Hartz IV schafft doch Arbeit... - 500 Beiträge pro Seite
eröffnet am 18.11.05 17:15:15 von
neuester Beitrag 19.11.05 12:22:26 von
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PANORAMA Nr. 661 vom 17.11.2005
...bei Richtern und Anwälten
„Unglaublich, aber wahr: Hartz IV schafft doch Arbeit. Und zwar im wahrsten Sinne des
Wortes. Seit der Einführung der neuen Arbeitslosenregelungen nämlich klagen Richter an
Sozialgerichten über eine massive Zunahme ihrer Beschäftigung. Allein in Niedersachsen
bräuchte man anscheinend dringend 25 neue Richterstellen, um der neuen Klagewelle von
Arbeitslosen Herr zu werden. Hartz IV kann also nicht nur Arbeit, sondern sogar
Arbeitsplätze schaffen. Warum das so ist, zeigen Stefan Buchen und Christiane Justus.“
90 Euro im Monat sind genug für Tanja und ihre beiden Kinder, wenn es nach dem
Arbeitsamt gegangen wäre. Das Geld hätte nicht mal gereicht für Brot und Käse. Nur eine
Klage vor Gericht konnte die Behördenwillkür stoppen. Statt 90 Euro stehen der Familie
nämlich 340 Euro zu. Mehrmals ist Tanja zum Arbeitsamt gegangen, um sich zu wehren,
ohne jeden Erfolg.
O-Ton
Tanja Soto Persigel:
“Jede Frage, die ich gestellt habe, sei es, wie lange diese Bearbeitung dauert..., da wurde
immer nur jeder dritte Satz so: ‚Kann ich Ihnen nicht sagen, keine Ahnung’.“
Das Arbeitsamt Oberhausen reagiert einfach nicht. Erst als Tanja klagt, heißt es: tut uns
Leid.
O-Ton
Annette Gleibs,
„Arbeitsamt“ Oberhausen:
„Ja klar, es ist ein Fehler passiert. Es ist ein Fehler passiert, der natürlich bedauerlich ist,
keine Frage, aber der aufgrund des Zeitdrucks, unter dem die Kolleginnen und Kollegen
arbeiten, durchaus auch verständlich ist.“
Verständliche Fehler? In den Arbeitsämtern passiert das zuhauf. Die Folge: Zehntausende
falsche Bescheide.
O-Ton
Jürgen Borchert,
Richter am Landessozialgericht Hessen:
„Wir haben es mit einer Verwaltung zu tun, die hier neu aus dem Boden gestampft wurde,
die auf Mitarbeiter angewiesen war, die häufig nicht die Qualifikation mit sich bringen. Es
handelt sich in vielen Fällen um Mitarbeiter, die früher bei der Post, der Telekom oder der
Deutschen Bahn beschäftigt waren, und diese Menschen haben einfach nicht die Erfahrung
im Umgang mit diesen schwierigen Sachverhalten, um die es da geht.“
Maria und Fritz Boyungs sind taubstumm. Seit zwanzig Jahren wohnen sie im
ostfriesischen Jever zur Miete. Den Garten haben sie selbst angelegt. Sie haben Anspruch
auf Arbeitslosengeld II einschließlich Wohngeld. Aber das Arbeitsamt sagte: 381 Euro Miete
sind zu viel, unangemessen viel.
O-Ton
Fritz und Maria Boyungs:
„Also das Arbeitsamt hat halt gesagt, wir würden das Geld nicht bekommen, wir müssten
Wohngeld beantragen, aber das wäre weniger und wir müssten halt dann in eine kleinere
Wohnung umziehen. Und diese große Wohnung könnte nicht bezahlt werden, das Geld
dafür würden wir nicht kriegen.“
Das Sozialgericht Oldenburg hat die Behörde zur Zahlung der vollen Miete verdonnert:
Behinderten sei es nicht zuzumuten, eine bereits seit 20 Jahren bewohnte Wohnung zu
verlassen. Den Beschluss erstritten hat Anwalt Alfred Kroll, ein führender Experte für
Sozialrecht in Deutschland.
