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    Rot-Grün - Tragödie in 5 Akten - 500 Beiträge pro Seite

    eröffnet am 15.09.05 19:08:15 von
    neuester Beitrag 15.09.05 20:06:53 von
    Beiträge: 4
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      schrieb am 15.09.05 19:08:15
      Beitrag Nr. 1 ()
      Rot-Grünes Endspiel

      Handeln oder nicht handeln - das war hier die Frage. Sieben Jahre Regierung von SPD und Grünen gehen an diesem Sonntag voraussichtlich zu Ende.

      Eine Art Tragödie
      von Nikolaus Blome und Peter Dausend


      1. Akt, Exposition (Einleitung) Die handelnden Personen werden eingeführt, der dramatische Konflikt kündigt sich an.

      (Der Vorhang öffnet sich, es ist der 27. September 1998, der Tag, an dem Rot-Grün die Macht erobert) Gerhard Schröder, Oskar Lafontaine und Joschka Fischer feiern bis den Morgen hinein den rot-grünen Wahlsieg. Es ist eine etwas seltsame Feier, weil Schröder, der künftige Kanzler, und Lafontaine, der künftige Finanzminister, nicht unbedingt das erreicht haben, was sie erreichen wollten. Schröder wäre lieber Chef einer großen Koalition geworden. Und Lafontaine wäre lieber Schröder geworden. Heimlich will er das immer noch. In den Tagen bis zur Unterzeichnung des Koalitionsvertrages, am 20. Oktober, organisiert er sich daher ein Finanzministerium, das viel größer, viel mächtiger, viel einflußreicher sein soll als Finanzministerien bisher waren. Bereits in seiner ersten Regierungserklärung, am 10. November, setzt der frischgewählte Kanzler das zentrale Thema der Tragödie: den Kampf gegen die Arbeitslosigkeit. Schröder verspricht, die Zahl der Arbeitslosen signifikant zu senken, sein späteres Scheitern wird hier erstmals angedeutet.


      Die Aufmerksamkeit des Protagonisten verlagert sich in der Folgezeit aber von der Arbeitsmarkt- auf die Außenpolitik. Das Parlament spricht sich am 14. November für eine deutsche Beteiligung an einer Nato-Schutztruppe im Kosovo aus. Die uneingeschränkte Unterstützung des Nato-Kurses seitens der SPD stößt bei den Grünen auf scharfe Kritik. Erste Risse werden erkennbar.

      (Lafontaine, allein. Er öffnet eine Kiste Rotwein, Château du Pape) Nachdem sich die Handlung zuletzt in Nebensträngen zu verlieren drohte - die Regierung führte zum 1. Januar 1999 die volle Lohnfortzahlung im Krankheitsfall wieder ein und erhöhte das Kindergeld -, steuert sie nun, im März 1999, auf einen ersten Höhepunkt zu. Lafontaine muß zunächst bei einem Treffen der EU-Finanzminister erkennen, daß die Welt nicht darauf gewartet hat, sich von ihm mit einem neuen Finanzsystem beglücken zu lassen - und dann bei einem Treffen mit Schröder, daß der Kanzler nicht darauf gewartet hat, sich von ihm Befehle erteilen zu lassen. Am 11. des Monats wirft Lafontaine hin, den Posten als Finanzminister - den Vorsitz der SPD auch (Lafontaine ab nach Saarbrücken).

