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    Was unser Land von einer Berliner Tragödie lernen kann - 500 Beiträge pro Seite

    eröffnet am 30.09.02 20:59:52 von
    neuester Beitrag 04.12.02 17:45:11 von
    Beiträge: 6
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      schrieb am 30.09.02 20:59:52
      Beitrag Nr. 1 ()
      Viele haben sicher schon mal etwas von dem jüngeren Skandal um die Bankgesellschaft Berlin gehört. Diese Geschichte zeigt interessante Parallelen zu unserem Staat und seiner finanziellen Entwicklung sowies seiner aktuellen Verfassung.

      Vorweg: Es geht mit in diesem Thread nicht darum, wie und von wer dieses Institut in die Krise geführt hat! (0) Es geht mir darum aufzuzeigen, was das Fehlverhalten der Entscheider für gravierend negative Auswirkungen hatte und wie unbefriedigend diese im Grunde genommen gelöst wurden:

      ***

      Die ehemals anerkannte Bankgesellschaft Berlin war vor einiger Zeit am Rande des Zusammenbruchs, weil sie eine Anlageform in Form dubiose Immobilienfonds vertrieb, die auf Basis gesunder betriebswirtschaftlicher Überlegungen völlig überzogene Renditen von über 9% auf bis zu 30 Jahre versprach (1)

      Die insgesamt 70000 (Groß-)Anleger zeichneten wie wild und freuten sich (verständlicherweise) über diese interessante "Depotbeimischung".

      Die Bank bediente die Produkte zunächst - doch in einem wirtschaftlich schwerer werdenden Umfeld wurde die Bilanz zunehmend durch Zahlungen an die Anleger belastet. Die Bank geriet tief in die roten Zahlen und stand kurz vor der Pleite. Die Defizite gingen in die Milliarden (2)

      Das ganze wuchs durch Verstrickungen des Berliner Senats zu einem waschechten Skandal - der später in Dementis des Vorstandsvorsitzenden gipfelte "die Bankgesellschaft ist in ihrer Struktur keine Vereinigung von Kriminellen". Der Aktienkurs implodierte.

      Wie reagierte Berlin darauf? Der Stadt sicherte mit einem milliardenschweren Paket das Bestehen des Instituts, das die Stadtfinanzen auf lange Zeit belasten wird. Es kam zu einem politischen Krach, der bis in die Republik hohe Wellen schlug. Die Anteilseigener behielten ihre attraktiven Anlagen. (3) Die Maßnahmen führten zu massiven Protesten - die sich als Progrome beschimpfte Fußmärsche zu den Villen der Anlagen-Inhaber zuspitzte, da im Zuge des Skandals die Namen der meist reichen und prominenten Anleger an die Öffentlichkeit kamen. Dazu gehörten beispielsweise die Ehefrau von Ex-Außenminister
      Hans-Dietrich Genscher, Bundesausländerbeauftragte Cornelia Schmalz-Jacobsen (FDP), der ehemalige Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz (CDU), aber auch SPD-Größen sowie zahlreiche Vorstände aus großen deutschen Unternehmen (VW, Telekom) und Medienleute wie Ulrich Meyer. Also alles, was Rang und Namen (und genug Geld) hatte.

      Die Profiteure der falschen und überzogenen Bankversprechen blieben am Ende unbehelligt --- die Verluste aber musste jeder einzelne Steuerzahler tragen! Die Stadt wollte eine Kettenreaktion durch eine mögliche Pleite verhindern. Womit sie einen guten Grund hatte - nur das Fazit blieb: Die "falschen" Gewinne wurden privatisiert - und die Verluste verstaatlicht! (4)

      ***

      Was wir daraus lernen können - PARALLELEN zu Gesamtdeutschland:

      (0) Der Schuldenaufbau wurde von allen Regierungen, egal ob SPD- oder CDU-geführt betrieben. Er hatte unterschiedlichste Gründe.

