründen soll der Stellenwert, welchen Herr Dr. P. C. Martin den weiter oben genannten Silberbarren im Handel zur Zeit der Brakteaten und Münzerneuerungen zubilligt, hier in dieser Replik in das Reich seiner Märchen zurückverwiesen werden.



      Nun muß hier noch einmal auf Punkt 2 der bei Herrn Dr. P. C. Martin genannten ökonomischen Aspekte eingegangen werden um den Nutzen der Brakteaten und anderer Pfennige im System der Münzverrufungen deutlich zu machen. Anhand des von ihm ins Feld geführten sog. Wichmann-Modells können die Brakteatenwährungen nur gerade mal 40 Jahre lang existiert haben. Hierzu sei Herr Dr. Martin zunächst wie folgt zitiert :



      >Nehmen wir das Wichmann-Modell, dann sind wir gerade mal bei 40
      >Jahren (Existenz der Brakteatenwährung; Anm. d. Verf.). Nehmen wir
      >nun - laut obiger Quelle, die hier nicht näher untersucht werden soll -
      >die zweimal im Jahr erfolgte Münzumstellung, so kommen wir zu bis
      >zu 80 solcher "Umlaufsicherungen" (also Münzverrufungen; Anm. d.
      >Verf.). Da jedesmal 25 Prozent Abschlag erfolgt, kann folgendes
      >überschlägig berechnet werden: Nach drei Umstellungen (18 Monaten)
      >war das Geld nur noch die Hälfte wert. Nach weiteren drei nur noch
      >ein Viertel, nach weiteren drei noch 12,5 %, nach weiteren drei nur
      >noch 6,75, dann 3,3 %, dann 1,7 %, dann 0,8 %. Also war Wichmanns
      >Umlaufsicherung so gewaltig, daß den Bürgern das bei Wichmanns
      >Amtsantritt zu 100 notierende Geld bereits nach zehn Jahren seiner
      >Amtszeit auf ca. 1 % geschrumpft war.





      Hierzu sollen am Beispiel von Beiträgen aus der Numismatik die nachfolgenden Auffassungen sowohl als Lösung wie als Gegenargument zu Dr. Martins Position herangezogen werden.



      Es ist zunächst einmal Hermann Grote, welcher die Ansicht vertritt, daß die unendliche Mehrzahl der alt-baierischen Denare "Nachmünzen" seien.[120] Dazu heißt es weiter bei Grote: "Dieser bisher unbemerkt gebliebene Umstand scheint mir so offen zu Tage zu liegen, daß es, wie ich glaube, nur einer Andeutung desselben bedarf, um ihm allgemeine Anerkennung zu verschaffen. Von der großen Masse jener baierischen Münzen ist nämlich der bei weitem geringste Teil in Baiern selbst von dem in den Umschriften angegebenen Münzherren geprägt; sie sind fast sämtlich Nachmünzen, die in einer den Urstücken sehr nahen Zeit in Polen geprägt wurden."[121] Zu ganz ähnlichen Ergebnissen kam auch Franz Bastian aus Bremen.[122] Dieser sei an dieser Stelle für einen weiteren Vergleich ebenfalls wie folgt zitiert :

      "Selbst Augsburg hielt sich dauernd an Bild und annähernd auch Gehalt der Pfennige aus der Donaumetropole und, wo überhaupt ein Währungszusatz, "Ratisponensis", selbst beim Denar in Krainer und Tiroler Quellen begegnet. Mit dem XII. Jahrhundert dagegen begann sich das Umlaufsgebiet der Regensburger Pfennige wesentlich zu verkleinern. Zünächst verloren sie wie alle anderen deutschen Denare ihre Kursfähigkeit im östlichen und nordöstlichen Ausland, wo sie und ihre Nachahmungen zwei Jahrhunderte die erste Rolle gespielt hatten."[123]



      Weiter heiß es bei Franz Bastian : "Außer in jener Urkunde für Freising ist nur in unseren Verleihungen für Freising und Salzburg der Anschluß an die Prägeweise in der Donaumetropole ausdrücklich unter den Worten "monetam Radasponensem" (Münze nach Regensburger Muster) hervorgehoben. Tatsächlich zeigen von den bei Dannenberg publizierten Münzen außer Augsburger, Freisinger, Salzburger, dann Chamer, Nabburger, Neuburger auch die Eichstädter Pfennige durchweg die größte Ähnlichkeit mit den entsprechenden Regensburgern (Pfennigen; Anm. d. Verf.), dazu jener älteste Eßlinger mit seiner Abart, ... ."[124]

      Wie hier am Beispiel Bayerns gezeigt werden konnte, handelt es sich bei den meisten Denarfunden um Nachprägungen. Daß die Nachprägung von Münzen bei Einhaltung von Feingehalt und Münzfuß nicht wie eine Münzfälschung aus Gewinnsucht gehandhabt wurde, wurde hier weiter oben bereits durch Luschin aufgezeigt. Nach dieser Unterscheidung muß jetzt noch zunächst die Geldentwertung von der Geldänderung unterschieden werden. In der Theologischen Realenzyklopädie wird hier sogar noch für das 16. Jahrhundert folgende Aussagen gemacht [125]:

      "Geldentwertung ist Fälschung. Fälschung an Substanz, Gewicht und Form des Geldes ist jedoch eine Todsünde, wenn dies zum Schaden des Nächsten und des Staates getan wird. Hingegen kann eine Geldänderung aus einem vernünftigen Grund zum Nutzen des Gemeinwesens (ex rationabili causa ad utilitatem Reipublicae) notwendig werden, wenn zuviel gefälschtes Geld im Umlauf ist, die umlaufenden Münzen abgenutzt sind oder ein Mangel an Münzmetall eintritt."[126]



      Fassen wir hier einmal zusammen, so wird in den Wissenschaften vom damaligen Gelde sowohl die Nachprägung als auch die Münzverrufung in ganz eindeutiger Weise von der Münzfälschung unterschieden. Dazu läßt sich anhand der Befunde ebenso eindeutig feststellen, daß die oft geübte Nachprägung von Münzen in großer Stückzahl erfolgte und daß der zu zahlreiche Umlauf von "gefälschtem Geld" sogar ein berechtigter Anlaß für eine Münzverrufung sein konnte. Welche Schlüsse kann man daraus ziehen? Eine Verrufung der Münze erfaßte nicht nur die mit der letzten Münzerneuerung ausgegebenen Gepräge, sondern auch alle, die als solche gelten wollten, namentlich die große Mehrheit der in Umlauf befindlichen Nachprägungen. Dadurch kam es zu einem Metallabfluß aus denjenigen Gebieten welche nachgeprägt hatten und einem Zufluß dort, wo die als Vorlage dienende Münze geprägt wurde. Dies ist schon deshalb anzunehmen, da die Nachprägungen andernorts nur als eine Handelsmünze, also wie gewogene alte Pfennige, behandelt wurden. Im Falle Magdeburgs ist davon auszugehen, daß der Zufluß an Münzmetall durch Nachprägungen nicht unerheblich gewesen sein muß, da dort die Münze nur zweimal im Jahr erneuert wurde. Geringer wird die Zahl der Nachprägungen dort gewesen sein, wo die Münze öfter verrufen wurde, z.B. drei- oder viermal pro Jahr. Es spricht viel dafür, daß die Kölner Münze z.B. besonders häufig nachgeprägt wurde, denn es läßt sich bei Bernd Kluge sehr schön entnehmen, daß der dortige Pfennig einen sehr großen Umlauf hatte.[127] Der Grund dafür ist darin zu sehen, daß die Verrufung in Köln viel seltener stattfand, nämlich nur, wenn ein neuer Erzbischof erwählt und bestätigt war und wenn der Erzbischof von einem Kriegszug über die Alpen zurückkam.[128] Auch kam es dort nur etwa alle 7 Jahre zu einer Münzverrufung bei welcher die Besitzer der alten Pfennige eine Demurrage-Gebühr von nur etwa 16,6 % zu leisten hatten (Schlagschatz), während dieser andernorts, z.B. in Holland, bis zu 35,7 % erreichen konnte.[129]



      Was hier behauptet werden soll, ist eine gewisse Elastizität seitens der nachprägenden Münzherren. Diese bevorzugten offenbar Gepräge, welche zunächst einmal auf erreichbaren Märkten umliefen und dann nicht zu häufig verrufen wurden. Es ist daher bei der Häufigkeit der Münzverrufung wie bei John Meynard Keynes zu beachten, daß das Geld das Blut der Wirtschaft sei. Schlägt das Herz schneller, steigt der Blutdruck - schlägt das Herz zu schnell, fällt der Blutdruck letztlich bis zum Schock. Für die Stadt Magdeburg soll an dieser Stelle behauptet werden, daß die gemäßigte Häufigkeit der Münzverrufung ausreichend Nachprägungen anzog um die Vorteile derselben deutlich hervortreten zu lassen. So nimmt es denn auch nicht wunder, daß selbst Walter Hävernick aus den Überlieferungen "notgedrungen" folgern muß, daß Münzverrufungen "kein Schreckgespenst" waren.[130]



      Bevor wir es uns erlauben, hier ein Fazit zu ziehen, sollen noch die Alternativen, auf welche das Diskussionspapier von Herrn Dr. Martin ja implizit verweist, einmal näher betrachtet werden. Zunächst wäre da einmal die sog. Kaufmannsmark zu nennen, welche seit dem 12. Jahrhundert in Köln anstelle der Münzverrufung als Geldsteuer erhoben wurde.[131] Dann aber soll der eigentliche Schock an sich, namentlich die Deflation seit Anfang des 14. Jahrhunderts und eine uns wohl ebenfalls anempfohlene Zeit, namentlich die verheerende Krise der Schinderlinge, (1457-1460) und die geradezu unglaublichen Münzverschlechterungen der Kipper- und Wipperzeit kurz angesprochen werden.[132] Dazu ist es natürlich unerläßlich, die Ablösung der Rechte auf Münzerneuerung und die Einführung des sog. "ewigen Pfennigs" ebenfalls kurz in seinen Auswirkungen zu beleuchten.



      Wenden wir uns zuerst der Stadt Köln zu, wo die Münzverrufung wie bereits geschildert, viel seltener stattfand als andernorts. Dort wurde seit dem 12. Jahrhundert die marca mercatorum erhoben. Die Erhebung dieser Kaufmannsmark bedeutete, daß jeder fremde Kaufmann beim Verkauf von Pelzwaren oder Mänteln oder anderem eine Steuer von 9 Pfennigen auf die Mark der Stadt Köln zu zahlen hatte, indem er auf die Zahlmark statt 144 Pfennige nur 135 Pfennige erhielt.[133] Wir stellen hier fest, daß die Stadt Köln den nur selten vereinnahmten Schlagschatz der Münzerneuerung durch eine permanente Geldsteuer kompensiert hat.



      Wie ich weiter oben bildhaft gesprochen darzustellen versuchte, wirkte die Münzverrufung stimulierend auf die Geldumlaufgeschwindigkeit und erhöhte damit quasi den Blutdruck der Wirtschaft. Eine Steuer wie die in Köln erhobene Kaufmannsmark hat dagegen keinerlei derartigen Eigenschaften. Wie an weiteren Beispielen hier noch kurz nachgewiesen werden soll, wurde der mit der Münzerneuerung erhobene Schlagschatz durch ganz prophane Steuern ersetzt. Dies ist umso ungewöhnlicher, da es in Gebiet von Deutschland bis dahin nur den Zehnt und die Bede gab, bzw. auch in Frankreich lange Zeit den Zehnt und die Aide, also faktisch zumindest auf dem deutschen Gebiet Steuerfreiheit geherrscht hat, weil diese bis dahin nicht durchsetzbar waren. Zu den Konsequenzen sei hier nochmals Luschin wie folgt angeführt:



      "Finanztechnisch wohl die günstigste Lösung hat Herzog Rudolf IV. von Österreich erzielt, der für den Verzicht auf die Einnahmen aus den periodischen Münzerneuerungen von den Landständen das "Ungeld", eine Getränkesteuer, eintauschte. Die Ablösung war ursprünglich ins Belieben des einzelnen Grundherren gestellt, wer sie ablehnte, auf dessen Besitzungen blieb dem Herzog sein altes Recht vorbehalten. Darüber hinaus sollte das Übereinkommen nur fürs Jahr 1359 gelten, jedoch verlängert werden, falls beide Teile damit zufrieden wären. Dies ist offenbar eingetroffen; ungeachtet mancher Klagen über das Ungeld als eines doppelten Zehents ... ist es bei der Vereinbarung geblieben."[134]

      Warum dieser Vorläufer der `Mehrwertsteuer` beibehalten wurde, läßt sich zufälligerweise für diesen Fall sehr schön nachweisen. Noch 1334 erreichte der "Münznutzen" in Österreich bei einmaliger Münzverrufung im Jahre rund 5000 Pfund Pfennige.[135] Währenddessen errichte der Ertrag des Ungeldes im Jahre 1437 30 563 Pfund Pfennige und machte damit beinahe die Hälfte der Gesamteinkünfte des Herzogs aus.[136] Bei diesem Vergleich wird deutlich, warum das Ungeld eben als Ungeld wahrgenommen wurde.



      Im Gegensatz zu Frankreich wurden in Deutschland bis zum Jahre 1300 nur der Pfennig und dessen Teilstücke geprägt und entsprechend auch verrufen.[137] Im Jahre 1300 beginnt Böhmen dann die Groschenprägung welche sich von da ab über die Nachbarlande verbreitet.[138] Wie wir gesehen haben kam es dann 1359 in Österreich zu einer Ablösung der periodischen Münzerneuerung. Im Jahre 1413 kommt es dann in Braunschweig zur Prägung des von der Stadt angeordneten "ewigen Pfennigs",[139] dessen Name in der Wissenschaft zur technischen Bezeichnung für die Abschaffung der Münzerneuerungen geworden ist. Nach Luschin war die Zeit der jährlichen Münzverrufungen um 1426 schon allgemein vorrüber.[140]



      Nach Luschin war der Mißbrauch des Münzrechts zu fiskalischen Zwecken in Frankreich aber noch ärger als in Deutschland.[141] Die französichen Könige hatten das beim Verfall des karolingischen Reiches in die Hände der Kirchenfürsten und Barone übergegangene Münzwesen bis gegen die Mitte des 13. Jahrhunderts nach und nach wieder ihrer königlichen Oberhoheit unterworfen. Unter den Königen Ludwig IX. (1226 - 1270) und Philipp III. (1270 -1285) herrschten dort sehr geordnete Münzverhältnisse, und die neugeschaffenen Silber- und Goldmünzen gewannen alsbald Umlauf und Nachbildung in den Nachbarländern. Der Umschlag trat dann unter König Philipp IV. dem Schönen ein (1285 - 1314), dem die Zeitgenossen geradezu den Beinamen des Münzfälschers gaben. Philipp IV., der wahrscheinlich die Münzverschlechterung durch mehrere Jahre im geheimen betrieb, gab dieselbe 1295 offen zu, bezeichnete aber jetzt seine minderwertigen Gepräge unter Zustimmung und Bürgschaft seiner Gemahlin als Kreditmünze, die seinerzeit zu vollem Nennwert eingelöst werden sollte, ein Versprechen, das allerdings niemals erfüllt wurde. Nicht weniger als sechsmal wiederholte sich in den nun folgenden 20 Jahren das Schauspiel, daß der König, ungeachtet der schweren Opfer, die Volk und Geistlichkeit darbrachten, von schlechter Münze zu guter überging, um alsbald wieder zur schlechten zurückzukehren. Dabei wurde nicht nur die Einlieferung in- und ausländischer guter Münzen und der Gold- und Silbergeräte gegen die neuesten Gepräge des Königs erzwungen, sondern es erwuchsen auch die größten Schwierigkeiten bei Schulden und Renten, die zur Zeit entwerteten Geldes entstanden waren und nun in gutem Geld gefordert wurden, und umgekehrt.[142]

      Im Jahre 1306 kommt es dann zu einer Währungskrise.[143] Diese Krise führt am 13. Oktober 1307 zur Verhaftung aller Angehörigen des sog. Templerordens.[144] Obwohl Philipp IV. den Templern noch 9 500 000 Franken schuldete, sequestierte er deren Güter und Übertrug sie gegen 3 800 000 Franken an die Hospitaliter.[145] Mit der Vernichtung des Templerordens und seiner Finanzwirtschaft wurde die weitaus größte Geldmacht jener Zeit zerstört.[146] Nach dem unheilvollen Ende der Templer waren bis zu 46 % Zinsen an der Tagesordnung.[147] Erst jetzt, in Zeiten unbefriedigender und zerrütteter Münzzustände, griff das von Herrn Dr. Martin genannte Barrengeld als Zahlungsmittel über den Großverkehr weit hinaus und erhält folglich erst nach jener Zeit der Münzverrufungen die Wichtigkeit, welche jener diesem für dieselbe zuschrieben hatte.[148]



      Die Medusa, welche nun (zwischen 1307 und 1320) begann, ihr Haupt aus der Asche zu erheben, soll hier deutlich den Beinamen Deflation tragen. Hierzu Hans Weitkamp für jene Zeit in Frankreich :

      "Es war ja noch nie Geld und Geldgebrauch in jeder Hand, in Verfügung jedes einzelnen Bauern und Bürgers vorhanden gewesen, als daß man eine jahrelang dauernde Geldstockung und Geldhortung hätte beobachten können ... . So stand man nun vor einem Übel, dem man nicht ohne weiteres in der richtigen Weise begegnen konnte. Eine ausgebrochene allgemeine Geldstockung und Hortung hat ... noch einen besonderen psychologischen, sich steigernden "Drall": das nicht umlaufende, verkrochene Geldstück wird durch den allgemeinen Preisverfall, welchen die fehlende Marktnachfrage entstehen läßt, täglich kaufkräftiger und den Waren und der menschlichen Arbeitskraft und Leistung gegenüber mächtiger. Es kann sozusagen die Bedingungen diktieren, unter welchen es sich, wenn überhaupt, zur Verfügung stellen mag."[149] Wie zerstörerisch diese Deflationäre Krise sich auf Mensch und Wirtschaft ausgewirkt haben muß, zeigen die bei Fernand Braudel dargestellten graphischen Etatvergleiche europäischer Metropolen für den Zeitraum zwischen früher (?) und 1423.[150] Auch scheinen die oben genannten Bedingungen, unter welchen sich das Geld zur Verfügung stellte, nicht besonders gewesen zu sein, denn der Warentausch kam in der Champagne beispielsweise rasch zum erliegen und Kreditgeschäfte erhielten dort etwa 20 Jahre später den Todesstoß. Diese setzten sich noch bis etwa 1310 / 1320 fort.[151]



      Angesichts dieser katastrophalen Ergebnisse nimmt es denn auch nicht wunder, daß sogar Luschin die volkswirtschaftlichen Schädigungen durch Münzverschlechterungen für noch verderblicher hält als die von ihm keineswegs geliebten Münzerneuerungen.[152] Bei unserem Beispiel für die Alternativen der Münzerneuerung mit entsprechend erhobenem Schlagschatz gebührt Philipp IV. übrigends das Verdienst, als erster in einem so großen Umfange Münzen nicht nur Verrufen, sondern selbige auch gefälscht zu haben. Erst im Jahre 1430 traten wieder geordnetere Verhältnisse in Frankreich ein.







