Die Angst-Industrie - 500 Beiträge pro Seite
eröffnet am 29.10.06 00:07:09 von
neuester Beitrag 29.10.06 09:36:15 von
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Fernsehen
Bei Katastrophen unbedingt Ruhe bewahren
Vogelgrippe, Feinstaub, Rinderwahnsinn sind unschöne Dinge. Aber ihre Wirkung wird überschätzt. Die ARD-Dokumentation "Die Angst-Industrie" untersucht die Mechanik der Massenhysterie.
Berlin - Gammelfleisch? Ach nö, nicht schon wieder. Das wird doch langweilig. Mensch, was macht eigentlich die gute alte Geflügelpest?
Es ist Oktober. Nun müssten doch unsere gefiederten Freunde in Schwärmen von Himmel plumpsen. Wieso hört man nichts? Was ist da los? Warum wird nicht wieder mal ein Putenstall weggekeult? Verschweigt die Regierung etwas?
Der Mangel an Vogelgrippenhysterie kann einen geradezu hysterisch machen. Zum Glück gibt es Alternativen, um sich einen grauen Herbst halloweeniger zu gestalten: Gen-Tomaten oder Elektrosmog sind auch gruselig. Und Feinstaub ist immer eine feine Sache.
Was Erregungssüchtige allerdings meiden sollten, ist das heutige ARD-Nachtprogramm. Dort versucht der renommierte Wissenschaftsjournalist Tilman Achtnich, seinen Zuschauern ihre liebsten Panikattacken auszutreiben. Er tut dies mit ernüchternden Zahlen, Fakten und Vergleichen. Mit Hilfe eines Risikoforschers, eines Statistikers, eines Mediziners und eines Mikrobiologen analysiert Achtnich in seinem Dokumentarfilm "Die Angst-Industrie", wie viele Leben wohl schon durch BSE-Forschungen, TÜV-Plaketten und Asbestsanierungen gerettet worden sind.
Seine Antwort verstört: Rinderwahnsinn, Asbest-Lungen, Achsenbrüche bei Tempo 140 - ja, tatsächlich, all diese Gefahren gibt es. Aber sie werden maßlos überschätzt. Sie werden aufgewärmt und hoch gekocht - nicht nur, aber auch, damit Interessengruppen ihr Süppchen damit zubereiten können. Der Katastrophennormalverbraucher, so Achtnich in aller Gelassenheit, möge lieber darauf achten, nicht vom Blitz erschlagen zu werden. Sein Film erzählt davon, wie absurd es ist, geringste Risiken mit riesigem Aufwand weiter zu minimieren und dann keine Mittel mehr für viel größere, aber weniger telegene Gefahren zu haben.
Zur bisweilen bizarren Diskrepanz zwischen Bedrohungen und Bedrohungsgefühlen tragen natürlich die Medien bei. Krachige Schlagzeilen entstehen allerdings nicht nur aus Sensationsgier und Quotendruck, sondern auch, weil Journalisten sich gern als kritische Mahner und Warner verstehen.
Der gewöhnliche Medienverbraucher wiederum ist kaum in der Lage, die verschiedenen Alarmglocken zu sortieren. Er weiß nicht, dass SARS-Killerviren für Deutschland bis jetzt nur ein theoretisches Problem sind, während auf hiesigen Intensivstationen jedes Jahr Menschenmassen an kostengünstig vermeidbaren Krankenhausinfektionen zugrunde gehen. Stellt man noch in Rechnung, wie viele Zeitgenossen einerseits rauchen und andererseits dem abenteuerlichsten Nepp zur Abwehr von Elektrosmog aufsitzen, dann möchte man folgern, dass die Aufklärung seit 300 Jahren kaum noch vorangekommen ist.
Besorgte Experten, lärmende Medien, nervöse Massen. - Da müssen Politiker handeln. Etwas muss passieren, sofort, und irgendwas geschieht dann auch: Als im Winter tote Schwäne im Bodden lagen, mussten alle Fahrzeuge beim Verlassen der Insel Rügen durch eine Desinfektionswanne. Vögel weigerten sich leider, die Bundesstraße zu benutzen
Auch die Wissenschaft ist nicht unbedingt unabhängig genug, um Risiken sachlich abzuwägen. Oder kann man von einem Prionenforscher verlangen, dass er seinen Auftraggebern erklärt, Passivrauchen sei viel gefährlicher als BSE? Auch die Baufirmen, die sich auf verzichtbare Asbestsanierungen spezialisiert haben, drehen sich nicht selbst den Geldhahn zu.
