„Öl-reichstes Land der Erde mit Benzinmangel“
Knallharte Abrechnung mit der Lüge namens Sozialismus: Klientelismus, Korruption und Flüchtlingskrise
Natalie Vein (Foto) analysiert in ihrem Gastbeitrag für unsere Partner-Redaktion Smart Investor, warum auch aus diesem Scheitern des Sozialismus nicht die richtigen Schlussfolgerungen gezogen werden.
Missachtete Lehren
Als die UdSSR unweigerlich zusammenbrach, offenbarte der Fall des Eisernen Vorhangs den Menschen hüben wie drüben das wahre Gesicht des Kommunismus. Diejenigen, die darin gefangen waren, erkannten
das Ausmaß der Lügen, die ihnen der Staat brutal aufgezwungen hatte; diejenigen außerhalb waren schockiert über die Unmenschlichkeit eines Systems, das seelenlose Institutionen über das Leben und
die Würde der Menschen gestellt hatte. Es gab jedoch auch diejenigen, die sich entschieden, die Millionen Opfer der sowjetischen Maschinerie zu missachten und alle Lehren aus diesem Experiment in
marxistischer Utopie zu ignorieren. „Das war kein echter Kommunismus“, verkündeten sie und argumentierten, dass alle Fehlentwicklungen das Ergebnis der fehlerbehafteten Um- und
Durchsetzungsversuche durch die handelnden Menschen gewesen seien, nicht aber Fehler des Systems selbst.
Dieses ebenso kindische wie ausweichende Argument hat sich über die Jahrzehnte hinweg gehalten. Jedes kommunistische bzw. sozialistische „Paradies“ wurde seither nach dem immer gleichen Muster nach
seiner Errichtung und während seines Aufstiegs sofort angenommen und verteidigt, um nach dessen unweigerlichem Untergang kurzerhand verleugnet zu werden – von den Roten Khmer in Kambodscha bis zu
Castros Kuba, von Nordkorea bis Laos. Der letzte „gescheiterte Versuch“, das sozialistische Himmelreich auf Erden zu errichten, war Venezuela.
Spektakulärer Zusammenbruch
Der Fall Venezuelas ist besonders plakativ. Es bedarf schon einer außerordentlichen Misswirtschaft und eines wahrhaft einzigartigen Grades an Inkompetenz, um das nach Ölressourcen reichste Land der
Welt in den Bankrott zu treiben. Um das Ausmaß des Zusammenbruchs in den richtigen Kontext zu stellen, muss daran erinnert werden, dass Venezuela noch im Jahr 1950 zu den zehn reichsten Nationen
der Welt gehörte. Damals florierte der Privatsektor, die Steuern waren wettbewerbsfähig niedrig, und der Einfluss des Staates war relativ begrenzt.
Auch wenn man argumentieren kann, dass der Niedergang lange vor der Machtübernahme von Chávez mit der Verstaatlichung der Ölindustrie in den 1970er-Jahren begonnen hatte, sorgte die Welle weiterer Enteignungen und Verstaatlichungen, die dann unter seiner Herrschaft erfolgte, schon bald dafür, dass sich alle Anzeichen von Wohlstand und Wachstum verflüchtigten und die Wirtschaft des Landes von innen her verrottete.
Flüchtige Fassade wirtschaftlicher Stabilität
Die Stahlindustrie, die Landwirtschaft, die Banken, die Versorgungsunternehmen, die Goldminen, sie alle fielen unter Chávez in die Hände des Staates – unter Versprechungen von „Fairness“ und
natürlich im „Namen des Volkes“. Abgesehen von der staatlichen Ölgesellschaft PDVSA, die katastrophal schlecht verwaltet wurde und von Chávez-Loyalisten besetzt war, wurden auch
Währungsmanipulationen und Preiskontrollen zur Finanzierung der populistischen Ausgabenprogramme der Regierung eingesetzt.
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All das wäre schon früher zusammengebrochen, wenn nicht die damals hohen Ölpreise die Fassade des Wohlstands aufrechterhalten hätten. Dennoch fanden sich hinter dieser flüchtigen Fassade wirtschaftlicher Stabilität reichlich Belege für die Brutalität des Chávez-Regimes – sofern man sich nur die Mühe machte, hinzusehen. Menschenrechtsverletzungen, eine vollständige und unverhohlene Politisierung des Justizsystems sowie ein massives Durchgreifen gegen kritische Stimmen in den Medien waren die Maßnahmen, mit denen die Regierung deutlich machte, was zum Aufbau einer sozialistischen „Utopie“ wirklich nötig ist: Es fängt damit an, dass all jene gewaltsam beseitigt werden, die es wagen, die Vision infrage zu stellen.