      2. Akt, Komplikation (Steigerung) Steigende Handlung - mit erregendem Moment. Die Situation verschärft sich. (Ein Karussell unweit des Kanzleramts, die Minister stehen Schlange) Gleich zu Beginn des 2. Aktes überschlagen sich die Ereignisse. Binnen weniger Monate wird ein Großteil der Nebenfiguren um den Protagonisten Schröder ausgetauscht. So treten die Minister Hombach, Naumann, Fischer (Andrea) und Funke (Karl-Heinz) ab - und die Minister Steinmeier, Nida-Rümelin, Schmidt (Ulla) sowie Künast (Renate) auf. Für den comic relief, das befreiende Lachen im Tragischen, sorgt der ehemalige saarländische Ministerpräsident Reinhard Klimmt: Er wird Verkehrsminister und fliegt gleich mal - und zwar aus dem Kabinett. (Klimmt ab nach Saarbrücken.) (Der Kanzler vor der Fraktion) Weitere Personal-Rochaden sorgen für Aufsehen. So wird Schröder am 12. April 1999 zum SPD-Vorsitzenden gewählt - und Franz Müntefering am 17. September zum SPD-Generalsekretär. Rot-grüne Prestige-Projekte nehmen im gleichen Zeitraum Gestalt an: Die erste Stufe der Ökosteuer tritt in Kraft, der Atomausstieg wird beschlossen. Und als es dem Kanzler gelingt, aus der Blockadefront der Union im Bundesrat zwei Steine rauszubrechen und damit am 14. Juli 2000 die größte Steuerreform der deutschen Nachkriegsgeschichte zu beschließen, scheinen die schweren Tage von Rot-Grün vorüber. Zumal die Union unter den Nachwehen ihrer Spendenaffäre leidet und das New-Economy-Boomjahr 2000 Hans Eichel, dem Sparstar im Kabinett, ewig volle Kassen verspricht. "Maß für Maß", lautet das Eichel-Motto dieser Tage - nur um später von einem "Was ihr wollt" abgelöst zu werden. Doch spätestens mit dem 11. September 2001 sind die schönen Tage von Berlin-Mitte vorbei. Kurz zuvor bereits, am 29. August, stimmte der Bundestag zwar für den Einsatz der Bundeswehr in Mazedonien im Rahmen der Nato-Aktion "Essential Harvest" - doch erstmals konnte sich der Kanzler dabei nicht auf eine eigene Mehrheit stützen. Mit den Terroranschlägen in den USA und der anschließenden Weltwirtschaftsflaute verschlimmern sich nicht nur die Finanznöte - auch der Kanzler gerät in Not. Nur in Verbindung mit der Vertrauensfrage kann er am 16. November eine rot-grüne Mehrheit für eine Beteiligung der Bundeswehr am internationalen Kampf gegen den Terror erzwingen. (Der Kanzler auf dem Marktplatz in Goslar) In der Folgezeit verschlechtern sich zunächst die Wirtschaftsdaten - und dann die Arbeitslosenzahlen. Genüßlich reiben ihm seine politischen Widersacher das Versprechen seiner ersten Regierungserklärung unter die Nase. Als Schröder dann im März 2002 das nächste rot-grüne Prestigeprojekt, das Zuwanderungsgesetz, nur mit den Stilmitteln einer Posse durch den Bundestag bringt, scheint sein Schicksal besiegelt. Zumal er neun Wochen vor der Bundestagswahl auch noch Verteidigungsminister Rudolf Scharping die Badekappe in die Hand geben und sagen muß: "Schwimm schön, Rudi." Doch in letzter Minute geschehen zwei Dinge, die ihn retten: Die USA drohen dem Irak mit militärischer Intervention - und in Deutschland beginnt es zu regnen. Ein Regen, der alles wegspült. Auch Edmund Stoiber.

