checkAd

    Berliner kratzen den Kitt aus den Fenstern - bitte um Lebensmittelspenden - 500 Beiträge pro Seite

    eröffnet am 06.02.02 20:45:07 von
    neuester Beitrag 06.02.02 21:49:34 von
    Beiträge: 16
    ID: 546.903
    Aufrufe heute: 0
    Gesamt: 405
    Aktive User: 0


     Durchsuchen

    Begriffe und/oder Benutzer

     

    Top-Postings

     Ja Nein
      Avatar
      schrieb am 06.02.02 20:45:07
      Beitrag Nr. 1 ()
      HAUSHALTSNOTSTAND IN BERLIN

      "Südamerikanische Verhältnisse"

      Von Holger Kulick

      Berlins Haushalt wird zum Fass ohne Boden. Die Hauptstadt sitzt auf 39 Milliarden Euro Schulden, die bis 2006 auf 58 Milliarden ansteigen werden. Berlins neuer Finanzsenator Thilo Sarrazin spricht vom Haushaltsnotstand. Schuld sind die hohe Zinslast, die Pleite der Bankgesellschaft und Personalüberhang. Der Sparkurs wird radikal.



      Berlin - Zu früh gefreut. "Wowereit gibt nach" und "Wende in Berlins Sparpolitik" titelten noch am Dienstagmorgen Berliner Tageszeitungen erleichtert. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit hatte am Vortag bei seinem ersten großen Sparvorhaben einen Rückzieher gemacht, nachdem er sich wochenlang gegenüber Demonstranten stur gestellt hatte. Das Reizthema: die vorgesehene Umwandlung des Universitätsklinikums Benjamin Franklin in ein Regionalkrankenhaus. Dadurch wollte die Hauptstadt ab 2006 jährlich 98 Millionen Euro einsparen. Nun wird die Entscheidung vertagt und ein Expertengremium einberufen.
      Von Sparen zu reden ist einfach, es umzusetzen fast aussichtslos, lernt Berlins SPD-Stadtoberhaupt immer öfter. Allein die Ankündigung, aus Kostengründen die Reiterstaffel der Berliner Polizei aufzulösen, entfachte einen nie zuvor da gewesenen Sturm medialen Entsetzens in der Stadt. Die Hauszeitung der Berliner CDU-Opposition, die auflagenstarke Springer-Postille "BZ", gründete sogar eine Aktion Bürgersinn und machte die Polizeipferde zur regelmäßigen Titelstory. Kostprobe: "18.000 Berliner fordern: Hände weg von unserer Reiterstaffel".

      "Abartige" Neuverschuldung


      Seit dem gestrigen Dienstagnachmittag dürfte aber die Erkenntnis auch bei den Berliner Bürgern wachsen, wie ernst die Haushaltslage in Berlin wirklich ist. Denn Uni-Klinik und Reiterstaffel sind nur Peanuts gegenüber dem, was Berlin in Zukunft zusätzlich einsparen muss. Berlins neuer Finanzsenator Thilo Sarrazin konfrontierte Senat und Öffentlichkeit mit den von ihm errechneten roten Zahlen der Hauptstadt - in einer Offenheit wie kein Finanzsenator zuvor. So wachse die Neuverschuldung der Stadt 2002 wegen neu entdeckter Haushaltsfehlbeträge sogar auf 6,3 Milliarden Euro an.

      Diese Zahl sei "abartig", ohrfeigte Sarrazin alle seine Vorgänger(innen), die in Berlin nie einen Mentalitätswechsel erreichen konnten. Jetzt hoffe er, "allen Beteiligten die Elementararithmetik beizubringen", um künftig einschneidend zu sparen. Sein Wachrütteln schockiert die Stadt: "Berlin: Die Bankrott-Erklärung" titelt die "Berliner Morgenpost" am heutigen Mittwoch.

      Allein 2001 habe Berlin "2,1 Milliarden mehr Euro ausgegeben als eingenommen", das ist laut Sarrazin das "Basisproblem". Ausschlaggebend seien offenbar Fehlkalkulationen und Schönfärbereien bei den Personalausgaben, unvorhergesehene Mehrausgaben beispielsweise für die Defizite der Bankgesellschaft Berlin und die "explosive Entwicklung" der Zinsausgaben.