      F A Z I T



      In Kreisen der GeldreformerInnen wird gern auf das Werk von Karl Walker[153] abgehoben, wenn es darum geht, anhand eines historischen Beispieles den Nachweis zu erbringen, daß Geld ein Kommunikations- und Tauschmittel mit ganz hervorragenden Eigenschaften gewesen ist, wenn es als Schatzmittel nicht verwendbar war. Und tatsächlich wird die Position, daß sich die Bildung sozialer und kultureller Kapitalien um so großartiger entwickelt, je stärker die Bildung von Kapitalien aus Münzgeld vermieden wird, durch Hugo Fack, Georges Duby, F. W. Feytag, Marc Bloch und andere, immer wieder gestützt. Insgesamt zeigt sich, daß die "Geschichte der Menschheit tatsächlich die Geschichte ihres Geldes ist".[154] Für den von Karl Walker betrachteten Zeitraum, daß Mittelalter, ist allein die ungeheuerliche volkswirtschaftliche Auswirkung, die durch die überall gleichartig gehandhabte "permanente Geld-Erneuerung" zustandekam, wesentlich.[155] Hierbei handelte es sich bei dem Brakteaten-Geldwesen um eine äußerst spezifische Stilblüte des Münzprägewesens während der Zeit der Münzverrufungen. Das besondere an diesen Brakteatenmünzen ist, daß sie sich etwa 300 Jahre nach dem Aufkommen der Münzerneuerungen als höchst spezialisiertes Gepräge rasch ausbreiteten um dann mit dem Ende der allgemeinen Münzverrufungen etwa 300 Jahre später als Zahlungsmittel wieder aus dem Umlauf zu verschwinden. Dazu hier als Abschluß insgesamt noch die nachfolgenden Eckpunkte:



      1.) Es konnte recht mühelos belegt werden, daß die Brakteaten als Geld zwischen etwa 1075 und 1402 ihre Blütezeit hatten.



      2.) Das Wichmann-Modell, wonach die Brakteaten in Magdeburg nur höchstens etwa 40 Jahre umgelaufen sein könnten, konnte als unhaltbar widerlegt werden. Nicht berücksichtigt wurden bei diesem Modell die Enthortungen von Münzmetall sowie die zahlreichen Nachprägungen. Im Falle Magdeburgs dürften dies vor allem in Polen geprägte Nachmünzen gewesen sein. Hierzu sei noch einmal auf Walter Hävernick verwiesen. Danach prägten nur die wenigsten Münzstätten Geld unter eigenem Typ, sondern ahmten bald dieses bald jenes Gepräge nach.[156] Das bedeutet, daß das Münzmetall der meißten Prägestätten in das Umlaufgebiet anderer Münzherren abfloß und dort zumindest teilweise als Münze mit verrufen worden ist.



      3.) Die von Herrn Dr. Martin vertretene Auffassung, wonach der Handel für seine Zahlungen vornehmlich Silberbarren gebrauchte erscheint hier schlicht falsch. Die Schrift von Erich Born lag hier leider nicht vor, doch es ist mit ziemlicher Sicherheit davon auszugehen, daß während der Zeit der Münzverrufungen so gut wie immer mit gewogenen alten Pfennigen bezahlt wurde. Die "immer ca. 1000 Stück Münzen" sind anhand des in der damaligen Zeit stets auftretenden Problems der Seigerung ein großartiger Witz - mehr aber eben auch nicht.



      4.) Die Auffassung, wonach sich das Kerngebiet der Brakteaten nur auf einen sehr kleinen Wirtschaftsraum zurechnen läßt, kann hier nicht geteilt werden. Herr Martin hat z.B. Teile Russlands, Polens, Ungarns sowie das gesamte Dänische und Norwegische Gebiet schlicht weggelassen und Teile der Schweiz und Österreichs ebenso nicht erwähnt.



      5.) Die Schrift von Karl Walker wurde von Herrn Martin zwar kritisiert, aber offenbar dennoch nicht gelesen. Die Münzerneuerung ist von den daraus hervorgehenden Brakteatenwährungen zu unterscheiden. Diese Münzverrufungen wurden regelmäßig mindestens in Böhmen, Dänemark, Deutschland, England, Frankreich, Holland, Österreich, Polen (incl. Schlesien), Schweiz, Spanien und Ungarn geübt. Damit dürfte außer Italien eigentlich kein mit grandioser Sakralbaukunst aufwartendes Gebiet mehr fehlen oder ?



      6.) Die bei Dr. P. C. Martin aufgeführten Rechtsbücher "Sachsenspiegel" und "Schwabenspiegel" waren nur Sammlungen von Rechtsnormen und Verfahrengrundsätzen mit proklamatorischem Character. Sie dienten lediglich als Gegensatz zu der etwa 1140 verfaßten Gratianischen Dekretalengesetzgebung.[157] Dies läßt sich auch schon daran erkennen, daß sowohl Schwaben- als auch Sachsenspiegel in Deutsch und nicht in Latein verbreitet wurden. Wie stark die aus der Dekretalengesetzgebung abgeleiteten geistlichen Ansprüche geworden waren zeigt sehr schön Baethgen auf.[158] Darüber hinaus kennt das Mittelalter keine bewußte rechtssystematische Unterscheidung zwischen öffentlichem und privatem Recht.[159] Schließlich und vor allem aber scheint der Sachsenspiegel dort, wo er der örtlichen Rechtsauffassung entgegenstand, keine, und zwar wirklich gar keine Rolle gespielt zu haben.[160] Was bleibt also? Man nahm sich für das eigene Stadtrecht heraus, was man für gut erachtete. Eine Stadt mit vortrefflichem Recht erfreute sich großen Ansehens. So war Lübecker Recht schon früh, namentlich seit dem 13. Jahrhundert im ganzen Ostseeraum angenommen und gültig.[161] Gerade dort hielten sich die Brakteaten recht ausdauernd.









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      --------------------------------------------------------------------------------

      [1]Walker, Karl. Das Geld in der Geschichte; Nürnberg 1959, Seite 93.

      [2]Schrötter, Friedrich Frhr. v. . Wörterbuch der Münzkunde; 2. unv. Aufl., Berlin

      1970, Seite 83.

      [3]Schrötter, Seite 604.

      [4]Schrötter, Seite 605.

      [5]Sarnowsky, Jürgen. Die wirtschafts- u. kulturgeschichtl. Bedeutung der

      Brakteaten; In: Der Herold, Berlin 1992, Band 13, Helft 10, Seite 257.

      [6]Schrötter, Seite 83.

      [7]Hauck, Karl. Missionsgeschichte in veränderter Sicht. Sakrale Zentren als

      methodischer Zugang (Zur Ikonologie der Goldbrakteaten, XXVII). Seite 3.

      IN: Institutionen, Kultur und Gesellschaft im Mittelalter: Festschrift f. Josef

      Fleckenstein. Göttingen 1984.

      [8]Hauck, Karl. Missionsgeschichte ... . Seite 11.

      [9]Hauck, Karl. Die Goldbrakteaten der Völkerwanderungszeit. 1,1 Einleitung. Seite 6.

      [10]Hauck, Karl. Missionsgeschichte ... . Seite 18.

      [11]Hauck, Karl. Die runenkundigen Erfinder von den Bildchiffren der

      Goldbrakteaten (Zur Ikonologie der Goldbrakteaten, LVII).

      IN : Frühmittelalterliche Studien, Band 32, Berlin 1998.

      [12]Hoops, Johannes. Reallexikon der germanischen Altertumskunde. Band 12,

      Berlin 1998, Seite 318.

      [13]Hoops, Johannes. Reallexikon ... . Seite 318.



      [14]Hauck, Karl. Die Goldbrakteaten der Völkerwanderungszeit. 1,1 Einleitung. Seite

      22.



      [15]Sarnowsky, Jürgen. Die wirtschafts- und kulturgeschichtliche Bedeutung der

      Brakteaten. IN: Der Herold, Band 13, Helft 10, Seite 257.

      [16]Suhle, Arthur. Deutsche Münz- und Geldgeschichte von den Anfängen bis zum

      15. Jahrhundert. Berlin 1964, Seite 86 - 87.

      [17]Suhle, Arthur. Die deutschen Münzen des Mittelalters. Berlin 1936, Seite 69.

      [18]Luschin von Ebengreuth, A.: Allgemeine Münzkunde und Geldgeschichte des

      Mittelalters und der Neueren Zeit. 3. unv. Nachdr. d. 2. Aufl., Berlin 1926, Seite 24

      [21]Sarnowsky, Jürgen. Die wirtschafts- u. kulturgesch. Bedeutung der Br. Seite 257.

      [22]Hauck, Karl. Mainz und Odense. Brakteaten als Devotionalien aus christlichen

      und heidnischen Zentren. IN: Münzen in Brauch und Aberglauben, Mainz 1982,

      Seiten 81 - 93.

      [23]Hauck, Karl. Missionsgeschichte...(Ikonologie der Goldbrakteaten XXVII). Seite 7.

      [24]Munksgaard, E.: Brakteaten. In: Hoops, Johannes. Reallexikon der Germanischen

      Altertumskunde. Berlin 1978, Band 3; Seite 339.

      [25]Sarnowsky, Jürgen. Die wirtschafts- u. kulturgeschichtliche Bedeutung der

      Brakteaten. In : Der Herold: Vierteljahresschrift für Heraldik, Genealogie und

      verwandte Wisschenschaften. Band 13; Heft 10. Ersch.: 1992

      [26]Sarnowsky, Jürgen. Seite 257.

      [27]Kunst und Kultur der Karolingerzeit. Karl der Große und Papst Leo III. in

      Paderborn. Paderborn 1999. Band 1 u. 2..

      [28]Kunst und Kultur der Karolingerzeit. Band 1, Seite 216-217. Katalognr.: IV.37.

      [29]siehe z. B. bei Karl Hauck. Katalog zur Ikonologie der Goldbrakteaten.

      [30]Kunst und Kultur der Karolingerzeit. Band 2. Seite 438. Katalognr.: VII. 5.

      [31]Jankuhn, Herbert. Frühmittelalterliche Seehandelsplätze im Nord- und

      Ostseeraum. In : Studien zu den Anfängen des europäischen Städtewesens.

      Reichenau-Vorträge 1955-1956. Konstanz 1958. Seite 451-498.

      [32]Jankuhn, Herbert. Frühmittelalterliche Seehandelsplätze ... . Seite 464 ff.

      [33]Jahnkuhn, Herbert. Seite 468. Anmerkung : Scaettas sind kleine, leichte

      Münzen, welche sowohl der flämische Maille alsauch der friesischen Schuppe

      ähnlich sind.



      [34]Jankuhn, Herbert. Frühmittelalterliche Seehandelsplätze ... . Seite 468.

      [35]Jankuhn, Herbert. Seite 470.

      [36]Jankuhn. Herbert. Seite 470.

      [37]Price, Martin Jessop. Die Münzen der Welt. Abbildung Nr. 567, Seite 126.

      [38]Grierson, Philip. Münzen des Mittelalters. München 1976. Seite 31.

      [39]Walker, Karl. Das Geld in der Geschichte. Nürnberg 1959. Seite 29.

      [40]Walker, Karl. Seite 29.

      [41]Scheel, Otto. Die Wikinger - Aufbruch des Nordens. Stuttgart 1938. Seite 126.

      [42]Scheel, Otto. Abb. Nr. 5, Seite 126.

      [43]Scheel, Otto. Abb. Nr. 1, Seite 126.

      [44]Scheel, Otto. Abb. Nr. 2. Seite 126.

      [45]Scheel, Otto. Seite 239.

      [46]Scheel, Otto. Abb. Nr. 9. Seite 239.

      [47]Scheel, Otto. Abb. Nr. 11. Seite 239.

      [48]Ebenda.

      [49]Hauberg, Peter Christian. Myntforhold og Udmyntninger i Danmark indtil 1146.

      Kjobenhavn 1900.

      [50]Hauberg, Peter Christian. Seite 1 - 23.

      [51]Hauberg, Peter Christian. Seite 1 - 23.

      Weitere Anmerkungen dazu bei: Peter Berghaus. Geld. In : Hoops, Johannes.

      Reallexikon der Germanischen Altertumskunde. Berlin 1998; Band 10, Seite 630.



      [52]Hauberg, Peter Christian. Seite 1 - 23.

      [53]Grierson, Philip. Münzen des Mittelalters. München 1976. Seite 80 - 81.

      [54]Grierson, Philip. Abb. 111. Seite 80 - 81.

      [55]Holst, Hans. Kulturhistorisk lexikon för nordisk medeltid : fran vikingstid

      till reformati. Artikel: Brakteat. Seite 198. Ersch.: 1957.

      [56]Rasmusson, Nils Ludvig. Handlingar antikvariska Serien. Stockholm 1961.

      [57]Malmer, Brita. A contribution to the numismatic History of Norway during

      the eleventh Century. Seite 227 - 375. In : Handlingar antikvariska Serien.

      [58]Malmer, Brita. Seite 347.

      [59]Malmer, Brita. Seite 357.

      [60]Malmer, Brita. Seite 256.

      [61]Malmer, Brita. Seite 256.

      [62]zur Datierung der Fu
      Avatar
      schrieb am 08.03.03 19:49:03
      Beitrag Nr. 21 ()
      hr. p.c. martin schreibt auch seit über 20 jahren das selbe.
      Avatar
      schrieb am 08.03.03 20:08:11
      Beitrag Nr. 22 ()
      Und?


      was ist dabei, wir haben ja auch noch immer die gleiche Geißel...



      Ein Kapitel aus:
      Karl Walker: Das Geld in der Geschichte
      Rudolf Zitzmann Verlag; Lauf bei Nürnberg; 1959

      --------------------------------------------------------------------------------

      MITTELALTERLICHE WIRTSCHAFTSBLÜTE
      Obwohl die Wirtschaft des hohen Mittelalters
      neben Viehzucht und Ackerbau nur die hand-
      werkliche Erzeugung von Gütern kannte, kann
      man mit Fug und Recht von einer über Jahr-
      hunderte anhaltenden Wirtschaftsblüte sprechen,
      neben der sich die Konjunkturen der Neuzeit -
      was ihre Dauer und Verläßlichkeit anbelangt -
      doch ziemlich kläglich ausnehmen.
      In diese Zeit fiel die Entstehung der deutschen
      Stadt, des deutschen Bürgertums, der Hand-
      werkszünfte und Kaufmannsgenossenschaften.
      Hatten die Klöster handwerkliche Künste und
      Fertigkeiten gelehrt, so kam es nun darauf an,
      sie nutzbar zu machen; hatte der Kaiser, der
      Bischof, der Landesherr Geld ausgegeben, dem
      Handel und Wandel zu dienen, so mußte man
      sich regen, zum Markte ziehen, um zu sehen,
      was man erwerben konnte.

      Städte entstanden um die Sitze von geistlichen
      und weltlichen Grundherren, wie Burgen im
      ebenen Land, mit schützenden Mauern umzogen.
      Und der Landesherr gab dem Flecken das Markt-
      recht. Der Mann, der im Schutze der Stadtmauer
      lebte, fühlte sich wie ein Bewohner der Burg als
      "Bürger". Der Markt zog Fremde heran und
      Bewohner des Landes, die ihre Produkte zum
      Verkauf brachten und städtische Gewerbeer-
      zeugnisse einhandelten. So hatte der Bürger, der
      ein Handwerk ausübte, bald seinen laufenden
      Absatz und konnte sich sagen: "Handwerk hat
      einen goldenen Boden." - Kein Wunder, daß der
      Zustrom vom Lande zur Stadt ständig zunahm
      und dort Haus an Haus sich drängte, bis die
      Mauer gesprengt und die Stadt erweitert wer-
      den mußte.

      Die Stadt bot neben wirtschaftlichen Vortei-
      len auch noch die persönliche Freiheit, während
      der Bewohner des Landes als Unfreier seinem
      Grundherrn außer zu Zehnt-Abgaben auch noch
      zu Dienstleistungen verpflichtet war. Ein Jahr
      in der Stadt zu leben, machte ihn nach dem
      Recht der Stadt zu einem freien Bürger, gleich-
      gültig, woher er kam und was er vorher gewe-
      sen war. Aber persönliche Freiheit der schaffen-
      den Menschen gehört ja mit zur Entfaltung
      wirtschaftlicher Blüte. Lebendige Tatkraft, Schaf-
      fen und Wagen, Erfinden und Verbessern ist
      immer nur möglich, wenn sich alle Kräfte regen
      können, durch sinnvolle Auswirkungen geför-
      dert und bestätigt. Darin liegt alles, was zur
      Wirtschaftsblüte gehört, denn Arbeitswille, Er-
      findungsgabe, Tüchtigkeit, Hunger und Liebe
      sind allezeit da.

      Dieser sinnvolle Ablauf für die gesamte pro-
      duktive Tätigkeit aller Stände lag also in dieser
      Epoche des Mittelalters in einer zunehmenden
      Nachfrage nach allen Erzeugnissen des Gewerbe-
      fleißes; und diese zunehmende Nachfrage wurde
      verkörpert von klingenden Münzen, die nir-
      gends zum Rasten kamen, in keinem heimlichen
      Hort verschwanden, sondern heute beim Schuh-
      macher, morgen beim Gewandschneider und
      übermorgen beim Pfannenschmied Absatz schaff-
      ten.

