Wirtschaftshemmnisse
Verkannte Gefahr: Handelsüberschuss bleibt nach wie vor in Trumps Fadenkreuz
In der Diskussion, ob deutsche Unternehmen kurzfristig vom Handelskrieg zwischen den USA und China profitieren könnten, darf nicht vergessen werden, dass der Handelsüberschuss Europas dem US-Präsidenten Donald Trump noch immer ein großes Ärgernis ist. Noch lässt Trump nur prüfen.
Eigentlich hatte die wallstreet:online-Redaktion Kapitalmarkt-Experten um Ihre Meinungen zu einer These von ifo-Forscherin Marina Steininger gebeten: "Die EU-Staaten könnten bei zusätzlichen US-Zöllen auf China-Importe mehr in die USA exportieren, wenn chinesische Exporte wegfallen. Jedoch halten sich sowohl die positiven Effekte für Deutschland, die EU und USA, als auch die negativen Konsequenzen für China in Grenzen", so Steininger.
Einige Experten wiesen aber auf ein viel dringlicheres Problem hin, dass die deutsche Wirtschaft in naher Zukunft schwer belasten könnte. Das Problem wird dann groß, wenn der US-Präsident sich entschließen sollte, weitere Strafzölle als Mittel gegen das US-Handelsdefizit gegenüber Europa einzusetzen.
Sahil Mahtani, Strategist bei Investec AM, bringt das Problem auf den Punkt: "Man geht davon aus, dass Präsident Trump das 110 Milliarden US-Dollar schwere US-Handelsdefizit mit der EU nicht aus den Augen verlieren wird. Dies ist nicht nur Theorie - die USA haben eine Untersuchung der Importe von Automobilen und Autoteilen eingeleitet, die auf eine Zollerhöhung von 20 bis 25 Prozent hindeutet. Selbst wenn die ifo-Wissenschaftlerin Recht hat und Europa von der Umleitung der Handelsströme profitiert, würde der Handelsüberschuss gegenüber den USA größer werden und die politische Bedeutung in Washington erhöhen. Es gibt nur wenige Möglichkeiten, hier zu gewinnen", so Mahtani.
Bernd Schmid, stellvertretender Geschäftsführer und Analyst bei The Motley Fool, bestätigt: "Ich halte das Szenario für nicht unwahrscheinlich: Die USA dehnt den Handelsstreit auf andere Länder mit hohen Handelsüberschüssen aus. So könnte es passieren, dass Deutschland und Europa zwar mehr nach China exportieren werden, aber dafür weniger in die USA. Wie sich die Beteiligten dann schlagen werden, hängt sehr stark von den konkreten Maßnahmen ab und welche Produkte es konkret treffen wird", meinte Schmid im Gespräch mit der wallstreet:online-Redaktion.
Für Carsten Roemheld, Kapitalmarktstratege bei Fidelity International, sind erneute Strafzollmaßen gegenüber Europäern in naher Zukunft ebenfalls vorstellbar: "Da die Handelspolitik der USA recht erratisch erscheint, ist es nicht unwahrscheinlich, dass auch die Beziehungen zu Europa bzw. Deutschland durch neue Zölle (z.B. in der Automobilindustrie) künftig in Mitleidenschaft gezogen werden", sagte Roemheld.
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Marco Wagner, Senior Economist bei der Commerzbank, prognostiziert, dass sich die Aussichten für deutsche Unternehmen während des Handelskrieges nicht verbessern werden - im Gegenteil: "Donald Trump wird sich perspektivisch auch mit der EU beschäftigen. Autozölle wurden bereits angedroht. Einem Handelskonflikt mit den USA werden wir nicht entgehen können", so Wagner.
Noch scheint der Burgfrieden von Biarritz zu halten. Es heißt, dass Trump und Bundeskanzlerin Angela Merkel auf dem G7-Gipfel versöhnliche Töne beim Thema Handel angeschlagen hätten. Leider kann sich die deutsche Wirtschaft vor dem Hintergrund der Unberechenbarkeit Trumps dafür nichts kaufen. Im Gegenteil, die ständige Unsicherheit hemmt u.a. notwendige Investitionsprojekte.
Autor: Christoph Morisse