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    ETWAS AUS DEM WAHREN LEBEN + + + SO LÄUFTS BUSINESS + + + Quelle:Die Zeit + + + - 500 Beiträge pro Seite

    eröffnet am 03.05.02 23:16:07 von
    neuester Beitrag 15.07.02 13:33:15 von
    Beiträge: 5
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      schrieb am 03.05.02 23:16:07
      Beitrag Nr. 1 ()
      H A N D E L S V E R T R E T E R

      So läuft`s Business

      Das Spiel ist immer dasselbe. Einer hat einen Staubsauger. Der andere will ihm noch einen Staubsauger verkaufen. Und das Psychoduell gewinnt der mit den stärkeren Nerven. Eine Begegnung


      Von Reiner Gebhardt




      Wenn der Staubsaugervertreter Anton Braun seine Bilanzen vorlegt, bleibt den jungen Schnöseln jedes Mal die Spucke weg. »Ihr hättet mich mal früher erleben sollen«, sagt er. Heute könne man schon froh sein, wenn man an einem Tag zwei von den Dingern loswürde. Und wie fies die Leute seien: VERSCHWINDE! VERGESSEN SIE ES! VERPISS DICH! Dass man nichts auf die Fresse bekam, war alles. Tja, der Mensch wird ungemütlich, wenn die Kurse fallen. Andererseits, wer jetzt einen Staubsauger verkauft, der wird noch viele verkaufen.

      18.00 Der Staubsaugervertreter Anton Braun vergleicht die Namen auf dem Briefkasten mit denen auf seiner Liste. R. G. & B. S. Die sind neu hier. Also dann. Schnell noch zwei Züge an der Kippe, schnipp und weg damit, dann ausatmen, einatmen und - klingeln. Er wartet und horcht. Nichts. Der nächste Flop. Er klingelt noch einmal.

      18.02 Die Tür wird von einem Mann geöffnet, den Braun auf Mitte 40 schätzt und dem er auf Anhieb ansieht, dass er keinen Lottogewinn erwartet. Schlimmer, er sieht aus wie ein Mann, der nicht mal an einen Lottogewinn glaubt. Ein Nihilist, seufzt Braun innerlich, die Plage der Zunft. Der Mann sieht ihn an wie einen Zeugen Jehovas. »Was gibt`s?«




      Am besten, man lässt gleich die Hose runter. »Guten Tag, Herr G., mein Name ist Anton Braun«, sagt er, »ICH KOMME VON VORWERK.« Für alles, was ab jetzt geschehen wird, wird es immer nur zwei Möglichkeiten geben: ja oder nein, null oder eins, gut oder böse, raus oder rein.

      18.03 Ganz hinten im Kopf von G. macht es »klick«. Es macht so laut klick, dass Braun hört, wie die Mechanik einrastet und im Umkreis von zwei Kilometern den Katastrophenschutz alarmiert. »Ich brauche keinen Staubsauger.«

      Die klassische Eröffnung, denkt Braun, war ja klar. Außerdem, warum sollte ausgerechnet die Nachfrage nach Staubsaugern florieren. Staubsauger sind das Letzte, was der Mensch in der Krise braucht.

      »Und ihre Frau?«

      G. ist verdutzt. Blöde Frage!

      Braun hakt nach: »Oder haben Sie vielleicht schon einen Vorwerk-Staubsauger?«

      »Das nicht, aber ich habe eine Devise.«

      »?«

      »Kaufe nichts an der Haustür, was frisst oder was repariert werden muss.«

      Aha, Herr Schlaumeier persönlich, denkt Braun und sagt: »Gut gesagt, muss ich mir merken.«

      18.04 Da G. demonstrativ auf seine Uhr schaut, täuscht Anton Braun erst einmal den Rückzug an. »Ja, dann will ich mal wieder«, sagt er und zaubert ein Tütchen aus der Jackentasche. »Für Sie, als kleines Dankeschön der Firma Vorwerk, unser Reinigungspulver, unschlagbar!«





      Wie immer, wenn der Mensch etwas umsonst haben kann, ist der Greifreflex schneller als die Gedanken. Statt »Danke, wofür?« sagt G.: »Danke!«

      »Moment, alles kann ich Ihnen nicht geben. Wenn Sie vielleicht ein Gefäß hätten oder so?«

      G. stöhnt, geht aber trotzdem und kommt mit einen Pappbecher zurück. Früher war alles besser, denkt Braun.

      18.05 Braun gibt etwa 20 Gramm seines unschlagbaren Pulvers in den Becher, faltet das Tütchen sorgfältig zusammen und lässt es wieder in der Tasche verschwinden. Der macht sich richtig ins Hemd mit seinem Pulver, denkt G.