      (1) Die gleichen völlig überzogenen Renditen hat unser Staat versprochen! Und zwar während der letzten Jahrzehnte, insbesondere ab 1980 als er Staatsanleihen ausgab, die hochverzinst waren. Die ernorme Schuldenaufnahme nach 1990 verstärkte dies eklatant. Hohe Nachfrage des Staates trieb die Renditen. Folge waren hohe Zinsszahlungen, die unsere heutige Rezession entscheidend verschärfen.

      (2) Deutschland ist nahe an der Pleite. Wir können die Zinszahlungen nicht mehr aus laufenden Ausgaben denken. Das ist normalerweise der Todesstoß für jedes Unternehmen. Der Staat als vertrauenswürdige Instanz erhält aber von den Banken gerne einfach neue Kredite, da er quasi unbegrenzt haftbar ist

      (3) Um die Zinszahlungen zu gewährleisten, werden natürlich die Staatspapiere, die den Schulden gegenüberstehen und einen entsprechenden Wert haben, bedient. Der Staat wird und "darf" keinen Insolvenzantrag stellen. Statt dessen werden über Abgaben (zB Ökosteuer) die maroden Finanzen über Wasser gehalten.

      (4) JEDER Deutsche muss für die immensen Zins- und Zinseszinszahlungen aufkommen, um die Gesamtschulden Deutschlands in Billionen-Euro-Höhe zu bedienen. In allen Steuern und Abgaben steckt ein Teil dieser Zinszahlungen! Allein die Netto-Profiteure können sich freuen: Sie bleiben unter dem Strich im Plus und können ihr Vermögen stets weiter in die gut bezahlten Staatspapiere gewinnbringend anlegen anstatt unsichere Investitionen in die Realwirtschaft zu riskieren. Was sie wohl zweifelfrei besser täten als es der Staat über sein ineffizientes Verteilungssystem je schaffen könnte.

      Was lernen wir daraus?

      Das Grundgesetz sagt: Eigentum verpflichtet. Wir müssen die Profiteure der falschen Entwicklung also in die Pflicht nehmen. Sei es in Form einer Vermögenssteuer, Erbschaftssteuer, Sonderabgabe oder Zins-Stundung. Hierbei geht es NICHT um Neid und Missgunst gegenüber den "Reichen". Es geht um ein gerechtes Opfer, eine Korrektur, um das Fortbestehen der finanziellen Gesundheit und damit Handlungsfähigkeit unsere Staats zu gewährleiten und eine andauernde Krise abzuwenden. Allerwenigstens für die kommende Generation, der wie schon eine angeschlagene Umwelt hinterlassen. Die Energien für die Suche des schwarzen Peter, der die Schuldenberge zu verantworten hat, aufzubringen, ist vergebene Müh. Für die Zukunft habe wir bereits viel Lehrgeld gezahlt.

      Staatsverschuldung ist ein größeres Übel als viele annehmen. Der Abbau der Schulden ist daher die dringlichste und wichtigste Aufgabe, die unser Land zu meistern hat. Deutschland konnte sich nach dem 2. Weltkrieg wieder schnell aufbauen, hier wurde die Schulden durch Währungsreform entwertet. Es konnte zunächst völlig ohne Schulden starten - das Wirtschaftswunder war möglich. Nach dem 1. WK erzeugte Versailles verherrende Quasi-Staatsschulden, obwohl die Hyperinflation zuvor bereits schon mal die alle Gläubiger enteignet hatte.

      Zurück ins heute: Ein Land, das diesen Weg nicht gegangen ist, sondern lieber das "weiter so" wählte, ist Japan. Dort steht die Staatsverschuldung mittlerweilse sogar mehr als doppelt so hoch wie bei uns (140% des BIP)- bald werden alle Steuereinnnahmen für die Tilgung drauf gehen! Der Zusammenbruch der Staatsfinanzen ist fast unvermeidlich. Und TROTZ der niedrigsten Steuern unter allen wichtigen Industrieländer!