Dilettantisch, korrupt und glücklos
Wie nicht anders zu erwarten war, hatte bereits die Ära Chávez die venezolanische Wirtschaft auf Crashkurs gebracht; aber es war die Präsidentschaft Maduros, die für den tatsächlichen Absturz
sorgte. Als Schützling und gekorener Erbe von Chávez hielt er an der Ideologie und dem Regierungsstil seines Vorgängers fest. Das Land wurde zunehmend von Klientelismus, Korruption und einer Reihe
schlecht durchdachter Eingriffe in die Wirtschaft geplagt. Allerdings hatte er weniger Glück als sein Vorgänger, und der Sturz der Ölpreise offenbarte schnell das wahre Ausmaß der wirtschaftlichen
Zerstörung des Landes. Seit 2013 ist die venezolanische Wirtschaft um 65% geschrumpft – der größte Rückgang in Friedenszeiten seit 45 Jahren. Nach IWF-Angaben lag die Inflation im Jahr 2019 bei
geschätzten 10.000.000%, während die Arbeitslosigkeit mehr als 44% erreichte und bis Ende 2020 voraussichtlich auf 48% steigen wird – ein Niveau, das zuletzt von Bosnien während des Kriegs erreicht
wurde.
Mindestlohn? Danke für nichts!
In den sechs Jahren seiner Amtszeit hat Maduro 30 Mindestlohnerhöhungen angeordnet, darunter eine 300%ige im Jahr 2019 und eine weitere, 67%ige im Januar. Dennoch, so schätzt Bloomberg, reicht der
monatliche Mindestlohn eines Arbeitnehmers von 250.000 Bolivar (3,40 USD) nicht für 1 Kilogramm Rindfleisch aus. Mitte 2019 schätzte ein UN-Bericht, dass 94% der Venezolaner in Armut leben sowie
gleichzeitig mit einem unerbittlichen Mangel an Nahrung, Medikamenten und Grundversorgung zu kämpfen haben. Die einzigartige Fähigkeit des Sozialismus, Ressourcen zu verschwenden, hat sogar dazu
geführt, dass in dem Land mit den größten Ölreserven der Welt inzwischen Benzinmangel herrscht.
Menschenrechtsverletzungen als neue Norm
Was den Zustand der Zivilgesellschaft und der öffentlichen Ordnung betrifft, so sind Kriminalität und Gewalt auf ein Niveau hochgeschossen, das normalerweise mit Bürgerkriegsbedingungen in
Verbindung gebracht wird. Darüber hinaus hat Maduro durch eine Reihe von machtergreifenden „Reformen“ seinen Einfluss drastisch erhöht und das Land in Richtung einer Ein-Mann-Herrschaft gedrängt.
Die scharfe Wende zum Autoritarismus zeigte sich in einer zügigen Militarisierung fast aller Aspekte des Alltagslebens. Massenverhaftungen, Folterungen und sogar Hinrichtungen wurden als Reaktion
des Staates auf Kritiker und Demonstranten zur Norm. Eine UN-Untersuchung dokumentierte über 8.000 Fälle von außergerichtlichen Hinrichtungen, wobei befürchtet werden muss, dass die Dunkelziffer
der Opfer des Regimes tatsächlich weitaus größer ist.
Beispielloser Exodus
Infolge dieses raschen Niedergangs in Richtung eines gescheiterten Staates haben bereits 15% der Bevölkerung Venezuela verlassen – der größte Exodus in der modernen Geschichte Lateinamerikas und
eine der größten Vertreibungskrisen in der Welt überhaupt. Aktuell verlassen weiterhin durchschnittlich 5.000 Menschen pro Tag das Land. Die Flüchtlingskrise Venezuelas wird die syrische Krise noch
übertreffen.