      »Sie werden staunen«, sagt Braun.

      »Bestimmt werde ich das, danke, aber meine Zeit, Sie verstehen ...«

      »Verstehe«, sagt Braun, ohne sich einen Millimeter von der Stelle zu rühren. Ein Vakuum entsteht. Braun hat Zeit. Er kann warten.

      Ohne in wirklicher Bedrängnis zu sein, macht G. gegen

      18.07 endlich einen taktisch verhängnisvollen Zug: »Wie soll das mit dem Pulver denn gehen?«

      Das Vakuum füllt sich. Das Warten hat sich gelohnt.

      »Blitzschnell geht das! Ich zeig`s Ihnen«, sagt Braun, betritt das Haus und erreicht um

      18.08 mit einer Punktlandung auf dem Wohnzimmerteppich das nächste Level. Geschafft! Wie ein Tourist ist Anton Braun durch die feindlichen Linien spaziert. Ein Angriff wie aus dem Lehrbuch. Nun wird er Fakten schaffen. Er hat etwa zehn Minuten, um seine Stellung auszuheben.

      18.09 Blickschwenk durch die Kampfzone. Bücherregale. Bücher auf dem Tisch. Bücher auf den Stühlen. Bücher auf der Glotze. Und auf den Büchern - Staub!

      Fantastisch, denkt Braun und sagt: »Fantastisch!«

      »Wie bitte?«

      »Ihr Wohnzimmer«, sagt Braun, »da merkt man gleich, also die Bücher, ich muss schon sagen.«

      18.10 Braun inspiziert den Teppich.

      »Astreine Qualität«, sagt er, »und farbecht! Da haben wir ganz was Feines, doch, wirklich ein selten gutes Stück.« G., dem es nicht gelingt, die Welt mit den Augen eines Staubsaugervertreters zu sehen, zuckt mit den Schultern.

      »Wäre doch schade drum«, sagt Braun und reibt das Pulver in den Flor. Er macht das gern mit einem weißen Küchentuch, weil das planmäßig die Farbe soliden Straßendrecks annimmt. Ebenso planmäßig gerät er in Panik. Als wolle er in der nächsten Minute die komplette Siedlung evakuieren lassen, ruft er: »Sehen Sie sich das an!«

      G.: »Ist doch normal, oder?«

      Der Mann ist verstockt, denkt Braun.

      »Alles von DIESEM winzigen Stück Teppich!«

      G. zuckt wieder bloß mit den Schultern.

      Der Mann ist außerdem nicht sehr begeisterungsfähig. Na schön, sagt sich Braun, gönnen wir ihm den Sieg: »Klar, ist ganz normal, und wir wissen ja: Wo es zu sauber ist, da wird der Mensch krank.«

      Er schaut G. in die Augen. »Und warum?«

      »Warum was?«

      »Warum wir krank werden?«

      »Geschwächte Abwehr?«

      »Richtig! Ohne Schmutz würde es uns ganz dreckig gehen.«

      18.14 »So, ein Minütchen geben wir dem Pulver noch, dann greifen wir an.« Da G. offensichtlich nicht mitdenkt, versucht Braun, den Prozess zu beschleunigen: »Sie könnten dann schon mal ...!« Während Hausfrauen solche Andeutungen mit einem Eifer vervollständigen, als würden sie Glücksrad spielen, reagiert G. überhaupt nicht. Schade, dann eben so: »HOLEN SIE DOCH MAL IHREN STAUBSAUGER!« Ein Satz wie ein Schlag mit dem Hammer vor den Kopf des Ochsen. G. trabt in den Keller und kommt um

      18.16 mit einem Teil zurück, das Braun sofort als »19. Jahrhundert mit ausgedientem Offenfiltersystem und 20 kW« identifiziert. »Eine Art Vorderlader! Wenn Sie wissen, was ich meine.«

      »Funktioniert aber!«, protestiert G.