      Möge ist hierzulange nie so weit kommen und die Deutschen es schaffen ein paar Jahre Vernunft und Weitsicht, also Opferbereitschaft, walten lassen, damit wir vom Fluch unser Wirtschaft - den Schulden - wegkommen. Wenn wir das schaffen sollten, kann das freie Spiel der Märkte wieder seine volle Leistungskraft entfalten und unser Land wieder in die Spitzenliga der Welt emporsteigen. Diesen Platz müssen wir uns erst wieder erkämpfen.
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      schrieb am 30.09.02 21:16:37
      Beitrag Nr. 2 ()
      Deutschland ist nicht pleite, bei den Steuereinnahmen sicher nicht. Das will die Regierung durch neue Hiobsbotschaften den IQ=70 durchschnittsdeutschen nur weiß machen. Die Wahrheit ist, das der Staat in saus und braus lebt anstatt zu sparen. Mit den Worten des Sonnenkönigs, Wenn das Volk kein Brot hat dann soll es Kuchen essen! Der Vergleich mit Japan hinkt, da die Immobilienpreise nicht so astronomisch sind und die Sache mit den Aktien haben wir zu 70% schon hinter uns. Nochmal 1000 Punkte beim dax und 150 beim nemax und alles hat wieder Boden unter den Füßen. Nur dumm das all die Anleger, Lebensversicherungen und Banken Verluste realisieren müssen, obwohl genug geld da ist. Nur wer hat das liebe Geld in seinen Büchern stehen. ich nicht!
      Und bitte den Untergangsgesang kann man sich schenken. Noch die kleine Mülde im Kursverlauf und in 10 Jahren haben wir wieder ein Jahr 1999 und 2000. Bis dahin: Steh auf, wenn du am Boden bist. Und lieber einmal eine Chance verpasst und das Geld sicher auf dem Festgeldkonto, falls Eichel seine Krallen nicht ausfährt.
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      schrieb am 30.09.02 21:24:43
      Beitrag Nr. 3 ()
      justme24. Zunächst: Die Lösung für den Schuldenabbau heißt sicher (auch) "Sparen". Wir hätten aber bereits heute trotz Rezession einen Steuerüberschuss, wenn die Schulden nicht wären!

      Dein Hinweis auf die Immobilienkrise verstehe ich nicht ganz. Japan befindet sich seit 12 JAhren in der Stagnation und aktuell in der Deflation und Rezession. Entscheidend ist, wie Japan auf eine Wirtschaftsabschwächung reagiert hat, nicht was sie auslöste (das war natürlich u.a. der Immobiliencrash). Es hat reagiert mit Schulden, Schulden und noch mehr Schulden - nach 12 Jahren sieht jeder dass das ein Fehler war.

      ``Die Sache mit den Aktien`` haben wir überhaupt nicht hinter uns, wenn wir uns weiterhin falsch verhalten. Japan Index ist auf einem Tief, das seit mehr als 20 Jahren nicht mehr da war. Der Aktienmarkt spiegelt momentan erst die negativen Erwartungen wider. Das Geld aufs Festgeld-Konto zu legen, ist vielleicht keine schlechte Idee von dir - weicht aber leicht von der Thematik des Threads ab.

      Wer darüber mit mir übereinstimmt, dass die Schulden weg müssen, kann ja Vorschläge machen. Aber WIR müssen sie reduzieren, wer sonst. Und - wie ich dargestellt habe - haben die Profiteure der Staatsschulden einen erhöhte Verantwortung dazu!
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      schrieb am 15.10.02 00:40:49
      Beitrag Nr. 4 ()
      Die aktuellen Steuerpläne zielen prinzipiell nicht in die richtige Richtung.