O-Ton
Alfred Kroll,
Rechtsanwalt:
„Ich habe zur Zeit, von Januar bis heute, über 600 Fälle. Und ich kann da nach wie vor
kaum einen Bescheid erkennen, der nach Recht und Gesetz ergangen ist.“
O-Ton
John-Philip Hammersen,
Bundesagentur für Arbeit:
„Angesichts der unglaublichen Zahl von Fällen, mit denen wir es zu tun haben, mit denen
es auch jeder einzelne Sachbearbeiter bei uns in den Agenturen und vor allem auch in den
Arbeitsgemeinschaften zu tun hat, passieren solche Fehler leider immer wieder.“
Überlastung ist aber nicht der alleinige Grund, meinen Richter. Sie vermuten auch
Verwaltungshandeln nach Kassenlage.
O-Ton
Dr. Jürgen Borchert,
Richter am Landessozialgericht Hessen:
„Die Grundsituation beim Arbeitslosengeld II und der Sozialhilfe ist ja die, dass wir jetzt
Träger in diesen Gesetzen haben, denen selbst die Schulden bis Oberkante Unterlippe
stehen. Das heißt, sie gehen an den Vollzug dieses Gesetzes heran mit einem enormen
Finanzdruck von Seiten ihrer Finanzaufsicht. Und das führt natürlich dazu, dass sie
tendenziell eher zu Lasten der Leistungsberechtigten entscheiden.“
Sparen um jeden Preis. Die Ursachen der Klageflut liegen aber häufig auch in den Hartz-
Gesetzen selbst. Sie strotzen vor Fallen.
Beispiel Sozialgesetzbuch 3, §37b. Die Idee: wer seinen Job verliert, soll sich rasch melden,
sonst vermindert sich das Arbeitslosengeld.
O-Ton
Jürgen Brand,
Präsident Landessozialgericht NRW:
„Das ist eine Vorschrift, wonach der Arbeitslose sich unverzüglich, wenn er weiß, dass sein
Arbeitsverhältnis beendet wird, bei der Arbeitsagentur melden muss. Das wissen aber die
Arbeitslosen nicht. Und die Arbeitslosen fallen dann in dieses Loch, indem sie zu spät
dahin gehen. Woher sollen sie es auch wissen? Und bekommen dann eine Minderung ihres
Arbeitslosengeldes.“
Uwe Waschull ist so ein Fall. Im vergangenen Jahr war der Maler ein paar Monate
arbeitslos. Sein damaliger Arbeitgeber war unerwartet Pleite gegangen. 22 Jahre hatte er
in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt. Aber das Arbeitsamt kürzte ihm die Stütze. Er
habe sich zu spät arbeitslos gemeldet.
O-Ton
Uwe Waschull,
Maler:
„Meine Meinung ist, so kann man die Leute nur abzocken. Ich bin ja nun nicht der einzigste,
mit dem sie das gemacht haben und mit dem sie das machen konnten, und das sind ja
noch mal etliche Tausende, mit denen sie das gemacht haben und die darüber wegguckt
haben.“
Uwe Waschull hat nicht darüber weggeguckt. Er hat mit Erfolg um sein Recht und um sein
Geld gekämpft, bis zum Bundessozialgericht. Ein mühsamer Weg.
O-Ton
Uwe Waschull,
Maler:
„Das ist traurig, dass man überhaupt durch so viele Instanzen gehen muss, um an sein
Recht zu kommen.“
Die Sozialrichter haben inzwischen diesen irrsinnigsten Paragraphen der
Arbeitsmarktreform in der Luft zerrissen.
§ 37b sollte Personen bestrafen, die sich zu spät arbeitslos melden. In der Formulierung
haben sich die Arbeitsmarktstrategen jedoch gründlich vergriffen. Statt von „zu spät“ zu
reden, heißt es dort, Gekündigte sollen sich arbeitssuchend melden, frühestens drei
Monate vor der Arbeitslosigkeit.
