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Analysten befürchten neue Einbrüche - Seite 2
Gewinnprognosen sind zu hoch
Das liegt auch daran, dass die Gewinnprognosen für die Unternehmen viel zu hoch sind. Für den DAX zum Beispiel rechnen Analysten im Schnitt mit einem Rückgang des Gewinns um nur gut sechs Prozent in diesem Jahr, bei den Unternehmen im S&P 500 sind es gut neun Prozent. Das scheint zu niedrig angesetzt. Noch unrealistischer erscheinen die Gewinnprognosen für das kommende Jahr. Hier rechnen Broker im Schnitt mit um mehr als 27 Prozent steigenden Gewinnen der DAX-Konzerne und einem 18-prozentigen Gewinnanstieg der Konzerne im S&P 500. Weil Unternehmen genauso wie Analysten die tatsächlichen Auswirkungen auf die Gewinne in aller Regel zunächst unterschätzen, kommt die bittere Wahrheit nur häppchenweise im Rahmen eines längeren Anpassungsprozesses ans Tageslicht. Von daher sind größere Krisen in der Regel nicht in wenigen Monaten oder gar Wochen beendet.
Längerer Lockdown = längere Krise
Das gilt in der aktuellen Lage umso mehr. Wenn die weltweiten Lockdown-Maßnahmen nicht im ersten Halbjahr beendet werden, wird die Weltwirtschaft um weitere drei Prozent schrumpfen, fürchtet der IWF. Und bei einer lahmgelegten Ökonomie bis 2021 werde der BIP-Verlust weitere acht Prozent größer ausfallen. Das Problem: Es ist nicht klar, ob die jetzt eingeleitete vorsichtige Aufhebung der Ausgangs- und Produktionsbeschränkungen tatsächlich der Anfang der Rückkehr zur Normalität ist. Die Maßnahmen werden ja nur deswegen gelockert, weil die Infektionsraten mit dem Coronavirus sinken. Wenn sie nach den Lockerungen erneut anziehen, wird der Lockdown wieder verschärft. Selbst die Wiedereröffnung der Wirtschaft führt nicht sofort wieder auf das Vorkrisenniveau zurück. So zeigt sich zum Beispiel in Asien, dass die Verbraucher trotz Öffnung der Geschäfte nicht einfach wieder zurückkehren.
Märkte ignorieren viel
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Genau diese Unsicherheit ist der Grund dafür, dass die meisten Unternehmen vorsichtig bleiben und keine Gewinnprognosen für das laufende Jahr abgeben. Doch auch das scheinen die Märkte zu ignorieren – ebenso wie die Tatsache, dass allein in Europa rund ein Viertel der Unternehmen bereits Dividendenkürzungen angekündigt hat. Auch kursstützende Aktienrückkäufe, beliebt vor allem in den USA, werden weniger. Dass seit Mitte März in Europa ausgerechnet der besonders gebeutelte Branchenindex für Reisen und Freizeit um mehr als 20 Prozent gestiegen ist – und damit fast doppelt so viel wie der breite europäische Aktienindex STOXX Europe 600 – lässt da umso mehr aufhorchen. Ebenso legte die Autobranche mehr zu als der breite Index, obwohl bei den Verbrauchern wohl eher Zurückhaltung bezüglich Neuanschaffungen zu erwarten ist.