      Die Profiteure der Staatsverschuldung bleiben weitgehend unbehelligt. Hier würde aktuell wohl nur eine Vermögenssteuer oder Ähnliches helfen.

      Weiterhin wären Zinssenkungen angebracht, da auch Ausländern dt. Staatsanleihen halten.
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      schrieb am 04.12.02 17:08:44
      Beitrag Nr. 5 ()
      Da Frage ich mich wirklich was kann man von Berlin wirklich noch lernen!:mad:


      Mittwoch, 4. Dezember 2002
      Passanten glaubten an Kunst
      Freitod nicht erkannt

      Den Selbstmord einer jungen Frau in Berlin haben Passanten zunächst für eine Performance gehalten. Fußgänger, die die 25-Jährige auf dem Bürgersteig vor dem Kunsthaus Tacheles liegen sahen, bestaunten die Leiche zunächst, weil sie an eine künstlerische Inszenierung glaubten. Erst ein zwölfjähriger Junge erkannte, dass die Frau wirklich tot war, wie der "Tagespiegel" am Mittwoch berichtete.


      Die junge Künstlerin hatte dem Bericht zufolge das Tacheles, eine von Galerien, Malern und Musikern genutzte Ruine im Bezirk Mitte, offenbar gezielt ausgewählt. Sie sei am Donnerstagabend bei einer Künstlergruppe im Haus erschienen und habe ihre Selbstmordabsicht beschrieben. Die Gruppe habe das Gespräch auf Video aufgenommen. Ein Mann aus der Gruppe habe die junge Frau von ihrer Absicht abbringen wollen und sie auch nach Hause gebracht.

      Doch die 25-Jährige kam am frühen Freitagmorgen wieder und stürzte sich aus dem fünften Stock des Tacheles. Als sie am Vormittag von Touristen und einer Schülergruppe entdeckt wurde, fotografierte ein Pärchen zunächst die Leiche, ohne sie als solche zu erkennen. Die beiden hätten die Tote für eine "Performance oder Installation" gehalten.

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      schrieb am 04.12.02 17:45:11
      Beitrag Nr. 6 ()
      Zum Thema Staatsverschuldung und Umverteilung wieder mal ein nettes Bildchen.



      Staatsverschuldung ist Umverteilung von unten nach oben.

      Denn bezahlt werden die Zinsen von den Steuerzahlern. Die beiden Steuern mit dem größten Aufkommen sind die Lohnsteuer und die Umsatzsteuer, die von den Arbeitnehmern bzw. Verbrauchern erhoben werden, also von der breiten Masse der Bevölkerung.

      Die Empfänger der Zinsen sind dagegen die Wohlhabenden, die ihr Vermögen in Staatsanleihen investiert haben. Die geschieht entweder direkt, oder indirekt durch von ihnen beherrschte Unternehmen, durch Investmentfonds oder durch Lebensversicherungen.

      Das ist ein paradoxes Ergebnis! Denn als die Schulden in den 70er, 80er und 90er Jahren aufgehäuft wurden, sollte gerade den wirtschaftlich Schwachen geholfen werden, zunächst den Arbeitslosen, später den neuen Bundesländern.

      Die jährliche Zinslast für diesen Berg beträgt ca. 65 Milliarden Euro. Getilgt wurde noch von keiner Regierung je ein Cent.

      Und die momentan geplanten ca. 40 Streichungen von Sonderzuwendungen oder Sonderregelungen des Staates (wie z.B. die Kürzung der Eigenheimzulage oder die Anpassung der MWSt. für Blumen von 7% auf 16%) sind nur ein Tropfen auf den heissen Stein.

      Und statt das Problem gemeinsam anzugehen, ergehen sich die Politiker lieber in Lügenausschüssen, Wahlkämpfen und in Diskussionen, ob die momentanen Streichungen eher als Steuerhöhung oder als Wefall von Sonderzuwendungen dem deutschen Michel verkauft werden sollen.


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