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    Interview mit Gerd Kommer  4201  0 Kommentare „Deutsche reden viel von Inflation und tun nichts dagegen“ - Seite 3

    Zitelmann: Sie sprechen das Problem an, dass bei inflationsindexierten, genauso wie bei konventionellen Anleihen, wenn die Zinsen steigen die Kurse bereits bestehender Anleihen fallen, besonders bei langlaufenden Anleihen. Wie sieht es bei Anleihen mit mittlerer Laufzeit (3-4 Jahre) aus?

    Kommer: Genau. Dieses Problem besteht bei Anleihen mittlerer Laufzeit grundsätzlich in gleicher Weise, nur weniger stark. Generell kann man sagen, je länger die Restlaufzeit einer Anliehe, desto stärker ist sie dem so genannten Zinsänderungsrisiko ausgesetzt, also Kursverlusten aufgrund steigernder Zinsen. Für IGAs gilt dieses Grundprinzip auch, allerdings in etwas abgeschwächter Form. Natürlich ist Zinsänderungsrisko immer auch Zinsänderungschance. In den rund 40 Jahren von 1980 bis 2021 haben Anleiheanleger von diesem Mechanismus stark profitiert, weil die Zinsen in diesen vier Jahrzehnten in den meisten Jahren immer weiter fielen. Das produzierte für Anleihenanleger jedes Mal schöne Kursgewinne, zusätzlich zu den Zinsen. Aber jetzt sind die Zinsen nun einmal sehr niedrig und dürften auf lange Sicht eher weiter steigen. Soweit das zutrifft, werden die anziehenden Zinsen Kursverluste bei Anleihen produzieren.

    Zitelmann: Normalerweise empfehlen Sie ETF-Fonds, aber bei Anleihen sind die vielleicht nicht so attraktiv, weil sie oft in Anleihen mit langer Restlaufzeit investieren. Ist es da nicht besser, direkt in solche Anleihen zu investieren?

    Kommer: Ja, einzelne inflationsgeschützte Anleihen zu kaufen kann da besser sein. Das Angebot an ETFs auf inflationsgeschützte Anleihen in Deutschland ist sehr beschränkt. Die meisten dieser ETFs enthalten Anleihen mit zu langen Restlaufzeiten, also zu viel Zinsänderungsrisiko, und viele beinhalten Wechselkursrisiken und bilden kurioserweise die US-Inflation in Dollar oder die britische Inflation in Pfund ab. Das passt auf einen normalen Privatanleger in Deutschland natürlich nicht.

    Zitelmann: Oft hört man, „Sachwerte“ seien gut gegen die Inflation. Sie halten nicht viel von dem Begriff. Warum nicht?

    Kommer: Der Begriff Sachwert macht aus wissenschaftlicher Sicht eher wenig Sinn. Er ist ein altes Marketing-Gimmik der Finanzbranche in den deutschsprachigen Ländern. In dieser Bezeichnung sind – so wie sie hierzulande gebraucht und verstanden wird – einige üble Fehler eingebacken, z. B. dass Sachwerte eigentumsrechtlich Vorteile vor Nicht-Sachwerten hätten oder dass Sachwerte grundsätzlich besser vor Inflation schützten als Nichtsachwerte. So ist die von Sachwerte-Fans verbreitete These, dass Sachwerte irgendwie mehr Schutz vor staatlicher Willkür, beispielsweise Enteignung oder Steuererhöhungen, böten als Nichtsachwerte, ganz einfach Nonsens. Bezeichnenderweise existiert im Englischen keine echte Entsprechung für das deutsche Wort "Sachwerte". Vielleicht, weil die Angelsachsen, wenn es um Geld geht, rationaler sind als wir. Im Englischen gibt es die, allerdings relativ selten verwendete Bezeichnung Real Assets in Abgrenzung zu Financial Assets. Real Asset hat jedoch eine engere Bedeutung als das deutsche "Sachwert".

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    Rainer Zitelmann
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    Dr. Dr. Rainer Zitelmann ist Historiker, Politikwissenschaftler und Soziologe - und zugleich ein erfolgreicher Investor. Er hat zahlreiche Bücher auch zu den Themen Wirtschaft und Finanzen* geschrieben und herausgegeben, viele davon sind in zahlreiche Sprachen übersetzt worden. * Werbelink
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    Verfasst von Rainer Zitelmann
    Interview mit Gerd Kommer „Deutsche reden viel von Inflation und tun nichts dagegen“ - Seite 3 Dr. Gerd Kommer ist einer der angesehensten Experten für Kapitalanlage-Themen in Deutschland. Rainer Zitelmann sprach mit ihm über das Thema Inflation und Geldanlagestrategie.

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