      3. Akt, Peripetie (Gleichzeitiger Höhe- und Wendepunkt) Der Held steht in einer "tragischen Situation": Er hat die Auswahl zwischen verschiedenen Handlungsoptionen - und jede Entscheidung, die er trifft, führt unweigerlich in den Untergang. Der überraschende Wahltriumph führt Gerhard Schröder auf ein weites, leeres Feld, das vor ihm liegt. SPD und Grüne sind wenig vorbereitet, der knappe Sieg über Herausforderer Edmund Stoiber wurde ihnen erst in letzter Minute geschenkt. Die Konflikte verschärfen sich jäh. Entgegen allen Wahlkampfankündigungen prägt Hans Eichel die Koalitionsverhandlungen mit zahlreichen Sparvorhaben zur Etatsanierung. Doch Schröder gilt inzwischen als der Kanzler der Gewerkschaften; unmittelbar nach der Wahl rückt er weit nach links; wichtige Reformen werden auf die lange Bank geschoben oder verwässert. Im Herbst und beginnenden Winter 2002 herrschen Streit und Durcheinander in der Koalition. Gerhard Schröder scheint wie kraftlos zuzusehen. (Im Kanzleramt, Büro von Frank-Walter Steinmeier) Eine kleine Gruppe von "Reformern" um Schröder, den Kanzleramtschef Steinmeier und Vizeregierungssprecher Steg entwickelt die "Agenda 2010". Was zunächst als bloßes Planspiel einiger einflußreicher Beamter aussieht, entwickelt sich zur strategischen Reformoption des Kanzlers. Der gerade erst besiegelte Koalitionsvertrag wirkt dagegen wie ein wenig ambitioniertes "Weiter so". Das Dilemma: Wie lange läßt sich einerseits der Eindruck von Tatenlosigkeit im Angesicht der Wirtschaftsmisere politisch durchhalten? Wie weit bringt andererseits energisches Vorgehen, auch gegen die Interessen der Gefolgschaft, die eigene Macht in Gefahr? Der innere Kreis um den Kanzler zerfällt in zwei Lager. Jetzt muß sich Gerhard Schröder entscheiden: Handeln oder nicht handeln. (Bundestag, 14. März 2003, das Rednerpult ist leer) Gerhard Schröder tritt heran, der Spieler, der Zickzackpolitiker. Er liest vom Blatt und stößt eines der größten Reformvorhaben der Nachkriegsgeschichte an. Er legt eine lange Kette von Gesetzesvorhaben vor, die den grundsätzlichen Konflikt mit seiner eigenen Partei und den Gewerkschaften in sich tragen. Das Echo ist verhalten. Von "Blut, Schweiß, Spiegelstrich" schreibt die "Frankfurter Rundschau". Die Zweifel, ob Schröder es dieses Mal unverrückbar ernst meint, sind weit verbreitet. Gerhard Schröder wird diesem Kurs bis ins Jahr 2005 treu bleiben. Ahnt er, was auf ihn zukommt? In der klassischen Tragödie weiß der Protagonist, daß er dem Lauf der Dinge unterliegt.

      4. Akt, Retardation (Fall/Umkehr) Fallende Handlung - mit aufschiebenden Momenten. Die Handlung verlangsamt sich, um in einer Phase der höchsten Spannung auf die bevorstehende Katastrophe hinzuarbeiten. (Kanzleramt, in einem Planungsbüro, Blick auf eine große Wand) Die Regierung bringt ein knappes Dutzend von Agenda-Gesetzen auf den Weg. Farbige Markierungen auf einer Großwand zeigen die Fortschritte in den politischen Instanzen an. Gerhard Schröder, der Basta-Kanzler, droht mehrfach mit seinem Rücktritt, sollte ihm die knappe Bundestagsmehrheit von Rot-Grün die Gefolgschaft versagen. Im Spätherbst hat er in allen Bundestagsschlachten gewonnen, aber erheblich an Vertrauen in der SPD verloren - und den Krieg mit der Opposition noch nicht gewonnen. Am 18. Dezember gelingt ein politisch kostspieliger Kompromiß mit der Unionsmehrheit im Bundesrat. (Bochum, 17. November 2003, SPD-Parteitag, ein Hinterzimmer) Der Parteitag hat den Reformkurs gestützt, aber Wirtschaftsminister Clement und Generalsekretär Scholz bitter abgestraft. Gerhard Schröder sagt zu Franz Müntefering: "Du mußt es machen." Der Plan zum Rückzug Schröders vom Parteivorsitz nimmt Gestalt an. Mit der Einführung der Praxisgebühr Anfang 2004 beginnen die Proteste der Betroffenen, die sich bis in die SPD-Gefolgschaft wühlen. Als Kanzler widersteht er ihnen, als Parteichef tritt er Anfang Februar 2004 zurück. (Teichoskopie, Mauerschau: Draußen im Land) Hartz IV wird zur Chiffre des Protestes gegen den vermeintlichen Sozialabbau. Hunderttausende gehen auf die Straßen, und Oskar Lafontaine versucht ein erstes Mal, sich an die Spitze zu stellen. Er scheitert zunächst, wie es immer wieder auch andere Erfolge für den Kanzler zu verbuchen gibt. Mit der Landtagswahl in Sachsen verschwindet die Gefahr einer Zweidrittelmehrheit gegen ihn im Bundesrat. In Brandenburg gelingt es einem couragierten SPD-Ministerpräsidenten, sein Amt zu verteidigen, indem er sich klar zu den Agenda-Reformen bekennt, anstatt sie zu verleugnen. Immer wieder gehen Wirtschaftsdaten ein, die die Hoffnung auf Aufschwung nähren. Deutschland bleibt Exportweltmeister. Dennoch: Keines der Zwischenhochs scheint das Niveau des davorliegenden erreichen zu können. Die Linie des Kanzlers weist, mindestens im Rückblick, nicht steil, aber stetig nach unten. Daran ändert auch nichts, daß seine Gegner im Lager der Union sich über ihren eigenen Rezepten anhaltend zerstreiten. Die Macht zerrinnt. Alles strebt auf die Schicksalswahl in Nordrhein-Westfalen zu. Es ist der 22. Mai 2005, 18.00 Uhr. Der Moment höchster Spannung entlädt, die letzte rot-grüne Bastion fällt. (Die SPD-Parteizentrale, Berlin, 22.5. 2005, 18.27 Uhr) Franz Müntefering räumt die Niederlage in Nordrhein-Westfalen ein - und spricht sich für Neuwahlen zum Bundestag aus. Die Reformpolitik des Kanzlers bedürfe "einer neuen Legitimation durch den Souverän". Der ist baß erstaunt, denn in den Umfragen steht die Union nahe der absoluten Mehrheit, und die SPD nahe ihrem Allzeittief. Selbstmord aus Angst vor dem Tod? Die Republik rätselt, was Schröder mit seinem bevorstehenden Untergang bezwecken könnte. Oskar Lafontaine betritt wieder die Bühne, um sich an dem Schauspiel zu weiden. Der Kanzler dagegen wirkt plötzlich entspannt, manche sagen: Er sei wie befreit.