Politiker können ebenfalls schlecht zurück, weil sie zugeben müssten, von Tuten und Blasen keine Ahnung zu haben. Die Medien wiederum haben zu viel mit den schlechten Nachrichten von heute zu tun, als dass sie sich noch darum kümmern können, was aus denen von gestern geworden ist. Das heißt, bei vielen Hysterien gibt nur eine Hoffnung: die, dass sie irgendwann in aller Stille entschlafen.
Mag sein, dass Tilman Achtnichs Argumentation mitunter arg verkürzt wirkt. Mag sein, dass er auch mit Politikern, Medienmachern und Angstgewinnlern hätte reden sollen, schon um den Titel seines Films zu rechtfertigen. Mag sein, dass der Mensch ein Emotionsbündel ist und die reine Vernunft ohnehin nicht siegen wird. - Dennoch darf das Gefühlswesen gelegentlich sein Gehirn benutzen, und in diesem Sinne trägt die Dokumentation einiges zur Volksbildung bei. Leider erst kurz vor Mitternacht. Die besseren Plätze sind - nicht nur im Fernsehen - für Katastrophenmeldungen reserviert.
Die Angst-Industrie, 23.55 Uhr, ARD
Artikel erschienen am 25.10.2006
http://www.welt.de/data/2006/10/25/1085205.html
WELT.de 1995 - 2006
Bei Katastrophen unbedingt Ruhe bewahren
Vogelgrippe, Feinstaub, Rinderwahnsinn sind unschöne Dinge. Aber ihre Wirkung wird überschätzt. Die ARD-Dokumentation "Die Angst-Industrie" untersucht die Mechanik der Massenhysterie.
Berlin - Gammelfleisch? Ach nö, nicht schon wieder. Das wird doch langweilig. Mensch, was macht eigentlich die gute alte Geflügelpest?
Es ist Oktober. Nun müssten doch unsere gefiederten Freunde in Schwärmen von Himmel plumpsen. Wieso hört man nichts? Was ist da los? Warum wird nicht wieder mal ein Putenstall weggekeult? Verschweigt die Regierung etwas?
Der Mangel an Vogelgrippenhysterie kann einen geradezu hysterisch machen. Zum Glück gibt es Alternativen, um sich einen grauen Herbst halloweeniger zu gestalten: Gen-Tomaten oder Elektrosmog sind auch gruselig. Und Feinstaub ist immer eine feine Sache.
Was Erregungssüchtige allerdings meiden sollten, ist das heutige ARD-Nachtprogramm. Dort versucht der renommierte Wissenschaftsjournalist Tilman Achtnich, seinen Zuschauern ihre liebsten Panikattacken auszutreiben. Er tut dies mit ernüchternden Zahlen, Fakten und Vergleichen. Mit Hilfe eines Risikoforschers, eines Statistikers, eines Mediziners und eines Mikrobiologen analysiert Achtnich in seinem Dokumentarfilm "Die Angst-Industrie", wie viele Leben wohl schon durch BSE-Forschungen, TÜV-Plaketten und Asbestsanierungen gerettet worden sind.
Seine Antwort verstört: Rinderwahnsinn, Asbest-Lungen, Achsenbrüche bei Tempo 140 - ja, tatsächlich, all diese Gefahren gibt es. Aber sie werden maßlos überschätzt. Sie werden aufgewärmt und hoch gekocht - nicht nur, aber auch, damit Interessengruppen ihr Süppchen damit zubereiten können. Der Katastrophennormalverbraucher, so Achtnich in aller Gelassenheit, möge lieber darauf achten, nicht vom Blitz erschlagen zu werden. Sein Film erzählt davon, wie absurd es ist, geringste Risiken mit riesigem Aufwand weiter zu minimieren und dann keine Mittel mehr für viel größere, aber weniger telegene Gefahren zu haben.