O-Ton
Jürgen Brand,
Präsident LSG Nordrhein-Westfalen:
„Ja, dieses ‚frühestens’ ist natürlich skurril. Gemeint ist ‚spätestens’ drei Monate. Und da es
ein Eingriffsgesetz ist, muss man das schon ernst nehmen. Das heißt, wir sollten judizieren
mit ‚frühestens’.“
PANORAMA:
„Ist es korrekt, dass im Gesetz das Gegenteil von dem steht, was eigentlich gemeint war?“
O-Ton
Jürgen Brand,
Präsident LSG Nordrhein-Westfalen:
„Das ist richtig, das ist richtig.“
PANORAMA:
„Wie konnte es kommen, dass das Gegenteil in das Gesetz geflutscht ist, als das, was man
eigentlich meinte?“
O-Ton
Gerd Andres,
Staatssekretär Arbeitsministerium:
„Das kann ich Ihnen nicht sagen, ob das die Begründung ist oder ob das der
Zusammenhang ist, das weiß ich jetzt nicht.“
O-Ton
Jürgen Brand,
Präsident Landessozialgericht NRW:
„Es wundert mich, dass der Gesetzgeber das nicht gesehen hat. Aber bei der Frage des
Paragraphen 37b hat der Gesetzgeber, so wie es ja auch in den Materialien steht, vor allem
auf die zu erwartenden Einnahmen geschaut. Das sollte man nie machen.“
In der Tat, die Hartz-Strategen wollten mit §37b Kasse machen: zusammen mit anderen
Instrumenten der Arbeitsförderung sollte er 1,85 Milliarden Euro in die Staatskasse spülen.
Das Ergebnis: ein Desaster. Statt Einnahmen: Tausende Gerichtsverfahren, die ausgehen zu
Gunsten der Kläger.
Die ungezügelte Raffgier des Staates treibt noch schönere Blüten. Für den Einzelnen ist es
lohnend, sich zu wehren.
Peter Ertel, Gleisbauer aus Leipzig, lebt in einer kleinen Mietwohnung. Vermögen hat er
nicht. Seit zwei Jahren ist er arbeitslos. Aber vorher hat er gearbeitet und reichlich Steuern
bezahlt. Deswegen bekam er im April eine Rückerstattung vom Finanzamt: 6.053 Euro, Geld
das ihm gehört, Steuern, die er zu viel gezahlt hatte.
O-Ton
Peter Ertel:
„Als ehrlicher Bürger musste ich das ja dem Arbeitsamt melden, sonst mache ich mich ja
strafbar – da hab ich das angegeben und zwei Tage später wurde mir das ganz Geld
gestrichen.“
Absurde Logik. Peter Ertel wird das Arbeitslosengeld gestrichen, nur weil der Staat ihm vor
zwei Jahren zu viel Steuern abgeknöpft hat. Ertel hat beim Sozialgericht Leipzig geklagt
und Recht bekommen. Trotzdem zahlte das Arbeitsamt nicht. Ertels Anwalt sieht sich zu
einem außergewöhnlichen Schritt veranlasst.
O-Ton
Sebastian Obermaier,
Rechtsanwalt:
„Ich habe die Zwangsvollstreckung beantragt.
Das heißt, ich habe mir überlegt, wie
überhaupt vollstreckt wird. Es ist absolut unüblich gegen Behörden zu vollstrecken, aber es
muss ja irgendwie gehen und dementsprechend habe ich eine Pfändung beantragt, und
dann werden wir mal sehen, ob wir damit uns durchsetzen können.“
Erst jetzt knickt die Behörde ein. Ein halbes Jahr nach der Streichung des
Arbeitslosengeldes kündigt das Arbeitsamt Leipzig am vergangenen Freitag an: Es wurde
veranlasst, dass Ihr Mandant monatlich 339,24 Euro erhält.