      "Bestürzt" hätten seine Amtskollegen das Zahlenwerk zur Kenntnis genommen, teilte Sarrazin mit. Die finanzielle Lage Berlins sei aus seiner Sicht mit "südamerikanischen Verhältnissen" vergleichbar, "und zwar in dem Sinne, dass die öffentlichen Finanzen in eine Lage zu kommen drohen, dass praktisch Leute, die sich aktiv engagieren, um sich zu verbessern, verzweifeln". Wenn aber "die Aktiven verzweifeln" werde es "schlimm". Denn daraus könne leicht eine Abwanderungsbewegung werden, die perspektivisch zur weiteren Verarmung der Stadt beitrage.


      Einsparungen in allen Bereichen


      Bereits jetzt stehe Berlin mit 39 Milliarden Euro in der Kreide, rechnete Sarrazin im Senat vor, und "trotz einschneidender Maßnahmen" werde dieses Saldo bis 2006 auf 58 Milliarden Euro anwachsen. Deshalb sei kein Bereich mehr von Einsparungen ausgenommen, auch die Ausgaben für Kultur, Bildung und Wissenschaft müssten "weiter abgesenkt werden, allerdings weniger als in den anderen Bereichen". Darüber habe er mit seinen Senatskollegen Übereinkunft erzielt.

      Bis zum Ende der Legislaturperiode sollen nun ausgabensenkende Maßnahmen in Höhe von zwei Milliarden Euro greifen, das sind zehn Prozent des Etatvolumens. "Dieses Ziel ist ehrgeizig, aber es gibt keine Alternative", meinte Sarrazin, die Stadt könne sich jedoch ein Weiter-so nicht mehr leisten und "auch nicht auf einen Retter warten".

      So legte sich der Senat darauf fest, Investitionsausgaben von 2,1 Milliarden Euro jährlich auf 1,8 Milliarden abzusenken, die Sachmittelausgaben in Höhe von jährlich 350 Millionen Euro einzusparen und die natürliche Personalfluktuation "vollständig" für den Personalabbau zu verwenden. Neueinstellungen werden auf jährlich höchstens tausend Mitarbeiter begrenzt.
      Avatar
      schrieb am 06.02.02 20:47:42
      Beitrag Nr. 2 ()
      "Ja, wir haben eine Haushaltsnotlage, aber schon länger", betonte Thilo Sarrazin. Berlin sei in der Situation eines Schuldners, der "seine Schulden nicht mehr bezahlen kann, sich aber trotzdem nicht von seinem zu groß gewordenen Haus trennen mag". Schon während seiner ersten Amtswochen rechnete er den Berlinern immer wieder vor, dass sich die Hauptstadt pro Kopf ihrer Bevölkerung bei der Polizei, Sport, Erholung, Wissenschaft, Kultur und Verkehr mehr als alle anderen Stadtstaaten leiste, beim Wohnungsbau sogar fünfmal so viel.


      Zu den berechneten Defiziten tragen auch neu entdeckte Risiken von Immobilienfonds der Berliner Landesbank bei. Sarrazin bestätigte damit indirekt einen Bericht des SPIEGEL vom Montag. "Das können sie am Haushaltsposten Risiko Bankgesellschaft ablesen", antwortete Sarrazin auf Reporterfragen.

      Bis zum Jahr 2009 werden jetzt schon 300 Millionen Euro jährlich einkalkuliert, mit denen die landeseigene Bank für Verpflichtungen einstehen muss, die sich aus falsch kalkulierten Immobilienfonds der Bank ergeben. Berlins Bankgesellschaft hatte lange Zeit zu ungewöhnlich günstigen Konditionen Immobilienfonds offeriert, die vor allem Angebote in den neuen Ländern enthielten. Die Anleger blieben ohne Risiko, die übernahm das Land. Eine Praxis, vor der Experten immer wieder warnten, die aber aus politischer Rücksichtnahme nie geändert worden war.

      Vorankündigung bereits im Koalitionsvertrag


      Deutliche Vorwarnungen für den rigiden Sparkurs Berlins waren bereits im rot-roten Koalitionsvertrag nachzulesen. "Berlin muss jetzt radikal umsteuern", heißt es dort. "Ohne erhebliche Konsolidierungsanstrengungen ist das Land finanzpolitisch nicht mehr handlungsfähig und droht der öffentliche Sektor in einer Zins-Schuldenfalle stranguliert zu werden", ist das Kapitel Finanzen überschrieben. Die Lage sei "dramatischer als sie öffentlich wahrgenommen wird: Berlin ist ein Sanierungsfall".

