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    China + Osteuropa: Wirtschaftslage und Konjunkturerwartungen - 500 Beiträge pro Seite

    eröffnet am 31.07.04 16:31:19 von
    neuester Beitrag 18.12.04 08:04:47 von
    Beiträge: 29
    ID: 887.157
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      schrieb am 31.07.04 16:31:19
      Beitrag Nr. 1 ()

      Ehemalige Ostblockländer: Je weiter östlich, desto mehr Wachstum




      In fast allen mittel- und osteuropäischen Ländern gibt es deutliche Anzeichen eines
      Wirtschaftsaufschwungs:
      Jüngste Daten zur Entwicklung der Industrieproduktion, der Bautätigkeit, des Außenhandels sowie die BIP-Wachstumsraten der letzten zwei Quartale (Oktober 2003 bis März 2004) weisen alle in diese Richtung. Die Konjunkturbelebung in der „alten EU“ hat zu dieser Entwicklung beigetragen. Allerdings ist die Wachstumsbeschleunigung in den mittel- und osteuropäischen Ländern viel ausgeprägter – in Analogie zu den weltwirtschaftlichen Aufschwungstendenzen. Mittel- und Osteuropa sowie auch Russland und die Ukraine erwecken mittlerweile den Eindruck, in die Weltwirtschaft bereits weitgehend integriert zu sein und zu deren Dynamik beizutragen.


      Nachdem die EU-Erweiterung am 1. Mai 2004 problemlos über die Bühne gegangen ist,
      stehen die neuen EU-Mitgliedsstaaten vor neuen Herausforderungen. Eine davon ist die Euro-Einführung.

      Drei von ihnen – Estland, Litauen und Slowenien – sind seit 28. Juni 2004 in den Europäischen Wechselkurs-Mechanismus (WKM II) integriert.

      Estland und Litauen erfüllen bereits jetzt sämtliche Maastricht-Kriterien.

      Slowenien erfüllt das Preisstabilitätskriterium noch nicht, sticht aber im Gegensatz zu den baltischen Ländern durch eine seit Jahren ausgeglichene Leistungsbilanz hervor.

      Einige andere der neuen Mitgliedsstaaten kämpfen mit hohen Budgetdefiziten.


      Die Unterschiede zwischen jenen südosteuropäischen Ländern, die auf einen EU-Beitritt warten, sind sehr ausgeprägt.

      Drei von ihnen – Bulgarien, Kroatien und Rumänien – haben inzwischen Kandidatenstatus, und ihre Wirtschaft wächst relativ stark.

      Auch in Bosnien und Herzegowina, Mazedonien sowie in Serbien und Montenegro erholt sich die Wirtschaft, obwohl viele politische und strukturelle Probleme weiterbestehen.

      Die Wachstumsraten in relativ hoch entwickelten Ländern wie Slowenien, Tschechien oder Ungarn liegen unter 5%, während sie in vielen der Länder mit niedrigem Pro-Kopf-Einkommen in den letzten Jahren deutlich darüber liegen.

      Beispiele hiefür sind Albanien, Russland, die Ukraine und Weißrussland. Dieser Erfolg sollte jedoch gravierende Mängel, die weiterhin bestehen, nicht überdecken. Sie finden sich im Bereich der finanziellen Beziehungen, in der Gesetzgebung, in der staatlichen Administration und im Justizwesen. Korruption ist weiterhin weit verbreitet. Hohe Arbeitslosigkeit und Mangel an sozialer Sicherheit bilden den Nährboden für Armut, Kleinkriminalität und politische Instabilität.

      In Russland und der Ukraine, beides Länder mit sehr hohen Wachstumsraten, ist die
      Wirtschaft zu einseitig auf Energieträger, Metalle oder Halbfertigprodukte ausgerichtet.

      In China ist, bedingt durch die Umstrukturierung der Staatsbetriebe, durch Landflucht und
      durch das Nachdrängen junger Leute auf den Arbeitsmarkt, die Arbeitslosigkeit weiterhin hoch – trotz sehr starken Wirtschaftswachstums. Letzteres soll angesichts von Überhitzungstendenzen speziell im Immobilienbereich, in der Stahlproduktion und im Fahrzeugbau nunmehr durch restriktivere Fiskal- und Geldpolitik eingebremst werden.

      1.7.2004

      http://www.wiiw.ac.at/pdf/RR308_presse_dt.pdf
      Avatar
      schrieb am 31.07.04 16:33:59
      Beitrag Nr. 2 ()




































        Brutto-Inlandsprodukt   
        Reale Veränderung gegen   
        das Vorjahr in %   
       2002200320042005
         Prognose Prognose
           
           
      Tschechische Republik 1,53,13,33,6
      Ungarn 3,52,94,04,3
      Polen 1,43,85,04,5
      Slowakei 4,44,24,55,0
      Slowenien 3,42,33,43,5
      NMS-5 2,13,54,44,3
           
      Estland 7,25,15,55,7
      Lettland 6,47,57,57,0
      Litauen 6,89,010,08,5
      NMS-8 2,53,84,74,5
           
      EU-15 1) 1,10,82,02,4
           
      Kroatien 5,24,33,23,5
      Bulgarien 4,94,34,54,0
      Rumänien 5,04,95,04,5
           
      Albanien 2) 4,76,06,06,0
      Bosnien und Herzegowina 3)4) 5,53,55,05,0
      Mazedonien 4)0,93,13,04,0
      Serbien und Montenegro 5) 3,82,03,04,0
           
      Weißrussland 4) 5,06,88,07,0
      Russland 4,77,36,35,5
      Ukraine 5,29,49,57,0
           
      China 8,09,18,58,0


      *) NMS-5 (mittel- und osteuropäische Länder): Tschechische Republik, Ungarn, Polen, Slowakei, Slowenien; zusammen mit den baltischen Ländern: NMS-8.
      1) Die Leistungsbilanz bezieht sich auf Extra-EU(15) . - 2) Arbeitslosenquote, reg., Jahresende. - 3) Verbraucherpreise entsprechen den Einzelhandelspreisen. - 4) Arbeitslosenquote,
      reg., Jahresdurchschnitt. - 5) Ohne Kosovo und Metohia.

      Quelle: Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw), Juni 2004; Europäische Kommission (EC), Economic Forecast, Spring 2004.
      Avatar
      schrieb am 31.07.04 16:38:24
      Beitrag Nr. 3 ()




































        Verbraucherpreise   
        Veränderung gegen   
        das Vorjahr in %   
       2002200320042005
         Prognose Prognose
           
           
      Tschechische Republik 1,80,13,22,0
      Ungarn 5,34,76,54,8
      Polen 1,90,83,03,0
      Slowakei 3,38,58,05,0
      Slowenien 7,55,64,03,5
      NMS-5 ....
           
      Estland 3,61,32,93,1
      Lettland 1,92,94,53,8
      Litauen 0,3-1,20,31,5
      NMS-8 ....
           
      EU-15 1) 2,12,01,81,7
           
      Kroatien 1,71,82,01,5
      Bulgarien 5,82,37,04,0
      Rumänien 22,515,311,08,0
           
      Albanien 2) 1,73,33,53,5
      Bosnien und Herzegowina 3)4) 0,40,60,60,5
      Mazedonien 4)1,42,43,02,0
      Serbien und Montenegro 5) 16,59,410,010,0
           
      Weißrussland 4) 43,028,020,016,0
      Russland 16,013,610,09,0
      Ukraine 0,85,27,08,0
           
      China -0,81,23,53,0


      *) NMS-5 (mittel- und osteuropäische Länder): Tschechische Republik, Ungarn, Polen, Slowakei, Slowenien; zusammen mit den baltischen Ländern: NMS-8.
      1) Die Leistungsbilanz bezieht sich auf Extra-EU(15) . - 2) Arbeitslosenquote, reg., Jahresende. - 3) Verbraucherpreise entsprechen den Einzelhandelspreisen. - 4) Arbeitslosenquote, reg., Jahresdurchschnitt. - 5) Ohne Kosovo und Metohia.

      Quelle: Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw), Juni 2004; Europäische Kommission (EC), Economic Forecast, Spring 2004.
      Avatar
      schrieb am 31.07.04 16:42:45
      Beitrag Nr. 4 ()




































        Arbeitslosenquote   
        in %,   
        laut Labour-Force-Konzept  
       2002200320042005
         Prognose Prognose
           
           
      Tschechische Republik 7,37,89,09,0
      Ungarn 5,85,95,95,9
      Polen 19,919,620,019,0
      Slowakei 18,517,417,016,0
      Slowenien 6,46,76,56,2
      NMS-5 15,315,115,615,0
           
      Estland 10,310,09,89,5
      Lettland 12,010,610,310,0
      Litauen 13,812,411,510,0
      NMS-8 15,014,715,014,4
           
      EU-15 1) 7,78,08,17,9
           
      Kroatien 14,814,314,013,5
      Bulgarien 17,813,713,012,5
      Rumänien 8,47,08,07,0
           
      Albanien 2) 15,815,214,514,0
      Bosnien und Herzegowina 3)4) 40,942,042,041,0
      Mazedonien 4)31,936,736,035,0
      Serbien und Montenegro 5) 13,814,015,015,0
           
      Weißrussland 4) 3,03,12,52,5
      Russland 8,08,38,79,0
      Ukraine 10,19,19,08,5
           
      China 4,04,54,54,5


      *) NMS-5 (mittel- und osteuropäische Länder): Tschechische Republik, Ungarn, Polen, Slowakei, Slowenien; zusammen mit den baltischen Ländern: NMS-8.
      1) Die Leistungsbilanz bezieht sich auf Extra-EU(15) . - 2) Arbeitslosenquote, reg., Jahresende. - 3) Verbraucherpreise entsprechen den Einzelhandelspreisen. - 4) Arbeitslosenquote, reg., Jahresdurchschnitt. - 5) Ohne Kosovo und Metohia.

      Quelle: Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw), Juni 2004; Europäische Kommission (EC), Economic Forecast, Spring 2004.
      Avatar
      schrieb am 31.07.04 16:43:18
      Beitrag Nr. 5 ()
      Irgendwo muß das ergauerte Geld von der deutschen Arbeitnehmerschaft und das Geld der Steuerflüchtlinge ihre Rendite erarbeiten!:rolleyes:

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      Avatar
      schrieb am 31.07.04 16:45:35
      Beitrag Nr. 6 ()




































        Leistungsbilanz  
        Jahresdurchschnitt in % des BIP  
           
       2002200320042005
         Prognose Prognose
           
           
      Tschechische Republik -5,6-6,2-6,6-6,5
      Ungarn -7,1-8,9-8,0-7,1
      Polen -2,7-2,0-1,6-2,1
      Slowakei -8,0-0,9-0,9-1,4
      Slowenien 1,40,1-0,4-0,6
      NMS-5 -4,1-3,9-3,8-3,8
           
      Estland -11,3-12,6-10,5-9,0
      Lettland -7,0-8,6-9,3-8,8
      Litauen -5,2-6,6-7,3-7,5
      NMS-8 -4,4-4,3-4,2-4,3
           
      EU-15 1) 0,60,60,60,5
           
      Kroatien -8,5-7,2-5,7-5,1
      Bulgarien -5,6-8,5-7,7-7,6
      Rumänien -3,4-5,8-6,4-6,0
           
      Albanien 2) -8,7-6,7-6,8-6,9
      Bosnien und Herzegowina 3)4) -30,9-29,6-28,6-28,3
      Mazedonien 4)-9,6-6,0-5,8-5,6
      Serbien und Montenegro 5) -11,0-10,7-14,3-13,7
           
      Weißrussland 4) -2,3-2,9-3,0-2,5
      Russland 8,48,36,85,1
      Ukraine 7,55,85,84,3
           
      China 2,93,32,11,6


      *) NMS-5 (mittel- und osteuropäische Länder): Tschechische Republik, Ungarn, Polen, Slowakei, Slowenien; zusammen mit den baltischen Ländern: NMS-8.
      1) Die Leistungsbilanz bezieht sich auf Extra-EU(15) . - 2) Arbeitslosenquote, reg., Jahresende. - 3) Verbraucherpreise entsprechen den Einzelhandelspreisen. - 4) Arbeitslosenquote, reg., Jahresdurchschnitt. - 5) Ohne Kosovo und Metohia.