      Natürlich funktioniert der, denkt Braun, warum sollte er das nicht. Trotzdem sagt er: »Der kann gar nicht funktionieren.«

      18.17 Warum Menschen wie G. einem wildfremden Staubsaugervertreter ums Verrecken beweisen wollen, dass sie keinen Vorwerk-Staubsauger brauchen, ist Braun schleierhaft. Es wäre ihm auch völlig schnuppe, wüsste er nicht, dass G. jetzt genau darum den Teppich saugt. Hier braut sich was zusammen, das merkt Braun. Obwohl der Schluss von einem insuffizienten Staubsauger auf ein an ein Wunder grenzendes Reinigungsresultat nicht ganz sauber, sogar völliger Stuss ist, empfiehlt die einschlägige Psychologie ungehemmten Jubel: Mach Wellen, wenn du Fische fangen willst!

      18.19 »Was sagen Sie jetzt!? Sieht der Teppich nicht wunderbar aus? Ist das nicht fantastisch?« Braun ist außer sich. »Wetten, dass Sie das nicht erwartet haben?« Jetzt muss der Funke der Begeisterung überspringen: Gleich wird Anton Braun das fröhliche Lied vom Reinigen virtuos in die Nationalhymne auf das Staubsaugermodell Kobold transponieren. Und dann vorwärts: Wenn Sie hier bitte unterschreiben wollen!

      Doch als er G. anschaut, weiß Braun, dass er Mist gebaut hat. Ich hab`s vermasselt, denkt er, es ist klar, was jetzt kommt, in Hunderten von Katastrophenschulungen haben sie es durchgespielt, als Reaktorunfall, als Erdbeben, als Todesurteil.

      18.21 G.: »Ich glaube, es reicht, Sie sehen ja, absolut kein Bedarf.«

      Eine Hitzewelle durchglüht Braun. Es ist, als würden in seinem Gehirn sämtliche Booster auf einmal eingeschaltet. Gedanken hüpfen in seinem Kopf wie Flummis in einer Telefonzelle ... Warnlichter leuchten auf ... Die »Sieben Goldenen Regeln des Erfolgs« kreuzen seine Umlaufbahn ... »Regel eins: Kreieren Sie ein Bedürfnis, das die betreffende Person gar nicht spürt, aber im Falle der Erfüllung höchst befriedigt.« ... »Regel zwei: Sagen Sie den Leuten, dass sie Mundgeruch haben, wenn Sie ihnen Zahnpasta verkaufen wollen.« ... Ja doch ... »Misserfolg sollte bestraft werden.« ... Das war Regel sieben ... Moment ...

      18.25 »... man könnte ja ein andermal ... nein, nicht morgen ... aber das Reinigungspulver, das müssen Sie zugeben ...« Es ist sinnlos. Sag auf Wiedersehen, Anton. Im Geist grast er schon die nächsten Adressen ab, da reicht die Dummheit dem Staubsaugervertreter Anton Braun plötzlich beide Hände. Die Dummheit, die in so vielerlei Gestalt auf Erden wandelt, schaut ihn an und fragt: »Was kostet denn so ein Ding?«

      18.26 Stille.

      18.26 Das war knapp, verdammich, beinahe hätte er den Bettel hingeschmissen. Oder hat er sich verhört? Nein, WAS KOSTET SO EIN DING, genau das hat der Mann eben gefragt. Entschuldigung, da stellen wir doch erst mal die Gegenfrage: »Was schätzen Sie denn?«

      »?«

      »Schätzen kostet nichts!«

      »... 400 Euro? ...«

      »423. Auf den Cent genau.«

      »Das ist viel.«

      Und weil es zu den faszinierendsten Mysterien des Marktes gehört, dass sich Kunden an jeden Preis gewöhnen, sagt Braun fröhlich: »Jawoll, das ist wirklich sehr viel.«

      »Es ist zu teuer!«

      Kaum zu glauben, dass Menschen meinen, sie hätten es überstanden, wenn sie »ZU TEUER« sagen. Bei Anton Braun sind sie da erst recht in der Bredouille. »Für Qualität gibt es keinen Preis«, behauptet er. »Das werde ich Ihnen demonstrieren!«

      Was dann geschieht, hat die Schönheit einer mathematischen Beweisführung. Es hat die Eleganz jener wunderbaren Logik, die dafür sorgt, dass auf a immer b folgen wird und auf b immer c.