      Demnach sind derzeit schon von jedem Euro Steueraufkommen in Berlin rechnerisch 41 Cents für Zinsausgaben und zinsähnliche Schuldendiensthilfen gebunden. Aber die Steuereinnahmen dieses Jahres Jahres (8,25 Milliarden Euro) werden bereits fast vollständig für die Personalausgaben (7,20 Milliarden Euro) aufgebraucht. Das Koalitionsziel, ab 2009 keine Schulden mehr zu machen, sei "ohne ein Wunder" kaum zu realisieren, blickte Sarrazin in Berlins düstere Zukunft.

      Verzicht auf Verfassungsklage wegen Haushaltsnotstand

      Den Haushaltsnotstand durch Bundeszuweisungen zu beenden, die per Verfassungsklage sogar erzwungen werden könnten, schließt Sarrazin dagegen aus. West- und Ost-Berlin seien durch eine jahrelange Zuwendungsmentalität verwöhnt worden. Dies müsse jetzt zunächst auf Normalmaß reduziert werden, um den Beweis zu erbringen, dass die Hauptstadt wirklich mit Geld umgehen kann. Andernfalls gebe es mangels Glaubwürdigkeit auch keine Aussicht auf den Zuspruch der Verfassungsrichter.

      Viel wichtiger sei es, das Vertrauen der eigentlichen Geber zu erlangen, vom Bund, den Ländern und den Bürgern. Im Prinzip bräuchte Berlin Zuwendungen "wie zur Finanzierung der deutschen Einheit", meinte Sarrazin. Diese Bereitschaft sehe er derzeit aber nicht. Aus Sicht des Finanzsenators räche sich nun bitter, dass in Berlin in den vergangenen Jahren "die Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit größtenteils vermieden worden ist".


      Dazu nach den neuesten Zahlen knapp 18% Arbeitslosigkeit in Berlin und Brandenburg. wohin kann man denn auswandern? Das wird ja etwas düster hier in nächster Zeit

      Gruß
      H.
      Avatar
      schrieb am 06.02.02 20:57:29
      Beitrag Nr. 3 ()
      Vieleicht sollte man Berlin an Polen verkaufen oder

      tauschen z.B.gegen Danzig.

      :laugh:
      Avatar
      schrieb am 06.02.02 21:01:38
      Beitrag Nr. 4 ()
      lola,

      hat nicht der kaiser mal sansibar gegen helgoland eingetauscht? warum nicht berlin gegen polnische weihnachtsgänse tauschen? (danzig sollen sie mal lieber behalten)
      Avatar
      schrieb am 06.02.02 21:02:40
      Beitrag Nr. 5 ()
      Ich würde Berlin an die Türkei , Polen oder GUS - Staaten verkaufen . Entschuldigung ist ein Denkfehler die haben ohne uns ja auch kein Geld .

      Trading Spotlight

      Anzeige
      Nurexone Biologic
      0,4500EUR +9,76 %
      Die bessere Technologie im Pennystock-Kleid?!mehr zur Aktie »
      Avatar
      schrieb am 06.02.02 21:04:58
      Beitrag Nr. 6 ()
      @Lola..oder verschenken..nur..wer will es haben?
      Avatar
      schrieb am 06.02.02 21:08:10
      Beitrag Nr. 7 ()
      Der einzige Trost ist, daß New York in den 70ern auch schon pleite war. Also können wir noch was werden.
      Avatar
      schrieb am 06.02.02 21:08:27
      Beitrag Nr. 8 ()
      Endlich mal ein Mann mit Sachverstand und soviel Arsch
      in der Hose, die Dinge beim Namen zu nennen ... !!!
      Avatar
      schrieb am 06.02.02 21:10:15
      Beitrag Nr. 9 ()
      @exekutor,

      was hast Du gegen Danzig?