      Quelle: Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw), Juni 2004; Europäische Kommission (EC), Economic Forecast, Spring 2004.
      Avatar
      schrieb am 31.07.04 16:48:43
      Beitrag Nr. 7 ()
      kohelet
      und, was willst Du damit sagen?
      Avatar
      schrieb am 31.07.04 17:06:16
      Beitrag Nr. 8 ()
      #7 von StellaLuna

      ok ist etwas chaotisch.
      Aber das Yukos-Theater hat meinen Blick nach Osten gelenkt.

      Hatte vorher den Thread "Weißrussland: Wirtschaftswunder ohne Reformen - Vorbild für Russland" Thread: Weißrussland: Wirtschaftswunder ohne Reformen - Vorbild für Russland eröffnet.


      Zitat daraus :
      Trotz der " unreformierten" Wirtschaft erzielt Weißrussland derzeit ein Rekordwachstum - und steht bei den ökonomischen Daten besser da als die Ukraine.

      in #2 schrieb ich dann dazu :
      Hat sich Putin jetzt ein Beispiel an seinem westlichen Nachbarland genommen.
      Auch in China (sehr hohe Wachstumsraten zur Zeit) herrschen noch Kommunisten, und so tiefgreifende Reformen wie in Russland gab es dort auch nicht.



      Die Zahlen der Statistik werden in der Presse (FAZ) nicht angezweifelt siehe #4 im o.g. Thread.
      Avatar
      schrieb am 31.07.04 18:08:26
      Beitrag Nr. 9 ()
      #5 von Albatossa


      Irgendwo muß das ergauerte Geld von der deutschen Arbeitnehmerschaft und das Geld der Steuerflüchtlinge ihre Rendite erarbeiten

      Ergänzung dazu :
      Nach 15 Jahren Privatisierung und ökonomischer Zurichtung besteht der politische Handlungsspielraum dieser (osteuropäischen) Länder einzig darin, fallweise eher US-amerikanische Konzerne anstelle europäischer zum Zug kommen zu lassen.

      Der Osten bleibt in der Auslandsschuld gefangen. Sie beträgt bei allen Beitrittsländern zusammen 165 Milliarden US-Dollar, denen lediglich Investitionen in Höhe von 115 Milliarden Dollar im gleichen Zeitraum gegenüberstehen.

      Die Zahlen zeigen: Es findet ein ständiger Abfluß des Kapitals vom Osten nach Westen statt.

      aus "Der Hinterhof Europas" Thread: Der Hinterhof Europas

      #11 letzter Abschnitt
      Avatar
      schrieb am 31.07.04 18:40:21
      Beitrag Nr. 10 ()
      zu #2 ff

      Tabellen in WO schreiben.


      Die Quelle war als pdf im internet.

      Habe sie mit Adobe Reader 6.0 (kostenlos) geöffnet und auf Festplatte gespeichert.

      In dem Reader 6.0 Programm gibt es die Funktion "Textauswahl". Damit habe ich Bestandteile der Tabelle in MS- Word kopiert.

      Dann mußten nach den Ländernamen (Ungarn usw.)in jeder Zeile TAbulatoren gesetzt werden.

      Dann habe ich den Tabellenkörber markiert und in MS-Excel reinkopiert. Dort gibt es die Funktion Daten, Text in Spalten. Die habe ich für den Textteil benützt. Die Leerzeichen und Tab werden damit zur Spaltenabtrennung verwendet.

      So bin ich stückweise mit den Tabellenbestandteilen vorgegangen.

      Habe die PDF -Tabelle also erstmal in eine Excel -Tabelle umgewandelt.

      Für die Umwandlung der Excel-Tabelle in WO Format gibt es
      in "Excel-Tabellen zu WO-Tabellen"
      Thread: Excel-Tabellen zu WO-Tabellen in #16
      den VBA-Code.

      Den muß man über die Tabelle laufen lassen.

      Es wird eine Zeichenfolge erzeugt, die kommt in den Zwischenspeicher.

      Den kann man dann in das wo-Posting-Fenster reinkopieren.
      Avatar
      schrieb am 02.08.04 10:10:01
      Beitrag Nr. 11 ()
      Besonders nett sieht ja die Leistungsbilanzentwicklung von Bosnien-Herzegowina aus :cool:.

      @kohelet:

      Hast Du zufällig noch Infos über die Haushaltslöcher oder die Netto-Neuverschuldung dieser Staaten? Habe irgendwie in Erinnerung, daß in Tschechien und der Slowakei die Wirtschaft zwar brummt, dafür aber der Staat schlimmer als bei uns das Geld mit beiden Händen ausgibt.
      Avatar
      schrieb am 02.08.04 15:06:31
      Beitrag Nr. 12 ()
      #11 von christopherm

      Nein, keine weiteren Zahlen parat.

      Bei den obigen Tabellen fehlt meines Erachtens noch die Einwohnerzahl der betreffenden Länder.
      Avatar
      schrieb am 03.08.04 10:52:44
      Beitrag Nr. 13 ()
      #11 von christopherm

      Hast Du zufällig noch Infos über die Haushaltslöcher oder die Netto-Neuverschuldung dieser Staaten?

      Ich glaube im Anhang dieses Buches eine Tabelle mit diesen Daten gesehen zu haben.

      "Der Fischer Weltalmanach aktuell, EU-Erweiterung"

      http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3596723000/ref=lm_lb_/…
      Avatar
      schrieb am 03.08.04 12:00:04
      Beitrag Nr. 14 ()
      @kohelet:

      Danke für den Tip!

      Ansonsten hat der IWF wohl aktuelle Zahlen, daneben gibt es einige (recht teure) Periodicals.
      Avatar
      schrieb am 04.08.04 15:36:26
      Beitrag Nr. 15 ()
      zu #11, #12 und #13

      Ergänzungen aus " Der Fischer Weltalmanach aktuell, EU-Erweiterung"

      LandBevölkerung Arbeitslosen-Staatsdefizit Staatsverschuldung 
       in Miojährliche Wachs-quote 2002in % des BIP in % des BIP 
        tumsrate unter 2000200120002001
        1995 - 2000 in % 25 Jahre    
      Estland1,36-1,1217,70,4-0,25,14,8
      Lettland2,36-1,0324,62,71,613,916,0
      Litauen3,48-0,3621,42,71,924,023,1
              
      Polen38,640,0441,71,83,138,738,7
      Slowakei5,400,1037,312,85,645,244,1
      Slowenien1,990,0015,33,22,527,627,5
      Tschechien10,22-0,1216,93,35,517,023,7
      Ungarn10,19-0,4011,93,04,155,453,1
              
      Bulgarien8,02-0,7535,50,6-1,773,666,3
      Rumänien22,41-0,1818,54,53,424,023,3
              
              
      EU 15  15,0-0,91,963,962,5
      Avatar
      schrieb am 04.08.04 18:17:07
      Beitrag Nr. 16 ()
      Bei diesen Zahlen bin ich ja direkt froh, daß ich heftig in Estland investiert bin.

      :):):):):):):):):)
      Avatar
      schrieb am 04.08.04 19:08:10
      Beitrag Nr. 17 ()
      Vergesst die Leistungsbilanz!!!!
      Das sind die Transferzahlungen unserer Gastarbeiter für die daheim. Und dies ermöglicht unseren Exportweltmeisterstatus.
      Avatar
      schrieb am 06.09.04 10:16:50
      Beitrag Nr. 18 ()
      Daten und Informationen zu den neuen Mitgliedstaaten und der EU25
      Datentabellen mit Stand Juli 2004 aktualisiert!

      http://www.eu-datashop.de/beitritt
      Avatar
      schrieb am 16.09.04 14:18:00
      Beitrag Nr. 19 ()
      junge Welt vom 15.09.2004   Thema
      Chinas langer Marsch
      Nach 25 Jahren marktwirtschaftlicher Entwicklung beginnt die Volksrepublik, sich zu einem Gravitationszentrum der Weltwirtschaft zu mausern

      Wolfgang Pomrehn  

      Schlägt man dieser Tage eine beliebige deutsche, britische oder US-amerikanische Wirtschaftszeitung auf, so wird man mit ziemlicher Sicherheit mindestens einen Beitrag finden, der sich in der einen oder anderen Form mit dem Land der Mitte beschäftigt. China als vielversprechender Markt, China als verlängerte Werkbank, als attraktiver Börsenplatz, als Motor der Weltwirtschaft, als Zeitbombe. China ist in, keine Frage. Nicht, weil es eine launenhafte Mode wäre, sondern weil das Riesenland und mit ihm die Weltwirtschaft an einem Wendepunkt steht: Trotz immer noch weit verbreiteter Armut, trotz der vielen hundert Millionen Bauern, die von der Industrialisierung bisher weitestgehend unberührt blieben, ist die Volksrepublik auf dem besten Wege dahin, ihren angemessenen Platz im Weltsystem (wieder) einzunehmen und dieses damit gehörig umzukrempeln.

      Kometenhafter Aufstieg

      China boomt seit nunmehr 25 Jahren, sieht man von einigen Kriseneinbrüchen ab. Derzeit hat die Regierung Schwierigkeiten, das Wirtschaftswachstum auf die angestrebten 7,8 Prozent zu beschränken, weil sich in Sektoren wie Stahlproduktion, Bauwirtschaft, Automobilindustrie und anderen eine Überproduktionskrise anbahnt. 9,6 Prozent betrug das Wirtschaftswachstum im zweiten Quartal 2004 aufs Jahr umgerechnet, was in Peking (Beijing) bereits als Erfolg der auf Abkühlung zielenden Politik gewertet wurde. In den beiden vorhergehenden Quartalen hatte das Wachstum 9,9 und 9,8 Prozent betragen. Seit dem Beginn der Wirtschaftsreformen Ende der 1970er Jahre hat Chinas Ökonomie Jahr für Jahr im Schnitt über acht Prozent zugelegt. Noch rasanter stieg die Arbeitsproduktivität: Von 1995 bis 2002 nahm sie jährlich um 17 Prozent zu.

      Die Grundlage dieses kometenhaften Aufstiegs ist – daran gibt es wenig zu deuteln – die schrittweise Ausdehnung der Warenproduktion, wie Marxisten es nennen, oder der Marktwirtschaft, wie es im auch in China herrschenden Diskurs genannt wird. Nachdem die Volksrepublik unter Führung Mao Tse-Tung drei Jahrzehnte mit einem kruden »Kriegskommunismus« experimentiert hatte, der überwiegend auf Zwang, ideologischen Kampagnen sowie – äußerst hierarchischen – Rationierungssystemen beruhte und der besonders während des »Großen Sprungs nach vorn« Ende der 50er, Anfang der 60er Jahre mehrere Dutzend Millionen Menschen das Leben kostete, löste Deng Xiaoping nach Maos Tod (1976) die ländlichen Volkskommunen auf und ließ schrittweise private Unternehmen zu. Auf dem Land führte das innerhalb kürzester Zeit zu erheblicher Produktivitätssteigerung. Allerdings bleiben Lebensstandard und Produktivität auf dem Land seit Ende der 1980er Jahre hinter der Entwicklung in den Städten zurück. Nur in Nähe zu den Boomregionen an der Küste profitiert auch die Landwirtschaft von der rasch wachsenden Kaufkraft der neureichen Mittelschicht der Metropolen.

      Dort, in Zentren wie Schanghai, Peking, Shenzhen vor den Toren Hongkongs oder Kanton schießen Wolkenkratzer und moderne Wohnblöcke wie Pilze nach einem Sommerregen aus dem Boden. In den umliegenden Provinzen boomt der Autobahnbau. Städtebauliche Schätze müssen weichen und auf wertvollem knappen Ackerland entstehen in atemberaubendem Tempo Bürohäuser und neu Fabriken. Letzteres führt zusammen mit mangelhafter Verkehrsinfrastruktur, über die Erzeugnisse zu den städtischen Märkten gebracht werden könnten, und einer zu geringen Mechanisierung der winzigen Familienbetriebe dazu, daß seit kurzem Chinas Ernährung nicht mehr aus eigener Produktion gesichert werden kann. In der Folge klettern die Lebensmittelpreise auf dem Weltmarkt in nie gekannte Höhen, wie internationale Hilfsorganisationen unlängst beklagten, die von ernsten Schwierigkeiten für ihre Nahrungsmittelprogramme berichteten.

