Exklusiv

Wartet nach dem Corona-Crash schon die nächste Finanzmarkt-Krise? - Antworten eines Experten

Ist das Schlimmste bereits überstanden? Der Finanzexperte Christian Henke (Foto) von IG Europe, einem Anbieter für CFD-Trading, verrät im Exklusiv-Interview mit wallstreet:online, wie er die Lage für Anleger einschätzt.

wallstreet:online: Herr Henke, ist das Schlimmste vorbei? Inwiefern haben die Börsen bereits eine tiefe Rezession eingepreist, so dass wir den Mund abputzen und wieder investieren können?

Christian Henke: Infolge des Coronavirus hat sich die Börsenwelt verändert. Es bleibt fraglich, ob das Schlimmste trotz der jüngsten Erholung an den Aktienmärkte vorüber ist. Zwar könnte die Rezessionsangst in den Kursen eingepreist sein, allerdings stellt sich bereits jetzt die Frage, ob die durch staatliche Notkredite förmlich explodierte Staatsverschuldung einiger Staaten nicht die nächste Finanzmarktkrise auslösen könnte.

wallstreet:online: Nehmen wir mal an, dass wir jetzt die besten Kaufkurse seit dem Ende der Krise im Jahr 2009 sehen. Welche konkreten Chancen darf ich jetzt nicht verpassen?

Henke: Neben dem erwähnten Coronavirus könnte ein altbekannter Belastungsfaktor auf die Börsenbühne zurückkehren, nämlich der Handelskonflikt zwischen den USA und China. Unterhalb der charttechnischen Unterstützung bei 10.200 Punkten bestünde beim DAX die Gefahr einer W-Formation. Diese könnten Kursverluste bis zum Tief wie im März bei 8.250 Punkten zur Folge haben. Erst bei einer erfolgreichen Bodenbildung könnten sich für die Anleger Chancen ergeben.

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wallstreet:online: Große Indizes wie DAX und Dow Jones scheinen auf Aufholjagd zu sein. Inwiefern ist das der Start der ersehnten Rallye, an deren Ende vielleicht bis zum Jahresende alles wieder gut ist?

Henke: DAX und Dow Jones befinden sich zurzeit in einer Erholungsphase, wenngleich diese auf wackeligen Beinen steht. Mit anderen Worten: Es handelt sich momentan lediglich um eine Bärenmarktrallye. Zwar haben sich die Aktienmärkte mittlerweile von ihren Tiefstständen im März nach oben entfernt, aus technischer Sicht kann jedoch noch keine Entwarnung gegeben werden. Im Jahr 2009 hatte die Mehrheit der Indikatoren erst Monate später den Beginn einer neuen mittelfristigen Aufwärtsbewegung signalisiert. Dies könnte nun auch diesmal der Fall sein.

wallstreet:online: Auf der anderen Seite erleben wir einen Ansturm auf Gold. Warum lohnt es sich jetzt noch, auf einen signifikant steigenden Goldpreis zu setzen – oder ist das Thema durch?

Henke: Gold hat sich in der Corona-Krise als sicherer Hafen herausgestellt. Angesichts der Unsicherheiten an den Aktienmärkten dürfte sich daran nicht viel ändern. Gelingt noch der Sprung über den Widerstandsbereich bei 1.800 USD, könnte sogar das Rekordhoch aus dem Jahr 2011 bei 1.921 USD angesteuert werden.

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wallstreet:online: Zum Schluss – mit Verlaub – bitte ich um eine persönlichere Antwort: Wie steuern Sie als erfahrener IG-Market-Analyst durch die Krise? Was sind die wichtigsten drei Veränderungen im Rahmen Ihrer Portfolio-Strategien?

Henke: Als Analyst und Privatanleger halte ich zurzeit mein Pulver trocken und warte auf die erwähnte Bodenbildung und eine anschließende, nachhaltige Aufwärtsbewegung. Bleibt diese aus, werden keine Engagements in Aktien vorgenommen. Andere Assets wie beispielsweise Gold könnten dann bevorzugt werden.

Die Fragen stellte Christoph Morisse, wallstreet:online Zentralredaktion

Kurzvita von Christian Henke (Titelfoto):
Herr Henke ist seit 2001 im Finanzsektor tätig und hat sich bereits seit seinem Studium der Betriebswirtschaftslehre für das Thema Technische Analyse interessiert. Nach seinem Abschluss zum Certified Financial Technician (CFTe) arbeitete er als Aktienanalyst bei einer renommierten Bank in Düsseldorf. Neben der klassischen Chartanalyse gehören die Point & Figure Methode, gleitende Durchschnitte sowie Handelssysteme zu seinen Steckenpferden.

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