EZB-Politik
Ifo-Präsident Sinn: „Unternehmen werden zu Kapitalvernichtungsmaschinen"
Hans-Werner Sinn, Präsident des Münchener Ifo-Instituts, hat die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) scharf kritisiert: „Die EZB-Politik hält
Unternehmen in den Krisenländern am Leben, die nicht mehr wettbewerbsfähig sind und nur noch als Kapitalvernichtungsmaschinen dahin vegetieren“, sagte er der Welt am Sonntag. Das Geld der Sparer
sollte eigentlich dorthin geleitet werden, wo es echte Renditen liefert und dauerhafte Arbeitsplätze schaffe.
Bestenfalls könnte die EZB den Ländern Zeit kaufen. „Kurzfristig mag die Politik der EZB den Volkswirtschaften in den Krisenländern helfen, langfristig ist sie aber verhängnisvoll“, sagt Sinn. „Das
ist, als würde ein Kranker Schmerzmittel schlucken und weitermachen, anstatt sich auszukurieren.“
Die EZB hatte am Donnerstag den Leitzins auf die historisch niedrige Marke von 0,15 Prozent gesenkt. Zudem legte die Notenbank erstmals einen negativen Zinssatz für bei ihr geparktes Geld in Höhe
von 0,1 Prozent fest.
Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, schätzt die Wirkung der Zinssenkung der EZB als gering ein: „Die Zinssenkung ist eher symbolisch, sie wird
nicht viel bringen“, sagte er der Welt am Sonntag. Die Banken würden durch den Negativzins nicht mehr Kredite vergeben, sondern diesen höchstens als Kosten an ihre Kunden weitergeben.
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Der EZB-Rat hatte neben der Leitzins-Entscheidung auch beschlossen, bis zu 400 Milliarden Euro an Notenbank-Krediten an Geschäftsbanken auszugeben, wenn diese das Geld als Darlehen an Unternehmen
weitergeben.
Laut Fratzscher sei dies ein cleveres Mittel, um die Kreditvergabe zu erhöhen. Er befürchtet jedoch, dass Banken versuchen könnten, dies zu umgehen. „Insgesamt liegt zu viel Hoffnung auf der EZB,
wirklich ausschlaggebend wird aber der Stresstest der Banken im Herbst sein. Der muss glaubwürdig sein, damit die Kapitalbasis der Banken deutlich gestärkt wird und wir nicht noch ein stärkeres
Problem mit Zombie-Banken bekommen, wie dies in Japan in den 1990er Jahren der Fall war“, sagte Fratzscher. Mit Zombie-Banken meint Fratzscher Institute, die so hoch verschuldet sind, dass sie sich
mit der billigen Liquidität nur Staatsanleihen kaufen, weil sie nicht in der Lage sind, Kredite zu vergeben.
Für den Wirtschaftsweisen Christoph Schmidt birgt die Niedrigzinspolitik zudem noch ganz andere Gefahren. „Die dauerhafte Niedrigzinspolitik gefährdet die Stabilität der Finanzmärkte, weil
sich an den Vermögensmärkten Blasen bilden können“, sagte der Vorsitzende des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung der Welt am Sonntag.
Georg Fahrenschon, Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes, sagte der Welt am Sonntag: „Wir haben die große Sorge, dass dieser Kurs der EZB die Sparer weiter verunsichert. Hier findet
eine schleichende Vernichtung von Vermögenswerten statt. "
Das sieht ING-Diba-Vorstand Roland Boekhout deutlich gelassener: „Die Deutschen sind seit der Krise nicht mehr so zinsempfindlich. Sie jagen nicht mehr den besten Konditionen nach. Sie wollen das
Risiko von Aktien nicht hinnehmen“, sagte er der Welt am Sonntag. Das kann ich verstehen. Vielleicht sei es auch ein guter Gedanke, sich ein Haus zu kaufen und das einfach abzuzahlen.