      Globaler Wachstumsmotor

      Doch die Lebensmittelpreise sind nur ein Beispiel unter vielen dafür, wie China beginnt, den Weltmarkt nachhaltig zu beeinflussen. Ein anderes Beispiel ist Erdöl, das sich unter anderem wegen der hohen chinesischen Nachfrage ebenfalls stark verteuert hat. China, bis Anfang der 1990er Selbstversorger, ist inzwischen zu einem der wichtigsten Erdölimporteure und nach den USA zum zweitgrößten Konsumenten geworden. Im Juli 2004 lagen die Rohölimporte um rund 40 Prozent höher als noch vor einem Jahr. Erst kürzlich hat die Volksrepublik ihr Interesse an der Konkursmasse des russischen Erdölkonzerns Jukos signalisiert. Über eine Erdöl-Pipeline aus Sibirien wird schon seit Jahren verhandelt, während sich eine solche für Erdgas aus Kasachstan bereits im Bau befindet. Erdöl ist auch einer der Gründe, weshalb China seine traditionell guten Kontakte zu vielen afrikanischen Staaten intensiver denn je pflegt. In Sudan ist man zum Beispiel der wichtigste Abnehmer für das dort geförderte schwarze Gold, insgesamt kommen von dort immerhin sechs Prozent der chinesischen Importe. Entsprechend nervös reagiert Peking derzeit auf die Interventionsgelüste westlicher Staaten.

      Aber nicht nur der Erdölimport boomt. Die Volkswirtschaft des Landes der Mitte hat mit rund 1,16 Billionen Euro inzwischen eine Größe erreicht, die dazu führt, daß das fortgesetzt hohe Wachstum wie ein Importstaubsauger wirkt. Chinas Stahlwerke, Kupfer- und Aluminiumhütten sowie Fabriken aller Art können die Rohstoffe und Vorprodukte gar nicht so schnell importieren, wie sie für den Export oder die zahllosen Infrastrukturprojekte verarbeitet werden. Für seine Nachbarn und auch für einige entferntere Staaten ist es daher inzwischen zum wichtigsten Wachstumsmotor geworden. Noch vor etwas mehr als einem Jahr herrschte in Südostasien vor allem Angst vor der Konkurrenz chinesischer Produkte. Auch befürchtete man, China würde zu ungunsten seiner Nachbarn zu viele ausländische Investitionen anziehen. Doch inzwischen bekommen in Thailand, Malaysia oder Singapur Produzenten und Politiker glänzende Augen, wenn sie von den wachsenden Exporten nach China schwärmen.

      Auch Australien sowie einige afrikanische und lateinamerikanische Staaten profitieren erheblich von Chinas Aufschwung. So fußt Argentiniens rasche, wenn auch nicht stabile, Erholung nach dem großen Crash vom Dezember 2001 vor allem auf Chinas Hunger nach Soja. Nachbar Brasilien konnte seinen Handel mit dem Land der Mitte noch stärker ausbauen. 1999 hatte der Warenaustausch zwischen den beiden schlummernden Großmächten 1,54 Milliarden US-Dollar umfaßt, 2003 waren es bereits 6,68 Milliarden US-Dollar (5,6 Milliarden Euro nach aktuellem Kurs). Der größere Teil des Wachstums ging auf das Konto der brasilianischen Exporte, die im vergangenen Jahr 4,5 Milliarden US-Dollar ausmachten. Damit ist Brasilien Chinas wichtigster Handelspartner in Lateinamerika. In Brasilia rangiert Peking immerhin bereits auf Platz vier der Liste der wichtigsten Wirtschaftspartner. Derzeit machen Sojabohnen 30 und Eisenerz zehn Prozent der brasilianischen Exporte in das Land der großen Mauer aus, womit die Exportstruktur weniger einseitig ist als die Argentiniens. Vor dem Hintergrund dieser Zahlen hat Brasiliens Präsident Luiz Inacio »Lula« da Silva begonnen, an einer Allianz zu schmieden, die neben China auch Indien und Südafrika umfaßt und die dem reichen Norden im Rahmen der WTO-Verhandlungen bereits einige harte Nüsse zu knacken gegeben hat.
      Eine sicherlich auch im Rahmen der gegebenen kapitalistischen Verhältnisse spannende Entwicklung, die langfristig die Gewichte in der internationalen Politik verschieben könnte.

      Die Kosten

      Aber hier soll nicht das Hohelied auf die kapitalistische Entwicklung gesungen werden. Natürlich fordert sie ihren Preis und geht mit dem Raubbau an Natur und Mensch einher. Chinas Verkehrspolitik zum Beispiel folgt ganz der Logik der großen Vorbilder in den USA und Westeuropa. Zwar wird das Eisenbahnnetz weiter ausgebaut und modernisiert, zugleich werden aber vor allem die Küstenregionen mit einem Netz von Autobahnen überzogen. In Städten wie Guangchou oder Schanghai, wo gegenwärtig in wahren Betonorgien Straßen zweistöckig entstehen, wird alles auf die kleine Minderheit der Autofahrer ausgerichtet und der in den romantischen China-Bildern noch vorherrschende Radverkehr in die Nebenstraßen verbannt. Die Folgen sind die üblichen: Die Städte ersticken in Lärm, Dauerstaus und Smog. Hinzu kommen verschmutzte Flüsse, zunehmende Knappheit sauberen Trinkwassers sowie abgeholzte Wälder am Oberlauf des Jangtses und seiner Zubringer (trotz Verboten der Zentralregierung), die mitverantwortlich für die verheerenden Überschwemmungen der letzten Jahre sind.

      Auch Arbeiter und Bauern zahlen mit ihren Knochen für den Erfolg. In den Kohlenminen sind tödliche Arbeitsunfälle an der Tagesordnung. In vielen Fabriken der Kleidungs-, Sport- und Spielzeugindustrie, in denen junge Arbeiterinnen oft zehn Stunden und mehr am Tag arbeiten, nimmt man es mit Arbeitsgesetzen und Sicherheitsbestimmungen ebenfalls selten genau. Wer seine Gesundheit unter den harten Arbeitsbedingungen ruiniert, hat Pech gehabt. Mit der Einführung der Marktwirtschaft wurde die kostenlose Gesundheitsversorgung abgeschafft. Nur die alte Arbeiterklasse in den großen staatseigenen Betrieben ist noch bessergestellt, doch ihre Zahl schrumpft weiter. Von 1995 bis 2002 gingen in Chinas Fabriken 15 Millionen Arbeitsplätze verloren. Viele staatseigene Betriebe, die unter Marktbedingungen nicht konkurrenzfähig sind, wurden geschlossen oder privatisiert.

      Niu Wenyuan, der an der Chinesischen Akademie der Wissenschaften die Abteilung für Strategien der nachhaltigen Entwicklung leitet, geht davon aus, daß die offizielle mittlere Wachstumsrate1 von 8,7 Prozent für die Jahre 1985 bis 2000 auf 6,5 Prozent reduziert werden muß, wenn man die sozialen und ökologischen Folgen der Entwicklung rausrechnen würde. »Ein großer Teil von Chinas Wirtschaftswachstum beruht auf der Ausbeutung von Ressourcen, die unseren Kindern gehören sollten«, meinte Niu gegenüber dem englischsprachigen Internetmagazin China Economic Net im Frühjahr im Vorfeld der diesjährigen Tagung des Nationalen Volkskongresses, auf dem das Problem eine gewisse Aufmerksamkeit erzielte. Einflußreiche Wissenschaftler schlugen seinerzeit vor, künftig auch ökologische und soziale Faktoren in die Statistik einzubeziehen, was in einem Land, in dem das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts zum alleinigen Maßstab der Politik geworden zu sein scheint, von einiger Tragweite wäre. Allerdings ist bisher kein sichtbares Ergebnis dieser Diskussionen auszumachen. Noch gilt Nius Feststellung, nach der in China die ökologischen und sozialen Kosten für einen Dollar Gewinn vier- bis elfmal so hoch sind wie in einem Industrieland.

      Hinzu kommen Konsequenzen für die globale Umwelt. Chinas wachsender Energiehunger treibt nicht nur die Weltmarktpreise für Rohöl in Rekordhöhen. In China sind einige hundert Millionen Menschen auf dem besten Wege dahin, den zerstörerischen westlichen Lebensstil zu kopieren. Der Verbrauch an fossilen Energieträgern wie Erdöl und Kohle, der damit verbunden ist, wird in den nächsten Jahrzehnten das Treibhausproblem verschärfen. Wahrscheinlich wird die Volksrepublik diesbezüglich schon bald zum bevorzugten Prügelknaben westlicher Politiker werden. Dabei sollte man aber darauf verweisen, daß der Pro-Kopf-Ausstoß an Treibhausgasen, die bei der Verbrennung von Erdöl- und Kohleprodukten entstehen, in China noch immer wesentlich unter dem Niveau der Industriestaaten liegt. Schließlich kann man von 1,3 Milliarden Chinesen nicht verlangen, daß sie weniger Schadstoffe produzieren, als 82 Millionen Deutsche. Vorbei sind allerdings die Zeiten, in denen die Chinesen vom Treibhausgas Kohlendioxid weniger als jene zwei Tonnen pro Kopf und Jahr, die das globale Klimasystem problemlos verkraften kann, in die Luft abließen.

      Viele der sozialen und ökologischen Problem wären sicher in einer demokratischen, sozialistisch organisierten Gesellschaft, die ihre Produktion nicht über Markt und Warenbeziehungen regelt, in der statt dessen der Gebrauchswert der Güter im Mittelpunkt stünde, zu vermeiden gewesen, das heißt, in einer Gesellschaft, die nachdenkt, wann welche Mittel eingesetzt werden müssen, anstatt alles dem Profitstreben einzelner zu überlassen. Aber die Frage, ob das auf dem geringen Entwicklungsstand der Produktionsmittel, auf dem sich China 1949 nach Jahrzehnten des Bürgerkrieges und des Kampfes gegen die japanischen Eroberer befand, überhaupt möglich gewesen wäre, hat sich inzwischen erledigt. Nicht nur für China, sondern auch für den Rest des Planeten:
      Mit der Öffnung und der wirtschaftlichen Integration Chinas ist der kapitalistische Weltmarkt bis in den letzten Winkel des Globus ausgedehnt.
      Kapitalismus ohne Unterwerfung
      Der rasche und anhaltende Aufstieg der Volksrepublik zeigt allerdings, daß es verfehlt wäre, dies als Sieg US-amerikanischer oder westeuropäischer Konzerne zu interpretieren, mögen sie auch noch so viele Milliarden Euros und Dollars nach China pumpen. Die chinesische Führung verfolgt – sehr erfolgreich – eine auf nationale Entwicklung ausgerichtete Politik, die das Land nicht einfach zur verlängerten Werkbank des Westens macht, sondern gezielt Infrastruktur, technisches Know-how, ökonomische Kompetenz und neue Konzerne aufbaut. Davon zeugt nicht nur die chinesische Atombombe und ein ehrgeiziges Raumfahrtprogramm, sondern auch ein stetig wachsender Strom chinesischen Kapitalexports, mit dem Überseemärkte und Rohstoffquellen erschlossen werden sollen. Bereits jetzt ist vor allem in Chinas Nachbarländern der wachsende Einfluß der chinesischen Wirtschaft und in ihrem Gefolge auch der chinesischen Sprache zu spüren, und der chinesische Yuan beginnt zu einer regionalen Währung zu werden. Beides könnte allerdings vor dem Hintergrund der enormen demographischen Ungleichgewichte in der Region alte, nur notdürftig übertünchte Ressentiments aktivieren, die zu den vielen Stolpersteinen gehören, die auf dem Weg der Volksrepublik zu ihrem angestammten Platz im Zentrum der Welt liegen.
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      1 Chinesische Statistiken sind, wie das Nationale Büro für Statistik im vergangenen Jahr selbst eingestand, mit gewisser Vorsicht zu genießen. Sie beruhen meist auf Berichten lokaler und regionaler Behörden, die mit den gemeldeten Zahlen das Interesse der Planerfüllung verbinden.
       
