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    EZB-Geldpolitik  2203  1 Kommentar Wenn aus Schmerzmitteln Krankheitsbeschleuniger werden

    Die Maßnahmen der Europäischen Zentralbank sollen helfen, die Schmerzen der Eurokrise zu lindern. Doch die Krankheit lässt sich dadurch nicht heilen, sagt Walter Krämer.

    Er ist Ökonom, Statistiker und einer der entschiedensten Kritiker der Euro-Rettungspolitik – Walter Krämer, Professor für Statistik an der TU Dortmund. Im Interview mit der „WirtschaftsWoche“ lässt er kein gutes Haar an der EZB und dem jüngsten Zinsentscheid.

    EZB-Geldpolitik nur Schmerzmittel

    „Gegen jede ökonomische Logik“ sei es, „marode, klinisch tote Geldinstitute“ über Wasser zu halten, so Krämer. Und genau das ist laut ihm der Hauptzweck des EZB-Zinsentscheids: Es sei demnach offensichtlich, dass durch diesen Schritt vor allem Teile des Finanzsektors vor dem Untergang bewahrt werden sollen. Vom Ziel, den südeuropäischen Staaten aus der Krise zu helfen, sei die EZB dagegen weit entfernt. Im Gegenteil, laut Krämer schade die Geldpolitik den Krisenstaaten sogar, indem sie den Regierungen weiterhin erlaube, ihre unseriöse Finanzpolitik zu betreiben. Die EZB werde so die „Euro-Krankheit“ nicht heilen können, stattdessen wirkten die Maßnahmen lediglich als Schmerzmittel. Aber „die betäubte Krankheit bricht später umso heftiger wider aus“, warnt Krämer in der „WirtschaftsWoche“.

    Deflation fördern statt bekämpfen

    Die Europäische Zentralbank betont stets, mit ihren Maßnahmen eine drohende Deflation, vor allem in Südeuropa, bekämpfen zu wollen. Zuletzt warnte auch die Weltbank vor den Folgen einer Deflations-Spirale in Europa. Walter Krämer teilt diese Bedenken nicht. Inflation und Deflation würden einzig und allein an dem Preisindex für die Lebenshaltung festgemacht werden. Dieser gebe aber nur einen sehr engen Ausschnitt aller Preise wieder. Allerdings zeige ein Blick auf die Preise etwa von Immobilien und Kapitalgütern, dass wir es dort mit einer Rieseninflation zu tun hätten, so Krämer. Von Deflation also keine Spur? Schade, denkt sich wohl Krämer. Denn seiner Meinung nach sollte die EZB die Deflation in Südeuropa nicht bekämpfen. Nein, die Südländer bräuchten sogar deutlich niedrigere Preise im Verhältnis zu den Nordländern, sonst blieben sie auf ihren Produkten sitzen. Die Alternative zur einer Deflationspolitik im Süden wäre, die Produkte der nordeuropäischen Staaten teurer zu machen.

    Exporterfolge zu Lasten der Sparer

    Auch mit dem anderen erklärten Ziel der EZB, die Wirtschaft der Eurozone anzukurbeln, geht Krämer hart ins Gericht. Eine weitere Abschwächung des Euro würde beispielsweise die deutschen Exporte noch günstiger machen, als sie ohnehin schon sind. „Das ist ja das Grundübel des Euro, er ist als Anzug für die einen zu groß, für die anderen zu klein. Er zwingt Volkswirtschaften zusammen, die nicht zusammenpassen.“ So passe es auch nicht zusammen, dass Deutschland letztendlich seine Exporterfolge aus eigener Tasche zahle. Deutschland verleihe Geld, damit das Ausland deutsche Waren kauft. „Aber was, wenn diese Forderungen nicht bedient werden können? Dann hätten wir die Exporte sozusagen verschenkt“, so Krämer weiter. Für den Ökonomen ist daher klar: die deutschen Sparer würden zu Gunsten der Exportindustrie geschröpft werden, ohne dass sie es merken.

    EZB verspielt Vertrauen in das Geldsystem

    Welche Schlüsse lassen sich also aus den jüngsten Maßnahmen der EZB ziehen? Dass sie aus einer Nebenaufgabe eine Hauptaufgabe gemacht habe, sagt Krämer im Interview mit der "WirtschaftsWoche". Die Preisstabilität zu bewahren sei demnach die vorrangige Aufgabe der Europäischen Zentralbank. Erst dann soll sie sich nebenbei auch um die gesamtwirtschaftliche Entwicklung kümmern. Allerdings habe sich die Gewichtung der Aufgaben zugunsten letzterer verschoben. Laut Krämer mit schwerwiegenden Folgen: Diese Orientierung an kurzfristigen wirtschaftpolitischen Zielen untergrabe langfristig das Vertrauen, auf dem das Geldsystem basiere. Denn „wenn die Leute merken, dass sie beklaut werden, ist das ganze Projekt gefährdet.“





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