      Hier, in der werdenden und wachsenden Stadt
      offenbarte sich am klarsten und eindrucksvoll-
      sten, daß Arbeitsteilung und Leistungsaustausch
      einem jeden die Gewähr der Geborgenheit zu
      geben vermögen. Lebenssicherheit vermittelt
      Freude am Schaffen und emsiger Fleiß durch-
      pulst das Leben der Gemeinschaft. Aus hand-
      werklichen Fertigkeiten entwickeln sich Künste;
      aus schlichten und einfachen Erzeugnissen und
      Geräten des täglichen Gebrauchs wurden all-
      mählich gediegene Produkte und Handelswaren,
      die ihren Weg ins Land hinaus und nach ande-
      ren Städten fanden. -

      Die wichtigsten Tage des Güterumsatzes wa-
      ren die Tage des Marktes. Oft wurde der Markt
      auch im Anschluß an kirchliche Feiern abgehal-
      ten, da zu diesem Anlaß ohnehin viel Volk in
      die Stadt strömte. Zur Messe zu gehen, war
      gleichbedeutend mit einer Fahrt zum Markte;
      so wurden bedeutende Märkte im Laufe der Zeit
      zu "Messen", auf denen neben heimischen Er-
      zeugnissen auch seltene Waren aus fernen Län-
      dern und Städten feilgeboten wurden. -

      Machtvoll regte sich das Leben in Augsburg,
      Nürnberg, Wien, Regensburg, in den Städten an
      den natürlichen Handelsstraßen der Flußläufe
      und Gebirgstäler; Frankfurt - in der bevorzug-
      ten Rhein-Main-Lage - bekam den Ruf eines
      "Oberhauptes aller Messen der Welt", denn so-
      viel Sterne der Himmel zähle, so vielerlei Han-
      delszweige und Warenarten biete der Frankfur-
      ter Markt. Aber mögen auch einzelne Städte
      einen besonders glänzenden Aufstieg genommen
      haben, so waren dies doch keine Ausnahmen,
      sondern nur Höhepunkte einer allgemeinen Ent-
      wicklung. Diese Zeit des hohen Mittelalters hat
      allgemein mit der Entwicklung der Stadt ein
      geschichtlich bedeutungsvolles Gebilde des sozia-
      len Lebens hervorgebracht. Die mittelalterliche
      Stadt ist die ureigene Schöpfung des Bürgers.
      Sie ist anders als die Städte der Griechen und
      Römer. Dort Tempel und Paläste als Schöpfun-
      gen der Mächtigen und Reichen neben oftmals
      dürftigen Unterkünften, Hütten und Höhlen
      für das niedere Volk. Hier aber - wohl auch um
      den Herrensitz, um die Pfalz des Kaisers oder
      die Residenz des Bischofs herum - Bürgerhäuser,
      ursprünglich schlicht und einfach, doch mit wach-
      sendem Wohlstand geräumiger, wohnlicher und
      schöner werdend. So mag der Ruhm Griechen-
      lands und Roms von seinen Tempeln und Pa-
      lästen ausstrahlend in die Welt getragen worden
      sein; Ansehen, Reiz und Geltung der mittelalter-
      lichen deutschen Städte hatten ein anderes Fun-
      dament. Was den Besucher dieser Städte mit Be-
      wunderung und Entzücken erfüllte, war die in
      absichtslosem Wachsen und Werden der dichtge-
      drängten Ansiedlung zustandegekommene na-
      türliche Harmonie. Und diese wiederum war ja
      nur das sichtbare Ergebnis eines sozialen Zustan-
      des, einer inneren Ordnung der Stadtgemein-
      schaft, wie sie sich im Zusammenleben freier
      Menschen, in ihren städtischen Gliederungen
      und ihrer auf gegenseitige Rücksichtnahme aus-
      gerichteten Selbstverwaltung entwickelte. Auch
      das letztgenannte ist nicht unwesentlich - irgend-
      wo bei Oskar Spengler findet sich der Hinweis
      darauf, daß kein mittelalterliches Stadtbild die
      beleidigende Front einer kahlen Brandmauer
      zeigt, die unsere modernen Städte überall auf-
      weisen. - Noch war die Gemeinschaft echt und
      lebendig, noch waren die sozialen Unterschiede
      nicht gemeinschaftszerstörend, denn sie waren -
      zumindest unter der Einwohnerschaft der Stadt-
      bürger - doch wesentlich durch echte Leistungs-
      unterschiede bedingt und darum naturgemäß
      von größerer Ausgeglichenheit und weniger einer
      zersetzenden sozialen Unzufriedenheit ausge-
      setzt.

      Dabei war die Brakteaten-Prägung, wie schon
      im vorhergehenden Kapitel ausgeführt, im We-
      sten wenig verbreitet. Daß Kaiser Heinrich VI.
      in Frankfurt Brakteaten schlagen konnte, war
      schon fast eine Ausnahme. In Köln hat Erzbi-
      schof Philipp dem Kaiser anno 1190 das feier-
      liche Versprechen abgenommen, die Münz-
      rechte des Kirchenfürsten zu respektieren und
      innerhalb der Kölner Diözese nur in Dortmund
      und Duisburg prägen zu lassen. In Köln waren
      die bischöflichen Pfennige zweiseitig geprägt,
      im Silbergehalt und Gewicht gleich den alten
      karolingischen Pfennigen. Daß dessen ungeach-
      tet die allgemeine Wirtschaftsblüte des Mittel-
      alters, die wir uns hier aus der Brakteaten-Geld-
      wirtschaft zu erklären versuchen, sich auch am
      Rhein, in Flandern und Burgund entfalten
      konnte, dürfte seinen Grund, wie ebenfalls
      schon gesagt, in der Hauptsache darin haben,
      daß die einfache Münzerneuerung beim Herr-
      schaftswechsel im Westen ausreichend darauf
      hinwirkte, das Geld in der werteschaffenden
      Zirkulation zu halten. - Und wo sollte nun
      diese durch beständige Arbeit zustandegekom-
      mene Wertschöpfung in Erscheinung treten,
      wenn nicht an den bevorzugten Plätzen, an de-
      nen sich das Gewerbe gegenseitig förderte und
      an denen die reisenden Kaufleute sich trafen? -
      Das waren die mittelalterlichen Städte.

      Als das Ideal einer schönen Stadt wurde sehr
      früh schon Nürnberg angesehen. Italienische
      Schriftsteller der damaligen Zeit glaubten, nie
      eine schönere Stadt als Köln gesehen zu haben;
      ebenso wurden Mainz, Worms, Speyer, Trier,
      Straßburg, Basel, Aachen und andere Städte ge-
      rühmt. Montaigne gab noch im 16. Jahrhundert
      Augsburg den Vorzug vor Paris.

      Wie großartig die Wirtschaftsblüte dieser Jahr-
      hunderte gewesen sein muß, kann man vielleicht
      am besten daran ermessen, daß die Gründung
      von Städten erst mit dem 12. Jahrhundert - mit
      dem Beginn der Brakteatengeldwirtschaft, d. h.
      mit dem Beginn der dadurch verursachten Kon-
      junkturperiode - richtig eingesetzt hat. Und der
      riesenhafte Aufwand, den diese Leistung beding-
      te, kam fast spielend aus vorhandener Schaffens-
      kraft und Regsamkeit. Nichts davon, daß unter
      Opfern und Verzicht des breiten Landes einige
      wenige Plätze glanzvolle Städte erstehen sehen
      durften; die neuen Städte entstanden überall im
      deutschen Lande, 2000 bis 3000 an der Zahl!

      Von dieser großen Zahl der Städte waren
      freilich 90 Prozent Kleinstädte mit weniger als
      1000 Einwohnern; dennoch waren es Städte,
      denn das Wesen der Sache liegt nicht in der Zahl
      und der Masse, sondern im Geist, der das Ge-
      bilde prägt. Wir können noch heute Orte an-
      treffen, die ehemals freie Reichsstädte waren,
      dann aber, abseits der Heerstraßen moderner
      Entwicklung im Dornröschen-Schluf versunken,
      bei 2000 bis 3000 Seelen stehen blieben; und wir
      werden doch bei jedem Schritt, den wir tun, füh-
      len, daß wir auf dem Boden einer Stadt stehen -
      während vielleicht eine Industrie-Ansiedlung
      von zehnfacher Kopfzahl dieses Gefühl nicht
      gibt.

      Große Städte mit mehr als 1000 Einwohnern
      gab es nur etwa fünfzehn an der Zahl. Köln
      hatte etwa 30 000 Einwohner, Lübeck zählte im
      14. Jahrhundert 25 000 Einwohner, Augsburg
      und Nürnberg hatten nach Adolf Damaschke
      im 15. Jahrhundert noch nicht mehr als 18 000
      bis 20 000 Einwohner, Frankfurt a. Main 9000,
      Mainz 6000; diese Einwohnerzahlen müssen wir
      auch im Auge behalten, wenn wir die erstaun-
      lichen Bauleistungen der Gotik betrachten, für
      deren Finanzierung wir uns eigentlich eine brei-
      tere Basis vorgestellt hatten. -

      Um aber hier noch eine Schilderung zeitge-
      nössischer Berichterstatter anzuführen, sei beson-
      ders darauf verwiesen, was Kardinal Silvio de
      Piccolomini, der spätere Papst Pius II. vom
      wirtschaftlichen Wahlstand, vom Leben und
      Treiben Wiens erzählte und was Bonifini, der
      die Stadt um 1490 besucht hatte, enthusiastisch
      bestätigt:

      "Wie ein Palast liegt die eigentliche Stadt in-
      mitten ihrer Vorstädte, deren mehrere an Schön-
      heit und Größe mit ihr wetteifern. Jede Woh-
      nung hat ihr Sehenswertes, ihr Denkwürdiges.
      Fast jedes Haus hat seinen Hinterhof und seinen
      Vorhof, weite Säle, aber auch gute Winterstu-
      ben. Die Gastzimmer sind gar schön getäfelt,
      herrlich eingerichtet und haben Öfen. In alle
      Fenster sind Gläser eingelassen, viele sehr schön
      bemalt, durch Eisenstäbe gegen Diebe geschützt.
      Unter der Erde sind weite Weinkeller und Ge-
      wölbe. Diese sind den Apotheken, Warennieder-
      lagen, Kramläden und Mietwohnungen für
      Fremde und Einheimische gewidmet. In den
      Sälen und Sommerstuben hält man so viele
      Vögel, daß der, der durch die Straße geht, wohl
      wähnen möchte, er sei inmitten eines grünen,
      luftigen Waldes. Auf den Gassen und Markt-
      plätzen wogt das lebendigste Treiben. Vor dem
      letzten Krieg wurden ohne Kinder und erwach-
      sene Jugend 50 000 Seelen und 7000 Studenten
      gezählt. Ungeheuer ist der Zusammenfluß der
      Kaufleute, und so wird hier massenhaft viel Geld
      verdient. . . Wiens ganzes Gebiet ist nur ein
      großer herrlicher Garten mit schönen Rebhügeln
      und Obstgärten bekrönt, mit den lieblichsten
      Landhäusern geschmückt." (s. Joh. Scherr "Deut-
      sche Kultur- und Sittengeschichte" S. 231).

      Vergessen wir nicht, solche Schilderungen be-
      treffen - nochmals gesagt - nicht die Ausnahmen,
      sondern nur die Höhepunkte eines allgemeinen
      Zustandes. Und wenn es auch eine enthusiastisch-
      liebenswürdige Übertreibung gewesen sein mag,
      als Silvio Piccolomini ausrief: "Wo ist ein deut-
      sches Gasthaus, wo man nicht von Silber äße?
      - Wo ist eine nichtadlige, sondern bürgerliche
      Frau, die nicht von Gold schimmert?" - so gibt
      es doch der Zeugnisse eines erstaunlichen Wohl-
      standes noch viele.

      Wir brauchen uns nur zwischen den Giebeln
      unserer Altstädte umzusehen, wo diese Zeugen
      der Vergangenheit noch stehen, oder mit offenen
      Augen durch Orte wie Nördlingen, Rothenburg
      ob der Tauber, Hildesheim, Marburg, Milten-
      berg und Dinkelsbühl zu wandern, um zu be-
      greifen, was der Chronist von Dinkelsbühl zum
      Schluß seiner Aufzeichnungen mit ehrlichem
      Stolz erklären konnte: "Ich glaube, den Beweis
      erbracht zu haben, daß in diesem Gemeinwesen
      sowie in den 60 anderen deutschen Reichsstädten
      . . . einmal wenigstens ein Optimum der Mensch-
      heit erreicht worden ist." -

      Avatar
      schrieb am 08.03.03 20:09:19
      Beitrag Nr. 23 ()
      Skandal! Die Steuern werden auf den "10ten" erhöht. Ich zahl heute den 50ten, werde von der Beamtengilde belästigt und behindert, zahle an Einrichtungen jedweder Coleure ohne Gegenleistungen (GEZ, IHK, BG etc.), werde bei einer Scheidung zum Frohndienstleister und bin Angehöriger eines Stammes der auf Grund von Verfehlungen der Vorfahren, dauerhaft zu Zwangsabgaben verpflichtet ist.
      Avatar
      schrieb am 08.03.03 20:15:17
      Beitrag Nr. 24 ()
      hossinger :D


      so siehts aus- und das entscheidene hast noch vergessen:

      In jedem Preis den wir zahlen subventionieren wir einige wenige Prozent der Bevölkerung.



      Ein Kapitel aus:
      Karl Walker: Das Geld in der Geschichte
      Rudolf Zitzmann Verlag; Lauf bei Nürnberg; 1959

      --------------------------------------------------------------------------------

      UNVERGÄNGLICHE KULTURSCHÖPFUNGEN
      Nach einem guten und verläßlichen Grund-
      satz beurteilt man den Wert einer Epoche an
      ihren Kulturschöpfungen, vornehmlich an ihrer
      Architektur. Daran läßt sich ein untrügliches
      Urteil bilden; da gibt es keine Täuschung. Von
      den innersten Dingen der geistigen Haltung
      über den Leistungsgrad handwerklicher und
      künstlerischer Fertigkeiten bis zum wirtschaft-
      lichen und volkswirtschaftlichen Aufbringungs-
      vermögen ist alles Wissenswerte aus den Bau-
      denkmälern einer Zeit zu erkennen.
      Nun gibt es zwar geschichtsphilosophische Be-
      trachtungen, wonach bedeutende Kulturschöp-
      fungen nur auf dem Fundament von Sklaverei
      und Ausbeutung möglich seien, was man gerne
      an den Kulturen des Altertums an Tempel- und
      Pyramiden-Bauten beweist. Wir werden indes-
      sen bald sehen, daß die Kultur des gotischen
      Mittelalters diese Auffassung Lügen straft. Man
      kann mit der Zusammenballung von Sklaven-
      arbeit unbestritten Überdimensionales schaffen;
      aber die Zeit der Gotik hat ihre Schöpfungen in
      Freiheit, ohne Zwang, aus dem Reichtum über-
      schäumender Leistungsfähigkeit und unerschöpf-
      lichen Opferwillens der Menschen zustandege-
      bracht. Und dieser Opferwille war keinesfalls
      die Kehrseite von Darben und Hungern um
      eines idealen gottgefälligen Werkes willen, son-
      dern er kam - jahrhundertelang - aus der Quelle
      echten Überflusses. -

      So selbstverständlich es sein mag, daß die Ge-
      staltungen der Kultur an geistige Vorbedingun-
      gen geknüpft sind, so selbstverständlich ist es
      auch, daß die wirtschaftlichen Vorbedingungen
      das Fundament darstellen, ohne das die herr-
      lichsten Ideen niemals Form gewinnen, sondern
      nur kläglich im luftleeren Raum verkümmern
      können. Dennoch werden die Ideen stets das
      Wesentliche sein, denn der Stoff wird vom Geist
      geformt.

      Für die Kulturschöpfungen der in Rede ste-
      henden Jahrhunderte ist wesentlich bestimmend,
      daß sie im Boden des Christentums wurzelten.
      Das ganze Mittelalter war ausgefüllt von der
      Ausbreitung der christlichen Lehre und es ist
      wohl kaum zuviel gesagt, wenn wir heute fest-
      stellen, daß die Epoche der Gotik vielleicht die
      höchste Entfaltung und schönste Blüte des Chri-
      stentums darstellte, die jemals erreicht worden
      ist, die aber im Bewußtsein der nachfolgenden
      Zeit unterging, durch das, was ihr unmittelbar
      folgte. Entartung, Verfall, Erstarrung und
      Machtwille, Aufstand von Reformen bis zum
      endlichen Ausbruch offener Religionskriege ha-
      ben geschichtlich den stärkeren Eindruck hinter-
      lassen. Nur wenn wir über diese Schuttberge
      hinwegsehen und festzustellen vermögen, was
      an Lauterkeit, Echtheit und gestaltender Kraft
      dahinter lag und einstmals wirksam war, wer-
      den wir begreifen, welche überragende Bedeu-
      tung dem Christentum zukommt, - ganz unab-
      hängig davon, wie sich Religion im allgemeinen
      und Christentum im besonderen vor dem Forum
      unseres hochmütigen wissenschaftlich-materiali-
      stisch wägenden und messenden Verstandes recht-
      fertigen lassen.

      Die gewaltige geschichtsbildende Wirkung
      ging einfach von der Tatsache aus, daß der
      Glaube an eine Gotteskindschaft der Menschen
      für die soziale Entwicklung von unabsehbarer
      Tragweite war. Die Lehre des Christentums fiel
      zuerst in die Herzen der Armen, der Entrechte-
      ten, der Sklaven und Hörigen und gab ihnen
      das Gefühl der bis dahin vorenthaltenen Men-
      schenwürde. Hierauf basieren Menschenrechte
      und persönliche Freiheit, Achtung des Nächsten,
      Sitte und Ordnung, je mehr sich diese Grundan-
      schauung in den Menschen festigte. Sobald aber
      der Mensch sich in Freiheit bewegen, in Sitte und
      Ordnung schaffen und gestalten kann, was in
      seinen Fähigkeiten liegt, wird ein unabsehbares
      Feld von Möglichkeiten erschlossen. So hat, von
      dieser Seite her gesehen, der Siegeslauf des Chri-
      stentums seine geschichtliche Bedeutung für die
      Entwicklung der Welt bekommen. In der Denk-
      weise und Ausdrucksweise der Politik bedeutete
      das Christentum die größte und erfolgreichste
      Revolution! - Man denke doch nur: die Lehre,
      die den Armen und Entrechteten gepredigt wor-
      den war und die diesen Menschen ewige unver-
      äußerliche Rechte zubilligte, hat auch die mäch-
      tigen und natürlichen Feinde solcher Ideen und
      Vorstellungen, die Reichen und Mächtigen in die
      Knie gezwungen und sich von Jahrhundert zu
      Jahrhundert mehr durchgesetzt. Darin liegt der
      entscheidende und doch unblutige Sieg - als die
      christliche Kirche schließlich Schwert und Feuer
      zu Hilfe nahm, um sich weiter durchzusetzen
      und die eigene Macht zu mehren, war dies ja
      ihre Sünde wider den Geist Christi und der Be-
      ginn ihres Zerfalls. -

      Immerhin bleibt aber doch, daß die Lehre des
      Christentums die größte soziale Bewegung der
      abendländischen Welt auslöste. Es gibt keine
      andere Revolutionsidee, die dasselbe vermocht
      hätte. Die größte soziale Heilslehre der moder-
      nen Welt, der Marxismus, hat schließlich inner-
      halb eines einzigen halben Menschenalters aus
      sich selbst heraus die neuen Unterdrücker ent-
      stehen lassen, nachdem die früheren nicht be-
      kehrt, sondern nur einfach liquidiert worden
      waren.