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      Adresse: http://www.jungewelt.de/2004/09-15/004.php
      Avatar
      schrieb am 16.09.04 15:00:41
      Beitrag Nr. 20 ()
      Ich denke, richtig interessant wird die Sache um Asien erst, wenn dort die Umwelt soweit zerstört ist, dass der Rest der Welt gar nicht genug Lebensmittelüberschüsse erzeugen kann, um diese dahin zu verkaufen.
      Avatar
      schrieb am 08.10.04 12:28:32
      Beitrag Nr. 21 ()
      #15

      Änderung: statt 2001 muß es 2002 heißen:

      LandBevölkerung Arbeitslosen-Staatsdefizit Staatsverschuldung 
       in Miojährliche Wachs-quote 2002in % des BIP in % des BIP 
        tumsrate unter 2000200220002002
        1995 - 2000 in % 25 Jahre    
      Estland1,36-1,1217,70,4-0,25,14,8
      Lettland2,36-1,0324,62,71,613,916,0
      Litauen3,48-0,3621,42,71,924,023,1
              
      Polen38,640,0441,71,83,138,738,7
      Slowakei5,400,1037,312,85,645,244,1
      Slowenien1,990,0015,33,22,527,627,5
      Tschechien10,22-0,1216,93,35,517,023,7
      Ungarn10,19-0,4011,93,04,155,453,1
              
      Bulgarien8,02-0,7535,50,6-1,773,666,3
      Rumänien22,41-0,1818,54,53,424,023,3
              
              
      EU 15  15,0-0,91,963,962,5


      aus " Der Fischer Weltalmanach aktuell, EU-Erweiterung"
      Avatar
      schrieb am 27.10.04 22:57:30
      Beitrag Nr. 22 ()
      China rechnet mit Dollarverfall


      28.09.2004 Jiang Ruiping vom China Foreign Affairs University`s Department of International Economics warnte die Regierung öffentlich davor, weiterhin Dollars anzuhäufen und damit die US-Defizite auszugleichen.

      Die Korrelation zwischen Ölpreis und Arbeitslosigkeit

      Daß diese Ansicht von der Regierung geteilt wird, zeigt die Tatsache, daß das staatliche Propagandaorgan "China Daily" diese Warnung veröffentlichen durfte.

      Jiang meinte, der weitere Fall des Dollars sei unausweichlich, deshalb führe der hohe Anteil an Dollarverschreibungen zu massiven finanziellen Risiken für China.

      Der Bericht "empfahl" den einheimischen Politikern den Dollaranteil zugunsten des Euros und des Yen drastisch herunterzufahren.
      Wörtlich hieß es: "Es erscheint immer offensichtlicher, daß der Verfall des Dollars sich fortsetzt."
      Der jüngste Kursverfall führte dazu, daß 10 Mrd. USD der chinesischen Währungsreserven über Nacht verschwanden, weitere Verluste stünden bevor, so hieß es im Bericht.

      Gegenwärtig werden 2/3 der Währungsreserven in Dollars gehalten
      Offiziellen Angaben haben die Fremdwährungsreserven Chinas einen Wert von ca. 480 Mrd. USD. Der Autor des Berichts warnte ebenfalls davor, mit den Währungsreserven das amerikanische Defizit weiter zu finanzieren, dies berge "große politische Risiken".
      Der RMB ist fest an den Dollar gebunden und die Fixrate liegt etwa bei 8,2777 zum USD.
      Was der Bericht jedoch unerwähnt läßt ( und der Bericht ist zumindest von Teilen der Regierung abgesegnet worden, sonst könnte er nicht in der China Daily erscheinen ), ist die Tatsache, das durch die Finanzierung der amerikanischen öffentlichen und privaten Defizite durch China ebenfalls Chinas Exportboom am Leben gehalten wird. Könnten die amerikanischen Konsumenten nicht mehr so viel aus China importieren, bräche die chinesische Wirtschaft sofort zusammen.
      China ist auf eine billige Währung angewiesen, um die Exporte am laufen zu halten. Anders als die Wahrnehmung im Westen ( Stichwort Milliardenmarkt ) es suggeriert, existiert nur ein unterentwickelter einheimischer Konsumentenmarkt, er beträgt - nach verschiedenen Schätzungen- nur 10 bis 30 % der Gesamtwirtschaft. Chinas Bürger sind zu arm, um den Boom aus eigener Kraft am Leben zu erhalten.
      Allein im Jahre 2004 stiegen die Exporte von China in die USA um 35 %, China hängt vom amerikanischen Verbraucher so ab wie die USA von der Finanzierung der Defizite durch China..

      Der Hintergrund der plötzlichen Kehrtwende ist jedoch im Ölpreis zu suchen- China sucht Wege, aus der Ölkrise herauszukommen. Durch die Abkopplung vom Dollar erhofft man sich eine Verbilligung der in Dollar fakturierten Ölimporte. Denn Öl wurde schon zur kritischen Masse bei der weiteren Entwicklung der Wirtschaft, wie obiger Chart zeigt.

      http://www.chinaintern.de/article.php?article_file=109640467…
      Avatar
      schrieb am 28.10.04 10:17:01
      Beitrag Nr. 23 ()
      DER SPIEGEL 42/2004 - 11. Oktober 2004
      China - Titelgeschichte

      Der Sprung des Drachen

      China über alles: Kaum ein Staat hat solche Wachstumsraten, keiner lockt so viele Investoren an, keiner baut so schnell wie die "Fabrik der Welt". Schon in drei Jahrzehnten könnte die Volksrepublik Wirtschaftsmacht Nummer eins werden. Verliert Deutschland Jobs an das Milliardenreich - oder ist dieser Absatzmarkt unsere letzte Chance? Wird Peking zum größten Gegenspieler Washingtons?

      Hier in Sibirien haben sich die beiden großen kommunistischen Staaten noch vor 35 Jahren erbitterte Gefechte geliefert, vom Wahn besessen, das Rennen um die Vorherrschaft im Fernen Osten militärisch auszutragen. Hier am breiten Strom, den die Russen schlicht Amur nennen und die Chinesen poetisch Heilongjiang, "Schwarzer Drachenfluss", prallten die ideologischen Gegensätze aufeinander. Hier, wo wenige hundert Meter voneinander entfernt die Städte Blagoweschtschensk und Heihe konkurrieren - feindlich-freundliche Brüder an gegenüberliegenden Ufern, mitgerissen von den Strudeln der Weltpolitik.

      Ungleichere Zwillinge lassen sich kaum denken. Aber nicht die Waffen, sondern die wirtschaftlichen Fortschritte haben das Duell entschieden. Der "Zar" in Moskau und der Generalsekretär in Peking sind weit - vielleicht sind die Verhältnisse gerade deshalb so entlarvend.

      In manchen Vierteln Blagoweschtschensks scheint die Zeit stehen geblieben zu sein: Verfallene Holzhäuschen säumen Schlammwege, Unkraut wuchert aus Fabrikruinen, unvollendete Denkmäler irgendwelcher Polit-Funktionäre setzen Schimmel an. Mit seinen 210 000 Einwohnern sieht das Zentrum fast so aus wie zu Sowjetzeiten, als noch kein Kontakt "nach drüben" möglich war. Lethargie prägt das Leben, hohe Arbeitslosigkeit, Zukunftsangst.

      Ganz anders Heihe, dessen imposante Skyline geradezu provozierend in den verkommenen russischen Ort hinüberstrahlt: ein Spargelwald von Wolkenkratzern aus Stahl und Glas, prall gefüllte Supermärkte, teure Restaurants. Innerhalb weniger Jahre ist Heihe auf 240 000 Einwohner angeschwollen. Ein einziges Hämmern und Sägen, Bohren und Basteln. Eine neue Bank entsteht, das Bürgermeisteramt wird erweitert, eine Bowlingbahn bald eingeweiht. Überall Optimismus.

      Hunderte russischer Arbeitsloser, darunter die Entlassenen der kürzlich geschlossenen Süßwarenfabrik, nehmen täglich die Fähre hinüber nach China. Bibliothekare und Lehrerinnen, die vom Staat monatelang kein Gehalt mehr bekommen haben, verdingen sich in Heihe als Kellner oder Putzfrauen. Andere nutzen den visalosen Tages-Grenzverkehr, um drüben einzukaufen, bis zu 50 Kilogramm Waren sind zollfrei. Sie schleppen in ihren Jutesäcken und Plastiktaschen an Konsumgütern nach Russland, was sie tragen können. Für den persönlichen Bedarf. Für die Verwandten. Außerdem lässt sich in den weitgehend von der Außenwelt abgeschnittenen, unterversorgten sibirischen Dörfern alles verkaufen, ein kleiner Profit erzielen.

      Die großen Geschäfte aber machen die Chinesen. Sie schwärmen als Unternehmer nach Sibirien aus. In Russland lassen sich inzwischen billig Fabriken betreiben, beispielsweise Holz verarbeitende Werkstätten für Essstäbchen. Selbst landwirtschaftliche Betriebe jenseits der Grenze stehen unter chinesischer Aufsicht. Der strenge KP-Kader Ma Zhanyuan etwa bringt den Sibiriern bei, wie man in einem vergleichsweise rauen Klima Melonen zum Wachsen bewegen kann.

      Auch den größten Neubau in der russischen Stadt Blagoweschtschensk kontrollieren die ebenso cleveren wie skrupellosen chinesischen Unternehmer. Die Firma Huafu baut ein neues Geschäftszentrum in "Blagos" Ortszentrum. Junge einheimische Russen, die eine Chance haben wollen, lernen zwangsläufig Chinesisch. Inzwischen kommen die Reichen von Heihe auch in Scharen als Touristen in ihre sibirische Schwesterstadt. Vor allem die Männer. Ein blühender Straßenstrich ist am Lenin-Boulevard entstanden, die Firma "Iskuschenije" ("Versuchung") unter der Leitung der resoluten Jungunternehmerin Walentina vermittelt den chinesischen Siegern der Geschichte leichte Mädchen. Russland muss sich in Ermangelung anderer Vorzüge schon prostituieren, wenn es am Fluss des Schwarzen Drachen noch einen Hauch von Geschäfts-Chance gegen China haben will.

      In den letzten fünf Jahren hat Russland ein durchschnittliches Wirtschaftswachstum von rund sechs Prozent erzielt (dass es derzeit üppig ausfällt, verdankt der Kreml weitgehend den hohen Erdöl- und Erdgaseinnahmen); das demokratische Indien brachte es in diesem Zeitraum auch auf durchschnittlich plus sechs - beide weit ausgestochen von der Volksrepublik mit ihren gut acht Prozent. Noch nie in der Geschichte wurden in irgendeinem Staat so viele Menschen so schnell aus der Armut in ein menschenwürdiges Leben katapultiert wie in China nach den 1978 in die Wege geleiteten Wirtschaftsreformen - geschätzte 400 Millionen.

      Pekings Volkswirtschaft ist nach Kaufkraftparität bereits an Japan und Deutschland vorbeigezogen, Vizeweltmeister nach den USA - und sollte nach Meinung der Experten von der Investmentbank Goldman Sachs spätestens im Jahr 2040 die Nummer eins sein. China ist der Staat, der 2003 mit gut 53 Milliarden Dollar weit vor den USA am meisten Direktinvestitionen anlockt; viel Geld von den chinesischen Blutsbrüdern in Hongkong, Singapur und Taiwan ist dabei, aber auch aus Europa und Amerika.

      Und der Transfer ist keine Einbahnstraße: China verfügte Ende vergangenen Jahres nach Japan mit 403 Milliarden Dollar über die größten Devisenreserven, steckt enorme Summen in Staatsanleihen und Unternehmen der USA - nur mit chinesischer Hilfe können die Amerikaner permanent über ihre Verhältnisse leben, werden die US-Anleihezinsen gedrückt, bleibt der Dollar relativ stabil.