      18.30 Braun packt seinen Musterkoffer aus. »Dauert nur drei Minuten«, sagt er, und ruck, zuck ist die Wunderwaffe aus Wuppertal startbereit.

      18.31 Fast geräuschlos entfaltet das Erfolgsmodell Kobold seine saugende Urkraft, reinigt wie nebenbei die Atemluft - »Ein echter Doppelnutzen, der uns freier durchatmen lässt« - und verströmt einen Duft wie auf der Tulpenausstellung in Amsterdam. Der Duft entspannt und löst Widerstände. Der Duft macht sie alle kirre, sorry, aber wer das nicht weiß ...

      18.34 »Hier!«, sagt Braun und präsentiert G. den zwecks Demonstration eingesetzten Spezialfilter.

      »Was sagen Sie DAZU?«

      »Dreck?«

      »Menschliche Rückstände ist die genaue Bezeichnung.«

      G., der noch nie in die Filtertüte eines Staubsaugers geguckt hat, zuckt mit dem Schultern.

      18:38 Unaufgefordert saugt Braun die Polstergarnitur ab. »Keimfrei wollen wir es nicht haben, aber auf ein erträgliches Maß müssen wir es reduzieren, verstehen Sie?«

      Obwohl es nichts zu verstehen gibt, nickt G. Na also, jetzt läuft der Laden. Braun nimmt, ohne auf nennenswerten Widerstand zu stoßen, als Nächstes die Bücherwand in Angriff. Er ist in Medaillenform. Wie ein Friseur redet er jetzt, skrupellos und querbeet.

      »Wussten Sie eigentlich, dass die meisten Menschen durch veraltete Technologie sterben?«

      »...«

      »Es heißt, demnächst werden die Aktienkurse wieder steigen.«

      »...«

      »Die Bücher, die haben Sie doch nicht alle gelesen?«

      »...«

      »Da müssen Sie viel Zeit haben.«

      »Nee.«

      »Nee?«

      G. ist einsilbig geworden. In seinem Kopf greifen die verschiedensten Theorien und Ausreden ineinander. Es knirscht im Getriebe, das spürt Braun. Der Mann sucht den Ausweg. Gleich wird Anton Braun ins Zentrum vorstoßen. Jetzt muss es schnell gehen.

      18.50 Achtundvierzig Minuten nach der Eröffnung setzt Braun die Betäubung: »Wollen Sie den Staubsauger als Wagen oder Handgerät? Also ich plädiere immer 100 Pro für das Handgerät.«

      Der Satz breitet sich aus wie Lachgas.

      Sätze wie diese sind es, die den Kunden schmerzfrei machen für das, was Braun immer die Operation am offenen Hirn nennt - die Vertragsmodalitäten, das Kleingedruckte und, vor allem, die Unterschrift.

      18.52 G. sieht den Staubsaugervertreter Anton Braun aus 1000 Kilometer Entfernung an.

      »Also als Handgerät! Clevere Entscheidung! Ob Sie wohl ein Glas Wasser hätten? Danke!«

      G. geht in die Küche. Braun zieht seine Jacke aus und lockert die Krawatte. Eben noch der letzte Loser, wird Anton Braun gleich unter ohrenbetäubendem Applaus in die Siegesallee einbiegen.

      18.56 Als G. mit einem Mineralwasser zurückkommt, hat Braun den Vertrag schon mal ausgefüllt. »Sie wissen ja, die Zeit drängt, das Business wartet nicht. Wenn Sie hier bitte unterschreiben wollen!«

      18.58 G. überlegt. Jedenfalls soll es so aussehen. Manche versuchen in diesem Moment, die letzten Reserven für einen Ausbruch zu mobilisieren. Viele sind auch erschöpft und möchten am liebsten nichts mehr sehen und hören. Der hier zum Beispiel. Und auf Alte und Kranke schießt Anton Braun nicht. Lieber fasst er noch mal nach: »Ich könnte Ihnen natürlich noch die diversen Zusatzgeräte vorführen ... Aber ich denke mal, mit der Grundausstattung ...«

      18.59 G. unterschreibt. Die Unterschrift kommt, wie nicht anders zu erwarten, zwei Nummern zu groß. Wie immer, wenn der Mensch sich klein fühlt und unvollkommen.