O-Ton
Peter Ertel:
„Das ist wirklich eine Schande, dass man heutzutage vors Gericht gehen muss, um das
Geld, was mir zusteht, zu erbetteln, das ist ja nichts wie betteln.“
Bericht: Stefan Buchen, Christiane Justus
Schnitt: Andrea Schröder-Jahn
http://www.ndrtv.de/panorama/data/panorama_051117_hartz.pdf
...bei Richtern und Anwälten
„Unglaublich, aber wahr: Hartz IV schafft doch Arbeit. Und zwar im wahrsten Sinne des
Wortes. Seit der Einführung der neuen Arbeitslosenregelungen nämlich klagen Richter an
Sozialgerichten über eine massive Zunahme ihrer Beschäftigung. Allein in Niedersachsen
bräuchte man anscheinend dringend 25 neue Richterstellen, um der neuen Klagewelle von
Arbeitslosen Herr zu werden. Hartz IV kann also nicht nur Arbeit, sondern sogar
Arbeitsplätze schaffen. Warum das so ist, zeigen Stefan Buchen und Christiane Justus.“
90 Euro im Monat sind genug für Tanja und ihre beiden Kinder, wenn es nach dem
Arbeitsamt gegangen wäre. Das Geld hätte nicht mal gereicht für Brot und Käse. Nur eine
Klage vor Gericht konnte die Behördenwillkür stoppen. Statt 90 Euro stehen der Familie
nämlich 340 Euro zu. Mehrmals ist Tanja zum Arbeitsamt gegangen, um sich zu wehren,
ohne jeden Erfolg.
O-Ton
Tanja Soto Persigel:
“Jede Frage, die ich gestellt habe, sei es, wie lange diese Bearbeitung dauert..., da wurde
immer nur jeder dritte Satz so: ‚Kann ich Ihnen nicht sagen, keine Ahnung’.“
Das Arbeitsamt Oberhausen reagiert einfach nicht. Erst als Tanja klagt, heißt es: tut uns
Leid.
O-Ton
Annette Gleibs,
„Arbeitsamt“ Oberhausen:
„Ja klar, es ist ein Fehler passiert. Es ist ein Fehler passiert, der natürlich bedauerlich ist,
keine Frage, aber der aufgrund des Zeitdrucks, unter dem die Kolleginnen und Kollegen
arbeiten, durchaus auch verständlich ist.“
Verständliche Fehler? In den Arbeitsämtern passiert das zuhauf. Die Folge: Zehntausende
falsche Bescheide.
O-Ton
Jürgen Borchert,
Richter am Landessozialgericht Hessen:
„Wir haben es mit einer Verwaltung zu tun, die hier neu aus dem Boden gestampft wurde,
die auf Mitarbeiter angewiesen war, die häufig nicht die Qualifikation mit sich bringen. Es
handelt sich in vielen Fällen um Mitarbeiter, die früher bei der Post, der Telekom oder der
Deutschen Bahn beschäftigt waren, und diese Menschen haben einfach nicht die Erfahrung
im Umgang mit diesen schwierigen Sachverhalten, um die es da geht.“
Maria und Fritz Boyungs sind taubstumm. Seit zwanzig Jahren wohnen sie im
ostfriesischen Jever zur Miete. Den Garten haben sie selbst angelegt. Sie haben Anspruch
auf Arbeitslosengeld II einschließlich Wohngeld. Aber das Arbeitsamt sagte: 381 Euro Miete
sind zu viel, unangemessen viel.
O-Ton
Fritz und Maria Boyungs:
„Also das Arbeitsamt hat halt gesagt, wir würden das Geld nicht bekommen, wir müssten
Wohngeld beantragen, aber das wäre weniger und wir müssten halt dann in eine kleinere
Wohnung umziehen. Und diese große Wohnung könnte nicht bezahlt werden, das Geld
dafür würden wir nicht kriegen.“
Das Sozialgericht Oldenburg hat die Behörde zur Zahlung der vollen Miete verdonnert:
Behinderten sei es nicht zuzumuten, eine bereits seit 20 Jahren bewohnte Wohnung zu
verlassen. Den Beschluss erstritten hat Anwalt Alfred Kroll, ein führender Experte für
Sozialrecht in Deutschland.