      Das erfolgreichste Land der Erde und das volkreichste sind inzwischen derart miteinander verflochten und voneinander abhängig, dass sie sich durch einen abrupten und umfassenden Abzug von Geldern und Güterverkehr gegenseitig in den Ruin treiben könnten. Zum Glück spricht nichts dafür, dass sie so selbstmörderisch sind, es auch zu tun.

      China ist die Werkbank der Welt geworden: Die kapitalistischen Kinder eines formal immer noch kommunistischen Systems fertigen mehr Spielzeug, nähen mehr Kleider und produzieren mehr Schuhe als irgendein anderes Volk. Manche Arbeiter basteln in dunklen Klitschen unter kaum menschenwürdigen Bedingungen Plastiktaschen, Christbaumkugeln oder primitives Elektronikspielzeug, Charles Dickens und das Manchester des vorletzten Jahrhunderts lassen grüßen. Aber China ist längst nicht mehr nur das Billigland für ausländische Produzenten, es hat den Sprung auf die nächste Stufe geschafft und eilt mit Riesenschritten die Treppen der Globalisierung hinauf.

      Schon mehr als jede zweite Digitalkamera weltweit, jedes dritte Handy, jede vierte Waschmaschine werden hier gefertigt, bei Fernsehgeräten wie Klimaanlagen liegt China besonders weit vorn. Die Märkte West und Ost ergänzen sich, ohne dass Verbraucher es immer bewusst registrieren. Ob bei Wal-Mart in der amerikanischen Stadt Pekin (sie borgte sich ihren Namen in den zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts von Chinas Kapitale, weil die "genau gegenüber" auf dem Globus liegt); ob bei Carrefour im französischen Perpignan oder bei Karstadt in Paderborn: Die Chancen sind überwältigend groß, dass Produkte made in China im Regal stehen.

      Allein amerikanische Konsumenten hätten durch chinesische Billigprodukte in den letzten 25 Jahren Milliarden Dollar auf die hohe Kante legen können, schätzen Experten von der "New York Times". Und auch Schwaben sparen via China. Die Baden-Württemberg-T-Shirts ("Wir können alles außer Hochdeutsch") ließ die Stuttgarter Landesregierung kostengünstig im Reich der Mitte produzieren.

      Nehmen die Chinesen "uns" die Arbeitsplätze weg? Eine Fabrik des Glasspezialisten Schott wird gerade mit Niet und Nagel in Mitterteich, Bayern, abgebaut und nach Suzhou verlagert - 70 Arbeiter verloren ihre Stelle. Selbst Hightech-Forschungseinrichtungen von Weltkonzernen wie Siemens werden Richtung China verlegt und killen hochwertige hiesige Arbeitsplätze.

      Wie groß die Angst vor dem Verlust von Jobs an den fernöstlichen Konkurrenten ist, belegt eine im Auftrag des SPIEGEL vergangene Woche durchgeführte Infratest-Umfrage. "Erwarten Sie, dass deutsche Firmen künftig verstärkt in China produzieren und deutsche Arbeitsplätze dorthin abwandern könnten?", wollte das Meinungsforschungsinstitut wissen. 65 Prozent der Bundesbürger bejahten die Frage, nur 31 Prozent sahen die Gefahr nicht. Im Westen der Republik und bei den 18- bis 29-Jährigen war der Prozentsatz der Besorgten sogar noch höher.

      Andererseits hängt fast ein Viertel des zarten Pflänzchens Aufschwung hier zu Lande ab von den dramatisch wachsenden Exporten Richtung China - offensichtlich ein Riesenabsatzmarkt für "unsere" Güter. Auch als Importeur entwickelt die Volksrepublik ungeheure Dynamik: Die Einfuhren stiegen im vergangenen Jahr um 40 Prozent. Besonders die deutsche Volkswirtschaft profitierte davon, sie lieferte im Jahr 2003 Waren im Wert von 18,2 Milliarden Euro in die Volksrepublik - fast 70-mal mehr als 1972, dem Jahr, in dem Bonn und Peking diplomatische Beziehungen aufnahmen.

      Längst geht es nicht mehr darum, den Chinesen ein Aspirin oder eine Cola aus Westproduktion zu verkaufen, Traum der ersten Generation der China-Händler. Praktisch alle Weltfirmen produzieren inzwischen in der Volksrepublik und oft auch primär für die Volksrepublik.

      "Die Führer unserer Nation müssen unterrichtet werde, dass das wir unser Schicksal selbst in die Hand nehmen wollen. Wir wollen keine Götter oder Kaiser mehr." Wei Jindsheng, Dissident

      VW setzt im Reich der Mitte mehr Autos ab als in Deutschland, wird dabei aber von den ausländischen Wettbewerbern stark bedrängt und verliert Marktanteile; BMW hat gerade im nordostchinesischen Shenyang eine neue Fabrik eröffnet, erhofft sich bald einen Abstecher des Bundeskanzlers (es wäre schon Schröders sechster Besuch als Regierungschef in der Volksrepublik) - Chinas inzwischen anspruchsvolle Verbraucher verlangen Weltniveau. Allein im ersten Halbjahr 2004 kamen 42 neue Modelle auf den Markt, und die Preise fallen. Auch Wolfsburg musste sich diesem Druck beugen und seine Autos billiger anbieten.

      Und von wegen Rückstand bei modernsten Technologien oder der Produktion von Luxusgütern. In Zhongshan in der Provinz Guangdong wurde vor wenigen Monaten ein Werk für den Bau von superschicken State-of-the-Art-Hochseeyachten für die Milliardäre dieser Welt eingeweiht. Die britische Armee vertraute die Produktion von Kampfanzügen ihrer Soldaten den Chinesen an. Und der innerchinesische Nachrichtenfluss läuft, jedenfalls in den reichen Küstenregionen, weitgehend elektronisch. Ein Volk geht online, hat mit 87 Millionen Internet-Usern gerade Platz zwei hinter den USA erobert; 1,5 Millionen kommen dazu - jeden Monat.

      Selbstbewusst wagen sich chinesische Gründerkonzerne wie Haier, Galanz oder Lenovo auch auf den internationalen Markt und hoffen bald auf einen Marken-Wiedererkennungswert wie Microsoft, Sony oder Bosch: Weltfirmen von morgen, Rivalen bei Haushaltsgeräten und Computern schon heute. Ähnlich wie einst die Japaner leisten sich manche dabei teure Shopping-Touren. Der chinesische Konzern TCL übernahm den insolventen bayerischen Hersteller Schneider - und avancierte durch das Zusammengehen mit der französischen Firma Thomson zum größten TV-Hersteller der Welt. Staatlich kontrollierte Ölkonzerne wie Sinopec kaufen sich in russische, kasachische und sudanesische Energiequellen ein.

      Kein Land verbraucht mehr Stahl und Kohle als der gefräßige fernöstliche Drache, keines mehr Zement, und bis auf die USA holt sich auch keines so viel Erdöl vom Weltmarkt, allein im vorigen Jahr plus 15 Prozent. 162 000 Kilometer Straßen sind im Bau, um die nun schon rund 100 chinesischen Millionenstädte zu verbinden - ein Asphaltgürtel, der die Erde viermal umspannen könnte, das deutsche Autobahnnetz ist nicht mal ein Zehntel so groß. Und als gäbe es für jeden neuen Rekord Extraprämien, geht es bei den Superlativ-Süchtigen in atemberaubender Geschwindigkeit schneller, höher, weiter.

      Am Yangtze bei der weltgrößten Stadt Chongqing (mit eingemeindeten Vororten: 31 Millionen Einwohner) wird gerade das gigantischste Staudammprojekt aller Zeiten, aller Länder vollendet. Für das Perlflussdelta bei Zhuhai ist eine zwei Milliarden Dollar teure Mammutbrücke in Planung. In Shanghai - laut "Washington Post" die "derzeit aufregendste Stadt des Planeten", laut US-Wirtschaftsmagazin "Forbes" der "vielversprechendste Platz für Unternehmen weltweit" - rast die von deutschen Unternehmen hier, und nur hier, als reguläres Transportmittel vollendete kommerzielle Magnetschwebebahn mit 431 Kilometer Spitzengeschwindigkeit vom Flughafen Richtung Stadt. Bis in die Nähe des Grand Hyatt Shanghai, des höchsten Hotels der Welt, dessen Lobby im 54. Stock liegt, die Bar in Etage 87. Erst vor zwei Wochen bewunderten Motorsport-Fans das chinesische Formel-1-Jungfernrennen auf einer in knapp 18-monatiger Rekordzeit fertig gestellten Superstrecke.

      Kein Zweifel, der Osten ist rot. Ferrarirot.

      Der erste chinesische Grand Prix oder der im August landesweit übertragene Asien-Fußball-Cup sind jedoch nur ein Vorspiel für die Olympischen Spiele 2008 in der Hauptstadt Peking. Dort kann man nicht ganz so Hyatt-hoch wie in Shanghai wohnen, dafür aber in der "Red Capital Residence" eine nostalgische "Suite des Vorsitzenden" ab 175 US-Dollar pro Nacht mieten; gleicher Preis wie die Konkubinen-Suite, so viel augenzwinkernde Mao-Satire darf sein.

      Und bei der Weltausstellung in Shanghai im Jahr 2010 wird sich China dann wieder als Fortschrittsland schlechthin präsentieren. Auch deutsche Unternehmer, unter ihnen der Metro-Chef Hans-Joachim Körber, sitzen in einem Beratergremium, das Ideen zur städtebaulichen Zukunft der Hamburg-Partnerstadt Shanghai koordiniert; der Architekt Albert Speer, Sohn des Nazi-Gigantomanen, durfte in Anting, in der Nähe der Metropole am Huangpu, eine ganze Autostadt planen.

      "Welches ist der Markt, in dem man es sich nicht leisten kann, nicht dabei zu sein? China. Die Geldquelle, die Amerikas Wirtschaft flüssig hält? China. Die Lokomotive, die das Weltwirtschaftswachstum nach vorn zieht? China. Der Riesengorilla, der Jobs aus dem Westen absaugt? China." Auf die Schlüsselfragen der Welt gab es beim Weltwirtschaftsforum in Davos im Januar 2004 nach Ansicht der "International Herald Tribune" immer nur eine Antwort. Der Peking-Boom und seine Folgen waren beim Treffen der Großen in der Schweiz Hauptthema. Die Begeisterung über mögliche Chancen drängte dabei die durchaus real existierenden Bedrohungsängste zurück, Chinas überhitzte Ökonomie könnte eine Bruchlandung erleiden und die Weltökonomie mit in den Abgrund ziehen.

      Und vielleicht wird die Volksrepublik auch bald in der Außenpolitik zum großen Konkurrenten der Supermacht USA.

      Nach Jahren der Zurückhaltung auf dem internationalen Parkett lässt Peking die Muskeln spielen. Vor dem Irak-Krieg hat China als eines der fünf ständigen Mitglieder im Sicherheitsrat an der französischen und russischen Seite zur Freude auch der Deutschen die Vermeidung eines Waffengangs gefordert. Neuerdings unterstützt es Berlins Ambitionen auf einen Sitz im Sicherheitsrat (und versucht währenddessen, einen japanischen zu verhindern). Chinesen helfen bei Uno-Friedensmissionen in Osttimor wie im Kongo, seit neuestem auch in der westlichen Hemisphäre - knapp 1000 Kilometer vor Floridas Küste, im Katastrophenstaat Haiti. Zum Kampf gegen den internationalen Terrorismus, auch gegen die muslimischen Separatisten in der Xinjiang-Region, wurde unter Chinas und Russlands Führung der große Teile Zentralasiens umfassende Shanghai-Kooperationsrat gegründet.

      Beim Umgang mit der Bedrohung durch das nuklear gerüstete Nordkorea wirkt Peking, auch aus Eigeninteresse, mäßigend auf die unberechenbare Diktatur in der unmittelbaren Nachbarschaft ein. Es steht dabei an der Seite der USA und der Anrainerstaaten. Aber vorschreiben lässt sich die Volksrepublik ihre Agenda von keinem, schon gar nicht von Washington. Beim Konflikt um den West-Sudan verhindert Peking mit einem angedrohten Veto im Sicherheitsrat ein schärferes Vorgehen gegenüber Khartum - die Volksrepublik ist ein Hauptabnehmer des sudanesischen Öls.