      @mersey63,

      jeden Tag steht ein Dummer auf man muß ihn nur finden.
      Avatar
      schrieb am 06.02.02 21:17:32
      Beitrag Nr. 10 ()
      So schlecht geht es Berlin bestimmt gar nicht.
      Ich meine jede Stadt in Deutschland zahlt doch für unsere achso "wertvolle Hauptstadt"!
      Da werden Milliarden die Stadt gepumpt aus der eh nichts werden kann, weil es in ihrer Umgebung überhaupt keine Kaufkraft gibt. Berlin liegt doch in "deutsch Sibierien".
      Und nur weil die Buchhaltung unseres Landes nach Berlin gezogen ist wird sie noch lange keine Weltmetropole!
      Es ist schade um jeden Cent den wir gezwungen sind zu "spenden"!
      Avatar
      schrieb am 06.02.02 21:18:45
      Beitrag Nr. 11 ()
      @Lola..jeden Tag sterben aber auch Schlaue..die Friedhöfe sind voll von Menschen,die sich für unersetzlich gehalten haben..
      Avatar
      schrieb am 06.02.02 21:24:13
      Beitrag Nr. 12 ()
      Ich bin schwul und pleite und das ist gut so .....
      Avatar
      schrieb am 06.02.02 21:26:46
      Beitrag Nr. 13 ()
      "Deutsch Sibirien" :laugh: :laugh: :laugh: :laugh: :laugh: :laugh: :laugh: :laugh: :laugh: :laugh: :laugh: :laugh: :laugh: :laugh: :laugh: :laugh: :laugh: :laugh: :laugh: :laugh: :laugh: :laugh: :laugh: :laugh: :laugh: :laugh: :laugh: :laugh: :laugh: :laugh: :laugh: :laugh: :laugh: :laugh: :laugh: :laugh: :laugh: :laugh: :laugh: :laugh: :laugh: :laugh:
      Avatar
      schrieb am 06.02.02 21:37:52
      Beitrag Nr. 14 ()
      Wir tauschen Berlin gegen Bonn zurück !

      Und fordern von allen Berlin-befürwortern Schadenersatz.

      Mit diesem Geld sanieren wir Berlin !

      Weil das nichts bringt , schreiben wir diese Investitionen ab!

      Dadurch müssen wir keine Steuern mehr zahlen und Wir werden alle reich und Berlin wird wiede eine Insel und bleibt Provinz !

      Alles wird gut !

      Ein fröhlicher Rheinländer !!!!
      Avatar
      schrieb am 06.02.02 21:48:35
      Beitrag Nr. 15 ()
      Nur 18000 für die Beibehaltung der Reiterstaffel? Bedeutet das nicht im Umkehrschluss, daß ca. 2,5 Mio Berliner (oder sind es noch ein paar mehr - kann mir nie merken, wieviele Deppen hier eigentlich wohnen) Appetit auf Pferdefleisch haben und den ewigen Fensterkitt zum Frühstück, Mittag- und Abendessen leid sind?
      Avatar
      schrieb am 06.02.02 21:49:34
      Beitrag Nr. 16 ()
      Sparen reicht nicht

      Was Berlin nach dem Finanz-Schock tun muss - Von Jochim Stoltenberg







      Das Berliner Haushaltsdesaster sorgte auch bundesweit für Gesprächsstoff. Die Nachricht einer weiteren Neuverschuldung erreichte die Vorsitzende des Finanzausschusses im Bundestag mitten im bayerischen Kommunalwahlkampf. «Ich beobachte das mit sehr großer Sorge», sagte Christine Scheel (B 90/Grüne) der Berliner Morgenpost.

      Die Finanzkrise in der Hauptstadt sei mitverantwortlich für das hohe deutsche Staatsdefizit von 2,7 Prozent und den drohenden «blauen Brief» aus Brüssel. «Wir haben nicht mehr viel Spielraum, um die Maastricht-Kriterien zu erfüllen.» Die Finanzexpertin will jetzt die Notbremse ziehen und Länder wie Berlin stärker in die Verantwortung nehmen. «Wir sollten überlegen, ob wir nicht einen nationalen Stabilitätspakt gegen die hohe Staatsverschuldung brauchen», sagte Scheel. «Wir sollten auch die 16 Bundesländer verpflichten, die Defizitkriterien einzuhalten.» Diesen Plan hatte bereits Ex-Finanzminister Theo Waigel (CSU), der damit allerdings im Bundesrat gescheitert war.