      Derartige Betrachtungen mögen hier vielleicht
      nur am Rande von Bedeutung sein. Dennoch
      sollten sie nicht ganz übersehen werden, weil die
      großartige Kulturblüte der Gotik - wenn sie
      auch stofflich-materiell aus dem realen Leistungs-
      vermögen einer dreihundertjährigen Wirtschafts-
      blüte hervorging - nur aus dem Christentum
      heraus verstanden werden kann. Hier müssen
      die Maßstäbe rationalistischen Denkens versa-
      gen; und im übrigen haben schließlich alle Völ-
      ker zu allen Zeiten ihre herrlichsten Bauten dem
      Kult gewidmet.

      Die Entwicklung der Gotik fällt also unzwei-
      felhaft in die Periode der dreihundertjährigen
      mittelalterlichen Hochkonjunktur, die wir uns
      ohne Brakteaten-Zirkulation und ohne "Reno-
      vatio monetarum" gar nicht vorstellen können.
      In Übereinstimmung damit sind gotische Bauten
      im gesamten Bereich dieser erstaunlichen Wirt-
      schaftsblüte anzutreffen und in Übereinstim-
      mung damit sind auch viele Bauwerke dieser
      Epoche, die nicht bis zum Ende des 15. Jahr-
      hunderts fertig geworden waren, nie mehr im
      ursprünglichen Entwurf vollendet worden. Fer-
      ner ist es in kunstgeschichtlicher Betrachtung auf-
      fallend und bestätigt ebenfalls den genannten
      Zusammenhang, daß es von keiner Stil-Epoche
      eine so erstaunliche Fülle von Baudenkmälern
      gibt wie von dieser Zeit der Gotik. Kein Zwei-
      fel, diese drei Jahrhunderte des ausgehenden Mit-
      telalters haben den größten Aufwand für kultu-
      relle Leistungen erbracht, den die Menschheit je-
      mals für solche Werke einsetzte; ein schöner Be-
      weis dafür, daß wirtschaftliches Wohlergehen
      nicht immer nur zum flachen Lebensgenuß und
      geistiger Verarmung, sondern auch zu echten
      Höhen führen kann. Die Gotik hatte aber auch,
      was ihre Auftraggeber und Ideenträger betrifft,
      in Bürgertum, Adel und Geistlichkeit die breite-
      ste Basis, die wir uns denken können, während
      die nachfolgenden Stilepochen der Renaissance,
      des Barock und gar des Rokoko auf fortschrei-
      tend dünner werdende Oberschichten der Macht
      und des zusammengeballten Reichtums angewie-
      sen waren.

      Die ersten Beispiele gotischer Baukunst finden
      wir in Nordfrankreich. Notre-Dame, Paris; die
      Kathedralen von Reims, von Chartres, von Ami-
      ens, von Rouen, Le Mans, Abbeville und ande-
      ren Orten sind hier zu nennen. Von Frankreich
      aus verbreitete sich der neue Baustil über ganz
      Nord- und Mittel-Europa, auch über England,
      wo Canterbury, Oxford, Gloucester und andere
      Städte wundervolle Zeugnisse dieser Baukunst
      aufweisen.

      Ihre eigentliche Entfaltung und tiefste Wir-
      kung - bis in den Profanbau hinein - hat die
      Gotik aber doch in Deutschland gefunden. Dar-
      um war auch die Bezeichnung "gotisch" ur-
      sprünglich als Schimpf geprägt; mit dieser Kenn-
      zeichnung wollten die Italiener als die Erben
      älterer römisch-griechischer Kultur den neuen
      Stil als das Werk der Goten, der Barbaren, ver-
      ächtlich machen.

      Noch Goethe glaubte auf Grund dieser zu
      seiner Zeit noch weit verbreiteten Urteile im
      Straßburger Münster ein "mißgeformtes kraus-
      borstiges Ungeheuer" vorzufinden und war von
      der Wirklichkeit des Bauwerkes aufs äußerste
      überrascht; sein 1771 geschriebener Aufsatz "Von
      deutscher Baukunst" gibt hiervon Kunde. (s.
      Hans Jantzen: Kunst der Gotik, Rowohlt Ham-
      burg, S. 157/58)

      Der Sinn des Begriffes "Gotik" hat sich also
      später gewandelt, doch blieb das eigentliche
      Grundgefühl der Gotik, diese wahrhafte In-
      brunst des Aufwärtsstrebens, dem Süden fremd.
      Dem deutschen Empfinden dagegen war dieses
      Grundgefühl etwas geistig Verwandtes, unbe-
      schadet seiner Herkunft aus Frankreich. Im üb-
      rigen waren um diese Zeiten die Unterschiede
      im Naturell der Menschen diesseits und jenseits
      des Rheins noch kein Faktor von Bedeutung,-
      lag doch die Teilung des karolingischen Reiches,
      durch welche "Westfranken" zu Frankreich wur-
      de, erst 300 Jahre zurück. Und so war der neue
      Stil dem Deutschen nichts Artfremdes, ja, er
      wurde sehr rasch erfaßt und zu einem durchaus
      eigenen Ausdruck seiner besten Seelenkräfte ent-
      wickelt, das Empfinden ergreifend, revolutionie-
      rend, Mauern brechend, innig und wahrhaft, da-
      bei doch überschäumend und kühn, - "barba-
      risch" - "gotisch".

      Wie die Urchristen einstmals ihre Gottes-
      dienste in den Gewölben der Katakomben ab-
      hielten, so haben auch die Christen der späteren
      Zeit, als sie ihre Religion frei ausüben durften,
      jahrhundertelang ihre Gotteshäuser als erdver-
      haftete Kultstätten über die Gemeinde gewölbt.
      Gott mußte immer noch zur Erde niedersteigen,
      wo ihm der Mensch im geschlossenen Raum sei-
      ner Kirche Ehre darbrachte. Doch außerhalb der
      Kirche stand der Mensch im Diesseits, in einer
      Welt, die noch von anderen Kräften und Mäch-
      ten bewegt wurde, so daß keinesfalls der helle
      Tag seines ganzen Daseins dem Christentum ge-
      hörte. Diesem Zustand der Zeit entsprach in der
      Kunst des Kirchenbaues noch bis zum 12. Jahr-
      hundert der romanische Stil. Und wenn wir uns
      erinnern, daß der romanische achteckige Kup-
      pelbau der Palastkapelle in der Kaiser-Residenz
      Aachen zu den ersten Bauwerken Karls des Gro-
      ßen gehörte, so haben wir gerade hier die be-
      deutendste Gestalt unserer deutschen Geschichte
      vor uns, die noch in beiden Welten lebte; ein-
      mal in der Welt der christlichen Kirche, in der
      mit Duldsamkeit und Nächstenliebe auch Har-
      monie ins Diesseits getragen werden sollte; dann
      aber wieder in der Welt des germanischen Für-
      sten, der um politischer Ziele willen von grau-
      samer Härte gegen Widersacher und Anders-
      denkende sein konnte.

      Mit dem vollen geistigen Sieg des Christen-
      tums erst kam ein Neues. Jetzt hatte die Lehre
      des Christentums die Menschen von innen her
      ergriffen, ihre Sehnsucht zum Himmel und ihr
      ganzes Leben in diesen rauschhaften Sog zur
      Höhe hineingezogen. Gottesdienst, Kirchenbau,
      Wallfahrten und Ordensdienst fanden hinge-
      bende Bereitschaft. Es ist oft gesagt worden, daß
      dies alles nur aus Weltverachtung und Diesseits-
      feindlichkeit - von den Priestern gepredigt - zu-
      standegekommen sei. In Wirklichkeit ist aber
      niemals Religiosität und Gläubigkeit in so selbst-
      verständlich-natürlicher Weise mit kraftstrot-
      zender Diesseitigkeit und heiterem Lebensgenuß
      verbunden gewesen wie in dieser Zeit! - Soweit
      das Christentum Besserung, Erhebung und
      Freude im Diesseits gewähren und dulden konnte,
      ist es in diesen Jahrhunderten wirklich gesche-
      hen.

      Die Menschen der Gotik wollten ihre Gottes-
      häuser nahe bei sich haben. Nur schmale Gassen
      sind es mitunter, die den Dom vom Gedränge
      der Bürgerhäuser trennen; und wenn noch ein
      Platz davor blieb, so war es der Marktplatz.
      Der Bau selbst wird mit heiligem Eifer betrie-
      ben. Generationen werden nicht müde, mitzu-
      wirken, beizusteuern, Arbeit und Geld zu op-
      fern. Die Städte überbieten sich in der Groß-
      artigkeit ihres Aufwandes; die Kathedrale ist
      der sichtbare Ausdruck für die Größe und den
      Ruhm der Stadt. Reiche Bürger, Patrizier, Kauf-
      herren, Gilden und Zünfte leisten Karrendienste
      und machen Stiftungen. Kostenfragen sind von
      völlig untergeordneter Bedeutung, ist doch der
      ganze Bau nichts anderes als Gottesdienst. Dem
      modernen, rationalistisch-kaufmännischen Den-
      ken mögen die Hunderte von Türmchen, die die
      Wimperge zieren und die Strebepfeiler und die
      kleinen steinernen Blattbüschel die "Krabben",
      die überall herausblühen, oder gar die Figuren
      von Mensch und Tier, die an Fassaden, auf Dä-
      chern und Gesimsen zu sehen sind, als tollste
      Verschwendung erscheinen. Denn in der Tat
      wurden, wie Max Deri in seinem Werk "Die
      Stilarten" schreibt, "Tausende der Schmuckfor-
      men der gotischen Dome niemals von einem an-
      deren Auge als dem des Bildners erblickt - und
      wurden dennoch gebildet." -

      Zu verstehen ist das nur aus der Innigkeit
      und Intensität des religiösen Gefühls, das, wie
      der Verfasser sagt, - "so sehr allein dem Him-
      mel zugewendet war, daß man für ihn und nur
      für ihn die Form erstellte" (s.a.a.O. S.103/104).

      In dieser Gläubigkeit wurde auch jede Arbeit
      handwerksgerecht ehrlich und gewissenhaft aus-
      geführt. Können wir den Abstand von der Den-
      kungsart jener Zeit bis zur heutigen nüchternen,
      entseelten Arbeitsweise noch ermessen, wenn wir
      mit Verwunderung wahrnehmen, wie der Krab-
      benschmuck der Wimperge in der Richtung von
      Osten nach Westen das Erblühen einer Rose von
      der Knospe bis zur vollentfalteten Blüte dar-
      stellt? - so zu sehen an der Katharinenkirche zu
      Oppenheim.

      Doch das Wesentliche der Gotik bestand ja
      nicht eigentlich in diesem verschwenderischen
      Reichtum von Skulpturen und Filigranwerk; das
      Wesentliche bestand vielmehr in den konstruk-
      tiven Lösungen des neuen Bauprinzips.

      Der Baukörper bestand nicht mehr aus wuch-
      tenden Mauermassen, die mit ihrer Kraft das
      Gefüge tragen. Die Gotik hat vielmehr den Bau
      zerlegt, einerseits in seine statisch tätigen, tra-
      genden und andererseits raumbildenden oder
      abschließenden Elemente. So wurde der Bau wie
      ein organisch gewachsenes Gebilde, das wie ein
      Blatt zwischen der feingliedrigen Konstruktion
      seiner festen Rippen Haut und Fleisch trägt.
      Riesige Flächen brauchten nicht mehr tragende
      Mauern zu sein, sondern bedurften nur noch
      eines optischen Abschlusses zur Bildung und
      Schließung des Raumes. Hier setzten die Bau-
      meister der Gotik das Filigranwerk ihrer herr-
      lichen Fenster ein und das farbige Mosaik der
      Verglasung bildete einen durchsichtig leuchten-
      den gläsernen Teppich, der die profane Außen-
      welt, die Atmosphäre der nahen Gassen und des
      geschäftigen Marktes nicht in das Heiligtum ein-
      dringen ließ.

      Mit welcher Anteilnahme am Werk die Bür-
      gerschaft der mittelalterlichen Stadt bei der
      Sache war, geht besonders daraus hervor, daß
      die Fenster der Dombauten von reichen Bürgern,
      Patriziern, Gilden und Zünften als Ganzes ge-
      stiftet wurden, nicht etwa nur hier und dort ein-
      mal, sondern geradezu als Regel im ganzen wei-
      ten Raum der Christenheit. Da sehen wir im
      Freiburger Münster das Fenster der Schneider-
      zunft und weit oben im erst besiedelten Osten
      stiftet die sicher nicht zu den reichsten gehörende
      Gilde der Sack-, Kohlen- und Kornträger zu
      Danzig um das Jahr 1450 zum Bau der Marien-
      kirche 200 Mark bar (= 48 000 Silber-Denare)
      und außerdem ein gemaltes Kirchenfenster (s.
      Adolf Damaschke: "Geschichte der National-
      ökonomie" S. 51).

      Und in Straßburg, wo die Bürger in blutigem
      Streit um die Stadtfreiheit sich an den Kaiser
      und das Reich gehalten und den Bischof besiegt
      hatten, widmeten sie die Reihe der Fenster am
      Münsterbau ungewöhnlicherweise nicht der Dar-
      stellung von Heiligen der Kirche, sondern den
      Bildnissen der 28 deutschen Könige, die man bis
      zum Jahre 1275 zählte (s. George Dehio: "Das
      Straßburger Münster" S.11).

      Neben den Fenstern gehört auch die "Rose"
      zu den eindrucksvollsten Gestaltungen am Kir-
      chenbau der Gotik. Wie ein steinernes Spitzen-
      gewebe von riesigen Maßen in die Fläche der
      durchbrochenen Mauern gespannt und verglast,
      gewährt sie noch dem scheidenden Licht der sin-
      kenden Sonne den Einfall in den Dom.

      Wenn sich Kultur in der Vergeistigung des
      Stoffes zeigt, in der Kunst, allezeit vorhandene
      Materie zu beseelen, Gestaltungen zu bilden, die
      etwas Tieferes im Menschen anrühren und etwas
      in ihm zum Klingen bringen, das ihn über den
      Alltag hinaushebt, ihn wieder aufrichtet und
      ihm das Gefühl gibt, als Mensch doch mehr zu
      sein als ein sprachbegabtes Tier, dann ist es echte
      Kultur. Daran war das hohe Mittelalter reicher
      als wir - auch wenn mitunter noch Borstentiere
      über die Straße der mittelalterlichen Stadt lie-
      fen und Asphaltstraßen, Neonlicht, Staubsauger
      und Radio unbekannte Begriffe waren.

      Bevor wir aber nun noch einige Einzelheiten
      zur Illustration der überquellenden Opferwil-
      ligkeit und zugleich zum Beweis eines nie wie-
      der erreichten wirtschaftlichen Leistungsvermö-
      gens betrachten, sei noch ein kleiner Hinweis
      auf die offensichtlich verlorengegangene Fähig-
      keit, Materielles und Seelisches, Irdisches und
      Göttliches zusammenzubringen, eingefügt.

      Niemand, der einen Dom betritt, kann sich
      des Gefühls erwehren, das ihn in diesem Bau
      in seine Gewalt zieht, sein Herz emporreißt,
      die Brust weitet und etwas Unbekanntes in ihm
      anrührt. Es ist die Harmonie des Raumes, die
      ihre Gewalt ausstrahlt. Harmonie ist aber, wo
      immer sie in Erscheinung tritt, in Ton und Maß
      und Zahl und Farbe der große Einklang mit
      dem Kosmos, mit Gottes Schöpfung - oder wel-
      che Namen der Mensch dafür noch finden mag.
      Des Menschen Herz ist dafür empfänglich und
      selbst wenn sein Verstand nicht weiß, woher es
      kommt, wird sein Empfinden doch von einer
      unbekannten Kraft angerührt und erfaßt; er
      spürt die Harmonie mit innerer, beglückender
      Bewegung, oder mit anderen Worten: er spürt
      die Nähe Gottes - sei es im Dom, in der Stille
      des Hochwaldes oder beim Anhören von Musik.

      So aber zu bauen, daß des Menschen Herz mit
      naturgesetzlicher Gewißheit von der strahlen-
      den Kraft dieser göttlichen Harmonie erfaßt
      wird, das war das Geheimnis der mittelalter-
      lichen Bauhütten und das war auch die große
      Kunst aller wahren Baumeister der Geschichte. -

      Das Wissen um diese Geheimnisse ist in der
      Entwicklung des rationalistischen Denkens all-
      mählich verschüttet worden - die Gültigkeit von
      Maßverhältnissen am Empfinden zu prüfen,
      scheint mit der Ratio schlechterdings unverein-
      bar zu sein -. So hat man denn in der modernen
      Zeit häufig nur noch nachgeahmt, was die alten
      Meister schufen; und wo einer stolz aus eigenem
      Geist experimentierend etwas Neues schaffen
      wollte, konnte es dann zu Raumgestaltungen
      kommen, in denen man sich unwillkürlich um-
      sieht, wo denn die Gleisanlagen sein mögen, auf
      denen der Expreß einfahren wird, - denn das
      Ganze wirkt so seelenlos wie eine Bahnhofs-
      halle.

      Charakteristisch für die Zeit des gotischen
      Mittelalters ist wohl dies - und damit kommen
      wir zu einem schon berührten Punkt zurück -,
      daß das alltägliche Leben tiefer mit Religiosität
      verwoben oder das Christentum tiefer in die
      Bürgerlichkeit eingedrungen war. Die große
      Zahl kirchlicher Feiertage mag ebenfalls dazu
      beigetragen haben, das ganze Leben in eine At-
      mosphäre von heiterem Lebensgenuß und reli-
      giöser Innigkeit zu tauchen. So schreibt auch
      Sacheverell Sitwell in seiner "Studie des mittel-
      alterlichen Lebens": "Niemals in der Geschichte
      war vor- oder nachher. . . etwas Derartiges wie
      jenes Zeitalter. Es zeigte einen echten und leben-
      digen Wetteifer in einem noch nie dagewesenen
      Maße. Das Leben war zur Poesie geworden; es
      hatte sich in ein wirkliches Paradies verwandelt,
      worin es sich lohnte, sowohl seine Gefahren zu
      wagen als auch sich seiner Vergnügen zu erfreu-
      en" (s. Dr. H. R. Fack: "Das Geld der Gotik").

      Ebenso schreibt Professor Rene Thevenin, ein
      französischer Forscher, von dieser Zeit, sie sei
      "eine der größten Perioden der Kunst und des
      Glaubens in der Geschichte der Menschheit, be-
      gleitet vom Bau wunderbarer Kathedralen, die
      mit den größten Meisterwerken aller Zeiten und
      Länder rivalisieren." Und auch dieser Autor
      sagt: "Diese herrliche Entwicklung führte die
      Menschen zu Höhen, wie sie nicht oft in der Ge-
      schichte erreicht wurden!" (s. Dr. H. R. Fack:
      "Das Geld der Gotik").

      Schließlich aber wären das alles vor dem arm-
      seligen Denken unserer kleinmütigen Zeit nur
      Worte - wenn nicht die heute noch in den Him-
      mel ragenden steinernen Zeugen einstiger Lei-
      stungskraft und Kulturhöhe die im hellen Tages-
      licht stehenden Beweise darstellen würden.