      Wie selbstbewusst, aber auch aggressiv und entschlossen Chinas Staatsführung an die Taiwan-Frage herangeht, erfuhr erst Anfang Juli Präsident Bushs Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice in Peking. Man verurteile die neuesten Waffenverkäufe der USA an die "abtrünnige Provinz" aufs Schärfste, wurde sie belehrt. Schon ein Referendum der Politiker in Taipeh zur staatlichen Unabhängigkeit werde als "Kriegserklärung" aufgefasst und mit einem Angriff beantwortet. Spätestens bis zum Jahr 2020 müsse die Insel heim ins Reich, entweder auf friedlichem Wege oder eben anders. Tage später begann eine waffenklirrende Militärübung der Volksbefreiungsarmee - ganze 280 Kilometer von Taiwan entfernt.

      Japan und Südkorea halten bei solchen martialischen Gesten gegenüber der demokratisch legitimierten Regierung Taiwans still. Die wirtschaftliche Abhängigkeit beider Staaten, deren größter Handelspartner Peking inzwischen ist, erlaubt keinen offenen Zwist mit ihrem Riesennachbarn. Noch deutlicher gilt das für die kleineren Anrainerstaaten wie Burma, wo der Renminbi in manchen Grenzregionen inzwischen die zweite Landeswährung ist. Die Volksrepublik ist ohne Zweifel dabei, zur bestimmenden Kraft Asiens zu werden. Eine gar nicht mehr heimliche Großmacht - und manchmal sogar eine unheimliche.

      "Wenn China erwacht, erbebt die Welt", hat Napoleon Bonaparte einmal gesagt. Heute sieht der ehemalige US-Außenminister Henry Kissinger die Prophezeiung erfüllt:
      Eine dramatische Verlagerung der internationalen Politik spiele sich vor unseren Augen ab, meint er - "das Gravitationszentrum der Politik verschiebt sich in den pazifischen Raum", und vornedran China. Auch Konrad Seitz, früherer deutscher Botschafter in Peking, hält den Aufstieg der Volksrepublik für die derzeit wichtigste Entwicklung: "Das verschiebt fundamental die politischen Machtverhältnisse in Asien und die Wettbewerbssituation auf den Märkten."

      Die "New York Times" rief - nach dem vergangenen amerikanischen Jahrhundert - im Juli 2004 schon das neue "chinesische Jahrhundert" aus: "Das Land hat sich verändert, nun verändert es die Welt."

      Ein bisschen sogar den Weltraum. Im Oktober vergangenen Jahres schossen die Chinesen nach den Sowjets und Amerikanern als dritte Nation einen Menschen ins All. Voller Nationalstolz fanden sie für den Mann in der Schwerelosigkeit eine neue Wortschöpfung: "Taikonaut" (abgeleitet von "Taikong", Chinesisch für "Weltraum"); die Raumkapsel ließ die Regierung, offiziell dem Atheismus verpflichtet, "Göttliches Schiff" ("Shenzhou") taufen.

      Im inneren Zirkel des Pekinger Politbüros, dessen neun Mitglieder allesamt ausgebildete Ingenieure sind, glüht man vor Nationalstolz. "Der Mond ist jetzt ein Ami", hat vor 35 Jahren, nach dem ersten Moon-Walk des US-Astronauten Neil Armstrong, die größte deutsche Boulevardzeitung gedichtet. Heißt es nun bald: "Der Mann im Mond - ein China-Mann"?

      Der erste Weltraumtrip war nur eine erstaunliche technische Errungenschaft in einer langen Reihe von beeindruckenden Forschungserfolgen. Chinesischen Wissenschaftlern ist es beispielsweise gelungen, einer krebsgeschädigten Frau den Eierstock einer Gesunden einzupflanzen, menschliche Embryonen zu klonen sowie Teile des Reis-Erbguts zu entschlüsseln. "Ihr seid die Zukunft", rief tief beeindruckt ob des gezeigten Einfallsreichtums und der Wissbegierde in Peking Eric Lander, führender amerikanischer Genforscher vom Massachusetts Institute of Technology, jungen chinesischen Forschern zu. Und natürlich ist mit einem Microsoft-Forschungszentrum auch schon Bill Gates vor Ort. Er konnte sich nicht vorstellen, seine Idee von einem Dialogsystem zwischen Mensch und Computer irgendwo anders als in China zu entwickeln.

      Da werden Erinnerungen wach an eine große, historische Zeit im Reich der Mitte - als das Land sich zu Recht als technologischer und politischer Nabel der Welt fühlte, als seine Herrscher glaubten, "das Mandat des Himmels" zu besitzen.

      Seide, Seismograf und Schießpulver verdankt die Welt diesem China. Es entwickelte den magnetischen Kompass und die mechanische Papierherstellung; das Reich der Mitte besaß ein hoch entwickeltes Staatswesen, als Europa und Amerika noch mit primitiven Waffen jagten oder im mittelalterlichen Dunkel vor sich hin dämmerten. Bis ins 15. Jahrhundert galt China als Land mit der fortgeschrittensten Technologie und dem höchsten Pro-Kopf-Einkommen der Welt - bis es dann lange in selbstgefälliger Isolierung und kolonialer Ausbeutung versank, die industrielle Revolution weitgehend verschlief.

      Und nun - nach den Zwischenzeiten kommunistisch-maoistischer Verirrungen, die sich als hinderliche, aber doch dünne Staubschicht über die jahrtausendjährige Geschichte des Landes zogen - ein neuer großer Sprung nach vorn für das Händlervolk? Vorwärts in die Vergangenheit, China wieder auf dem Weg zur Nummer eins? Ein Milliarden-Reich unaufhaltsam dabei, das Beste an westlicher Technologie zu erwerben (oder illegal zu kopieren), von jener lähmenden Arroganz weitgehend befreit, die den Kaiser Qianlong 1793 zum Abgesandten des britischen Königs sagen ließ, es bestehe "kein Bedarf" an englischen Produkten, aber der Barbar könne nach dem Kotau gern Gehorsam schwören?

      Die Dinge haben sich grundlegend gewandelt. Heute besteht die Angst des Westens nicht darin, dass China sich isoliert, sondern darin, dass es mit seinen Billiglöhnen und dem unbändigen Fleiß seiner Arbeiter den Europäern und Amerikanern die Arbeitsplätze "stiehlt".

      Und die Hoffnung des Westens beruht darauf, dass China der große Abnehmermarkt für seine Waren ist. Deutsche Manager neigen zur China-Euphorie, der frühere Wirtschaftsminister Otto Graf Lambsdorff spricht gar von "einer gewissen China-Besoffenheit".

      "Unglaublich prickelnd" sei es, "wie die Leute nach vorne wollen", schwärmte etwa der Vorstandsvorsitzende von Schwäbisch Hall, Alexander Erdland. "Panda-Schmuser" seien die Deutschen, sagen unter der Hand leicht verächtlich chinesische Politiker und Wissenschaftler, die Probleme in ihrem eigenen Land längst kritischer sehen als die ihren Gastgebern oft nach dem Mund redenden Germanen.

      In Shanghai entsteht ein neues, supermodernes German Centre. "Man kann es sich gar nicht leisten, in China nicht dabei zu sein", meint Heinrich von Pierer, scheidender Siemens-Chef. Dabei weiß natürlich auch er, wie viele deutsche Unternehmen - aus Naivität, aus Selbstüberschätzung, wegen ihrer unflexiblen Produktpalette oder manchmal von ihren chinesischen Partnern schlicht über den Tisch gezogen - in der Volksrepublik scheitern.

      Chinesische Wirtschaftsexperten sind mit Prognosen eher vorsichtig optimistisch. Oder wie Professor Xu Xiaonian beim SPIEGEL-Interview sogar ausgesprochen skeptisch, was den reibungslosen Aufstieg der Volksrepublik zur Supermacht angeht (siehe Seite 122). Peking habe dabei versagt, der wirtschaftlichen Liberalisierung eine politische Öffnung folgen zu lassen - ohne Rechtssystem aber werde das Land keinen langfristigen Aufschwung zu Stande bringen, meint Xu.

      Chinas Führung sendet in diesen Monaten in der Tat widersprüchliche, manchmal geradezu gegensätzliche Signale aus.

      Im Dezember 2003 zum Beispiel hat das Zentralkomitee der KP zugestimmt, den Schutz des Privateigentums in die Verfassung aufzunehmen, im März 2004 machte der Nationale Volkskongress im Artikel 13 die "Unverletzlichkeit" amtlich. Ebenso wird die Privatwirtschaft Chinas im neu gefassten Artikel 11 "ermuntert" und "unterstützt" - eine wahrhaft epochale Wende für ein kommunistisches Reich.

      Doch in der Regierungspraxis werden Privatbetriebe, die inzwischen fast zwei Drittel von Chinas Wirtschaftsleistung erbringen, gegenüber dem staatlichen Sektor weiterhin benachteiligt. Noch immer herrscht keine Rechtssicherheit, die Steuern und Gebühren sind für die Privaten höher. Beim Zugang zu Krediten, zu Arbeitsmarkt und Außenhandel sowie zu Börsennotierungen bleiben sie diskriminiert.

      Noch brennender ist das Problem des sozialen Ausgleichs. Die Kluft zwischen Arm und Reich, Küste und Binnenland, Stadt und Land nimmt weiter zu - ohne dass Parteichef Hu Jintao, 61, und Premier Wen Jiabao, 62, die das Problem immerhin benennen, ein durchgängig schlüssiges Gegenkonzept erkennen ließen. Sie wissen nur, was sie definitiv nicht wollen. Demokratie wie in den westlichen Ländern sei für China eine "Sackgasse", sagt Staatspräsident Hu, der seit Mitte September auch oberster Militärchef des Landes ist und damit zumindest theoretisch die Machtfülle besitzt, die Verhältnisse zu ändern. Doch wahre Mitbestimmung des Volkes fürchtet die KP immer noch wie der Teufel das Weihwasser.

      In Chinas reichster Stadt Shenzhen, nahe der Sonderverwaltungsregion Hongkong gelegen, hat der Lebensstandard mitteleuropäische Höhen erreicht; südwestliche Provinzen wie Guizhou krebsen weit unter Indien-Niveau. Ein Shanghaier Unternehmer gibt beim Mittagessen mit Kollegen in Vorzeigerestaurants wie dem "M on the Bund" locker das Jahresgehalt eines Bauern aus. Der dringend geforderte Aufbau eines nationalen Sicherungssystems mit Pensionen und Arbeitslosengeldern steckt noch in den Anfängen - Verlierer im Verteilungskampf ist ausgerechnet das einst von der KP verklärte Arbeiter- und Bauernproletariat, das sich immer häufiger auch mit Streiks und wütenden Demonstrationen zur Wehr setzt.

      Sogar die KP muss zugeben, dass in den Dörfern Chinas die Armut wieder zunimmt, nach offiziellen Statistiken um 800 000 Menschen im Jahr 2003. Die Partei versucht das vor allem mit Naturkatastrophen wie Überschwemmungen und Erdbeben zu begründen, doch die Erklärungen wirken wenig glaubwürdig. Allein schon die Inflationsrate, zuletzt über fünf Prozent, ist für die Bauern eine schwere Last.

      Die neuen Parteiführer propagieren nach außen hin eine neue Offenheit; "den Menschen zur Hauptsache machen", lautet die aktuelle, landesweit verbreitete KP-Parole. Parteichef Hu erklärt den Anti-Korruptions-Kampf zur Chefsache - in den letzten Monaten wurde ein halbes Dutzend hoher Provinzfunktionäre wegen Diebstahls zu langen Freiheitsstrafen verurteilt. Premier Wen schüttelt vor laufenden Kameras einem Aids-Kranken die Hand und macht so die in China lange vernachlässigte, sich wie eine Epidemie ausbreitende Immunschwächekrankheit zum politischen Thema.