Zur bisweilen bizarren Diskrepanz zwischen Bedrohungen und Bedrohungsgefühlen tragen natürlich die Medien bei. Krachige Schlagzeilen entstehen allerdings nicht nur aus Sensationsgier und Quotendruck, sondern auch, weil Journalisten sich gern als kritische Mahner und Warner verstehen.
Der gewöhnliche Medienverbraucher wiederum ist kaum in der Lage, die verschiedenen Alarmglocken zu sortieren. Er weiß nicht, dass SARS-Killerviren für Deutschland bis jetzt nur ein theoretisches Problem sind, während auf hiesigen Intensivstationen jedes Jahr Menschenmassen an kostengünstig vermeidbaren Krankenhausinfektionen zugrunde gehen. Stellt man noch in Rechnung, wie viele Zeitgenossen einerseits rauchen und andererseits dem abenteuerlichsten Nepp zur Abwehr von Elektrosmog aufsitzen, dann möchte man folgern, dass die Aufklärung seit 300 Jahren kaum noch vorangekommen ist.
Besorgte Experten, lärmende Medien, nervöse Massen. - Da müssen Politiker handeln. Etwas muss passieren, sofort, und irgendwas geschieht dann auch: Als im Winter tote Schwäne im Bodden lagen, mussten alle Fahrzeuge beim Verlassen der Insel Rügen durch eine Desinfektionswanne. Vögel weigerten sich leider, die Bundesstraße zu benutzen
Auch die Wissenschaft ist nicht unbedingt unabhängig genug, um Risiken sachlich abzuwägen. Oder kann man von einem Prionenforscher verlangen, dass er seinen Auftraggebern erklärt, Passivrauchen sei viel gefährlicher als BSE? Auch die Baufirmen, die sich auf verzichtbare Asbestsanierungen spezialisiert haben, drehen sich nicht selbst den Geldhahn zu.
Politiker können ebenfalls schlecht zurück, weil sie zugeben müssten, von Tuten und Blasen keine Ahnung zu haben. Die Medien wiederum haben zu viel mit den schlechten Nachrichten von heute zu tun, als dass sie sich noch darum kümmern können, was aus denen von gestern geworden ist. Das heißt, bei vielen Hysterien gibt nur eine Hoffnung: die, dass sie irgendwann in aller Stille entschlafen.
Mag sein, dass Tilman Achtnichs Argumentation mitunter arg verkürzt wirkt. Mag sein, dass er auch mit Politikern, Medienmachern und Angstgewinnlern hätte reden sollen, schon um den Titel seines Films zu rechtfertigen. Mag sein, dass der Mensch ein Emotionsbündel ist und die reine Vernunft ohnehin nicht siegen wird. - Dennoch darf das Gefühlswesen gelegentlich sein Gehirn benutzen, und in diesem Sinne trägt die Dokumentation einiges zur Volksbildung bei. Leider erst kurz vor Mitternacht. Die besseren Plätze sind - nicht nur im Fernsehen - für Katastrophenmeldungen reserviert.
Die Angst-Industrie, 23.55 Uhr, ARD
Artikel erschienen am 25.10.2006
http://www.welt.de/data/2006/10/25/1085205.html
WELT.de 1995 - 2006
wenigstens hab ich Ahnung von Tuten und Blasen
Die Vertreter des Hardcore-Katastrophismus haben sich sogar zu einer Partei zusammen getan - Bündnis90/dieGrünen.
Naja, ganz bestimmt sind die Katastrophen-Junkies schon wieder an der nächsten Nummer.
Ohne solche Szenarien würde jedenfalls manches bei den Grünen nicht funktionieren.
War es für die alten Parteien der Eiserne Vorhang und der Kalte Krieg, sind es für die Grünen die Umwelt- und Verbraucher-Katastrophen, die die Leuten in Scharen in deren Arme treiben.
Ohne solche Szenarien würde jedenfalls manches bei den Grünen nicht funktionieren.
War es für die alten Parteien der Eiserne Vorhang und der Kalte Krieg, sind es für die Grünen die Umwelt- und Verbraucher-Katastrophen, die die Leuten in Scharen in deren Arme treiben.
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