O-Ton
Alfred Kroll,
Rechtsanwalt:
„Ich habe zur Zeit, von Januar bis heute, über 600 Fälle. Und ich kann da nach wie vor
kaum einen Bescheid erkennen, der nach Recht und Gesetz ergangen ist.“
O-Ton
John-Philip Hammersen,
Bundesagentur für Arbeit:
„Angesichts der unglaublichen Zahl von Fällen, mit denen wir es zu tun haben, mit denen
es auch jeder einzelne Sachbearbeiter bei uns in den Agenturen und vor allem auch in den
Arbeitsgemeinschaften zu tun hat, passieren solche Fehler leider immer wieder.“
Überlastung ist aber nicht der alleinige Grund, meinen Richter. Sie vermuten auch
Verwaltungshandeln nach Kassenlage.
O-Ton
Dr. Jürgen Borchert,
Richter am Landessozialgericht Hessen:
„Die Grundsituation beim Arbeitslosengeld II und der Sozialhilfe ist ja die, dass wir jetzt
Träger in diesen Gesetzen haben, denen selbst die Schulden bis Oberkante Unterlippe
stehen. Das heißt, sie gehen an den Vollzug dieses Gesetzes heran mit einem enormen
Finanzdruck von Seiten ihrer Finanzaufsicht. Und das führt natürlich dazu, dass sie
tendenziell eher zu Lasten der Leistungsberechtigten entscheiden.“
Sparen um jeden Preis. Die Ursachen der Klageflut liegen aber häufig auch in den Hartz-
Gesetzen selbst. Sie strotzen vor Fallen.
Beispiel Sozialgesetzbuch 3, §37b. Die Idee: wer seinen Job verliert, soll sich rasch melden,
sonst vermindert sich das Arbeitslosengeld.
O-Ton
Jürgen Brand,
Präsident Landessozialgericht NRW:
„Das ist eine Vorschrift, wonach der Arbeitslose sich unverzüglich, wenn er weiß, dass sein
Arbeitsverhältnis beendet wird, bei der Arbeitsagentur melden muss. Das wissen aber die
Arbeitslosen nicht. Und die Arbeitslosen fallen dann in dieses Loch, indem sie zu spät
dahin gehen. Woher sollen sie es auch wissen? Und bekommen dann eine Minderung ihres
Arbeitslosengeldes.“
Uwe Waschull ist so ein Fall. Im vergangenen Jahr war der Maler ein paar Monate
arbeitslos. Sein damaliger Arbeitgeber war unerwartet Pleite gegangen. 22 Jahre hatte er
in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt. Aber das Arbeitsamt kürzte ihm die Stütze. Er
habe sich zu spät arbeitslos gemeldet.
O-Ton
Uwe Waschull,
Maler:
„Meine Meinung ist, so kann man die Leute nur abzocken. Ich bin ja nun nicht der einzigste,
mit dem sie das gemacht haben und mit dem sie das machen konnten, und das sind ja
noch mal etliche Tausende, mit denen sie das gemacht haben und die darüber wegguckt
haben.“
Uwe Waschull hat nicht darüber weggeguckt. Er hat mit Erfolg um sein Recht und um sein
Geld gekämpft, bis zum Bundessozialgericht. Ein mühsamer Weg.
O-Ton
Uwe Waschull,
Maler:
„Das ist traurig, dass man überhaupt durch so viele Instanzen gehen muss, um an sein
Recht zu kommen.“
Die Sozialrichter haben inzwischen diesen irrsinnigsten Paragraphen der
Arbeitsmarktreform in der Luft zerrissen.
§ 37b sollte Personen bestrafen, die sich zu spät arbeitslos melden. In der Formulierung
haben sich die Arbeitsmarktstrategen jedoch gründlich vergriffen. Statt von „zu spät“ zu
reden, heißt es dort, Gekündigte sollen sich arbeitssuchend melden, frühestens drei
Monate vor der Arbeitslosigkeit.
