Exklusivinterview mit Omar Abu Rashed
Union Investment-Aktienexperte: Ölpreis und König könnten Saudi Aramco-Aktie ausbremsen
Es ist der größte Schritt des Orients seit Jahrzehnten. Der Öl-Gigant Saudi Aramco aus dem Königreich Saudi-Arabien geht im Dezember auf das Börsenparkett der Saudi Stock Exchange Tadawul in Riad. Eine Zweitnotierung an einer westlichen Börse könnte auch geplant sein. Die wallstreet:online Redaktion bat Omar Abu Rashed, Schwellenländer-Experte im Bereich Aktien bei Union Investment, zum Gespräch.
wallstreet:online: Sehr geehrter Herr Omar Abu Rashed, viele Anleger werden derzeit mit dem bevorstehenden Börsengang von Saudi Aramco erstmals konfrontiert. Können Sie in wenigen Sätzen die charakteristischen Merkmale des Unternehmens nennen?
Omar Abu Rashed: Saudi Aramco ist das profitabelste Unternehmen weltweit und erzielte 2018 einen Gewinn von 111,1 Milliarden US-Dollar. In den ersten neun Monaten des laufenden Jahres hat Saudi Aramco bereits so viel Gewinn erzielt wie der iPhone-Hersteller Apple im ganzen vergangenen Jahr. Es produziert etwa einen Zehntel der derzeit benötigten weltweiten Erdölmenge. Das Unternehmen besitzt zudem im Branchenvergleich die größten Ölreserven. Da das Öl direkt aus dem Wüstensand gefördert werden kann, liegen die Produktionskosten mit 7,6 US-Dollar je Fass vergleichsweise sehr niedrig. Zugleich ist Saudi Aramco aber stark abhängig von Entscheidungen des saudi-arabischen Staats, etwa was Produktionsvolumina, Steuern und Lizenzzahlungen betrifft, und ist zusätzlich geopolitischen Risiken ausgesetzt.
wallstreet:online: Welches Rendite-Potenzial hat die Öl-Aktie?
Omar Abu Rashed: Das Unternehmen hat den Aktionären eine jährliche Dividende von 75 Milliarden US-Dollar über die nächsten fünf Jahre zugesagt. Abhängig von der Bewertung ist damit eine mehr oder weniger attraktive Dividendenrendite zu erwarten. In der angedachten Bewertungsspanne zwischen 1,6 bis 2,3 Billion US-Dollar würde die Dividendenrendite 3,3 bis 4,7 Prozent betragen. Dies ist aber weniger als die durchschnittliche Dividendenrendite großer börsennotierter Ölkonzerne und begrenzt das Aufwärtspotenzial für die Aktien von Saudi Aramco. Interessanter würde die Aktie bei einer Bewertung zwischen 1 bis 1,5 Billionen US-Dollar. Sollte aber der Ölpreis deutlich steigen, würde davon auch der Aktienkurs profitieren.
wallstreet:online: Ist die Aktie mit dem Börsenplatz Tadawul überhaupt für Privatanleger aus Europa zugänglich?
Omar Abu Rashed: Institutionelle Anleger aus dem Ausland benötigen einen Zugang als qualifizierter Investor mit entsprechender Zulassung. Zusätzlich lassen sich die Papiere über Swaps oder über saudi-arabische Zertifikate erwerben. Für Privatinvestoren außerhalb der Golfstaaten ist ein direktes Investment jedoch kaum möglich.
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Omar Abu Rashed, Schwellenländer-Experte im Bereich Aktien bei Union Investment.
wallstreet:online: Bislang liegt die Information vor, dass zu einem späteren Zeitpunkt eine weitere Aktien-Charge an einem westlichen Börsenplatz wie New York oder London gebracht werden könnte. Wie wahrscheinlich ist dieser Schritt und wann könnte er erfolgen?
Omar Abu Rashed: Eine Zweitnotierung ist durchaus denkbar. Damit würde das Unternehmen sich weiter öffnen und sich auf dem internationalen Parkett auch einfacher vergleichbar machen. London ist beispielsweise ein wichtiger Handelsplatz für internationale Öl-Aktien.
wallstreet:online: Wie schätzen Sie das Interesse von Fondsmanagern, Staatsfonds und anderen öffentlichen Investoren an der Öl-Aktie ein?
Omar Abu Rashed: Das Interesse von einheimischen Privatanlegern und institutionellen Investoren dürfte hoch sein, da Dividenden und Aktienbeteiligungen in Saudi-Arabien eine wichtige Form der Sparanlage darstellen. International wird die Nachfrage von den Konditionen des Börsengangs abhängig sein. Aufgrund der angestrebten hohen Bewertung dürfte die Nachfrage eher mäßig ausfallen.
wallstreet:online: Angenommen Saudi Aramco wird wie angekündigt im Dezember 2019 das Börsenparkett betreten, welche Ereignisse könnten den Aktienkurs sowohl positiv als auch negativ beeinflussen oder einfacher gefragt: Was sind die größten Risiken?
Omar Abu Rashed: Zu den bestimmenden Einflussfaktoren gehört die Entwicklung des Ölpreises. Darüber hinaus spielt auch das Verhalten der Unternehmensführung eine Rolle: Hält sie ihr Dividendenversprechen an die Aktionäre ein und gibt sie zur Verfügung stehende Investitionsmittel wertmehrend oder wertvernichtend aus? Nicht in der Hand des Unternehmens liegen politische Risiken. So kann der saudische Staat die Produktionsvolumina oder Steuer- und Lizenzzahlungen des Unternehmens anpassen. Je nachdem kann dies die Dividende und damit den Aktienkurs unter Druck bringen. Auch ein längerer Ausfall von Produktionsanlagen etwa durch einen Angriff ist ein Risiko.
wallstreet:online: Welche Stimmrechte werden die Aktionäre haben?
Omar Abu Rashed: Die Aktionäre werden die gleichen Stimmrechte wie der Mehrheitsaktionär, der saudische Staat, haben. Das letzte Wort wird in jedem Fall der Mehrheitsaktionär haben.
wallstreet:online: Wieviel ist an dem IPO PR für Saudi-Arabien?
Omar Abu Rashed: Da die Einnahmen von Saudi Aramco fast gleichzusetzen sind mit dem finanziellen Spielraum des Staates Saudi-Arabien, ist die Werbung für den Börsengang naheliegenderweise auch Werbung für die Finanzkraft des Wüstenstaates.
wallstreet:online: Wird der IPO den Ölpreis in die Höhe treiben?
Omar Abu Rashed: Entscheidend für die Entwicklung des Ölpreises sind Angebot und Nachfrage. Die Preisentwicklung ist konjunkturabhängig, dürfte aber durch die rückläufige US-Produktion im kommenden Jahr gut unterstützt bleiben. Das IPO könnte insofern kurzfristig positiv auf den Ölpreis wirken, da aktuell viele Investmentbanken das IPO bewerben und aufzeigen, welche guten Fundamentaldaten der Ölmarkt aufweist. Somit könnten einige Investoren auf den Zug aufspringen und den Preis um einige Dollar pro Fass nach oben treiben. Mittelfristig muss sich die OPEC - und insbesondere Saudi-Arabien - die Frage stellen, ob sie nicht wieder Marktanteile zurückgewinnen möchte, statt durch Produktionskürzungen den Preis zu stützen. Wir erwarten aber den Brent-Ölpreis bei 65 US-Dollar je Fass zum Jahresende 2020.
Sehr geehrter Herr Omar Abu Rashed, vielen Dank für das Gespräch!
Dr. Carsten Schmidt sprach mit Omar Abu Rashed für wallstreet:online.