Hüfners Wochenkommentar
"Vier Gründe weshalb die Investitionslücke doch sehr schlimm ist" - Seite 2
Zweitens wird die Bedeutung der Investitionslücke heruntergespielt, weil Deutschland hier nicht allein ist. Nach Berechnungen des Institute of International Finance geht die Investitionsquote in fast allen großen Industrieländern zurück. Am stärksten ist das neben Deutschland in Großbritannien, Japan und Italien der Fall, etwas weniger in den USA und Frankreich.
Das ist aber nur ein geringer Trost. Es heißt lediglich, dass die Investitionslücke nicht so sehr die Wettbewerbsfähigkeit auf den Weltmärkten beeinträchtigt. Es heißt aber nicht, dass wir genug für die Zukunft tun. Ein Fehler wird nicht dadurch besser, dass andere ihn auch begehen.
Drittens halten manche eine sinkende Investitionsquote für unabänderlich. Die Höhe der Investitionen hänge – so wird gesagt – ab von der Höhe des Wachstums. Wenn die Volkswirtschaften nicht mehr so schnell expandieren, müssen sie auch nicht mehr so viel für Maschinen und Ausrüstungen ausgeben. Tatsächlich geht die Wachstumsrate in den Industrieländern schon seit einiger Zeit zurück. Die Gründe sind bekannt: Die demografische Alterung, die zunehmende Sättigung der Konsumenten, die Verlangsamung des technischen Fortschritts, vielleicht auch die zunehmende Abkehr vom Wachstumsdenken in der Gesellschaft.
Auch das ist nicht richtig. Natürlich hängt die Investitionsquote von der gesamtwirtschaftlichen Wachstumsrate ab. Aber viel wichtiger ist der umgekehrte Zusammenhang: Das Wachstum ist deshalb so schwach, weil so wenig investiert wird. Damit entstehen überhaupt erst die großen Probleme, die uns in den kommenden Jahren zum Beispiel durch die Alterung in der Gesellschaft ins Haus stehen. Die Gesellschaft braucht daher nicht weniger Investitionen, sondern mehr, auch um mehr Wachstum zu schaffen.
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Viertens heißt es, niedrige Investitionsquoten könne man gar nicht ändern. Sie seien Symptome gesellschaftlicher Veränderungen. Wenn die Menschen in zunehmend kürzeren Fristen denken, wenn die heutige Rendite für den Kapitalmarkt wichtiger ist als die langfristige Befriedigung von Kundenbedürfnissen, wenn der marktwirtschaftliche Handlungsspielraum durch bürokratische Eingriffe zunehmend enger wird, wenn sich die Regeln der Marktwirtschaft immer öfter ändern – dann sollte man sich nicht wundern, wenn sich die Unternehmen scheuen, das Risiko langfristiger Investitionen auf sich zu nehmen. Die Schlussfolgerung heißt dann aber nicht Nichtstun. Sie besagt nur, dass es nicht reicht, an dieser oder jener Schraube zu drehen und beispielsweise die Abschreibungsbedingungen zu verbessern. Es geht vielmehr darum, die gesellschaftlichen Veränderungen zu korrigieren und den marktwirtschaftlichen Kompass wieder zu justieren. Das ist natürlich schwer. Lassen Sie sich also nicht mit falschen Argumenten beruhigen. Es führt kein Weg daran vorbei, dass die Investitionslücke beseitigt werden muss, wenn die Wirtschaft wieder auf gesunde Bahnen zurückgeführt werden soll.