      »Sie werden nicht enttäuscht sein. Das verspreche ich Ihnen. Dann mal tschüss!«

      19.00 Auf der Treppe dreht sich Anton Braun noch einmal um. »Wenn Sie Spaß am Staubsaugen haben«, sagt er, »wird Ihnen der Kobold viel Freude machen.« Er kann sich nicht erinnern, schon jemals einen solchen Satz gesagt zu haben. WENN SIE SPASS AM STAUBSAUGEN HABEN! Das muss erst mal einer bringen.
      Avatar
      schrieb am 03.05.02 23:21:50
      Beitrag Nr. 2 ()
      Mal ne Frage dazu:

      wenn ein Glas Mineralwasser im Ort X 1,5 Euro kostet und im Ort Y, der 10 km entfernt liegt, 1,30 Euro, wo kaufe ich mir die Erfrischung.

      Benzinpreis: 1 Euro pro Liter, Verbrauch: 10 l pro 100 km, Blondinentrefffaktor in X gleich 80%, in Y 60%?

      Whassup?
      Avatar
      schrieb am 03.05.02 23:26:02
      Beitrag Nr. 3 ()
      Noch ein paar Wochen, dann verkaufen die Brüder Telekom-Aktien an der Haustür.

      Mit klinisch reinem EBITDA ohne Sonderbelastung "Ron"

      :laugh:
      Avatar
      schrieb am 03.05.02 23:33:04
      Beitrag Nr. 4 ()
      Großartig!
      Ersetzt ein Psychologie-Studium.

      :laugh:
      Avatar
      schrieb am 15.07.02 13:33:15
      Beitrag Nr. 5 ()
      Bezirksverkaufsleiter bei Plus
      Inspektor Billig
      Von Martin Sturm, Junge Karriere
      Dosen zählen, Milch aufwischen, Geld nachzählen: Bei der Discount-Kette Plus dürfen sich Jung-Manager wie Steffen Eller, 29, dafür nicht zu schade sein. Sie bekommen früh viel Verantwortung für Millionen-Umsätze ­ und Leistungsdruck, damit der Laden läuft. Blick hinter die Kulissen eines Unternehmens, das mit Billigpreisen Kasse macht.


      BERLIN. Das Preisschild lacht, denn es ist eigentlich eine Comicfigur: Ein Strichmännchen mit großen Augen und zu kurzen Beinen. Der erste Preis, der laufen kann, in Filmspots, auf Plakaten und eben am Revers von Steffen Ellers Anzugjacke. Das Preisschild mit den menschlichen Zügen ist eine Werbefigur von Plus, Deutschlands drittgrößter Discount-Kette. In Ellers Knopfloch ist das Preisschild das Aushängeschild. Es bedeutet: Bei mir ist es billig! Billiger geht es nicht!

      Keine Branche bringt ihre Botschaft so klar an die Käufer wie die Discounter ­ jener Typ Supermarktkette, deren Kampfpreise beim besten Willen nicht zu unterbieten sind. Und nicht zu übersehen: Das orangerote Comic-Preisschild hebt sich deutlich von Steffen Ellers dunklem Anzug ab. "1,29" ­ als wäre der Mann selbst ein Sonderangebot.

      Einsatzgebiet: Plattenbausiedlung Sieben Filialen bilden das Territorium des 29-jährigen Diplom-Betriebswirts. Sie liegen in den östlichen Berliner Stadtteilen Hohenschönhausen und Marzahn: 400 bis 500 Quadratmeter Verkaufsfläche, geöffnet sechs Tage die Woche. Hier ist Eller der Boss: Herr über Einkaufswagen und Kühltheken, Vorgesetzter von sechs Filialleiterinnen, einem Filialleiter, 50 Kassiererinnen. Er ist "Bezirksverkaufsleiter", einer von 400 in Deutschland. So heißen die Plus-Führungskräfte, die in den 2 640 Filialen das Tagesgeschäft managen.

      Mittagspause in der Plattenbausiedlung

      Bezirksverkaufsleiter Eller hat schon einen mehrstündigen Rundgang durch seine Plus-Filiale Nummer 28 295 hinter sich, als er sich die erste Pause gönnt, die Mittagspause. Das Geschäft liegt in einer Hohenschönhausener Plattenbausiedlung. Um diese Zeit sind nur wenige Käufer da. Wenn Eller über Mittag bleibt, zieht er sich in den Sozialraum zurück, in den Raum neben dem Warenlager.