      Doch nur "konstruktive" Kritik ist erlaubt, "zersetzende", die Parteilegitimation in Frage stellende Kritik führt ins Arbeitslager oder Gefängnis. Jiang Yanyong hat das gerade am eigenen Leib erlebt. Im Frühjahr 2003 wurde der Mediziner noch gefeiert, weil er auf den wahren Umfang der Sars-Infizierungen in China aufmerksam machte; der die Krankheit verharmlosende Gesundheitsminister verlor sogar seinen Job. Als der "ehrliche Doktor" ("Volkszeitung") allerdings vor dem 15. Jahrestag des Tienanmen-Massakers in einem offenen Brief eine Neubewertung der von der KP immer noch verteidigten Schüsse auf die Demonstranten forderte, zerrte man ihn auf offener Straße in einen Wagen und sperrte ihn wegen schwerer "gedanklicher Irrtümer" ein. Nach internationalen Protesten kam er Mitte Juli wieder frei - keiner weiß, ob er es auch bleibt.

      Widersprüchlich präsentiert sich auch das Rechtssystem. In den letzten 25 Jahren ist die Zahl der Anwälte von 2000 auf 120 000 explodiert, 70 Prozent aller Richter haben inzwischen eine juristische Ausbildung durchlaufen, zwei vom Obersten Gericht studierten sogar in Harvard und Yale. Bei Auseinandersetzungen in den Dörfern ist von dieser Internationalisierung nicht viel zu spüren, da ist es immer noch üblich, dass man sich ein Urteil erkauft oder seine "Guanxi" ("Beziehungen") spielen lässt. Und nach wie vor hält die Volksrepublik auch einen traurigen Weltrekord: Nirgendwo werden so viele Todesurteile vollstreckt. 726 Hinrichtungen wurden von Amnesty International während des Jahres 2003 berichtet; seit ein chinesischer Parlamentsabgeordneter vor wenigen Monaten von 10 000 Todesurteilen jährlich sprach, ahnt man, dass die Dunkelziffer weit höher liegt. Die kapitale Strafe kann übrigens nicht nur für Mord und Vergewaltigung verhängt werden, sondern auch für Steuerbetrug.

      Immerhin scheinen inzwischen manche Grundlagen einer Zivilgesellschaft gelegt: Es werden jetzt auch Gerichtsverfahren gegen die Regierung angestrengt, manche sogar gewonnen. Menschenrechtsgruppen prangern Umweltskandale an. Privatkanzleien, die per Anzeige um Kunden werben, formulieren Klagen. Ein Arbeiter, der wegen einer defekten Maschine beide Arme verlor, erhielt in Shenzhen 30 000 Dollar Schmerzensgeld zugesprochen; eine Baufirma in Peking, die 500 Hilfskräfte ein Jahr lang nicht entlohnt hatte, wurde zu 608 000 Dollar Nachzahlungen verurteilt.

      Weniger erfolgreich war dagegen der Anwalt Zheng Enchong, der in Shanghai den Opfern staatlich verordneter Abrissmaßnahmen zum Bleiberecht in ihren Häusern verhelfen wollte. Er scheiterte - und wurde 2003 unter dem absurden Vorwurf, Staatsgeheimnisse verraten zu haben, zu drei Jahren Gefängnis verurteilt. Fraglich, ob ihm der im März 2004 neu in die Verfassung aufgenommene Grundsatz ("Der Staat respektiert und schützt die Menschenrechte") geholfen hätte.
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      schrieb am 28.10.04 10:19:19
      Beitrag Nr. 24 ()
      Teil 2:

      Erfolge und Misserfolge prallen auch in der Wirtschaftspolitik aufeinander. Die Regierung in Peking hat in den vergangenen Monaten fieberhaft versucht, die allzu großzügige Kreditvergabe der vier großen Staatsbanken abzubremsen. Das überhitzte Wirtschaftswachstum konnte im zweiten Quartal auf 9,6 Prozent abgeschwächt werden: nach Expertenmeinung ein positives Zeichen Richtung "weiche Landung". Doch noch sitzen die großen Geldinstitute auf faulen Anleihen in Milliardenhöhe. Da sie weiter die maroden Staatsbetriebe, vor allem in der Schwerindustrie, am Leben erhalten sollen, ist eine Lösung nicht abzusehen.

      Auch die Hitzewelle im Sommer 2004, nach dem chinesischen Kalender das "Jahr des Affen", zeigt die Schwächen der chinesischen Infrastruktur. Im ganzen Land, vor allem in den Energie verschlingenden Großstädten, wird der Strom rationiert: die Kehrseite des Wirtschaftserfolgs und der Konsumsteigerung. Allein in Shanghai mussten 2100 Unternehmen auf Befehl der Stadtoberen durchgehend nachts arbeiten - eine pragmatische, aber wenig überzeugende Zwischenlösung. In einigen Orten Nord- und Westchinas muss sogar das Wasser rationiert werden.

      Und was wird auf dem Energiesektor erst passieren, wenn sich der Lebensstandard weiter so dramatisch entwickelt? Wird sich der Chinese auf ewig mit einem Fünftel dessen begnügen, was ein Amerikaner an Wasser verbraucht, und mit einem Zehntel an Energie? Wird das rekordsüchtige China bis zum Jahr 2040 nicht auch die Nummer eins im Ausstoß von Treibhausgasen werden, die so schädlich sind für das Klima der Welt?

      Es knirscht in China also an allen Ecken und Enden, Gesetzesanspruch und Gesetzeswirklichkeit klaffen schmerzlich auseinander. Doch obwohl wegen mancher zum Himmel schreienden Ungerechtigkeiten ein Grummeln durchs Land - vor allem durchs Bauern-Land - geht; obwohl die Partei hochgradig unbeliebt ist und nach einer Umfrage 80 Prozent der Menschen auf den Dörfern und 75 Prozent der Städter ihre Kader für "korrumpierbar" halten; obwohl die Arbeitslosigkeit in den "Rostgürtel"-Städten mit ihren vorgestrigen Staatsindustrien zunimmt und nach weiteren Massenentlassungen noch dramatischer steigen dürfte: Die Chinesen lassen sich nicht entmutigen.

      "Was sich sowieso nicht vermeiden lässt, kann man auch gleich begrüßen", heißt ein Sprichwort im Reich der Mitte. Die überwältigende Mehrheit der Chinesen scheint fest daran zu glauben, dass es für sie - und ihre Kinder - eine bessere Zukunft geben kann. Und dass sie es selbst in die Hand nehmen muss, diese Zukunft zu gestalten.

      Das Fotomodell Yang, der Hilfsarbeiter Wang und der Unternehmer Li sind drei von diesen 1,3 Milliarden. Drei Bauernkinder, die aufgebrochen sind, eine neue Existenz zu suchen. Drei im Taifun, der das ganze Land durcheinander wirbelt und überraschende, im Reich der Mitte bisher ungehörte, unerhörte Lebensläufe schafft.

      Nichts weniger als den "Neuen Menschen" hatte Mao in seinem sozialistischen China schaffen wollen, anspruchslos, seiner individuellen Wünsche entledigt, eingebettet in eine gleichmachende Gesellschaft und überall einsetzbar nach dem Willen der Partei. Auch 28 Jahre nach dem Tod des Großen Vorsitzenden werden Menschen in China "neu geschaffen" - durch das Skalpell eines Schönheitschirurgen zum Beispiel.

      Yang Yuan, 20, stammt aus der Provinz Henan im Herzen Nordchinas, berühmt für seine Shaolin-Kampfsportler, aber im landesweiten Wettkampf um gute Jobs und Aufstiegschancen ziemlich weit hinter den Küstenprovinzen zurückgeblieben. Schon vor zwei Jahren sah die ehrgeizige Bauerntochter nur eine Möglichkeit, nach oben zu kommen, dorthin, wo es die schönen Kleider, die schnellen Autos, das Luxusleben gibt, das ihr aus Pekinger Fernsehshows und Shanghaier Lifestyle-Zeitschriften vertraut ist: Yang erkannte, dass ihre gute Figur die beste Marktchance bot. Die Gertenschlanke mit den langen Beinen wollte Fotomodell werden oder zum Film. Oder mindestens als Empfangsdame ins Glitzer-Foyer einer Erfolgsfirma. Sie bewarb sich bei Schönheitswettbewerben in der Provinz - mit mäßigem Erfolg.

      Längst betrachtet die Partei Misswahlen nicht mehr als "spirituelle Umweltverschmutzung" wie einst. Im Urlaubszentrum Sanya auf der subtropischen Insel Hainan findet nun schon zum zweiten Mal hintereinander die "Miss-World-Wahl" statt. Ein solch geschäftsfreundliches Klima, extrem aufgeschlossen für Kosmetik- und andere Beauty-Produkte, gebe es sonst auf der ganzen Welt nicht, sagen die internationalen Organisatoren.

      Aber die innerchinesische Konkurrenz der jungen Damen um einen lukrativen Platz an der Schönheits-Sonne ist groß. Als Yang voller Begeisterung und Tatendrang nach Peking kam, erkannte sie schnell selbstkritisch: Sie war wohl kaum die Schönste im ganzen Land. Sie fand keinen Glamour-Job, musste sich in eine winzige Vorstadtwohnung einmieten. So hatte sie sich ihre Eroberung der Hauptstadt nicht vorgestellt. Sie meldete sich schließlich in einer der zahlreichen Spezialkliniken an, legte sich unters Messer. Vier Stunden schnippelte der Schönheitschirurg an ihr herum, modellierte Mund, Nase und (Rund-)Augen auf westliches Filmstar-Idealmaß. Preis: 11 000 Euro, bezahlt auf Pump; leichter Preisnachlass, weil die Runderneuerte dem Institut erlaubte, Vorher-Nachher-Fotos auszuhängen.

      Die Bilder wurden Yang zum Verhängnis. Die Jury der Miss-Peking-Wahlen schloss sie aus, nachdem eine Konkurrentin um die Krone sie verpetzt hatte; "künstliche Schönheiten", hieß es aus Veranstalterkreisen, wolle man nicht. Da waren sie aber bei der resoluten jungen Dame aus Henan an die Falsche geraten: Was für ein Karriererückschlag, was für ein ungerechter Gesichtsverlust! Nirgendwo in der Ausschreibung werde eine ganz und gar naturbelassene Schönheit gefordert, gab Frau Yang protestierend zu Protokoll. Sie nahm sich einen Anwalt - und fand tatsächlich ein Pekinger Gericht, das ihren Fall zu verhandeln bereit war.

      Die Klage der "Plastik-Beauty" ("China Daily") wurde abgewiesen. Auch wenn Yang jetzt leer ausging, steht ihr ein anderer, neuer Wettbewerb offen: Ein Pekinger Geschäftsmann will im November eine Miss-Wahl veranstalten, an der ausdrücklich nur solche Frauen teilnehmen dürfen, die ihr Aussehen von Chirurgen gestalten ließen. Ein Kampf um den schönsten von Menschenhand gestalteten "neuen Menschen", ein Frankenstein-Festival sozusagen - so etwas ist noch nicht einmal der Silikon-Carne-Hauptstadt Hollywood in den Sinn gekommen.


      Glamour, Gucci, Givenchy? Das alles sagt dem ungelernten Arbeiter Wang Zhao, 34, aus der ostchinesischen Bauernprovinz Anhui überhaupt nichts. Der Familienvater hat andere Sorgen.

      Die "Eiserne Reisschüssel" des Sozialismus, die staatliche Beschäftigungsgarantie mit Minimalbezahlung, aber einigermaßen zuverlässiger Absicherung, ist zerborsten, als er noch ein Teenager war. Gerade auf dem weiten Land heißt es nun: entweder ein kärgliches Leben im Dorf fristen und den winzigen Hof der Familie weiter bewirtschaften, dabei chancenlos hinter den Lebensstandard der Städter zurückfallen - oder sich dem "blinden Strom" genannten Treck der innerchinesischen Wanderarbeiter anschließen, der vielleicht größten "Völkerwanderung" aller Zeiten.