      Jede dieser Kathedralen ist in ihrer Art etwas
      Einmaliges. Da ist der gewaltige Münsterbau
      von Ulm, nach dem Kölner Dom die größte go-
      tische Kirche Deutschlands, die mit ihrem Turm
      von 161 Meter Höhe das höchste Steinbauwerk
      des christlichen Abendlandes wurde; da ist das
      Filigranwerk des Turmhelmes vom Freiburger
      Münster, dessen Konturen von der Ferne gese-
      hen wie ein feines Spitzenmuster im Dunst des
      seidigen Himmels verschwimmen; da ist - ganz
      andersartig wieder - der Straßburger Münster-
      turm, der von einem siebenfachen Kranz kleiner
      Türmchen um den Kern der Spitze herum gebil-
      det wird, jedes mit einer Wendeltreppe im Inne-
      ren, so angeordnet, daß der Besucher in der herr-
      lichen Höhe über dem Giebelmeer der Stadt von
      einem zum anderen Türmchen übertreten und in
      einer Spirale zur Spitze emporsteigen kann; das
      Meisterwerk der Straßburger Bauhütte, durch
      das sie 1459 zum Oberhaupt der deutschen Bau-
      hütten erkoren wurde.

      In Frankfurt ragt der Dom wie eine mächtige
      steinerne Eruption in den Himmel, nach oben
      immer stärker aufgelöst und schließlich über
      einer achteckigen Kuppel eine spitze Laterne
      tragend. Seit der Wahl Barbarossas (1152) war
      es Gewohnheitsrecht, daß die deutschen Königs-
      wahlen in diesem Dom stattfanden.

      Da ist der Stephansdom in Wien mit seiner
      unwahrscheinlich schlanken Turmspitze, wie aus
      einer gewaltigen Strahlkraft in die Höhe getrie-
      ben; der wuchtige Dom von Regensburg, zu sei-
      ner Zeit die größte Kirche Deutschlands; der
      Dom von Naumburg a. d. Saale, von Magde-
      burg, von Meißen; da sind die Münsterbauten
      von Bern, Zürich, Basel, Konstanz, Überlingen
      und ganz oben in Westfalen, in Norddeutsch-
      land, die Werke der Backsteingotik, Soest, Mün-
      ster, Lübeck, Stralsund, Wismar, Rostock, Stet-
      tin, Greifswald, Danzig, Königsberg.

      Da sind in Belgien und in den Niederlanden
      die Kathedralen von Antwerpen, von Lüttich,
      Brüssel, Löwen, Ypern, Leyden und anderen
      Orten. Wir müßten einen Katalog anhängen,
      wenn wir alle auch nur aufzählen wollten.

      Wie beiläufig schon erwähnt, blieb manches
      großartig kühne Werk unvollendet. In Straß-
      burg hatte man sich zum Ausgang des 14. Jahr-
      hunderts zwar bereits darauf konzentriert, nur
      einen Turm zu bauen, wer aber will sagen, ob
      nicht der Entschluß zum zweiten Turm bereits
      von finanziellen Erwägungen zurückgedrängt
      wurde? - Wie das Straßburger Münster grüßt
      auch die Kathedrale von Antwerpen nur mit
      einem Turm ins Land.

      Köln hat seinen Dom einstmals als das größte
      Bauobjekt der Gotik geplant und begonnen. Der
      Wetteifer war so groß, daß fast jeder Bau bei
      seinem Beginn als der größte, höchste und
      schönste Dom geplant war. Aber auch Köln
      wurde nicht vollendet und konnte, ebenso wie
      Ulm, erst im 19. Jahrhundert nach den alten
      Plänen fertiggestellt werden. Auch der Wiener
      Stephansdom wurde erst später vollendet.

      Welche Kraft und Leistungsfähigkeit müssen
      sich die Menschen der Gotik zugetraut haben,
      um sich an solche Projekte zu wagen! - Wie müs-
      sen wir uns die Kathedrale von Reims vorstel-
      len, wenn sie vollendet wäre? - Aber die Zeit
      war abgelaufen, die Kraft versiegte, als die Wirt-
      schaftsblüte aus damals unbegreiflichen Gründen
      ihr Ende fand. Die Menschen wurden von Not
      und Sorgen gepackt, die einen wurden kleinlich
      und geizig, die anderen arm und hilflos. Da flos-
      sen keine Stiftungen mehr für die Gotteshäuser,
      das Wachstum hörte auf, wie vom Frost getötet.

      An vielen gotischen Kathedralen blieben die
      Türme unvollendet. Manche erhielten nur ein
      Notdach, wurden später in anderer Weise wei-
      tergebaut oder jedenfalls abgeschlossen. So er-
      hielten auch die beiden Türme der spätgotischen
      Frauenkirche in München die "welschen Hau-
      ben" der kupfergedeckten Kuppeln, die nun zu
      einem fernhin erkennbaren Wahrzeichen Mün-
      chens geworden sind, erst im Anfang des 16. Jahr-
      hunderts. Da war die Wirtschaftsblüte der Go-
      tik vorbei. Öde und leer waren die Werkplätze
      der Steinmetze, der Bildhauer und Maurer, der
      Glaser und Holzschnitzer und vieler anderer
      Handwerker und Künstler; nicht nur die Bau-
      kunst, auch die Plastik, Malerei, die Goldschmie-
      dekunst und viele andere Gewerbezweige waren
      mit dem Versiegen der Geldzirkulation - mit
      dessen neuerlicher Ursache wir uns noch befas-
      sen müssen - in den Dornröschenschlaf der Krise
      versunken.

      Avatar
      schrieb am 08.03.03 20:45:01
      Beitrag Nr. 25 ()
      so , zwei Artikel noch, das soll es gewesen sein-
      dat schaffe ich ja auch nicht mehr zu lesen...


      hier ist gut erklärt, warum sich der falsche Eindruck des Mittelalters verstetigt hat, und warum man keinerlei Interesse daran hat, die Menschen über das frühe Mittelater aufzuklären.

      Schmeißt eure Geschichtsbücher weg. Denn sie wurden mit einer bestimmten Intention geschrieben!

      Daß die Welt des Mittelalters in der Hoch-
      blüte ihrer Kultur das Maßhalten verloren hat,
      daß die Auswüchse in den Sitten, im Essen, Trin-
      ken, Kleiden, selbst in der Religion und in kirch-
      lichen Gebräuchen, in den Angelegenheiten von
      Macht und Recht im Laufe der Zeit Dissonanzen
      ergaben, läßt sich nicht leugnen. In summa sum-
      marum haben sich aber die Vorgänge und Er-
      scheinungen aus dem zu Ende gehenden Mittel-
      alter und der mit der Turbulenz der Religions-
      wirren beginnenden Neuzeit in der landläufigen
      Betrachtungsweise - sehr zu Unrecht - als
      schlechthin das Mittelalter charakterisierend ein-
      geprägt. So spricht man immer nur abschätzig
      vom "finsteren Mittelalter", weil sein auf der
      Grenzscheide des Übergangs zur Neuzeit lie-
      gender Untergang sich in einer Finsternis religi-
      öser und sozialer Wirren vollzog, hinter welcher
      der schnellfertige Gegenwartsmensch kaum noch
      etwas Lichtes und Helles sucht.


      Wir haben uns zu Beginn mit der Ordnung
      des Münzwesens befaßt; wir haben den Zeitab-
      schnitt der gotischen Kultur und ihrer Wirt-
      schaftsblüte von 1150 bis 1450 als die Epoche
      einer von den Geschichtsforschern bis heute noch
      nicht sonderlich beachteten Geldwirtschaft iden-
      tifiziert. Es ist nach allen Quellen der Geschichte
      keine Übertreibung zu sagen, daß die Blütezeit
      der Gotik mit den Brakteaten kam und mit dem
      Verschwinden der Brakteaten unterging. Zu die-
      sem Verschwinden aber kam es, weil die "Reno-
      vatio monetarum", die, mit kluger Mäßigung
      gehandhabt, eine Wohltat war, in den Händen
      der Maßlosen zur Plage wurde.

      Immer häufiger wurden Münzverrufungen
      vorgenommen, immer schlechter wurden die Prä-
      gungen und minderwertiger der Feingehalt des
      Silbers. Dies alles hatte schließlich, wie Prof.
      Polenske in seiner Schrift "Die Geldreform"
      darlegt, den Erfolg, daß diejenigen Fürsten und
      Münzherren, die die "Renovatio monetarum"
      mit Mäßigung handhabten, einen stärkeren Zu-
      fluß von Geld aus den Nachbargebieten erhiel-
      ten. Das Geld ergriff die Flucht vor allzu großer
      Beschneidung. In den verlassenen Gebieten muß-
      te nun aber durch den Ausfall der Geldzirkula-
      tion eine Verarmung, eine Stockung des Absat-
      zes und eine Bedrängnis der Gewerbetätigkeit
      auftreten, wohingegen im Gebiet des Geldzu-
      flusses Handel und Wandel gedeihen konnten.
      Aus diesen Zuständen mußte der Anschein ent-
      stehen, als ob der hohe und häufige Schlagschatz,
      den die Münzherren erhoben, die direkte Ur-
      sache der Verarmung sei, während die seltene
      Verrufung der Münzen in anderen Gebieten
      eine segenbringende Schonung von Handel und
      Gewerbe darstelle. Auf dieser Linie von Über-
      legungen und Folgerungen wurde dann schließ-
      lich die Forderung nach dem "ewigen Pfennig"
      erhoben. Aus naheliegenden Gründen haben
      auch die großen Kaufherren die Forderung nach
      "schweren Münzen", nach dauerhaftem Geld
      kräftig unterstützt. Das Augsburg der Fugger
      gehörte mit zu den ersten Plätzen, an denen die
      Münzverrufung auf vier Jahre hinausgeschoben
      wurde.


      Für unsere heutigen Begriffe bleibt dabei aber
      doch noch erstaunlich, daß die scheinbar so ein-
      leuchtende Forderung nach dem "ewigen Pfen-
      nig" keinesfalls allgemeine Zustimmung fand.
      Ebengreuth berichtet in seinem schon zitierten
      Werk "Allgemeine Münzkunde und Geldge-
      schichte des Mittelalters", daß sich alle Städte
      Österreichs gegen die Ausgabe von schweren
      Münzen erklärt hätten und sie als eine Maß-
      nahme beklagten, die für Land und Leute "kein
      gemayner nuoz nicht mug gesein, sunder ein ur-
      sach verderblicher schäden mennichglich." Diese
      erstaunliche Einsicht ist in der Folgezeit freilich
      nicht ganz bis in unsere Gegenwart herüberge-
      rettet worden.

      Der "Ewige Pfennig" war im Gegensatz zu
      den periodisch aufgerufenen Brakteaten eine
      dickere und beidseitig geprägte Münze. Die Än-
      derung im Münzwesen spielte sich indessen nicht
      so ab, daß zu einer bestimmten Zeit keine Brak-
      teaten mehr und nur noch Dickpfennige geprägt
      worden wären, sondern sie bahnte sich im Ne-
      beneinander der beiden Münzarten an. Der erste
      "ewige Pfennig" soll schon anno 1295 in Kon-
      stanz geschlagen wörden sein. Manche Münzher-
      ren haben sowohl Brakteaten wie auch Dick-
      pfennige zu gleicher Zeit schon geprägt. So hat
      die Landgräfin Sophie von Hessen in Marburg
      Brakteaten schlagen lassen und in den Münz-
      stätten Grünberg und Frankenberg an der Eder
      zweiseitige Pfennige. Auch von Friedrich Bar-
      barossa weiß man, daß er in den thüringischen
      Münzstätten, in Altenburg, Saalfeld, Mühlhau-
      sen u. a., Brakteaten prägen ließ, während an
      den kaiserlichen Münzstätten des Westens, wie
      z. B. an der glänzendsten kaiserlichen Pfalz
      Hagenau im Unterelsaß, an der sich Barbarossa
      oft und gerne aufhielt; zweiseitig geprägte Dick-
      pfennige geschlagen wurden.

      In diesem Zusammenhang ist das Nebenein-
      anderbestehen schwerer doppelseitig geprägter
      Münzen einerseits, die nicht mehr zur Aufru-
      fung gelangen sollten, und leichter, einseitig ge-
      prägter und der periodischen Verrufung ausge-
      setzter Brakteaten andererseits sicherlich schon
      ein kleines volkswirtschaftliches Problem gewe-
      sen - denn nach einem sehr viel später erst ent-
      deckten Gesetz, das die Nationalökonomen als
      "Gresham-Gesetz" kennen, wird das "bessere"
      Geld stets vom "schlechteren" Geld verdrängt.
      Wie beim Aschenputtelmärchen die guten Erb-
      sen ins Töpfchen und die schlechten ins Kröpf-
      chen gehen, so gehen in der Volkswirtschaft die
      guten Pfennige auf die hohe Kante und die
      schlechten - in den Verkehr. In diesem Fall hat
      das aber ausnahmsweise sein Gutes, denn jetzt
      war ja dem allgemeinen Handel und Wandel
      noch hinreichend gedient, solange ein ausreichen-
      der Kreislauf von Geld im ständigen Umlauf
      den Markt der Verbrauchsgüter räumte. Die
      Umsätze der großen Kaufherren, die schließ-
      lich mit großem und schwerem Geld bezahlt
      werden mußten, kamen ja nicht zum Stocken,
      solange der letzte kleine Markt die Güter noch
      abnehmen konnte.

      Die eigentliche und unwiderrufliche Stagna-
      tion setzte erst mit dem völligen Verschwinden
      der Brakteaten ein, genauer gesagt, mit dem En-
      de der "Renovatio monetarum"; denn die Reno-
      vatio monetarum hatte in der gewissen Ab-
      schwächung, daß die Münzverrufung beim
      Wechsel des Landesherrn oder bei Antritt eines
      Kreuzzuges erfolgen durfte, auch bei beidseitig
      geprägten Münzen, wie sie im Westen üblich
      waren, lange Zeit ihre Gültigkeit. Bei der Eigen-
      art der mittelalterlichen Welt stellt der Wechsel
      vom alten Brauch auf die Neuerung, wie schon
      angedeutet, natürlich nicht ein Ereignis dar, wel-
      ches auf ein bestimmtes geschichtliches Datum
      fixiert werden könnte; der Wechsel vollzog sich
      vielmehr in einer allmählichen Entwicklung.
      Aus diesem Umstand erklärt es sich auch, daß
      wir in manchen Gegenden noch in der zweiten
      Hälfte des 15. Jahrhunderts Merkmale der ge-
      schilderten Wirtschaftsblüte finden, also in einer
      Zeit, zu der in weiten Kreisen der abendländi-
      schen Kulturwelt bereits dunkle Schatten über
      dem Leben lagerten.

      In Österreich wurde die Einführung des "ewi-
      gen Pfennigs" - der ja nun dem Münzherrn kei-
      nen regelmäßigen Schlagschatz mehr aus dem
      Münzregal einbrachte - dadurch verzuckert, daß
      für den Verzicht auf die Verrufung des Pfennigs
      ein sog. "Ungeld" gewährt wurde. Dieses Un-
      geld stellte Einkünfte aus einer Art Getränke-
      steuer dar; es war der Zehnte aus allen in öster-
      reichischen Landen zum Ausschank gebrachten
      Getränken. Die Neuregelung vermochte jedoch
      nicht zu verhindern, daß die nunmehr ewigen
      Pfennige mehr und mehr und in unkontrollier-
      baren Mengen minderwertig ausgeprägt wurden.
      Man begründete dies mit dem veränderlichen
      Silberpreis; die Pfennige wurden schwarz und
      andere Ausgaben blechfarben grau - und der
      Schaden, den das Volk am Ende zu tragen hatte,
      war viel größer als der Schlagschatz bei den
      Brakteaten jemals gewesen war.

      Diese Art Münzverschlechterung, die es seit
      dem Niedergang Roms nicht mehr gegeben hatte
      und an der der Kaiser selbst sein gerütteltes Maß
      Schuld trug, blieb jedoch auf den Süden, auf
      Österreich, Bayern, Tirol, auf die Steiermark
      und auf Ungarn beschränkt. Hier hatte Kaiser
      Friedrich III. die Rechte der Münzprägung zur
      rigorosen finanziellen Ausnutzung an zahlreiche
      Münzherren gegen erhebliche Beteiligungen ver-
      pachtet. In anderen Fällen hatte er, um der
      Schuldenrückzahlung zu entgehen, seinen Gläu-
      bigern einfach das Recht eingeräumt, selber Pfen-
      nige und Kreuzer zu prägen. Das Volk nannte
      diese Münzen, mit denen es um 1458 bis 1460
      überschwemmt wurde, "Schinderlinge".

      Es liegt auf der Hand, daß die kleinen Ge-
      werbetreibenden, Bauern und Handwerker der
      Entwicklung in ohnmächtiger Verzweiflung ge-
      genüberstanden. In der Augsburger Chronik
      schreibt Burkhard Zink: "Aber auf das letst, das
      war auf das 1460 jar, da ward die müntz über-
      all in allen landen verschludert und verspilt und
      verspotten und ward so unwert, daß sie niemand
      mer wolt nemen und gab man 10 pfennig für ain
      guldin. Allmechtiger Gott, wie gar gütig bist,
      daß du sovil ungerechtigkait und poshait und
      schalkhait übersiehst, daß je ainer den andern
      leicht (= betrügt) und verderbt und umb das
      seine pringt, als hie mit der pösen müntz ge-
      schehen ist." (s. C. Hegel, Die Chronik der deut-
      schen Städte, Bd. V. pag.112)

      Von dieser räumlich und zeitlich begrenzten
      Abweichung aus solcher allgemeinen Entwick-
      lung des Geldwesens abgesehen, ging die Ten-
      denz des Münzwesens in dieser Epoche nun aber
      doch überwiegend auf die Ausprägung gewichti-
      ger Silber- und Goldmünzen hin.

      Wenn wir uns erinnern, daß der Anfang der
      Wirtschaftsblüte 300 Jahre zuvor mit der Ver-
      wandlung von Edelmetallschätzen in immer-
      während zirkulierendes Geld in Erscheinung
      trat, so zeigt sich jetzt der umgekehrte Vorgang
      in dem Erstarren der Geldvorräte des Landes in
      der neuen Schatzbildung. Diese war jetzt ermög-
      licht und geradezu herausgefordert dadurch,
      daß keine Geldverrufung mehr eintrat. Auch
      zu diesen Vorgängen gibt es aufschlußreiche ge-
      schichtliche Berichte.