O-Ton
Jürgen Brand,
Präsident LSG Nordrhein-Westfalen:
„Ja, dieses ‚frühestens’ ist natürlich skurril. Gemeint ist ‚spätestens’ drei Monate. Und da es
ein Eingriffsgesetz ist, muss man das schon ernst nehmen. Das heißt, wir sollten judizieren
mit ‚frühestens’.“
PANORAMA:
„Ist es korrekt, dass im Gesetz das Gegenteil von dem steht, was eigentlich gemeint war?“
O-Ton
Jürgen Brand,
Präsident LSG Nordrhein-Westfalen:
„Das ist richtig, das ist richtig.“
PANORAMA:
„Wie konnte es kommen, dass das Gegenteil in das Gesetz geflutscht ist, als das, was man
eigentlich meinte?“
O-Ton
Gerd Andres,
Staatssekretär Arbeitsministerium:
„Das kann ich Ihnen nicht sagen, ob das die Begründung ist oder ob das der
Zusammenhang ist, das weiß ich jetzt nicht.“
O-Ton
Jürgen Brand,
Präsident Landessozialgericht NRW:
„Es wundert mich, dass der Gesetzgeber das nicht gesehen hat. Aber bei der Frage des
Paragraphen 37b hat der Gesetzgeber, so wie es ja auch in den Materialien steht, vor allem
auf die zu erwartenden Einnahmen geschaut. Das sollte man nie machen.“
In der Tat, die Hartz-Strategen wollten mit §37b Kasse machen: zusammen mit anderen
Instrumenten der Arbeitsförderung sollte er 1,85 Milliarden Euro in die Staatskasse spülen.
Das Ergebnis: ein Desaster. Statt Einnahmen: Tausende Gerichtsverfahren, die ausgehen zu
Gunsten der Kläger.
Die ungezügelte Raffgier des Staates treibt noch schönere Blüten. Für den Einzelnen ist es
lohnend, sich zu wehren.
Peter Ertel, Gleisbauer aus Leipzig, lebt in einer kleinen Mietwohnung. Vermögen hat er
nicht. Seit zwei Jahren ist er arbeitslos. Aber vorher hat er gearbeitet und reichlich Steuern
bezahlt. Deswegen bekam er im April eine Rückerstattung vom Finanzamt: 6.053 Euro, Geld
das ihm gehört, Steuern, die er zu viel gezahlt hatte.
O-Ton
Peter Ertel:
„Als ehrlicher Bürger musste ich das ja dem Arbeitsamt melden, sonst mache ich mich ja
strafbar – da hab ich das angegeben und zwei Tage später wurde mir das ganz Geld
gestrichen.“
Absurde Logik. Peter Ertel wird das Arbeitslosengeld gestrichen, nur weil der Staat ihm vor
zwei Jahren zu viel Steuern abgeknöpft hat. Ertel hat beim Sozialgericht Leipzig geklagt
und Recht bekommen. Trotzdem zahlte das Arbeitsamt nicht. Ertels Anwalt sieht sich zu
einem außergewöhnlichen Schritt veranlasst.
O-Ton
Sebastian Obermaier,
Rechtsanwalt:
„Ich habe die Zwangsvollstreckung beantragt.
Das heißt, ich habe mir überlegt, wie
überhaupt vollstreckt wird. Es ist absolut unüblich gegen Behörden zu vollstrecken, aber es
muss ja irgendwie gehen und dementsprechend habe ich eine Pfändung beantragt, und
dann werden wir mal sehen, ob wir damit uns durchsetzen können.“
Erst jetzt knickt die Behörde ein. Ein halbes Jahr nach der Streichung des
Arbeitslosengeldes kündigt das Arbeitsamt Leipzig am vergangenen Freitag an: Es wurde
veranlasst, dass Ihr Mandant monatlich 339,24 Euro erhält.
O-Ton
Peter Ertel:
„Das ist wirklich eine Schande, dass man heutzutage vors Gericht gehen muss, um das
Geld, was mir zusteht, zu erbetteln, das ist ja nichts wie betteln.“
Bericht: Stefan Buchen, Christiane Justus
Schnitt: Andrea Schröder-Jahn
http://www.ndrtv.de/panorama/data/panorama_051117_hartz.pdf
Liegt vielleicht auch daran, das die Eineurojobber bei der Arbeitsheilanstalt den Job halt nur so gut machen wie sie können.
[posting]18.872.965 von Sprengli am 18.11.05 22:10:32[/posting]Hab ich hier glaub schon mal geschrieben:
1€ / Std. ???
Mann da würd ich mir echt den Arsch aufreissen...