Präsidentenpatt
Die Aussichten für Venezuela bleiben düster – zumindest solange Maduro die Macht fest in seinen Händen hält. Der letztes Jahr durch den Oppositionellen Juan Guaidó unternommene Versuch, Maduros
Führung herauszufordern, blieb in einer politischen Pattsituation stecken. Obwohl mehr als 50 Länder, darunter die USA und über die Hälfte der EU-Mitglieder, Guaidó als Venezuelas legitimen
Interimsführer anerkannt hatten, weigerte sich die Regierung Maduro, die vom Militär unterstützt wird, die Macht abzugeben, und behielt die volle Kontrolle über den Staatsapparat. Nun müssen sich
die Venezolaner zusätzlich zu all ihren wirtschaftlichen Schwierigkeiten, der täglichen Gewaltandrohung und der institutionalisierten Unterdrückung grundlegender Menschenrechte auch noch mit zwei
Präsidenten auseinandersetzen, die um die Kontrolle über das sinkende Schiff kämpfen.
„Geschichtsamnesie“
Die Bemühungen, die Krise Venezuelas als „nicht sozialistisch“ abzutun, sind nicht nur lächerlich, sondern geradezu ein intellektueller Betrug; übrigens genauso wie die Vorstellung, dass es einen
„richtigen Weg“ geben könnte, die Produktionsmittel zu beschlagnahmen und eine Wirtschaft zentral zu planen. Das Problem liegt nicht in der Ausführung des Plans, sondern in dem Plan selbst. Es
spielt daher wirklich keine Rolle, wie oft und auf wie viele verschiedene Arten versucht wird, ihn umzusetzen, da er immer zum Scheitern verurteilt ist – ähnlich wie der Versuch, ohne Fallschirm
aus einem Flugzeug zu springen, macht es eben keinen Unterschied, ob Ihr Plan darin besteht, sich beim Aufprall abzurollen oder mit den Füßen aufzuspringen – Sie werden so oder so zerschmettert.
Das kindische Versprechen der Menschenschlächter
Es wird behauptet, dass eine Definition von Wahnsinn darin bestehe, immer wieder das Gleiche zu versuchen, aber andere Ergebnisse zu erwarten. Auf jeden Fall funktioniert diese Art von Wahnsinn in
Wahlkämpfen noch immer ganz ausgezeichnet. Wie sonst ließe sich jene, in letzter Konsequenz buchstäblich fatale Anziehungskraft sozialistischer Versprechen erklären, die bis heute anhält? Nach
einem Jahrhundert kommunistischer und sozialistischer Gräueltaten, nachdem über 100 Mio. Menschen von diesen Regimen ermordet und ganze Volkswirtschaften jahrzehntelang dezimiert wurden, sollte man
meinen, dass das kindische Versprechen von „Gratisleistungen“ weitaus weniger attraktiv wäre, ganz besonders, da man heute den wahren Preis dafür kennen könnte.
Fazit
Und doch nimmt die Anziehungskraft des Sozialismus tatsächlich zu. Laut einer Ende 2019 von YouGov durchgeführten Umfrage befürworten 36% der US-Millennials (also der 20- bis 40-Jährigen) sogar den
Kommunismus, gegenüber 28% im letzten Jahr. Jeder Fünfte glaubte, dass die Gesellschaft besser wäre, wenn das gesamte Privateigentum abgeschafft würde, und erstaunliche 70% gaben an, dass sie
wahrscheinlich für einen sozialistischen Kandidaten stimmen würden. In diesem Meinungsklima sollte der Aufstieg offen sozialistischer Kandidaten, Parteien und Regierungen in den USA und in Europa
nicht mehr überraschen. Was als Nächstes kommen wird, sollte – zumindest für diejenigen, die die Geschichte verstehen – noch weniger überraschend sein; diejenigen, die sie nicht verstehen, – und
leider auch alle anderen – werden sie einmal mehr wiederholen müssen.
Autorin: Natalie Vein
Kurzvita von Natalie Vein (Foto):
Die Griechin hat Ökonomie mit einem speziellen Fokus auf Medien und Kommunikationswissenschaften studiert. In den letzten zehn Jahren arbeitete sie weltweit (Monaco, Österreich, Schweiz, Belgien,
Panama) als Beraterin sowohl im Finanz- und Privatbankensektor als auch für politische und Wohltätigkeitsorganisationen. Nach wie vor gilt ihr Interesse den Wirtschaftstheorien und ihrer sinnvollen
Umsetzung.
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(Dieser Artikel aus der Smart Investor-Ausgabe 04/20 bezieht sich auf Daten, die bis zum 20.03.2020 erfasst wurden.)
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