Interview mit Gerd Kommer
„Deutsche reden viel von Inflation und tun nichts dagegen“ - Seite 2
Zitelmann: Viele haben Angst auf Aktien zu setzen, weil sie denken, die Bewertungen sind immer noch sehr hoch – und manche prophezeien gar einen Riesencrash.
Kommer: Das Bewertungsniveau des globalen Aktienmarkts, z. B. des MSCI World Index, liegt heute, Ende Oktober 2022, nahe an seinem langfristigen historischen Mittelwert. Der deutsche Aktienmarkt ist sogar billiger als sein historisches Mittel. Crash-Propheten gibt’s immer, egal wo der Markt gerade steht, und in Deutschland sind wir mit diesen zweifelhaften "Experten" und berufsmäßigen Dauerpessimisten leider besonders reichlich gesegnet. Aus Bewertungssicht gibt es aktuell jedenfalls keinen Grund, nicht in den Aktienmarkt einzusteigen – am besten über breit gestreute, breit diversifizierte ETFs in den globalen Aktienmarkt. Wen auch dieses Argument nicht überzeugt, der kann seinen Einstieg ja über 18 Monate auf fünf gleiche Teiltranchen alle drei Monate strecken. In diesen Zeiten ist fast alles besser als am Spielfeldrand stehen zu bleiben und sein Vermögen von der Inflation auffressen zu lassen. Ein Crash kann – paradoxerweise – sogar vorteilhaft für Anleger sein.
Zitelmann: Auch wenn Sie es nicht für wahrscheinlich halten, niemand kann einen großen Finanzcrash ausschließen. Ist es da nicht gut, sozusagen als „Versicherung“ gegen Inflation und Finanzcrash einen Teil des Geldes in Gold anzulegen?
Kommer: Wer bis zu zehn Prozent seines Gesamtvermögens in Gold anlegen will, sollte das tun, wenn er oder sie von Gold als Vermögensanlage überzeugt ist. Die langfristige Rendite von Gold ist zwar niedriger als die von Aktien und die Wert- oder Renditeschwankungen von Gold sind eher höher als die von Aktien, aber in einer inflationären Krise oder in einer schweren weltpolitischen Krise kann Gold eine Absicherung im Depot bringen.
Zitelmann: Inflationsindexierte Anleihen sind Anlagen, die viele Menschen gar nicht kennen. Können Sie in wenigen Worten erklären, wie die funktionieren?
Kommer: Bei inflationsgeschützten Anleihen ("IGAs") – die der Staat ausgibt – bekommt der Anleger zunächst einmal eine deutlich niedrigere Zinszahlung ("Coupon") als bei einer konventionellen Anleihe. Auf diesen niedrigeren, "realen" Coupon kommt aber bei jeder Zinszahlung ein Aufschlag in Höhe der Inflation des vorherigen Halbjahrs, so dass man als Anleger in dieser Hinsicht immer die Inflation hereinverdient. Das klingt erst einmal verlockend. Zugleich heißt es aber keineswegs, dass man mit IGAs kein Geld verlieren kann und es heißt auch nicht, dass man mit IGAs immer eine positive Rendite nach Abzug der Inflation erzielt.