      Es gibt mitgebrachte Stulle, hartes Ei, dazu eine Flasche Saft aus dem Laden. Für mehr reicht die Zeit nicht. Am einzigen Tisch im Raum nimmt Eller Platz. Aus einem Ascher, der auf dem Kühlschrank abgestellt wurde, kriechen kalte Nikotinschwaden. In einer Ecke gegenüber warten Blechspinde in Reih und Glied, vor denen Kassiererinnen zum Schichtbeginn ihre Schuhe wechseln. "Discount ist nicht schön", sagt der Mann mit dem weichen, weißen Gesicht. "Discount ist die Kunst, alles unter einen Hut zu bringen."

      Eller nennt es Kunst, nicht: Kontrolle. Dabei besteht sein Job über weite Strecken aus einer langen und nie endenden, täglich neu abzuhakenden Liste von sich wiederholenden Überprüfungen und Inspektionen. Jeden Morgen vor der Pause eine Filiale. Jeden Nachmittag eine andere. Jeden Tag zweimal: Kontrolle des Vorplatzes auf Sauberkeit und Ordnung. Ein Blick auf den Eingangsbereich mit der Glastür, auf die Plakate mit Aktionsangeboten. Drinnen fängt Eller bei Brot, Brötchen, Backwaren an. Die stehen bei ihm immer vorne links, weil jede Plus-Filiale im Prinzip gleich aufgebaut sein muss.

      Um sich vom Discount-Marktführer Aldi und von Lidl, dem nach Umsatz Zweiten, zu unterscheiden, wirbt die Tengelmann-Tochter Plus mit einem Bio-Sortiment, 150 Produkten regionaler Herkunft und 800 Markenartikeln. Die beiden Hauptkonkurrenten bieten fast ausschließlich (noch) billigere Eigenmarken an. Eigenmarken werden bei Plus auch verkauft ­ insgesamt haben rund 2 000 Artikel in jeder Filiale ihren festen Platz. Vom Kübel mit Schnittblumen ("Sonderangebot!" ) bis zum feineren Bordeaux-Rotwein ­ alle sind, in der Sprache des Einzelhandels, "eingepflegt". Das heißt: Ihre Anordnung ist im Computer der Mülheimer Unternehmenszentrale gespeichert. Bestellt Steffen Eller dort einen neuen Schwung Preisschilder, erhält er sie exakt in dieser Reihenfolge geliefert ­ Discount als perfektes Funktionieren.

      Sisyphos im Supermarkt

      Täglich folgt Jung-Manager Eller derselben Spur durch die Regale: Mindesthaltbarkeitsdatum prüfen ( "MHD-Kontrolle" ). Auf leere Stellen in den Regalen ( "Grifflücken" ) achten. Vor einem Milchfleck, einem falsch platzierten Preisschild für Zwiebeln, einem abgelaufenen Stück Frischfleisch ­ dem einzigen von mehr als hundert, die er aus der Kühlung kramt ­ und noch ein Dutzend weitere Male hält Eller an. Er zückt einen Taschenkalender und notiert mit dem Druckbleistift die Beanstandungen. Wenn er so dasteht, sieht Eller aus wie der Mann vom Ordnungsamt. Der, der die Falschparker aufschreibt.

      Das ist die eine Seite seines Jobs. Eine Rolle. Inspektor Eller, der nicht nur Regale kontrolliert, sondern auch seinen Kassiererinnen das Gefühl geben muss: Ich kann immer unangekündigt nachzählen, ob geklaut wird. "Im Handel gibt es kein Pardon." Er leiert das herunter wie einen schlechten Gedichtvortrag. Und wiederholt gleich dreimal: "Beim Geld hört die Freundschaft auf."

      Heike Marschner, 36, ist die Hohenschönhausener Filialleiterin und deshalb bei Plus wichtigster Partner des Bezirksverkaufsleiters. Sie ist seine Statthalterin: Alle paar Tage schaut Eller vorbei, liest im von Marschner geführten "Filialbuch" Vorkommnisse nach und arbeitet mit ihr die lange Liste seiner Beanstandungen ab. Stichproben können aber kein Vertrauen ersetzen. Den Laden schmeißen ­ das müssen die Mitarbeiterinnen und wenigen Mitarbeiter der Filiale ohne Eller. Eine Gratwanderung zwischen Disziplinierung und Vertrauensbildung, die zu gelingen scheint. "Herr Eller macht das gut", sagt Filialleiterin Marschner. "Er wird nie laut."

