Das unterschätzte Finanzmarktrisiko: Der Zerfall Europas - Seite 2
Der radikale Verlust an fiskalischer und geldpolitischer Stabilität ist schon schlimm genug. Unsere zinslose Altersvorsorge wird uns noch ebenso auf die Füße fallen wie die Torpedierung unserer Privatwirtschaft über Reformfaulheit. Ich nenne das den schleichenden Wirtschafts-Tod Europas.
Die Renationalisierung in Europa ist wieder da
Doch selbst das ist nichts gegen ein noch viel größeres Problem. Denn Europa sieht sich mit der größten Krise seit Ende des II. Weltkriegs, einer Existenzkrise bedroht. In der solidarischen Bewältigung der Flüchtlingskrise zeigt die so hochgelobte christliche Wertegemeinschaft eher Züge des Antichristen. In puncto Hand aufhalten, bei Finanzhilfen für schwache Länder und der Finanzierung einer erhöhten Nato-Präsenz in Osteuropa gegen den vermeintlich bösen Ivan sind alle froh, dass Deutschland sein Portemonnaie aufgemacht hat. Und um Griechenlands Verbleib in der Eurozone zu sichern, hatte niemand auch nur Spuren von Gewissensbissen, dass Deutschland seine geradezu goldenen Maastricht-Stabilitätskriterien aufgeben musste, die die Bedingungen für die Aufgabe der Deutschen Mark und die Annahme des Euros waren. Deutschland muss sich vorkommen wie Hans im Glück, der am Anfang einen großen Klumpen Gold besaß und zum Schluss gar nichts mehr.
Aber jetzt, wo wir nach Solidarität fragen, stellen die anderen EU-Staaten die Ohren auf Durchzug. Ja, die Hand die gibt, ist die erste, die gebissen wird. Wir erleben Staatsversagen auf allerhöchster europäischer Ebene. Nicht zuletzt ergeben sich jetzt ganz neue Machtverhältnisse. Da Griechenland als unmittelbarer Frontstaat zur Bewältigung der Flüchtlingskrise bedeutend ist, kann der griechische Ministerpräsident vollmundig Forderungen aufstellen und seinen Reformeifer auf Schneckentempo drosseln. Die Euro-Hegemonialmacht leidet unter Machtverlust: Heute ist Alexis Tsipras mächtiger als Angela Merkel.
Regellos durch die EU-Nacht
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Es ist ein unhaltbarer Zustand, dass in der EU Regel- und Gesetzesbruch in puncto Grenz- und Asylfragen an der Tagesordnung sind. An dieser Entwicklung trägt die deutsche Politik aber selbst große Schuld: Wer die entsprechenden Regeln selbst bricht, gibt anderen ja geradezu ein Alibi, sich ebenfalls rechtswidrig zu verhalten. Und wenn Europa sich schon nicht an Regeln hält, wie schwer muss es dann sein, eine Verteilung von Flüchtlingen oder die Sicherung von EU-Außengrenzen auf moralischer Basis zu erreichen?