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    Interview mit Gerd Kommer  4181  0 Kommentare „Deutsche reden viel von Inflation und tun nichts dagegen“

    Dr. Gerd Kommer ist einer der angesehensten Experten für Kapitalanlage-Themen in Deutschland. Rainer Zitelmann sprach mit ihm über das Thema Inflation und Geldanlagestrategie.

    Zitelmann: Viele Deutsche machen sich verständlicherweise Sorgen, wie sie ihre Heizrechnung bezahlen sollen oder über steigende Lebensmittelpreise. Unverständlich ist jedoch, dass sie sich weniger Sorgen um ihre Altersvorsorge machen, obwohl viele Deutsche auf Kapitallebensversicherungen und ähnliche Vorsorgeformen gesetzt haben. Was bedeutet es für einen Bürger, der jetzt zum Beispiel 100.000 Euro ausgezahlt bekommt, wenn die Inflation noch einige Jahre zwischen 5 und 10 Prozent bleiben sollte?

    Kommer: Was Inflation angeht besteht die wichtigste Frage für einen Privathaushalt meines Erachtens nicht darin, ob er 2022/2023 eine doppelt so hohe Gasrechnung zu zahlen hat wie letztes Jahre, sondern darin, wie Inflation seine Altersvorsorge über die nächsten zwanzig, dreißig oder vierzig Jahre schädigen kann und wie er dieses Problem angeht oder nicht angeht. Deutsche Privathaushalte sind wahrscheinlich die globalen Weltmeister in der Disziplin "über Inflation reden" und gleichzeitig Tabellenletzter in der Disziplin "konkret etwas gegen Inflation tun". Zur Illustration des Effektes von Inflation ein Zahlenbeispiel: Angenommen Marlene hat eine Lebensversicherung bei der Allianz. Marlene ist heute 40 Jahre alt und die Allianz hat ihr kürzlich geschrieben, dass sie auf der Basis ihrer bisherigen Einzahlungen mit 60 die Erlebensfallsumme von 100.000 Euro zu erwarten hat. Unterstellen wir die durchschnittliche Inflation wäre über die nächsten 20 Jahre 1,6% jährlich – so wie in den letzten zwei Jahrzehnten. Dann hätten diese 100.000 Euro im Jahr 2042 die Kaufkraft von heute 73.000 Euro. Schlecht genug. Wenn die Inflation hingegen dauerhaft auf durchschnittlich 5 Prozent steigt, dann sinkt diese Kaufkraft auf 38.000 Euro. Gegenüber diesem Kaufkraftverlust ist die Erhöhung bei der nächsten Gasrechnung Pillepalle.

    Zitelmann: Im Unterschied beispielsweise zu Amerikanern setzen die Deutschen weniger auf Aktien. Ist das jetzt durch die Inflation ein noch größeres Problem geworden?

    Kommer: Ja, in den USA besitzen rund 50% aller Haushalte Aktien, in Deutschland nur 15% und in der unteren Einkommenshälfte fast gar niemand. Über 70% des liquiden Vermögens der Deutschen besteht aus Bankguthaben, kapitalbildenden Lebensversicherungen und privaten Rentenversicherungen. Diese drei renditearmen Anlagenformen funktionieren besonders schlecht im Kampf gegen Inflation. Mit anderen Worten, deutsche Haushalte werden von hoher Inflation stärker geschädigt als die Haushalte anderer Länder – wenn wir unser Anlageverhalten nicht ändern.

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    Rainer Zitelmann
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    Dr. Dr. Rainer Zitelmann ist Historiker, Politikwissenschaftler und Soziologe - und zugleich ein erfolgreicher Investor. Er hat zahlreiche Bücher auch zu den Themen Wirtschaft und Finanzen* geschrieben und herausgegeben, viele davon sind in zahlreiche Sprachen übersetzt worden. * Werbelink
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    Verfasst von Rainer Zitelmann
    Interview mit Gerd Kommer „Deutsche reden viel von Inflation und tun nichts dagegen“ Dr. Gerd Kommer ist einer der angesehensten Experten für Kapitalanlage-Themen in Deutschland. Rainer Zitelmann sprach mit ihm über das Thema Inflation und Geldanlagestrategie.

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