      Die andere Seite seines Jobs bezeichnet Eller als "große unternehmerische Freiheit. In meinem Bezirk bin ich der Macher, das Vorbild." Dass er zwar einen Dienstwagen bekommen hat, aber nirgendwo ein eigenes Büro, scheint ihn nicht zu stören. Er führt Gespräche mit Mitarbeitern in demselben Sozialraum, wo er mittags Stulle isst.

      Lachs ist Luxus - und bleibt liegen

      Eller, der schon als Junge gern mit dem Kaufladen spielte, beobachtet heute, wie Konsum funktioniert, und versucht ihn zu steuern: Er ist Disponent, Lagerist, Dekorateur, Marktforscher und Soziologe. Täglich 500 bis 600 Kunden pro Laden ­ macht 500 bis 600 "Bezahlvorgänge". Doch jede Filiale ist anders. "Das kann vom Einkommen abhängen, vom Wohnumfeld, Standorten der Konkurrenz. Bei mir laufen freitags die Aufbackbrötchen für den Sonntagmorgen ­ Lachs ist Luxus, der bleibt hier fast immer liegen."

      Bezirksverkaufsleiter sei ein Beruf mit "schon in jungen Jahren ungewöhnlich viel Verantwortung", findet Steffen Ellers Chef, Michael Hürter, 39, Vorsitzender der Plus-Geschäftsführung. Hürter selbst war erst 21, als er bei Aldi einen Jahresumsatz von 80 Millionen Mark verantwortete ­ in einer Position, die in etwa der von Eller heute entspricht.

      Hürter machte eine steile Karriere in der Discount-Branche, und er betont gern, dass persönlicher Erfolg und Ansehen auch dort zu erreichen sind ­ trotz des Billig-Images. Nach Stationen als Prokurist und Geschäftsführer mehrerer Gesellschaften von Lidl stieg Hürter 1999 an die Spitze von Plus auf.

      Heute gilt er als erfolgreicher Sanierer des damals angeschlagenen Unternehmens. Hürter dünnte das Sortiment aus, senkte Preise, lässt innerstädtische Lagen gegen großzügige Filialen mit vielen Parkplätzen ( "Freestander" ) austauschen und machte Plus in kurzer Zeit zu einer besonders tragfähigen Säule des Tengelmann-Konzerns.

      Lebensläufe wie der Hürters seien im Discount üblich, sagt ein Kenner der verschwiegenen Branche. Man bleibe oft unter sich: "Für den Wechsel zur Konkurrenz sind Discounter aber erstaunlich durchlässig." Jedoch sei bei allen großen Unternehmen "der Druck auf die Mitarbeiter extrem hoch. Wer mit seinen Zahlen im Mittelfeld bleibt, kommt in seiner Karriere nicht weiter." Sämtliche Hierarchie-Ebenen würden ständig an Umsatz, Kosten, Warenumschlag oder Krankenstand gemessen. Hürter: "Alles wird gebenchmarkt. Als Mitarbeiter kennt man seine Ziele, die erreicht werden sollen." Einen guten Überblick über die Gepflogenheiten der Branche bietet das Buch des früheren Aldi-Managers Dieter Brandes, "Konsequent einfach".

      "Einfach zu sein, ist das Schwierigste im Leben", lautet auch das Credo von Plus-Chef Hürter. Sein Jung-Manager Eller erträgt die straff organisierte Schlichtheit ebenso wie das Kontrolliertwerden durch seinen direkten Vorgesetzten, den "Verkaufsleiter". Schwieriger findet Eller, "mich selbst zu organisieren und zu disziplinieren". Einsteiger wie Eller würden gefordert, sagt sein Chef Hürter. "Und Fordern tut manchmal weh. Das ist kein Beruf für Leute, die sagen: Ich habe doch nicht studiert, um abends oder am Samstag Kisten zu zählen."






      HANDELSBLATT, Freitag, 12. Juli 2002


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