      Kaum in Berlin angekommen, wird Thilo Sarrazin dem ihm vorausgeeilten Ruf gerecht, ein intelligenter Kopf, ein kühler Rechner, aber auch ein bisschen Narziss zu sein. «Haushaltskonsolidierung in Berlin - das ist wie die Belagerung einer mittelalterlichen Stadt. Es bedarf mehrerer Angriffswellen, bis die Mauern erklommen sind...», fabulierte Berlins neuer Finanzsenator vor ein paar Tagen. Den ersten massiven Angriff gegen den Schuldenturm der vermeintlichen Festung Berlin hat Sarrazin jetzt gestartet. Seine zentral eingesetzte Waffe ist eine Rundum-Analyse der Finanzlage der Stadt, wie es sie schonungsloser und damit wohl auch ehrlicher bisher nicht gegeben hat. Mit dem Ergebnis, dass Berlins Schuldenlast noch viel dramatischer ist, als es Sarrazins Vorgänger mitzuteilen wagten. Und als wolle er die vor ihm liegende Herausforderung zu einer geradezu historischen erklären, verstieg er sich gar zu dem extremen Wort «abartig». Abartig sei die von ihm errechnete notwendige Rekord-Neuverschuldung von 6,3 Milliarden Euro allein für die Finanzierung des laufenden Landeshaushalts 2002. Abartig auch die bis zum Jahr 2006 aus heutiger Sicht zu konstatierende Gesamt-Schuldenlast Berlins von 58 Milliarden Euro.

      Dass Berlin eine arme Stadt ist, hat sich mittlerweile herumgesprochen. Dass Berlin in Wahrheit praktisch bankrott ist, das wollen weder der Bund noch die anderen Länder und auch die Berliner selbst bisher nicht so recht glauben. Sarrazins Zahlenwerk aber belegt es. Eine Stadt, die jährlich rund zwei Milliarden Euro (ohne Schuldzinsen) mehr ausgibt als sie einnimmt, also jährlich um etwa vier Milliarden Mark über ihre Verhältnisse lebt, darf sich nicht länger etwas vorlügen. Sie muss sparen, Abschied nehmen von lieb gewordenen Gewohnheiten. Sie muss bei allem Sparzwang aber auch die Weichen stellen, die einen Ausweg aus der gegenwärtig «abartigen» Lage weisen.

      Berlin habe kein Einnahmen-, sondern ein Ausgabenproblem, sagt der Finanzsenator. Und schiebt quasi zur Begründung dieser Behauptung sein persönliches Analyse-Fazit nach, dass Berlin, die Transferzahlungen des Bundes und der Länder eingeschlossen, die höchsten Pro-Kopf-Einnahmen aller Bundesländer habe. Keine Frage, Berlin gibt zu viel Geld aus, das es nicht hat. Das hat damit zu tun, dass Berlin allen Sonderzuweisungen zum Trotz wie keine andere deutsche Stadt teilungsbedingte Lasten zu tragen hat; von der Verkehrsinfrastruktur bis zum aufgeblähten öffentlichen Dienst. Aber auch damit, dass bisher nur halbherzig überall da gespart wurde, wo sich Berlin im Vergleich mit den beiden anderen Stadtstaaten noch immer mehr leistet. Berlin steckt in seine öffentliche Kasse (input) weiter Geld, das es eigentlich nicht hat, ohne auffallend gute Ergebnisse (output) zu erreichen.

      Also muss drastischer als bisher von der rot-roten Koalition vorgesehen in allen Bereichen gespart werden. Zugleich müssen Lösungen gefunden werden, die verbleibenden Mittel effektiver, also produktiver als bisher einzusetzen. Das gehört zu den «Hausaufgaben», die dieser Senat erledigen muss, bevor er auch nur den Hauch einer Chance hat, einen halbwegs erfolgversprechenden Bittgang Richtung Kanzleramt und Staatskanzleien der anderen Länder anzutreten. Mit seinem Schreckens-szenario setzt Sarrazin nicht nur seine Senatskollegen unter Handlungszwang. Er will damit auch den hinhaltenden Widerstand aller betroffenen Interessengruppen von der Gewerkschaft Ver.di bis zu den Eltern und Erziehern in den Kitas brechen. Der Senator wird sich noch wundern, muss aber Stärke zeigen.

