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    Insolvenz  1384  0 Kommentare Wirecard oder „wat fott es, es fott“

    Auf einmal ging es dann doch ganz schnell. Fast zehn Milliarden Euro Börsenwert sind futsch. Nicht mehr da, genauso wie die 1,9 Milliarden Euro, die Wirecard angeblich auf philippinischen Konten deponiert hatte. Wobei letztere mit hoher Wahrscheinlichkeit niemals existiert haben. Das in Aktien von Wirecard investierte Geld ist weg, das hat anders als bei einem alten Börsenspruch auch nicht jemand anders. Es ist vermutlich einer der größten Wirtschaftsskandale der deutschen Nachkriegsgeschichte. Das erste deutsche Unternehmen, das trotz Insolvenz, immer noch im Dax gelistet ist.

    Im September 2018 feiert Wirecard-Chef Markus Braun seinen größten Triumph. Die Commerzbank fliegt nach jahrzehntelanger Präsenz aus dem wichtigsten deutschen Börsenindex. Wirecard ersetzt das Bankhaus. Die Aktie hatte bereits am 4. September 2018 mit 199 Euro ihren höchsten Stand erreicht, nach dem 18. Juni war der Kurs zwischenzeitlich auf knapp einen Euro gefallen. Eine jahrelange deutsche Internet-Erfolgsgeschichte fand letztlich ihr unrühmliches Ende. Der Schaden für den Finanzplatz Deutschland ist gewaltig, das kollektive Versagen der Aufsicht und der Wirtschaftsprüfer wird vermutlich noch lange danach die Gerichte beschäftigen. Denn Beobachter gehen mittlerweile davon aus, dass die Erfolgsgeschichte des Unternehmens weitgehend auf Lügen basierte und mutmaßlich ein gigantischer Betrug war.

    Die Aktie kannte anfangs nur eine Richtung

    Die Wirecard AG kannte viele Jahre nur eine Richtung: nach oben. Wie kein anderes Unternehmen profitierte das Unternehmen aus Aschheim bei München vom online Shopping-Boom. Das Kundenportfolio bestehend aus über 20.000 Kunden aus unterschiedlichen Branchen enthielt renommierte Namen wie den Kreditkartenanbieter Visa, die Fluggesellschaft KLM oder die Telefongesellschaft Orange. Das Geschäftsmodell war ebenso einfach wie genial. Wirecard kümmert sich um die technische Abwicklung von Zahlungsvorgängen. Anstatt, dass Händler für die Zahlung per Kreditkarte, Lastschrift oder Paypal mit jedem einzelnen Anbieter Verträge abschließen müssen, bündelt Wirecard diesen Vorgang mit einem weltweiten System. Bei jedem Kauf erhält das Unternehmen eine Provision. Für viele Analysten ist das Marktpotential noch lange nicht ausgereizt, stand das Unternehmen, was den Wachstumszyklus angeht, noch ganz am Anfang.

    Ein Hauch von Silicon Valley

    Ein Hauch von Silicon Valley, der vor allem die deutschen Anleger einlullte. Eigentlich gelten die Deutschen als sehr zurückhaltend und skeptisch was den bargeldlosen Zahlungsverkehr angeht. Das hielt sie aber scheinbar nicht davon ab, bei einem der größten Bezahldienstleister kräftig zu investieren. Wirecard avancierte zur großen Liebe der deutschen Anleger. Dabei sind die Deutschen nicht gerade als große Aktienfans bekannt und seine Liebe sollte man besser im Privatleben suchen. Wen das Börsenfieber aber einmal gepackt hatte, der war mit gnadenlosem Herzblut und vielem Geld dabei. Die Liebe erkaltete auch nicht, als erste Bilanzfälschungs-Vorwürfe der Financial Times zu einer Glaubwürdigkeitskriese führten. Zwar konnten die Vorwürfe über Monate hinweg weder bestätigt noch widerlegt werden, allerdings stiegen zunehmend Hedgefonds bei Wirecard ein. Spätestens jetzt war klar: Diese Aktie ist nichts mehr für den „kleinen Mann“. Zu viel Risiko, zu viel Spekulation. So mancher, der zu hohen Kursen eingestiegen war, wollte seinen Traum jedoch nicht aufgeben. Es wurde bei niedrigen Kursen nachgekauft. Der verzweifelte Versuch das getätigte Investment zu „verbilligen“.

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    Markus Richert
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    Seit 2010 ist Markus Richert als Vermögensverwalter und Finanzplaner bei der Portfolio Concept Vermögensmanagement GmbH in Köln beschäftigt. Bereits während des Studiums der Betriebswirtschaftslehre in den USA und an der Universität Bielefeld, arbeitet er freiberuflich als Finanzmakler. Nach dem Abschluss als Diplom Kaufmann 1996 arbeitete er einige Jahre bei einem großen deutschen Finanzdienstleister. Von 2003 bis 2004 studierte er Finanzökonomie an der European Business School (EBS) und ist seit 2004 als certified financial planner (cfp) zertifiziert. Neben der Finanzplanung und der Kundenbetreuung in der Vermögensverwaltung verantwortet er seit 2011 als Autor eine wöchentliche Finanzkolumne. Weitere Informationen finden Sie unter www.portfolio-concept.de.
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    Verfasst von Markus Richert
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