      5. Akt, Katastrophe (Scheitern des Helden) Die Agenda 2010 hat die Republik verändert. Ob ihr Geist überlebt, ist offen. Die SPD hat in den Umfragen aufgeholt, dennoch fehlen der rot-grünen Koalition drei Tage vor der Wahl noch mindestens sieben Punkte für eine Mehrheit. Jede andere Konstellation hat Gerhard Schröder für sich persönlich ausgeschlossen. Es ist das schier unausweichlich erscheinende Ende seiner sieben Jahre im Amt.

      Artikel erschienen am Do, 15. September 2005

      http://www.welt.de/data/2005/09/15/775436.html
      Avatar
      schrieb am 15.09.05 19:17:25
      Beitrag Nr. 2 ()
      die schießen ja aus allen rohren für zonen-geli.
      Avatar
      schrieb am 15.09.05 19:24:54
      Beitrag Nr. 3 ()
      Findest Du? Ich denke er ist eher Anti-Schroeder. Was nicht das gleiche ist.
      Avatar
      schrieb am 15.09.05 20:06:53
      Beitrag Nr. 4 ()
      hier noch ein akt des kanzlers, im stammland:

      BUNDESTAGSWAHL

      Letztes Schlachtfeld NRW

      Von Yassin Musharbash, Carsten Volkery und Severin Weiland

      Es geht um 13 Millionen Wähler - und die Prozentpünktchen, die über Sieg, Niederlage oder Große Koalition entscheiden könnten. In NRW, da sind sich die Parteien einig, wird die Wahl entschieden. Deshalb drehen Schröder, Merkel, Fischer und Westerwelle an Rhein und Ruhr Extrarunden.

      Wahlplakate: Werben bis zum Schluss
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      REUTERS
      Wahlplakate: Werben bis zum Schluss
      Berlin - "Ein Kreis schließt sich", sagte Angela Merkel angesichts der näher rückenden Entscheidung der Wähler vor kurzem im Adenauer-Haus. Am 22. Mai verlor die SPD in Nordrhein-Westfalen die Mehrheit. Bevor sie am 18. September mit schwarz-gelber Hilfe zur Kanzlerin ausgerufen werden will, kehrt die Kandidatin noch einmal dahin, wo alles begann. Nachdem Bundeskanzler Schröder mit seinem Neuwahl-Vorschlag auf den Machtverlust der SPD am Rhein reagierte, wird Nordrhein-Westfalen in den letzten Tagen des Wahlkampfes zum finalen Aufmarschgebiet der Parteien.