      Als ob man überhaupt noch keinen Begriff
      von der volkswirtschaftlichen Notwendigkeit
      der Geldzirkulation gehabt hätte, schuf man im
      16. Jahrhundert erstaunlicherweise auch noch
      Münzen, die eigens zum Verschatzen bestimmt
      waren. Luschin von Ebengreuth nennt hier die
      sogenannten "Lösertaler", die von den braun-
      schweigischen Herzögen Heinrich und Julius in
      den Jahren 1574-1588 und 1609 in verschiede-
      nen Größen, und zwar bis zu 16 Talern schwer,
      geprägt wurden. Diese Münzen mußten von den
      herzoglichen Untertanen, die nach ihrem Ver-
      mögen eingeschätzt wurden, vom Landesherren
      käuflich erworben werden, durften aber nicht in
      den Umlauf kommen, sondern waren als Schatz
      aufzubewahren. Der Landesherr wollte damit
      erreichen, daß ein Silbervorrat im Lande blieb,
      auf den er in Notzeiten zurückgreifen konnte. Aus
      ähnlichen Überlegungen wurden auch Goldab-
      schläge von Silberstempeln hergestellt und als
      Schatzmünzen ausgegeben. Ebenso waren Ge-
      denkmünzen, Erinnerungsmünzen an einen Frie-
      densschluß, "Hochzeitstaler", "Taufgroschen",
      "Kommuniontaler" u. a. in der Regel Münzprä-
      gungen, die weniger dem Umlauf als vielmehr
      der Schatzbildung dienten und in diesem Sinne
      den volkswirtschaftlichen Leistungsaustausch
      nicht gerade förderten.

      Die Schatzbildung nahm aber in diesem Jahr-
      hundert überall zu. Da waren die - nicht nur
      von den braunschweigischen Herzögen, sondern
      auch noch von vielen anderen Münzherren ge-
      prägten - "Lösertaler" gerade das gesuchte Geld.

      Gustav Freytag zitiert in Band II seines Wer-
      kes "Bilder aus Deutscher Vergangenheit" aus
      der Biographie des Hans von Schweinichen, der
      als Haushofmeister des Herzogs Heinrich von
      Liegnitz anno 1575 bei Herrn Marcus Fugger in
      Augsburg zu Gaste war:

      "Der Herr Fugger führte seine Fürstlichen
      Gnaden im Hause spazieren, einem gewaltig
      großen Hause, so daß der römische Kaiser auf
      dem Reichstage mit seinem ganzen Hofe darin
      Raum gehabt hat. Herr Fugger hat in einem
      Türmelein Seiner Fürstlichen Gnaden einen
      Schatz von Ketten, Kleinodien und Edelsteinen
      gewiesen, auch von seltsamer Münze und Stük-
      ken Goldes, die köpfegroß waren, so daß er sel-
      ber sagte, er wäre über eine Million Gold wert.
      Danach schloß er einen Kasten auf, der lag bis
      zum Rande voll von lauter Dukaten und Kronen.
      Die gab er auf zweimal-hunderttausend Gulden
      an, welche er dem König von Spanien durch
      Wechsel übermacht habe. Darauf führte er Seine
      Fürstlichen Gnaden auf dasselbe Türmelein, wel-
      ches von der Spitze an bis zur Hälfte hinunter
      mit lauter guten Talern gedeckt war. Er sagte;
      es wären ohngefähr siebzehntausend Taler. Da-
      durch erwies er Seiner Fürstlichen Gnaden große
      Ehre und daneben auch seine Macht und sein
      Vermögen. Man sagte, daß der Herr Fugger so
      viel hätte, ein Kaisertum zu bezahlen. . . Gerade
      damals versagte der Fugger einem Grafen seine
      Tochter, und man erzählte, daß er ihr außer
      dem Schmuck zweimal-hunderttausend Taler
      mitgäbe" (s. a. a. O., S. 30/31).

      Es wird verständlich sein, daß die Fugger im
      Volksbewußtsein um diese Zeit längst schon als
      Geldwucherer galten. "Fuggerei" zu betreiben,
      war die Bezeichnung für das Wuchergesrhäft des
      Geldverleihens. Dem schwelenden Zorn des Vol-
      kes gegenüber mußte freilich auch einmal eine
      freundliche Tat ein gewisses Gegengewicht schaf-
      fen; diesem Umstand ist es zu danken, daß
      Augsburg heute noch seine Fuggerstiftung - die
      "Fuggerei" - aufweisen kann, eine Wohnsied-
      lung, die Jakob Fugger "der Reiche" für die
      Armen seiner Vaterstadt gebaut hatte und in der
      die Wohnung damals wie heute einen einzigen
      rheinischen Gulden Jahresmiete kostet. Heute
      beträgt die Jahresmiete, umgerechnet auf unsere
      jetzige Währung, 1,72 DM. - So ist doch auch
      etwas Gutes übrig geblieben.

      Böses Blut hat es aber damals gemacht, daß
      ein Beauftragter aus dem Hause Fugger den
      Ablaßkasten des Tetzel begleitet hatte, um die
      Eingänge aus dem Ablaßhandel zu überwachen.
      Das Haus Fugger hatte der Kurie nämlich Vor-
      schüsse auf das ärgerniserregende Geschäft ge-
      währt. Beiläufig bemerkt, sehen wir auch im
      Ablaßhandel der Kurie den steilen Verfall zur
      Maßlosigkeit; der einstmals fromme Brauch, mit
      einer freiwilligen Gabe für einen guten Zweck,
      für den Bau eines Gotteshauses oder eines Spi-
      tals dem Herrgott ein Opfer zu bringen, damit
      er die Verfehlungen und Sünden des Opferwil-
      ligen vergeben möge, wird in den Händen hem-
      mungsloser Geldschinder zu einem einträglichen
      Handel mit der Gnade Gottes. Und die Geld-
      wucherer verdienen noch ihre Prozente daran.
      Doch wie gesagt, diese Vorgänge fallen nicht
      mehr in die hohe Blütezeit des gotischen Mittel-
      alters, sondern in den Anfang der Neuzeit.

      Selbstverständlich waren die Fugger nicht
      die einzigen Geldmänner dieser Zeit. Da sind
      auch die Welser und Höchstätter in Augsburg;
      Jörg Thurzo, der sich vom Geschäft zurückgezo-
      gen und seinen Handelsgenossen Fugger aufge-
      fordert hatte, auch vom weiteren Gelderwerb
      abzulassen, schien eine Ausnahme zu sein. Jakob
      Fugger antwortete ihm, er hätte viel einen an-
      deren Sinn, wollte gewinnen, dieweil er könnte!
      (s. G. Ruhland "System d. pol. Ökonomie", S.
      769/70). In Nürnberg waren die Imhof, Ebner
      und Volkmar, in Ulm das Geschlecht der Ru-
      land und in anderen Städten noch viele andere.

      Mit welchen Gewinnspannen in diesen Krei-
      sen gearbeitet wurde, ging aus einem Prozeß
      hervor, den ein Mitbeteiligter gegen Ambrosius
      Höchstätter angestrengt hatte. Durch diesen
      Prozeß war in Augsburg bekannt geworden,
      daß eine Geldeinlage von 900 Gulden inner-
      halb von 6 Jahren 30 000 Gulden brachte. Der
      Kläger hatte 33 000 Gulden verlangt; das Ge-
      richt hat ihm aber "nur" 30 000 Gulden zuge-
      standen. Die Zustände waren anno 1521 bereits
      so empörend, daß der Wormser Reichstag einen
      Untersuchungs-Ausschuß einsetzte, dessen Vor-
      schläge dann aber, wie es vorzukommen pflegt,
      an den Bestechungsgeldern der bedrohten Ge-
      sellschaften kläglich Schiffbruch erlitten (s. G.
      Ruhland a. a. O., S. 770/71).

      So wie in Augsburg hatten sich also auch in
      anderen Städten und Gegenden aus den reich-
      sten der Kaufleute beim Niedergang von Han-
      del und Gewerbe Bankiers entwickelt. Die über-
      all nur in wenigen Händen zusammenströmen-
      den Kapitalien drängten nicht mehr im alten
      Stil nach Warenumsatz. Jetzt traten andere Ge-
      winnmöglichkeiten in Erscheinung; ,es kam nur
      darauf an, warten zu können und dann die Be-
      dingungen zu diktieren. Kaiser und Könige,
      Adel und Kirche bemühten sich um die Gunst
      der Geldfürsten; und so nahm das Geld - wäh-
      rend das Strombett der Wirtschaft mitsamt der
      geschäftigen Emsigkeit der kleinen Bürger mehr
      und mehr versandete und ausdörrte - seinen
      Weg in die Politik. Die Finanzkraft der Fugger
      hat eine Kaiserwahl entschieden; und wenn auch
      der Kaufmann Jakob Fugger den Schuldschein
      über 1 Million Goldtaler, den ihm Karl V. un-
      terschrieben hatte, seinem Kaiser mit einer groß-
      zügigen Geste zu Weihnachten 1522 auf den
      Gabentisch legte, so ist er doch bei diesem Ge-
      schäft nicht zu kurz gekommen. Gegenüber der
      historischen Zuverlässigkeit des großmütigen
      Geschenks an den Kaiser bestehen einige Zwei-
      fel; doch wie dem nun gewesen sein mag, bleibt
      doch beachtenswert genug, daß das Verhältnis
      zwischen dem Kaufmann Jakob Fugger und dem
      Kaiser sich in dieser wirklichen oder erdichteten
      Szene so trefflich wiederspiegelt. Der Bankier
      des Kaisers hatte inzwischen auch Niederlassun-
      gen seines Hauses in Spanien eingerichtet, eben
      zu der Zeit, da nach der Entdeckungsfahrt des
      Kolumbus das Gold und Silber aus den über-
      seeischen Besitzungen Spaniens nach Europa kam.

      Aber auch anderen Geldfürsten war der Kai-
      ser verpflichtet. Die Welser waren kraft ihres
      Geldes unter Karl V. die regierenden Herren
      des der Krone unterstehenden Staates Vene-
      zuela geworden, eines Gebiets, fast doppelt so
      groß wie das Deutsche Reich vor dem ersten
      Weltkrieg. Das Verleihen von Geld an Kaiser
      und Könige, an den Hochadel und an die Kir-
      chenfürsten mag oft genug einträglicher gewesen
      sein als der Handel, da es Ländereien, Pfründe
      und Privilegien brachte, die mühelos noch grö-
      ßere Gewinne lieferten.

      Avatar
      schrieb am 08.03.03 20:46:36
      Beitrag Nr. 26 ()
      Und wann lernen wir endlich aus der Geschichte?

      :confused:


      wird es noch dreißig Zyklen dauern?
      Oder war der jetzige schon der heftigste Überschwang mit unabsehbaren Folgen?

      VERSIEGENDE NACHFRAGE - BÖSE FOLGEN
      In den tieferen Zusammenhängen gesehen,
      war das alles aber doch ein Abfluß des Geldes
      aus der Wirtschaft heraus zur Finanzierung der
      zerstörenden Händel und Kriegszüge der Gro-
      ßen. Handel und Gewerbe indessen kamen zum
      Erliegen; im Volke nahm die Not und die wirt-
      schaftliche Bedrängnis zu. Der Mensch, der seit
      Generationen gewohnt war, mit fleißiger Arbeit
      sein Brot zu verdienen, fand plötzlich, daß die
      anderen seine Arbeit nicht mehr abnehmen woll-
      ten; es war keine ausreichende Nachfrage mehr
      da. -
      Alle Berichte über die Erstarrung des Zunft-
      wesens, die aus dem sorgenvollen Kampf um
      den Platz an der Tafel des Lebens hervorging,
      datieren aus der Zeit nach der Aufhebung der
      "Renovatio monetarum". Noch einmal können
      wir auch bei Adolf Damaschke eindringliche Be-
      stätigungen hierzu finden: "In der altberühm-
      ten Goldschmiedezunft von Augsburg war jeder
      willkommen gewesen, der sein Meisterwerk lei-
      stete, 1549 aber wurde bestimmt, daß jährlich
      nur 12 Bewerber, 1582, daß nur noch 6 Bewer-
      ber zugelassen werden sollten. Dadurch wurde
      für die Handwerksgesellen die Aussicht, jemals
      selbständig zu werden, zerstört und es begann
      sich in scharfer Trennung von den Meistern ein
      neuer Stand der Lohnarbeiter in den Städten
      zu bilden."

      In Nürnberg wurde 1572 einem Meister des
      Fingerhuthandwerks, der ein "sonderes neues
      Drehrad, ihm und seiner Arbeit zum Vorteil,
      aber anderen Meistern zu Schaden erfunden und
      gebraucht hatte", auf Antrag seiner Zunftgenos-
      sen jeder weitere Gebrauch unter "starker Stra-
      fe" untersagt.

      Ein Nadlermeister, der ein Reibzeug erfun-
      den hatte, erhielt 1585 unter Androhung von
      50 Gulden Strafe den Befehl, "dasselbe alsbald
      wegzutun, nicht mehr zu gebrauchen, viel weni-
      ger hier oder auswärts in dem Gebrauch dessel-
      ben zu unterweisen" (s. a. a. O., S. 86/87).

      Der italienische Abbé Lancellotti erzählte in
      einer 1636 erschienenen Schrift, daß vor fünfzig
      Jahren, also anno 1586, ein Mann in Danzig
      eine "sehr künstliche Maschine" erfunden habe,
      die 4 bis 6 Gewebe auf einmal verfertigte. Der
      Rat habe aber die Erfindung unterdrückt und
      den Erfinder heimlich ersticken oder ersäufen
      lassen. Dieselbe Maschine sei später in Leyden
      und in Köln wieder aufgetaucht und abermals
      verboten worden; in Hamburg habe man sie
      öffentlich verbrannt. Es handelte sich dabei um
      den Vorläufer der Spinn- und Webemaschinen,
      die nachher die industrielle Revolution des
      18. Jahrhunderts mitbestimmten (s. Karl Marx:
      Das Kapital Bd. I, S. 450/51).

      In Lübeck mußte bereits anno 1475 Hinrich
      Hengelke sein neues Unternehmen einer Kup-
      ferhütte wieder abbrechen, weil die Schmiede-
      zunft als Grund oder Vorwand angab, es sei zu
      befürchten, daß durch den Betrieb der Hütte
      die Kohlen teurer würden. So verfügte der Rat
      dieser vordem so unternehmungsfreudigen Stadt,
      "dat gemene beste betrachtend", die Ausmer-
      zung des Wettbewerbers (s. Fr. Rörig: "Vom
      Wesen der Hanse", S.110).

      Es ließen sich der Beispiele noch viele anfüh-
      ren und sie würden sich alle zu dem uns bekann-
      ten Gesamtbild runden, daß das Zunftwesen in
      einer Weise starr und lebensfeindlich wurde, die
      ihm für alle spätere Zeiten den Stempel auf-
      prägte. Dieser Eindruck von der mittelalter-
      lichen Gewerbeordnung ist also haften geblie-
      ben.

      Der Druck, der das bewirkte, ist aber im übri-
      gen nicht nur in solchen kleinen Einzelvorgän-
      gen zu erkennen. In England, wo die Geldsteuer
      gleichfalls aufgehoben und durch die Herdsteuer
      ersetzt worden war, machte sich mit dem Aus-
      gang des 15. Jahrhunderts eine zunehmende
      Feindseligkeit gegen die hansischen Kaufleute
      bemerkbar. Hansische Schiffe wurden im Ärmel-
      kanal, auch direkt im Hafen von Boston, über-
      fallen und ausgeplündert. Kämpfe zur See, Ka-
      perkriege, langwierige Auseinandersetzungen
      mit politischen Intrigen hemmten den Handel.
      Was wir schon in kleinen Beispielen sahen, sollte
      sich hier auch im Großen abspielen: der Platz
      an der Tafel des Welthandels war ebenfalls en-
      ger geworden; der Engländer wollte den Wett-
      bewerb des deutschen Kaufmannes ausmerzen.
      Um 1493 kam es zu einem organisierten Sturm
      auf den Stalhof in London - die berühmte han-
      sische Niederlassung. Die deutschen Kaufleute
      durften sich nicht mehr auf der Straße zeigen.
      Ein gleicher Aufstand brach 1517 wieder aus.
      Jetzt wurden die Hansen widerrechtlich gefan-
      gengesetzt. 1557 wurden die Zollvorrechte der
      Stalhofskaufleute aufgehoben; 1597 setzten die
      Hansen ihrerseits durch, daß die Engländer vom
      deutschen Reichsboden verwiesen wurden; und
      1598 wurde dafür der Stalhof in London auf
      Befehl der Königin Elisabeth geschlossen, die
      Hansen vertrieben oder als Geiseln zurückbehal-
      ten. -

      So ist auch der Niedergang der Hanse eine
      unmittelbare Folge der Krisenentwicklung in
      der mittelalterlichen Weltwirtschaft. Eine innere
      Kraft, wie sie einstmals im Zusammenschluß der
      Hansestädte bestanden hatte, war nicht mehr da
      - nachdem die Wirtschaftskraft zerfallen war.
      Deutschland war inzwischen in die Wirren der
      Religionszwistigkeiten, Bauernkriege, Hexen-
      verbrennungen und dergleichen hineingeraten.
      Die Bauernkriege waren das Ergebnis der Be-
      drückung, die vom Adel und von den Stadtvog-
      teien auf die Schultern der Bauern geladen wor-
      den war. Die Rechtsauffassungen jener Zeit -
      fußend auf dem römischen Recht - haben dazu
      geführt, daß die landesherrlichen Rechte über
      die Menschen mit dem Verkauf von Reichsgrund
      an private Käufer, an Adlige und Geldleute,
      an die Kirche und an Städte auf die Käufer
      überging. Mit dem Kauf des Bodens, mitunter
      ganzer Dörfer, wurde zugleich das Recht ge-
      kauft, die Abgaben der Landbewohner zu kas-
      sieren und ihre Frondienste in Anspruch zu neh-
      men. So wurden diese Abgaben und Dienste, die
      der Bauer zu leisten hatte, mit der Kommer-
      zialisierung des Bodens ständig drückender.
      Gemeindebesitz an Wald und Weide wurde den
      Bauern genommen und nur gegen entsprechende
      Abgaben zur Nutzung überlassen. Die Maßlosig-
      keit, mit der der Bauer gepeinigt wurde, kannte
      keine Grenzen. So wird berichtet, daß sie nachts
      die Teiche und Tümpel peitschen mußten, damit
      die Frösche schweigen sollten und nicht mit
      ihrem Konzert den Schlaf der Herren störten;
      und beim Morgengrauen begann dann beim
      Bauern wieder die Fronarbeit des Tages. - Bei
      den dem Bauern auferlegten Geld-Abgaben
      mußte er im Falle von Säumigkeit Zinsen zah-
      len, und zwar nach dem sogenannten "Rutscher-
      zins" für jeden Tag des Verzuges den verdop-
      pelten Zinssatz, so daß er mit mathematischer
      Gewißheit nicht mehr aus der Schuld heraus-
      kam (s. G. Ruhland: "System d. Pol. Ökono-
      mie", S. 774).

