Experiment Börse beendet
Aktionäre schauen in die Röhre: Delisting von Rocket Internet „nicht völlig überraschend“
Nach sechs – aus Aktionärssicht sehr mageren – Jahren will sich Rocket Internet von der Börse verabschieden. Die Berliner Start-Up Schmiede will die Anteile zu einem Preis von 18,75 Euro zurückkaufen. Beim Börsengang im Jahr 2014 hatten Anleger noch 42,50 Euro pro Aktie gezahlt.
Das Unternehmen begründet das Delisting in ihrer offiziellen Mitteilung am Dienstag wie folgt: „Die Nutzung des öffentlichen Kapitalmarkts als Finanzierungsmöglichkeit als wesentlicher Grund einer Börsennotierung ist nicht mehr erforderlich und ein hinreichender Zugang zu Kapital ist auch außerhalb der Börse gesichert.“
Eine außerordentliche Hauptversammlung am 24. September soll über den Einzug der zurückgekauften Wertpapiere entscheiden. Das gilt jedoch als Formsache. Denn die Brüder Marc, Oliver und Alexander Samwer, die das Unternehmen 2007 gegründet hatten, halten knapp die Hälfte der Anteile an Rocket Internet.
Ohne die strengen Berichtspflichten eines börsennotierten Konzerns will Rocket Internet künftig freier agieren, glauben Experten. „Die Rückzugspläne von der Börse kommen nicht völlig überraschend“, sagt Steffen Manske, Redakteur von PLATOW Börse, gegenüber wallstreet:online. „Denn das Beteiligungsgeschäft ist eher langfristig ausgerichtet und für die quartalsweise Berichterstattung nicht so geeignet. Die Berliner haben zudem schon seit längerem das Problem, die Gelder früherer Börsengänge in neue Start-Ups wieder zu investieren. Es könnte auch sein, dass es Rocket Internet leid ist, allen Investoren immer einen Einblick in die Beteiligungsstrategie zu gewähren.“
Rocket Internet hat im Laufe der Jahre viele erfolgreiche Internetunternehmen gegründet, aufgekauft und an die Börse gebracht – darunter Marktführer wie Zalando, Hello Fresh und Delivery Hero. Für Rocket Internet Anleger der ersten Stunde wird das Börsenexperiment der Samwer-Brüder dagegen zu einer absoluten Fehlinvestition.
Lesen Sie auch
Entsprechend kritisch regieren Aktionärsschützer auf den Rocket-Rückzug. "Das ist irgendwas zwischen frech, unverschämt und Abzocke“, twitterte Marc Tüngler, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW).
Autor: Julian Schick, wallstreet:online Zentralredaktion