      Staunen dagegen kann man nur über Sarrazins Behauptung, Berlin habe kein Einnahmeproblem. Wie das, da Berlins gesammeltes Steueraufkommen (rund 8 Milliarden Euro) kaum ausreicht, das Personal im öffentlichen Dienst zu entlohnen. Nicht zu glauben angesichts der gestern bestätigten Arbeitslosenquote in Berlin von 17 Prozent - das sind 290 000 Männer und Frauen, die Beschäftigung suchen. Zahlen, die belegen, wie schwach der Wirtschaftstandort Berlin ist, wie dringend Berlin neue Unternehmen und Arbeitsplätze braucht, um einerseits Sozialkosten abzubauen und andererseits neue Einnahmequellen zu erschließen. Sie werden durch ein rigoroses Sparprogramm allein nicht gewonnen.

      Abschied von der Finanzierung auf Pump ist das eine Gebot, das andere die Zukunftssicherung dieser Stadt. Letzteres verlangt eine konzentrierte Wirtschafts- und Standortförderung, die Berlin für Firmenneugründer wie für angestammte Unternehmen außerhalb der Stadt attraktiv macht. Dazu gehört die gezielte Weiterförderung der Wissenschafts- und Forschungspotenziale in dieser Stadt, aus denen sich in Ansätzen ja längst hoffnungsvolle Kooperationen zwischen Hochschulen und Unternehmen nicht nur in der Bio- und Medizintechnik entwickeln haben. Diese wirtschaftlichen Entwicklungschancen dürfen nicht auf dem Altar des Sparzwanges geopfert werden. Anders als in vielen anderen Bereichen zahlen sich die hier eingesetzten Millionen-Beträge in einigen Jahren doppelt wieder aus. Das letzte Kapital, das Berlin noch hat, darf nicht verspielt werden.

      Berlins endlich offen deklarierte Schuldenlast wird noch ein ganz anderes Opfer fordern: die für 2009 angedachte Fusion mit Brandenburg. Bis zu diesem Termin muss Berlin, so verlangt es das nicht minder bettelarme Brandenburg, seinen Landeshaushalt in Ein- und Ausgaben ausgleichen, die Neuverschuldung also auf Null drücken. Aus auch dieser Traum, wenn nicht ein Wunder geschieht.

      Sarrazins erste Angriffswelle auf die Schulden-Stadt Berlin hat die Einwohner geschockt. Bei vielen macht sich aber auch die Hoffnung breit, dass manch unsinnige Ankündigung, die noch im dicken rot-roten Koalitionspapier steht, dem Rotstift zum Opfer fallen wird. Ein weiteres Denkmal für Rosa-Luxemburg zum Beispiel.





      ...........


      Berlins Finanzkrise: Ausweglose Lage


      Von Joachim Fahrun

      Berlin ist pleite. Das ist nicht neu. Aber dass die Lage so ausweglos ist, wie sie der neue Finanzsenator Thilo Sarrazin nun darstellt, das trifft nicht nur die ratlosen Politiker wie ein harter Schlag. Der Bundeshauptstadt kann auch der Bund nicht aus der Patsche helfen. Der Schuldenberg Berlins droht nun tatsächlich, die Maastricht-Kriterien für die Euro-Stabilität zu gefährden. Für Berlin kann es nur eine Erkenntnis geben: Die Stadt ist bettelarm. Entsprechend muss sie sich verhalten. Der Maßstab können nicht mehr die prosperierenden Regionen Westeuropas sein. Unsere künftige Messlatte liegt in Warschau, Minsk oder Kiew.

      Standards wie im reichen München sind in Berlin unhaltbar. Das gilt für die Löhne von Staatsdienern ebenso wie für die Bauvorschriften für Kindertagesstätten oder die neuesten U-Bahnwaggons. Berlin muss auf die Selbstorganisationskräfte seiner Menschen und der Zuzügler setzen. Osteuropäische Improvisationskunst ist gefragt. Übrigens ist genau die schon für hunderttausende kreative Berliner Realität, die in ökonomisch prekären Verhältnissen leben und von Tariflöhnen nur träumen können. Wenn die Bürger und ihre Politiker nicht von selbst umdenken, wird sie die Finanzkrise dazu bringen.








      .......


      Beitrag zu dieser Diskussion schreiben


      Zu dieser Diskussion können keine Beiträge mehr verfasst werden, da der letzte Beitrag vor mehr als zwei Jahren verfasst wurde und die Diskussion daraufhin archiviert wurde.
      Bitte wenden Sie sich an feedback@wallstreet-online.de und erfragen Sie die Reaktivierung der Diskussion oder starten Sie
      hier
      eine neue Diskussion.
      Berliner kratzen den Kitt aus den Fenstern - bitte um Lebensmittelspenden