      Eine Flucht vom Lande in die Stadt gab es
      nicht mehr, denn die Gewerbetreibenden der
      Stadt konnten keinen Zulauf mehr brauchen.
      Sie sperrten die Zünfte gegen fremden Zuzug
      und überwachten auch eifersüchtig, daß auf den
      Märkten und in den umliegenden Orten keine
      nicht aus den zünftigen Werkstätten stam-
      mende Ware verkauft würde. Den Wettbewerb
      der Nichtzünftigen, der "Bönhasen", zu verhin-
      dern, wurden eigene Späher von den Hand-
      werkszünften ausgesandt. Neid und Mißgunst
      waren in der Atmosphäre der Not geil empor-
      geschossen. Was blieb den Bauern anderes übrig,
      als sich zum Landsknecht herzugeben oder sich
      gegen die Bedrücker zu erheben! - Gustav Ruh-
      land schreibt hierzu: "Dem Proletariat in den
      Städten folgte das Proletariat auf dem Lande.
      Aus beiden Reservearmeen rekrutierte sich haupt-
      sächlich das Angebot auf dem deutschen Söld-
      nermarkt, der in den Städten sichtbar gewor-
      dene Reichtum reizte die Eroberungssucht der
      kapitalistisch gewordenen Fürsten. Die Über-
      nahme und Vermittlung von Staatsanleihen ge-
      hörte bald bei den Großkapitalisten zu den be-
      liebtesten Geschäften. Und so trieb der rasch an-
      gesammelte Reichtum in wenigen Händen, die
      zunehmende Unzufriedenheit in den Volksmas-
      sen, die Anstauung eines Proletariats in Stadt
      und Land, die wachsende Leichtigkeit in der Be-
      schaffung großer Söldnerheere wie in der Auf-
      nahme neuer Staatsschulden die Fürsten in fast
      endlose Kriege hinein, die von 1557 bis 1620
      fast allgemein zu Staatsbankrotten führten,
      welche auch die Millionen der oberdeutschen
      Handelshäuser auf Nimmerwiedersehen ver-
      schlungen haben" (s. a. a. O., S. 772/73).

      Die mörderisch-grausame Rache aber, die die
      Bauern in ihren Aufständen unter Florian Geyer,
      Thomas Münzer, Götz v. Berlichingen und an-
      deren Anführern an den in ihre Gewalt gerate-
      nen Bedrückern übten - bis sie endlich doch der
      Obermacht der waffenkundigen Adligen erlagen
      und zu Zehntausenden erschlagen wurden - ge-
      hört mit auf das Konto der wirtschaftlichen Zer-
      rüttung, für deren Ursprung niemand eine Er-
      klärung wußte. -

      Die heiße Empörung gegen das Unrecht der
      Zeit hatte damals auch Tilman Riemenschneider
      - neben dem in Nürnberg und Krakau tätigen
      Veit Stoß wohl der bedeutendste Meister der
      deutschen spätgotischen Kunst - in den Bauern-
      kriegen auf die Seite der aufständischen Bauern
      gebracht. Heute noch zeugen seine herrlichen
      Werke, der Creglinger Altar, der Abendmahl-
      Altar in Rothenburg, seine Grabplatten in
      Würzburg, das Kaisergrab im Bamberger Dom
      u. a. m. von einer unerhörten Gestaltungskraft
      - doch nach der Niederwerfung des Bauernauf-
      standes haben ihm die bischöflichen Schergen in
      der Folter die Hände gebrochen. -

      Was die Verirrung in die Wahnvorstellungen
      von religiösem Fanatismus, von Hexenglauben
      und dergleichen anbelangt, so wird man berück-
      sichtigen müssen, daß der Mensch dieser Zeiten
      für die über ihn hereingebrochene allgemeine
      Not keine verstandesmäßige Erklärung finden
      konnte. Es war nicht anders denkbar, als daß er
      in allem, was sich zeigte, das Walten böser, dä-
      monischer Mächte oder die Geißel Gottes glaubte
      sehen zu müssen. Solange es Arbeit gab und die
      gewerbliche Regsamkeit den Wohlstand för-
      derte, stand es um Religion und Mystik noch
      anders.

      Um das Jahr 1230 wollte der fanatische Prä-
      monstratenser Konrad von Marburg die Inquisi-
      tion in Deutschland einführen; doch das lebens-
      frohe Volk wollte von diesen finsteren Bräuchen
      nichts wissen - der Eiferer wurde nach kurzer Tä-
      tigkeit auf offener Landstraße erschlagen. Um
      das Jahr 1484 aber, als mit der Not und Existenz-
      bedrohung auch die geistige Finsternis sich über
      das Land legte, begannen in Deutschland die
      Hexenprozesse, die sich danach über zweiein-
      halb Jahrhunderte hinzogen. 1489 haben die
      beiden Professoren der Theologie Institor und
      Sprenger ihren "Hexenhammer" geschrieben,
      das Gesetzbuch der Hexenverfolgung. Etwas
      Unsinnigeres, Sadistischeres, Grausameres und
      Schamloseres über das Vorhandensein eines Teu-
      fels und seinen geschlechtlichen Verkehr mit den
      Hexen, über deren Treiben und über die Mittel
      und Methoden, sie zu "Geständnissen" zu brin-
      gen, konnte menschliche Phantasie wohl kaum
      ersinnen.

      Von 1595 bis 1666 lebte Benedikt Carpzow,
      der sich selbst der Hinrichtung von 3000 Hexen
      rühmte, wobei außerdem noch 17 000 ge-
      wöhnliche Verbrecher kraft seiner Autorität in
      der Rechtspflege zum Tode verurteilt wurden.
      Überall lohten die Scheiterhaufen und der Wahn-
      sinn feierte seine fürchterlichsten Orgien.

      Die Religionszwistigkeiten - hervorgegangen
      aus der Entartung des Christentums, von Refor-
      mern bekämpft, die ihrerseits in neue Verwor-
      renheiten und Entartungen verfielen - nahmen
      den breitesten Raum in den allgemeinen Aus-
      einandersetzungen ein. Daß die Lehre Luthers
      erst die Bauern-Aufstände begünstigte und daß
      Luther danach eine Schwenkung vornahm und
      mit flammenden Worten forderte: ". . . es soll
      zerschmeißen, würgen und stechen, heimlich oder
      öffentlich, wer da kann, und gedenken, daß
      nichts Giftigeres, Teuflischeres sein kann, denn
      ein aufrührerischer Mensch. . .", war beides
      symptomatisch für den Verlust von Maß und
      Mitte. -

      Daß ferner auch die Reformatoren das Blut
      der Andersdenkenden fordern konnten und den
      Scheiterhaufen als ultima ratio nicht verschmäh-
      ten, zeigte sich in dem unglücklichen Ende von
      Michael Servet, der auf Betreiben von Calvin
      dem Glaubensgericht ausgeliefert und auch mit
      Billigung von Melanchthon anno 1553 in Genf
      verbrannt wurde.

      Die wild aufgepeitschte Zeit vermochte nur
      noch in Extremen zu denken. Die geistige Ver-
      wirrung des aus seiner Bahn von Arbeit, Gläubig-
      keit und Lebensfreude herausgeworfenen Men-
      schen setzte sich immer mehr in Zerstörung und
      Auflösung um. Schließlich waren die Meinungs-
      verschiedenheiten in Glaubenssachen in der Brei-
      tenwirkung nur noch ideologische Verbrämun-
      gen für den Kampf um Macht, Besitz, Freiheit,
      Brot und verlorenes Lebensglück.

      So waren die Lehren der Wiedertäufer, die sich
      insbesondere um 1532 bis 1535 in Münster zu
      einem grausigen Taumel von religiös verbräm-
      ter Zügellosigkeit, von Raub, Mord, Plünde-
      rung und Ausschweifung auswuchsen, ein typi-
      sches Zeichen der Zeit. Daß der Schneider Bockl-
      son den verwegensten Wahnsinn predigen, aus
      Münster sein "Königreich Sion" machen, seine
      "Gerechten" zum Mord durch die Straßen sen-
      den, die Vielehe einführen und seine eigenen
      Frauen, deren er eine erkleckliche Anzahl hielt,
      eigenhändig hinrichten konnte, das ist gewiß
      etwas aus den finstersten Tagen der deutschen
      Geschichte; aber es ist erst möglich geworden,
      nachdem die Ordnung verloren war, in welcher
      sich das Leben, Handel und Wandel des Volkes
      jahrhundertelang geborgen fühlen durfte.

      Avatar
      schrieb am 09.03.03 09:15:31
      Beitrag Nr. 27 ()
      das ist in dem Zusammenhang äußerst interessant...


      wer sich wirklich die Mühe gemacht hat, die Texte zu lesen wird sich nun einerseites kein wenig, andererseits doch wundern.


      ---------------------------------------------------------------

      Wie vor 600 Jahren die erste Börse entstand


      Unzählige Menschen blicken beim Frühstück auf den Nikkei und Hang Seng, erkundigen sich mittags nach dem Dax und gehen mit dem Dow Jones und der Nasdaq ins Bett.

      Keine Frage, die Börsen dieser Welt spielen nicht nur im Alltag von Wertpapierhändlern, Anlegern und Journalisten eine gewichtige Rolle - an ihnen kommt auch nicht vorbei, wer einfach nur die Nachrichten in gesendeter oder gedruckter Form verfolgt.

      In den Meldungen ist die Rede von Aktien und Anleihen, von Wachstumswerten und Notierungen, von Rallys oder dem Bärenmarkt. Doch was diese Begriffe im Einzelnen bedeuten, weiß längst nicht jeder, der auf sie stößt. In einer Serie soll versucht werden, die Siegel nach und nach zu entfernen.

      Zum Auftakt geht es um die Frage, wo und warum Börsen entstanden sind.




      Es begann in der frühen Neuzeit

      Es gibt Historiker, die Vorformen der heutigen Börsen schon in der vorchristlichen Zeit sehen. Doch eingerichtet wurden Wertpapierbörsen erst in der frühen Neuzeit, zu Beginn des 15. Jahrhunderts.

      Die Anfänge des Handels mit Wertpapieren wurzeln, wie Vanessa Redak und Beat Weber in ihrem Buch „Börse“ darlegen, im ausgehenden Mittelalter. Seit 1531 gab es im belgischen Brügge ein Börsengebäude, und in einem Stadtplan aus dem 16. Jahrhundert war schon ein Platz namens „Byrsa Brugensis“ - Börse von Brügge - bezeichnet.

      Seinerzeit wurde der überregionale Handel zunehmend reger. Damit verbundene Zahlungsschwierigkeiten ließen Wertpapiere bedeutsamer werden: Vor allem so genannte Wechsel - schriftliche Verpflichtungen eines Schuldners, dem Inhaber des Wechsels bei Vorlage oder zu einem gewissen Zeitpunkt eine bestimmte Summe zu zahlen - erleichterten die Abwicklung von Handelsgeschäften. Diese Schuldscheine waren nicht an eine Person gebunden und folglich übertragbar.




      Kauf und Verkauf von Wechseln als Kern

      Auf dieser Grundlage entstand allmählich ein Handel mit diesen Papieren. Kaufleute erkannten, dass der Kauf und Verkauf von Wechseln einfacher wird, wenn er an einem bestimmten Ort abgewickelt wird. So entstanden Wechselbörsen.

      Der Begriff Börse geht dabei auf das niederländische Wort „beurs“ (Geldbeutel) zurück.

      Dieser Begriff findet sich wieder im Namen der Brügger Kaufmanns-Familie van der Beurs, die drei Portemonnaies im Wappen führte und in deren Haus sich Geschäftsleute trafen, um den Wert von Gold- und Silbermünzen als Zahlungsmittel festzulegen.

      Die erste Börse soll 1409 in Brügge, die zweite fünfzig Jahre später in Antwerpen eröffnet worden sein. In den folgenden Jahrzehnten folgten solche Institutionen in Flandern, den Niederlanden, England und Frankreich. Im 16. Jahrhundert wurden Wertpapiere auch an festen Orten auf deutschem Boden gehandelt. Wo dies zuerst der Fall war, ist strittig. Augsburg, Frankfurt, Hamburg, Köln und Nürnberg kommen infrage.




      Frankfurt entwickelte sich zur wichtigsten deutschen Börse

      „1585 wird mit der Börse ein erster behördlich kontrollierter Geldwechsel in Frankfurt eingerichtet.

      Am Ende des Mittelalters war Frankfurt einer der reichsten und mächtigsten Handelsorte im Zentrum Deutschlands. Der Reformator Martin Luther notierte über die Stadt: ,Frankfurt ist das Silber- und Goldloch!´" , heißt es auf der Internetseite der Stadt Frankfurt am Main.

      Und „Mainhattan“ - das damals natürlich noch nicht so genannt wurde, weil es das Vorbild Manhatten noch gar nicht gab - etablierte sich als wichtigste deutsche Börse, wie Redak und Weber hervorheben. Diese Rolle hat die Institution behalten und bis heute ausgebaut.

      . . .
      [/i]

      FAZ, 20.02.03
      Avatar
      schrieb am 09.03.03 09:46:46
      Beitrag Nr. 28 ()
      Hier wird zwar die Boomzeit schön geschildert, es bleibt aber schwammig, warum es boomte...


      1. Mittelalterliche Stadtgeschichte

      Im deutschen Reich waren die ersten Städte (Köln, Trier, Mainz, Worms, Augsburg, Passau, Regensburg) von den Römern zwischen dem 1. Jh. v. Chr. und dem 3. Jh. n. Chr. südlich der Donau und westlich des Rheines errichtet worden. Anfänglich handelte es sich bei diesen "römischen" Städten überwiegend um Kastelle oder Legionslager, die als militärische Ausgangspunkte zur Eroberung und Überwachung des feindlichen Landes erbaut wurden. Typisch für diese römischen Legionslager waren ihre rechtwinklig begrenzten Flächen und die sich rechtwinklig kreuzenden zwei Hauptstraßen.

      Die Germanen, die diesen "römischen steinernen Särgen" lange Zeit ablehnend gegenübergestanden hatten, lernten die Städte zu schätzen, als im 9./10. Jh. die Normannen und Ungarn in das Reich einbrachen und alles, was sich ihnen in den Weg stellte, zerstörten, brandschatzten und plünderten. Denn nur hinter den Mauern dieser alten noch vorhandenen Römerstädte konnten die Menschen vor diesen feindlichen Überfällen Schutz finden. Es sollte aber noch einige Jahrhunderte dauern, bis die Bewohner des deutschen Reiches selbst Städte zu gründen oder auszubauen begannen.

      In der zweiten Hälfte des 12. Jhs. brach dann schließlich ein regelrechter "Städtebauboom" aus, der zwei Jahrhunderte lang währen sollte.

      So wurden um 1150 allein im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation ungefähr 200 Städte unter anderem Freiburg i. Br. im Jahre 1120, Lübeck im Jahre 1143 und Leipzig im Jahre 1160 - 70 gegründet. Um 1200 entstanden zirka 600 weitere Städte. Der Höhepunkt der Stadtgründungswelle lag um 1220 bis 1350. In dieser Zeit wurden viele Orte in Ost- und Mitteleuropa errichtet. Gegen Ende des Mittelalters gab es schließlich 4 000 deutsche Städte, von denen jedoch 90% bis 95% weniger als 2 000 Einwohner besaßen. Nur 25 deutsche Städte wiesen mehr als 10 000 Einwohner auf.

      Obwohl eigentlich ursprünglich nur dem König das Recht zustand, Städte und Märkte anzulegen, waren die Herzöge, Grafen und Bischöfe wie z.B. die Zähringer, die Welfen, die Landgrafen von Thüringen und die Erzbischöfe von Mainz ebenfalls sehr aktive Städtegründer.

      Seitdem sich im 11. Jh. der Handelsschwerpunkt vom Mittelmeer endgültig in Richtung Mittel- und Nordeuropa verschoben hatte und sich die Kaufleute mit ihren Warenangeboten zu reichen Händlern entwickelt hatten, wurden die Städte besonders aus wirtschaftlichen und finanziellen Gründen errichtet.

      Denn durch die Ansiedlung von Kaufleuten und Handwerkern konnte der Wohlstand der Städtegründer vermehrt und die mittlerweile gehobenen Ansprüche des Adels nach kostbaren Stoffen und Gewürzen leichter befriedigt werden. Durch die vielen städtischen Zollarten (Wegezölle, Durchgangszölle, Markt- und Transitzölle, Geleitgelder, Brückengelder, Strom- oder Flußzölle, Handelszölle), die Steuer- und Abgabeneinnahmen, die Bußgelder des Gerichtswesens, die Einnahmen aus der Ratswaage, den Brauhäusern, den Badestuben und den Freudenhäusern füllten sich die Säcklein der adligen und geistlichen Stadtväter.

      [ Das ist doch unsinnig- die Bürger der Städte hätten doch nicht so sehr für Fremde gearbeitet, siehe Kommunismus. Die Vermögenden hätten niemals so weitsichtig investiert! ]

      Aber auch aus militärischen, verkehrspolitischen und verwaltungstechnischen Gründen ließen die adligen und geistlichen Herren Städte bauen. Die Staufer z.B. wollten mit ihren Städten ihr staufisches Hausgut und das Reichsgut wirtschaftlich und verkehrsmäßig erschließen und militärisch absichern. Die adligen Landesherren benutzten ihre Städte als Verwaltungsmittelpunkte, von denen aus man die Fernverkehrsstraßen gut kontrollieren konnte.

      So gab es im 12./13. Jh. neben den "gewachsenen" Städten, die sich aus einem oder mehreren Siedlungskernen entwickelt hatten und die allesamt einen unregelmäßigen und komplizierten Stadtumriß aufwiesen, viele neugegründete Städte. Wie ging nun aber die Gründung einer neuen Stadt vor sich, und woher kamen die neuen Bewohner?

      [ Woher kam die Kaufkraft muß auch gefragt werden- überall schien Wohlstand zu herrschen und Kapitalanlagezwang! ]

      Wenn ein adliger oder geistlicher Herr eine günstige Lage für eine neue Stadt gefunden hatte, stellte er zuerst einmal eine Urkunde mit besonderen Privilegien aus, durch die die zukünftigen Stadtbewohner angelockt werden sollten, und beauftragte dann mit der Durchführung der Gründung einen oder mehrere Lokatoren, die größtenteils aus dem niederen Adel stammten.

      Die durchschnittliche Bebauungsfläche betrug ungefähr 20 ha. Die Lokatoren ließen gemäß ihrer Aufgabe durch Feldmesser, die mit Meßseil, Pflöcken und Meßlatte bewaffnet waren, den Stadtumriß vermessen und abstecken. Deshalb besitzen diese Gründungsstädte im allgemeinen auch einen regelmäßigen Grundriß. Im Idealfall handelte es sich um eine Gründung auf "wilder Wurzel", d.h. auf unbebautem Land. Meistens jedoch entstanden die neuen Städte in der Nähe einer Burg, eines Klosters, einer bedeutenden Straßenkreuzung. Mit der Durchführung der Rodungsarbeiten und der Stadtbefestigung wurden schließlich die hörigen und unfreien Landbewohner der Umgebung beauftragt. Zwischenzeitlich lasen die Lokatoren an den verschiedensten Plätzen des Reiches öffentlich die Urkunde ihres Herrn vor, um die zukünftigen Stadtbewohner anzuwerben.