      Nicht nur die Union, auch Grüne und SPD wollen noch einmal alle Kräfte mobilisieren. Joschka Fischer spricht am Freitag in Düsseldorf, am Samstag Gerhard Schröder in Recklinghausen und Angela Merkel in Bonn. Es sind allesamt Extraschichten, die eingelegt werden. Denn alle wissen: Es geht um nicht weniger als jene magischen Prozentpunkte, die über Sieg oder Niederlage entscheiden. NRW ist schließlich das Wahlherz der Republik. 13,3 Millionen Bürger ab 18 Jahren stellen bundesweit 22 Prozent aller potentiell Wahlberechtigten.

      Alle Parteien geben sich natürlich betont optimistisch - und jeder interpretiert die Zahlen möglichst so, dass sie ein positives Bild des eigenen Lagers zeichnen. Bei der CDU in Nordrhein-Westfalen verweist Jürgen Rüttgers` Sprecher Norbert Ness auf die letzten Umfragen von Infratest dimap. "Wir kommen auf einen Stimmenzuwachs von 6 Prozentpunkten gegenüber der Bundestagswahl 2002." Danach liegt in NRW die CDU mit 41 Prozent vor der SPD mit 38.

      Noch vor drei Jahren erhielt die CDU bei der Bundestagwahl in NRW 35 Prozent. Bei der Landtagswahl in diesem Frühjahr errang die Partei hingegen einen Sieg, den selbst viele in der eigenen Partei nicht für möglich gehalten hatten: 44,8 Prozent, das beste Ergebnis seit 1975. Die SPD rutschte auf ein historisches Tief von 37,1 Prozent ab - das schlechteste seit 1954. Nimmt man die Werte der letzten Landtagswahl, dann hat die CDU allerdings in den aktuellen Umfragen 3,8 Prozent eingebüßt.

      Grüne gegen Große Koalition: Letzte Anstrengungen für die Zweitstimme
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      Grüne gegen Große Koalition: Letzte Anstrengungen für die Zweitstimme
      Dennoch gibt sich die CDU weiter siegesgewiss und setzt, wie es Ness ausdrückt, auf den "Rüttgers-Effekt". Diesen will die Partei in einer Analyse von Infratest dimap eine Woche vor der Wahl festgemacht haben. Darin heißt es: "Auch wenn sich die Wähler in Nordrhein-Westfalen schwer mit ihrer Wahlentscheidung tun, blicken sie trotzdem optimistischer in die wirtschaftliche Zukunft des Landes." 37 Prozent rechneten derzeit mit einem Aufschwung in NRW binnen eines Jahres. Im August seien das nur 25 Prozent gewesen. Allerdings, auch das stellt die Umfrage fest: "39 Prozent gehen davon aus, dass die Wirtschaft stagniert (minus 16). Aber mit 21 Prozent glauben auch mehr Menschen, dass es schlechter wird (plus 4)."

      Beim Wunschkoalitionspartner FDP wird NRW ebenfalls zum Schlusspunkt. Mit 7 Prozent in den Umfragen liegt die FDP vor den Grünen - und vor ihrem Landtagswahl-Ergebnis von 6,2 Prozent. Bereits am heutigen Donnerstagabend tritt die Führungsriege in Guido Westerwelles Heimat auf dem Bonner Museumsplatz auf. Kurzfristig hat der FDP-Chef noch am Samstagmittag einen Termin in Dortmund eingeschoben, am Abend wird er dann mit einem Auftritt im Kölner-Scala-Theater den Wahlkampf beschließen - mit einer Rede, die kurz nach 23 Uhr beginnt und werbewirksam um 23.59 Uhr endet.

      Die Linkspartei, deren Aufstieg nach dem 22. Mai begann, wird NRW nicht zum Schwerpunkt ihres auslaufenden Wahlkampfes machen: Die einzige Sonderveranstaltung wird es im Osten geben, wo Spitzenkandidat Gregor Gysi im Wahlkreis von PDS-Parteichef Lothar Bisky spricht.