1€ / Std. ???
Mann da würd ich mir echt den Arsch aufreissen...
Der Fisch stinkt vom Kopf her. Das ist bei jeder mieslaufenden Institution, bei jedem Pleiteunternehmen und bei jedem schlechtliegenden Privatier so.
Lustig ist es ja nicht gerade, was so alles in Schilda passiert, doch man hat ja sonst nicht mehr allzuviel zu lachen.
Lustig ist es ja nicht gerade, was so alles in Schilda passiert, doch man hat ja sonst nicht mehr allzuviel zu lachen.
4,
Du willst doch nicht die "Reform" schlechtreden?
Deutschlands "Elite" hat hier zugeschlagen. Danke Herr v.Pierer, Herr Berger, Herr Clement und dem Rest der coolen Gang.
Du willst doch nicht die "Reform" schlechtreden?
Deutschlands "Elite" hat hier zugeschlagen. Danke Herr v.Pierer, Herr Berger, Herr Clement und dem Rest der coolen Gang.
[posting]18.876.593 von derdieschnautzelangsamvollhat am 19.11.05 11:26:11[/posting]Ich verstehe die Kritik an dem Gesstez auch nicht.:O
Jugendliche brauchen dank HArtz4 keine Autos anzünden. Denn sie bekommen zum feschen Freund oder zur hippen Freundin auch noch die perfekt eingerichtete Wohnung zum Gratistarif.
Außerdem spart der Staat eine ganze Menge Geld ein, so daß wir recht bald schon einen verfassungsgemäßen Haushalt bekommen werden.
Und die Zahl der Arbeitslosen ist auf fast schon auf null gesunken. Denn es gibt keine Arbeitslosen mehr.
Jugendliche brauchen dank HArtz4 keine Autos anzünden. Denn sie bekommen zum feschen Freund oder zur hippen Freundin auch noch die perfekt eingerichtete Wohnung zum Gratistarif.
Außerdem spart der Staat eine ganze Menge Geld ein, so daß wir recht bald schon einen verfassungsgemäßen Haushalt bekommen werden.
Und die Zahl der Arbeitslosen ist auf fast schon auf null gesunken. Denn es gibt keine Arbeitslosen mehr.
#5
Es musste was passieren, ok.
Es ist etwas passiert, oweh.
Vielleicht kann ich das Ziel, welches so klar und einfach zu erreichen schien, nicht sehen.
Sehe ich es individuell, so wird gemogelt und gebogen, um Leistungen zu beziehen, wie nie zu vor.
Es musste was passieren, ok.
Es ist etwas passiert, oweh.
Vielleicht kann ich das Ziel, welches so klar und einfach zu erreichen schien, nicht sehen.
Sehe ich es individuell, so wird gemogelt und gebogen, um Leistungen zu beziehen, wie nie zu vor.
[posting]18.876.729 von Sprengli am 19.11.05 11:35:10[/posting]Sehe ich es individuell, so wird gemogelt und gebogen, um Leistungen zu beziehen, wie nie zu vor
Das ist doch kein Mogeln und Biegen. Die Deutschen lernen endlich mal wieder, sich als Unternehmer zu betätigen.
Wie beackere ich ein trächtiges Gewinnpotential mit maximalem Nutzen.
Kein Wunder, daß die SPD schreit: Kentucky will .icken. (Insert "ch" for ".")
Das ist doch kein Mogeln und Biegen. Die Deutschen lernen endlich mal wieder, sich als Unternehmer zu betätigen.
Wie beackere ich ein trächtiges Gewinnpotential mit maximalem Nutzen.
Kein Wunder, daß die SPD schreit: Kentucky will .icken. (Insert "ch" for ".")
[posting]18.875.405 von Sprengli am 19.11.05 09:44:29[/posting]Tja, schade, da hätte ich glatt Eintrittsgeld bezahlt um zusehen
zu dürfen, wie der Gerichtsvollzieher mit der Pfändungsurkunde
ins Arbeitsamt reinläuft...
zu dürfen, wie der Gerichtsvollzieher mit der Pfändungsurkunde
ins Arbeitsamt reinläuft...
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