"Tag der Befreiung"?
Der 8. Mai 1945 in der deutschen Geschichte - Seite 2
"'Im Grunde genommen bleibt dieser 8. Mai 1945 die tragischste und fragwürdigste Paradoxie für jeden von uns. Warum denn? Weil wir erlöst und vernichtet in einem gewesen sind.' Die Paradoxie des 8. Mai, die der erste Bundespräsident unserer Republik, Theodor Heuss, so treffend charakterisierte, tritt zunehmend in den Hintergrund. Einseitig wird der 8. Mai von Medien und Politikern als ‚Befreiung' charakterisiert. Dabei droht in Vergessenheit zu geraten, dass dieser Tag nicht nur das Ende der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft bedeutete, sondern auch den Beginn von Vertreibungsterror und neuer Unterdrückung im Osten und den Beginn der Teilung unseres Landes. Ein Geschichtsbild, das diese Wahrheiten verschweigt, verdrängt oder relativiert, kann nicht Grundlage für das Selbstverständnis einer selbstbewussten Nation sein, die wir Deutschen in der europäischen Völkerfamilie werden müssen, um vergleichbare Katastrophen künftig auszuschließen." So weit der Anzeigentext.
Kontroverse Reaktionen
Zu den prominenten Ernstunterzeichnern gehörten der damalige Entwicklungshilfeminister Carl-Dieter Spranger (CSU) und der Ehrenvorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Alfred Dregger sowie der
ehemalige Bundesminister Hans Apel (SPD). Unterschriften kamen auch von den ehemaligen Landesministern der CSU bzw. CDU, Peter Gauweiler und Heinrich Lummer, vom ehemaligen Bundesminister Friedrich
Zimmermann (CSU), einigen FDP-Politikern wie Alexander von Stahl, Heiner E. Kappel und Hans-Manfred Roth sowie dem einstigen bayerischen FDP-Vorsitzenden und damaligen Chef des Bundes Freier
Bürger, Manfred Brunner. Auch eine ganze Reihe anderer Persönlichkeiten, etwa Professoren wie der bekannte Soziologe Erwin Scheuch oder General a.D. Günter Kießling unterschrieben.
Der Aufruf geriet umgehend zum Politikum. Der Sprecher der Bundesregierung, Peter Hausmann, äußerte ausdrücklich Verständnis für den Aufruf. An den 8. Mai, so der Regierungssprecher, knüpften sich viele Gefühle. Er sei ein Tag der Befreiung, aber auch der Trauer um die Opfer des Holocausts und auf den Schlachtfeldern. Für viele Menschen verbinde sich mit diesem Tag zudem die Erinnerung an den Beginn der Vertreibung. "Es gibt nicht nur ein Gefühl, das an diesem Tag herrscht", sagte der Regierungssprecher.