      Genossen wittern "Blutaustausch zwischen CDU und SPD"

      Beim politischen Gegner von Merkel, Westerwelle und Linkspartei sind die letzten dimap-Werte für NRW sehr aufmerksam studiert worden. In der NRW-SPD wird der Eindruck zurückgewiesen, Schröders zusätzliche Auftritte im Ruhrgebiet seien der verzweifelte Versuch, die SPD-Klientel an die Urnen zu bringen. "Wir haben allen Grund, optimistisch zu sein", sagt SPD-Sprecher Bernd Neuendorf. Der Trend weise weiter nach oben, so dass die SPD am Ende vor der CDU liegen werde. Seit dem Fernsehduell zwischen Schröder und Merkel finde ein "Blutaustausch zwischen CDU und SPD" statt, behauptet Neuendorf. Die SPD habe in der letzten Infratest dimap-Umfrage vier Prozentpunkte gewonnen, die CDU ebenso viel verloren.

      Die anfängliche Befürchtung, die Sozialdemokraten würden nach dem Trauma der Landtagswahl in ein noch tieferes Loch fallen, hat sich jedenfalls nach der letzten Umfrage nicht bewahrheitet. Nach der Landtagswahl war die SPD in ihrem Stammland in Umfragen zunächst auf 34 Prozent abgestürzt und hatte wochenlang auf dem niedrigen Niveau verharrt. Seit Merkels Schattenfinanzminister Paul Kirchhof neuen Schwung in den SPD-Wahlkampf gebracht hat, gilt ein Ergebnis von über 40 Prozent in NRW nicht mehr als ausgeschlossen.

      Grüne bemühen Zahlenspiele

      Eine schwierigere Ausgangslage als die SPD haben die Grünen in NRW. Sie kommen dort laut Infratest dimap auf nur noch fünf Prozent. "Diese Zahlen sind eine Herausforderung, wir werden massiv in NRW kämpfen", so Volker Beck, parlamentarischer Geschäftsführer der grünen Bundestagsfraktion. Der Grüne steht auf Platz 4 der grünen Landesliste. Beck relativiert die Umfragewerte: Das Institut habe seine Rohdaten gewichtet, wohl in der Annahme, die Grünen würden noch an die SPD verlieren. Tatsächlich, so Beck, seien 5,8 Prozent für die Grünen gemessen worden, die dann auf 5,0 heruntergewichtet wurden.

      Bei der Landtagswahl im Frühjahr hatten die Grünen 6,2 Prozent erhalten. 2002 hatten die Grünen bei der Bundestagswahl noch 8,9 Prozent in NRW erzielt. Die Landes-Grünen haben nun, nach Telefonkonferenzen und bilateralen Absprachen mit der Bundesgeschäftsstelle in Berlin, vor Ort eine klare Kampagne gegen eine große Koalition begonnen - und versuchen auf diese Weise, grüne Überläufer von der SPD zurück zu holen.

      Industrielandschaft NRW: Heimat für 22 Prozent der Wahlberechtigten
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      DDP
      Industrielandschaft NRW: Heimat für 22 Prozent der Wahlberechtigten
      Mit einem Brief an die Mitglieder, Plakaten und Postkarten soll die Gefahr einer möglichen Elefantenhochzeit deutlich gemacht werden. Das Motiv: eine Montage des Wahlplakats der Linkspartei, auf dem die Köpfe von Oskar Lafontaine und Gregor Gysi durch die Konterfeis von Angela Merkel und Peer Steinbrück vertauscht wurden. An dem kleinen Bruderkrieg ist die Bundespartei der Grünen sogar finanziell beteiligt; ab morgen werden mit ihrer Unterstützung Anzeigen in Regionalzeitungen zwischen Rhein und Ruhr geschaltet.

      Zudem tritt Fischer unplanmäßig am morgigen Mittag in Düsseldorf auf. "Das wird etwas bringen", gibt sich Beck überzeugt. Es komme jetzt darauf an, den rot-grünen Wechselwählern klar zu machen, dass der Unterschied zwischen neun und sieben Prozenten für die Grünen bedeutsamer sei als der Unterschied zwischen 33 und 35 Prozent für die Sozialdemokraten.


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