      Der Herzog Konrad von Zähringen z.B. ließ bei der geplanten Gründung von Freiburg i. Br. folgende Urkunde erstellen:
      "Kund sei allen, Zukünftigen wie Gegenwärtigen, daß ich, Konrad, in meinem Ort Freiburg einen Markt errichtet habe im Jahre 1120 nach der Geburt des Herrn. Mit den von überallher zusammengerufenen angesehenen Kaufleuten habe ich in einer beschworenen Vereinbarung beschlossen, daß sie die Marktsiedlung beginnen und ausbauen sollen.

      Daher habe ich jedem Kaufmann in der geplanten Marktsiedlung eine Hausstätte zugewiesen, auf der er ein eigenes Haus erbauen kann, und habe verfügt, daß mir und meinen Nachfolgern von jeder Hausstätte ein Schilling öffentlicher Münze jährlich am Martinstage zu zahlen sei. Es sei daher jedermann kund, daß ich auf ihre (der Kaufleute) Bitten und Wünsche hin folgende Rechte bewilligt habe, die - so schien es mir ratsam - in einer Urkunde zusammengeschrieben werden sollten, damit man sie auf lange Zeit im Gedächtnis bewahre, so daß meine Kaufleute und ihre Nachkommen mir und meinen Nachfahren gegenüber dieses Privileg für alle Zeiten behaupten können.

      1. Ich verspreche Frieden und sichere Reise in meinem Machtbereich und Herrschaftsgebiet allen, die meinen Markt aufsuchen. Wenn einer von ihnen auf dieser Strecke beraubt wird, werde ich, wenn er den Räuber namhaft macht entweder dafür sorgen, daß die Beute zurückgegeben wird, oder ich werde selbst zahlen.

      2. Wenn einer meiner Bürger stirbt, soll seine Frau mit den Kindern alles besitzen und frei von allen Ansprüchen behalten, was ihr Mann hinterlassen hat.

      3. Allen Marktsiedlern verleihe ich, daß sie an den Rechten meines Volkes und der Landsleute teilhaben sollen, soweit ich es vermag, damit sie insbesondere frei von aller Banngewalt die Weiden, Wasserläufe, Gehölze und Wälder nutzen können.

      4. Allen Kaufleuten erlasse ich den Zoll.

      5. Niemals werde ich meinen Bürgern einen neuen Vogt oder einen neuen Priester ohne ihre Wahl setzen, sondern wen sie dazu wählen, den sollen sie unter meiner Bestätigung haben.

      6. Wenn sich zwischen meinen Bürgern ein Zwist oder Streit erhebt, soll er nicht nach meinem oder ihres Vorstehers Belieben entschieden werden, sondern soll gerichtlich verhandelt werden, wie es Gewohnheit und Recht aller Kaufleute, besonders aber derer von Köln, ist.

      7. Wenn jemand durch Mangel am Lebensnotwendigen dazu gezwungen ist, darf er seinen Besitz verkaufen, wem er will. Der Käufer aber soll von der Hausstätte den festgesetzten Zins entrichten.

      Damit meine Bürger diesen Zusagen nicht etwa nur geringen Glauben schenken, habe ich mit zwölf meiner namhaftesten Ministerialen durch Eid auf die Reliquien der Heiligen dafür Sicherheit geleistet, daß ich und meine Nachfahren alles Vorstehende stets erfüllen werden. Damit ich aber diesen Eid nicht um irgendeiner Not willen breche, habe ich mit meiner Rechten dem freien Manne... und den Vereidigten des Marktes wegen dieser Sache ein unverbrüchliches Treuegelöbnis gegeben. Amen." (in: Karl Kroschell, Deutsche Rechtsgeschichte 1 (bis 1250), Reinbek 1972, S. 160/161)

      In diesem Fall hier schloß also der zähringische Herzog Konrad mit einer Gruppe von Kaufleuten einen Vertrag, der von zwölf seiner Ministerialen beschworen wurde. Die Kaufleute erhielten laut Urkunde Hausstätten zu Erbzinsrecht, durften ihre Geistlichen und Vögte selbst wählen, genossen Zollfreiheit und bekamen die Nutzungsrechte an der Allmende zugesichert. Zusätzlich wurde Marktfrieden gewährt. Jede Untat innerhalb der Stadt oder auf dem Weg zu ihr sollte schwer bestraft werden. Da man das Kölner Recht für Freiburg i. Br. übernahm, waren die Rechtsverhältnisse sofort geregelt. Und das städtische Erbrecht machte auch die Frauen vollerbberechtigt. All diese und ähnliche Bestimmungen mußten nicht nur für die Kaufleute, sondern auch für die Landbevölkerung verlockend sein.

      In den mittelalterlichen Stadtrechten und -freiheiten wurden die archaischen Gebräuche wie Frondienste abgeschafft, alle Erbschaftsabgaben wurden aufgehoben, und der städtische Boden war frei vererbbar. In einigen Stadturkunden wurde noch deutlich darauf hingewiesen, daß die Stadt oder deren Vertreter sich auch um den erbenlosen Nachlaß durch die Suche nach möglichen Erben kümmern würde.

      Kein Wunder, daß die Städte besonders attraktiv für die Hörigen und Leibeigenen wurden. Aber konnten diese sich einfach von ihrer Bindung zum ehemaligen Grundherren durch Flucht lösen?

      Kaiser Heinrich IV. verfügte diesbezüglich, daß nur Hörige, die tatsächlich noch auf dem Herrenhof lebten, dem Hofrecht des Grundherrn unterstehen sollten. Die selbständig wohnenden, wenn auch unfreien Handwerker sollten nach dem Recht der Stadt, in der sie lebten, gerichtet werden. Heinrich V. ließ diese unfreien Handwerker in Speyer vom Sterbefall und vom Thing ihres grundherrlichen Vogtes befreien. "Ihre grundherrliche Abkunft soll vergessen, ihre Rechtsstellung der der anderen Bürger gleich sein, und endlich sollen die grundherrlichen Vögte die Abgabenrückstände ihrer in der Stadt wohnenden Hörigen nur noch durch das städtische Gericht eintreiben dürfen." (in: Hans Planitz, Die Deutsche Stadt im Mittelalter - Von der Römerzeit bis zu den Zunftkämpfen, Graz, Köln 1954, S. 88)

      Große Teile der ländlichen Bevölkerung flohen im 12./13. Jh. jedoch nicht aus erbrechtlichen Gründen in die Städte, sondern um sich vielmehr den immer erbarmungsloseren Ausbeutungen durch ihre Grundherren, deren Ansprüche nach den Kreuzzügen stetig stiegen, zu entziehen, oder um den Folgen der vielen blutrünstigen Fehden, die über ihre Felder und Wiesen ausgetragen und bei denen oft die Ernteerträge dem Feuer geopfert wurden, zu entgehen.

      Als Neuankömmling war man in der Stadt zwar noch Eigenmann des Stadtherrn ("Luft macht eigen"), aber nach Jahr und Tag kam man schließlich, falls der alte Grundherr einen bis dahin nicht gefunden und zurückgefordert hatte, doch in den Genuß der Stadtfreiheiten ("Stadtluft macht frei"). Und in der Stadt durfte man sich dann nicht nur den Ehepartner frei wählen, sondern war von den grundherrlichen Arbeitsverpflichtungen frei, nicht mehr an die Scholle gebunden und konnte frei über seine Arbeitskraft und seinen Arbeitsertrag verfügen. Hier in der Stadt besaß man die Freizügigkeit, hier waren alle Bewohner dem Recht nach gleich, jedem wurde Frieden und Freiheit garantiert, und hier gab es das freie Besitz- und Erbrecht sowohl für die männliche als auch für die weibliche Stadtbevölkerung. All diese genannten städtischen Freiheiten gehörten neben der Stadtmauer, dem Stadtrecht und der marktorientierten Wirtschaft zum Charakteristikum der mittelalterlichen Stadt.

      Und die Städte im Mittelalter füllten sich auf Grund ihrer vielen Vorteile: Köln hatte im 13./14 Jh. ungefähr 50 000 Einwohner, Magdeburg 30 000, Lübeck 25 000 (um 1400), Bremen 20 000 (um 1350), Danzig und Nürnberg ungefähr 20 000 (im 15. Jh.); Hamburg, Braunschweig, Frankfurt am Main, Augsburg und vielleicht auch Lüneburg wiesen zwischen 10 000 und 18 000 Einwohner auf. Im Vergleich dazu konnten Brüssel 30 000, Paris 100 000, Florenz 55 000 (um 1340), Mailand 85 000 (Ende des 15. Jhs.), Peking 1200000 (um 1270) Einwohner vorzeigen. Neben diesen mittelalterlichen Großstädten gab es Mittelstädte mit 2 000 bis 10 000 Einwohnern wie Trier, Dortmund, Mainz, Emden, Osnabrück und Bonn. Aber den größten Teil der Städte (90 - 95%) machten, wie schon erwähnt, die Kleinstädte mit weniger als 2 000 Einwohnern aus. In der Blütezeit des deutschen Städtewesens lebten 25% der Deutschen in Städten


      http://www.asn-ibk.ac.at/bildung/faecher/geschichte/maike/mi…
      Avatar
      schrieb am 09.03.03 09:50:56
      Beitrag Nr. 29 ()
      Man achte im auf die Jahreangaben und die dazugehörigen Entwicklungen:


      Um Bürger zu werden, hatte man einen Bürgereid abzulegen, der zu bestimmten Zeiten wiederholt werden mußte, und seit der zweiten Hälfte des 12. Jhs. eine geringe Eintrittsgebühr zu zahlen.



      Im Laufe der Zeit kamen jedoch weitere Bedingungen hinzu. So mußte man schließlich von ehelicher Geburt sein,

      Haus- oder Grundbesitz oder ein Mindestvermögen vorweisen oder selbständig ein Handwerk ausüben können.

      Selbst die Kosten für die Aufnahmegebühr wurden immer höher und machten in vielen Städten im Spätmittelalter schließlich eine beträchtliche Summe aus.

      Das Bürgerrecht, in das in der Regel die Ehefrau und die unmündigen Kinder eines Bürgers eingeschlossen waren, war nicht erblich, d.h. die männlichen Kinder von Bürgern mußten ab dem 15./16. Lebensjahr selbst ihren Bürgereid leisten. In manchen Städten konnten auch die Frauen das Bürgerrecht erwerben, besaßen dann jedoch trotzdem keine politischen Rechte.

      Neben den Bürgern hatten auch die "Pfahlbürger" oder "Ausbürger" das Bürgerrecht. Sie lebten außerhalb der Stadt auf dem Lande und wollten durch den Erwerb des Bürgerrechtes nur den Schutz der Stadt gewinnen und an den städtischen Vorrechten teilhaben können. In einigen Städten forderte man von ihnen, daß sie, bevor sie Bürger wurden, ein Grundstück in der Stadt erwarben und dort mindestens in der Winterszeit einige Wochen verbrachten. Außerdem mußten sie wie die Bürger Steuern zahlen und, wenn sie in der Stadt waren, Wachdienst leisten. Adlige Herren, Geistliche und Juden dagegen erhielten im allgemeinen nur selten das Bürgerrecht zugestanden.

      Neben den Bürgern und Pfahlbürgern gab es noch die Nichtbürger oder "Mitwohner". In der Einwohnerschaft von Nürnberg im Jahre 1449 zählten 17583 zu den Bürgern (die Familienangehörigen wurden mitgezählt) und 1976 zu den Nichtbürgern.

      Diese Nichtbürger waren nicht vermögend genug, um das Bürgerrecht erwerben zu können. Trotz alledem waren sie steuer-, wehr- und gerichtspflichtig, da sie laut der Stadtherren an der gewerblichen Arbeit in der Stadt beteiligt waren. Als Nichtbürger hatte man es schwer, städtischen Grundbesitz zu kaufen oder in einer Gilde oder in einer Zunft Aufnahme zu finden. Ebensowenig konnte man politische Rechte erlangen.

      Avatar
      schrieb am 10.03.03 08:59:25
      Beitrag Nr. 30 ()
      DAS BRAKTEATENGELD IM MITTELALTERLICHEN EUROPA
      Zwischen dem 12. und 15. Jahrhundert wurde in Europa Geld verwendet, welches man Brakteaten nannte. Die jeweiligen Städte, Bischöfe oder Herrscher gaben es heraus. Dabei diente es nicht nur dem Austausch von Waren und Dienstleistungen, sondern auch als Mittel, Steuern zu erheben. Die dünnen Gold- und Silbermünzen wurden ein- bis dreimal jährlich "verrufen", d. h. eingezogen und durch neu geprägte Münzen ersetzt. Dabei wurden sie bis zu 25% abgewertet, und dieser Teil als "Schlagschatz" oder "Prägesteuer" einbehalten.

      Natürlich wollte niemand dieses Geld behalten. Stattdessen investierte man lieber in Möbel, gut gebaute Häuser, Kunstwerke und alles, was seinen Wert zu behalten oder sogar zu steigern versprach. In dieser Epoche entstanden einige der schönsten sakralen und weltlichen Kunstwerke und Bauten, und wir erinnern uns bis heute an diese Zeit als einen der kulturellen Höhepunkte der europäischen Geschichte. "Da es nicht möglich war, Geldreichtum anzusammeln, wurde statt dessen realer Reichtum geschaffen" (46). Handwerker hatten eine Fünftagewoche, der "blaue Montag" wurde eingeführt, und der Lebensstandard war hoch. Außerdem entstanden keine kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen den verschiedenen politischen Einflußsphären. Das ist der Grund, warum es über diese Epoche in den Geschichtsbüchern kaum Aussagen gibt. Geschichtsschreibung war und ist fast ausschließlich die Geschichte von Kriegen und Revolutionen.

      Weil es gleichzeitig der Eintreibung von Steuern diente und deshalb in regelmäßigen Abständen von seinem Wert verlor, war dieses Geld nicht beliebt. Deshalb wurde gegen Ende des 15. Jahrhunderts der sogenannte "ewige Pfennig" wieder eingeführt, ein Geld, das nicht entwertet wurde. Es gab wieder Zinsen, und in den Händen von immer weniger Leuten sammelte sich immer mehr Reichtum an, mit allen daraus folgenden sozialen und wirtschaftlichen Problemen. Die Fugger und Welser wurden immer reicher, die anderen gerieten immer tiefer in den Schuldensumpf, vom Kaiser bis zu den Bauern. Dieses Beispiel aus der Geschichte lehrt uns, daß Steuern getrennt und nicht zusammen mit der Umlaufgebühr des Geldes erhoben werden sollten.



      http://userpage.fu-berlin.de/~roehrigw/kennedy/kap4.html
      Avatar
      schrieb am 10.03.03 19:27:45
      Beitrag Nr. 31 ()
      Das Wirtschaftssystem, das wir heute als Kapitalismus bezeichnen, gibt es erst seit etwa 500 Jahren. Vorher spielte das Geld als Tauschmittel eine eher untergeordnete Rolle und in der Tat gab es auch Perioden und Regionen, in denen das Geld den Tauschobjekten sogar unterlegen war. Diese waren oft wirtschaftliche und kulturelle Blütezeiten in der Geschichte, wie etwa in Ägypten zur Zeit der Pharaonen, als dieses Land noch eine blühende Kornkammer war. Oder später im Hochmittelalter, etwa 1100 bis 1450, als dünne, einseitig geprägte Silbermünzen im Umlauf waren, Brakteaten genannt, die in mehr oder weniger regelmäßigen Zeitabständen "verrufen" wurden, d. h. sie mussten gegen neue Münzen umgetauscht werden, wobei die Geldbesitzer für 12 alte Münzen 9 neue bekamen. Freilich diente diese Methode damals nicht dazu, das Geld den Tauschobjekten gleichzustellen, sondern der Steuereintreibung. In dieser Ära entstanden viele neue Städte, in denen reges Leben herrschte. Das Handwerk blühte und viele gotische Dome legen noch heute Zeugnis von der Kulturblüte des Hochmittelalters ab.


      http://www.reformprogramm.de/artikel/artikel_mittelstaedt_ge…
      Avatar
      schrieb am 10.03.03 23:02:26
      Beitrag Nr. 32 ()
      Hey Kritiker, wo steckt ihr?


      Was ist, Zittrige Hand, bic-mac, spuersinn?

      Was ist mit dem Boom von 1100 bis 1450?

      Mit der unzähligen Städtegründung?

      Ist es nur Zufall, dass es eine Zeit mit Umlaufsicherung des Geldes statt Zinsen war?

      Lag es an der Unterdrückung auf dem Land,
      der draus entstehenden Landflucht und der damit einsetzenden beginnenden Arbeitsteilung?

      Wenn ja, woher kam die gewaltige Kaufkraft?

      Von den Reichen, die andere für sich arbeiten ließen?

      Die gab es vorher und hinterher auch!

      Woher kam der starke Handel, von denen man nie etwas in Geschichtsbüchern hört?

      Liegt es vielleicht doch an der Tatsache, dass die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes erhöht war?

      Das diese aus Gier sogar so weit erhöht wurde, dass die Menschen dies als störend empfanden und dankbar für einen "Ewigen Pfennig" waren, obwohl dieser die Zinswirtschaft wieder einführte?

      Wieso konnte man sich schon damals die nur wenige Jahrzehnte nach Einführung der Zinswirtschaft entstehende Krise nicht erklären?

      Obwohl einige Handelshäuser über so wie Macht verfügten wie die Fuggers z.B.?

      War es Zufall, dass dieser Zeit Staatsbankrotte und Kriege en massé folgten?

      Bis hin zum Dreißigjährigen Krieg von 1618-1648?

      Mit all dem verrückten menschlichem Wahnsinn der Inquisition?

      Den Millionen Toten?

      Das, was wir als Erinnerung des Mittelalters behalten haben?


      Wo ist die Erinnerung an die alte Zeit hin?

      Wieso lassen wir uns immer wieder die Zyklen der Zinswirtschaft aufdrängen?

      Die doch nur zwangsweise zum Krieg führt?
      Avatar
      schrieb am 11.03.03 09:23:56
      Beitrag Nr. 33 ()
      Sittin,

      auf heute übertragen,würde ich dir antworten,lass uns einen Baby-Boom auslösen;),Städtegründungen haben wir genug:)
      Avatar
      schrieb am 11.03.03 09:58:20
      Beitrag Nr. 34 ()
      Du verwechselst da leider Ursache und Wirkung.


      Jedenfalls von meinem Standpunkt aus.


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