      Rund 150 Millionen Chinesen haben ihren Dörfern schon den Rücken gekehrt, bis zum Jahr 2020 werden es nach Expertenschätzungen über 300 Millionen sein, so viele, wie die USA Einwohner haben. Sie ziehen in die Hauptstadt oder in die Metropolen der "Goldküste", nach Shanghai, Xiamen, Kanton. Sie sind die Arbeitsreserve für die riesigen Bauprojekte, schuften für Minimallöhne und weitgehend ohne soziale Absicherung. Ohne das Heer der Wanderarbeiter wäre Chinas Wirtschaftswunder nicht denkbar.

      Was wie ein Zug der Verzweifelten erscheinen könnte, ist für viele Beteiligte auch und vor allem ein Stück Hoffnung - noch vor zwei Jahrzehnten hat eine strenge Wohnsitzkontrolle die Mobilität erschwert, jede Chance unterdrückt. Der amerikanische Autor und China-Kenner Orville Schell glaubt sogar, die Volksrepublik erlebe derzeit die glückliche Zeit, "in der ,Ausbeuter` und ,Ausgebeutete` eine Interessensymbiose verbindet" - wie lange die anhält und ob sie nicht eines Tages in Aggressivität umschlägt, vermag er allerdings nicht zu sagen. Das weiß keiner.

      Wang, ein drahtiger Mann mit Stoppelhaarschnitt, schiefem Schneidezahn und viel gesundem Menschenverstand brach im Frühjahr 2002 aus seinem Dorf auf, er hatte von Freunden eine Adresse in Peking zugesteckt bekommen. Erst ging es mit dem Bus in die Stadt Xuzhou, aufregend genug. Die anschließende 14-Stunden-Zugfahrt in den überfüllten Waggons der "Harte-Sitze-Klasse" sowie die dann am Horizont auftauchende Skyline der Hauptstadt waren für den Bauernsohn eine Offenbarung. Nie zuvor war er mehr als 30 Kilometer aus seinem 3000-Seelen-Dorf Caocun herausgekommen.

      Der Wanderarbeiter schuftet jetzt in Pekings Central Business District, wo ein Multimillionen-Dollar-Komplex aus Einkaufspassagen und Büros entsteht. Sein Bautrupp zieht direkt an der "Brücke der Großen Hoffnung" einen Turm mit Luxusapartments hoch. Wang hat es nach ersten Hilfsarbeitertätigkeiten zum Kranaufseher gebracht. Das Mickymaus-Hemd schweißnass, dirigiert er über Walkie-Talkie den Mann oben in seiner Kanzel. Er schiebt jeden Tag zwei Schichten je sechs Stunden, sieben Tage die Woche.

      Hat er wenigstens den Himmelstempel oder die Verbotene Stadt, Pekings nur wenige Kilometer entfernte Hauptsehenswürdigkeiten, schon besucht? "Keine Zeit", sagt Wang. In den Pausen schläft er in einem Etagenbett einer kargen Baracke, zehn Mann in einem Zimmer. Auch 13-Jährige sind unter seinen Kollegen.

      Für jeden Tag Arbeit stehen ihm knapp vier Dollar zu, der Arbeitgeber zieht ihm einen davon fürs Kantinenessen und das Bett ab. Das Geld gibt es erst am Jahresende; in der Zwischenzeit stellt ihn der Baukonzern "Fünf Seen" mit einem monatlichen Taschengeld von zwölf Dollar ruhig. "Damit will die Firma die Arbeiter zwingen, ihren Job ordentlich zu machen und nicht abzuhauen", sagt Wang achselzuckend. Im letzten Jahr, immerhin, haben die Bosse gezahlt. Und angeblich hat die Firma für ihn auch eine Lebensversicherung abgeschlossen. Da findet es Wang nicht so schlimm, dass er den Betriebsarzt, seinen Schutzhelm und die Arbeitskleidung selbst bezahlen muss.

      Sein einziger Luxus ist ein Handy. Einmal im Monat ruft Wang seine Frau an, holt die beiden Söhne ans Telefon. "Danach fühle ich mich besser und kann ohne Sorgen arbeiten", sagt er. Und sich freuen auf den Oktober, auf die Erntezeit auf dem Land. Denn dann wird er zurück in seinen Weiler fahren, wie voriges Jahr. Wird die Dorfstraße hinunterwandern, eine trostlose Zeile von verlassenen Werkstätten, vorbei an dem Kesselflicker und dem Sargmacher, zu seinem kleinen Grundstück. Hier hat er sich von dem eisern gesparten Geld ein Haus gebaut, einen einstöckigen Betonklotz mit vier Zimmern und immerhin mit Fernseher.

      Seine Frau Bi Ailien, die auf dem salzigen, vom Staat gepachteten Acker Mais und Weizen anbaut und auf dem dorfnahen Brachland Melonen und Hagebutten züchtet, wird auf ihn warten. Man wird genug Essensvorräte für den Winter kaufen können, aber es werden nicht viele Yuan übrig bleiben.

      Wang muss nicht nur seine Familie ernähren, sondern auch seinen Schwiegervater, der "in der Bibel liest, statt mit anzupacken". Und die Mittelschule verlangt für den älteren Sohn Bihao fast 200 Dollar im Jahr an Gebühren, Bücher und Schreibgerät extra; für Xianxian, den Jüngeren, werden in der Grundschule noch einmal 120 Dollar jährlich fällig. Trotzdem käme es Wang nicht in den Sinn, hier zu sparen: "Erziehung muss sein. Meine Kinder sollen es besser haben. Dafür muss ich die Voraussetzungen schaffen." Mit der großen Politik hat er nicht viel am Hut; aber dass sie in Caocun nun ihren Dorfbürgermeister, wenngleich nur unter den von der KP abgesegneten Kandidaten, selbst wählen dürfen, das findet er gut. Die Stadtluft hat ihn freier und selbstbewusster gemacht.

      Kann man das auch von Li Qinfu, 42, sagen, dem ewig Gehetzten, dem Superunternehmer, dem Multimillionär, von dem Freunde behaupten, er stünde mit einem Bein im Buch der Rekorde - und mit dem anderen im Gefängnis?

      Der Bauernsohn aus dem Shanghaier Umland, ältestes von fünf Kindern, hat während der Schulzeit mit den Pionieren noch Bajonettangriffe gegen den kapitalistischen Feind geprobt. Er stellte als junger Rotgardist während der Kulturrevolution seine Lehrer an den Pranger. Er flog als Arbeiter wegen "marktwirtschaftlicher Umtriebe" aus einem Staatsbetrieb - und machte dann im aufziehenden chinesischen Wirtschaftsfrühling mit Unterstützung lokaler Parteibosse und ungeheurem Fleiß eine alte Textilfirma wieder flott.

      Li entdeckte eine Marktlücke, stellte Firmenuniformen für den japanischen Markt her, fand einen Joint-Venture-Partner. Dann stieg er in das Druckerei-Business ein, fertigte Airline-Tickets und millionenfach Quittungsbelege für die Mehrwertsteuer. Seine Firma Matsuoka hatte bald 20 000 Beschäftigte. Der Erfolgsunternehmer kleckerte nicht, er klotzte: Er mietete die obersten Stockwerke des Glaspalastes Plaza 66 in der Shanghaier Innenstadt, leistete sich das Penthouse und ein Sekretariat, um das ihn selbst Donald Trump beneiden würde: polyglotte Privatsekretärinnen in Chanel, die allesamt so aussehen, als hätten sie die Miss-China-Wahlen gewonnen.

      Und Li stellte sich in Pinghu, eine halbe Autostunde südlich von Shanghai, ein Firmengebäude hin, das architektonisch haargenau dem Kapitol von Washington nachempfunden ist. Davor eine fünfeinhalb Meter hohe Bronzestatue - mit seinen eigenen Gesichtszügen. Lis Rechte ist ausgestreckt, als wolle sie den Weg in die Zukunft weisen. "Die Handfläche richtet sich nicht nach außen, das wäre gefährlich", betont der Unternehmer, der mit seinen schwarzen vollen Haaren und dem runden Gesicht ein wenig dem Großen Vorsitzenden in dessen Blütejahren ähnelt. "Diese Geste ist Mao Zedong vorbehalten."

      Er schätzte sich auf "einige hundert Millionen Dollar", genoss es, im Jahr 2002 - allerdings nur mit einem ausgewiesenen Betrag von läppischen 90 Millionen - in die "Forbes"-Liste der reichsten Männer Chinas aufgenommen worden zu sein. "Ich mache Profit, aber ich zahle auch meine Steuern regelmäßig", sagte Li Qinfu, Besitzer eines violetten Lamborghini und einer Flotte von BMW, auf Nachfrage treuherzig. Natürlich müsse man sich mit den "richtigen" Leuten aus der Politik zusammensetzen und sie zum Essen einladen. "In China Unternehmer sein, heißt auch heute noch: sich mit der Regierung gut stellen. Kaum etwas geht ohne offizielle Genehmigungen. Im Westen steht das Gesetz über der Führung, bei uns ist es umgekehrt."

      Als die KP im vorletzten Jahr auch Unternehmer einlud, sich um ein Parteibuch zu bewerben, erwog Li seinen Eintritt in die Politik. Doch Freunde warnten ihn, seine Chancen stünden nicht gut, seine Extravaganzen mit Sportwagen und eigener Statue kämen in Peking nicht besonders an. Der Matsuoka-Chef begann sich Sorgen zu machen auf seinen Seidenkissen im Ersatz-Kapitol, zumal manche behaupteten, er habe sich mit seinen neuen Millionen-Investmentdeals in und um Shanghai sowie mit seiner neuen Produktionslinie von Automobilsitzen übernommen.

      Der clevere Li ging auf Tauchstation, erwog, ganz nach Amerika zu ziehen, wohin er seinen Teenager-Sohn ins Internat geschickt und wo er sich - in Manhattan - ein Apartment gekauft hatte. Er blieb, als er hörte, der politische Gegenwind flaue 2004 ab. Aus einer Richtung erwartete der Unternehmermultimillionär offenbar keinen Angriff: aus seiner eigenen Firma. Und das war womöglich sein entscheidender Fehler.

      Anfang Juli teilte der Aufsichtsrat von Matsuoka in dürren Worten mit, man sei "unzulässigen Darlehen" von über 23 Millionen Euro auf die Spur gekommen, die der Vorsitzende Li "ohne Einwilligung des Firmenaufsichtsrats" genehmigt hätte. Kriminelle Machenschaften? Eine Intrige?

      Der Firmenboss sieht sich fest im Sattel und will von Ablösungsgerüchten nie gehört haben. Und auch seine Freunde sind sicher, dass Li Qinfu noch lange nicht am Ende ist. Er werde zurückschlagen, heißt es; an gegebenem Ort, zu gegebener Zeit. Und sei es mit einem neuen, aus dem Boden gestampften Unternehmen. Zur Not oben im Norden, irgendwo in Sibirien.

      Lange haben Wissenschaftler, Politiker, Journalisten nach Erklärungen gesucht, woher die ungeheure Dynamik, die geschäftsfördernde Flexibilität und die Zukunftsbejahung der Chinesen stammen - und warum dies alles etwa der Mehrzahl der Russen (wie, auf anderem Niveau, derzeit auch vielen Deutschen) abgeht.

      Zur jüngeren Geschichte merken einige Experten an, dass Chinas Übervater Deng Xiaoping Ende der Siebziger - anders als Michail Gorbatschow knapp ein Jahrzehnt später - Reformen im Wirtschaftsbereich, nicht in der Politik begonnen habe. Mit der "Befreiung" der Bauern von staatlichen Fesseln, die ihnen erlaubte, Obst und Gemüse wenigstens teilweise in Eigenregie anzubauen und zu verkaufen. Fahrradreparaturwerkstätten wurden ebenso wie Knopffabrikanten und andere Kleinunternehmer toleriert. Man schuf so Leistungsanreize, die in eine schnelle Verbesserung des Lebensstandards mündeten.

      Historiker führen die über Jahrtausende entwickelten Handelswege Chinas gegenüber der Isolierung vieler russischer Orte und Landschaften als Begründung an - es machte für Chinesen einfach mehr Sinn und brachte mehr ein, wenn sie landwirtschaftliche Güter im Überfluss und andere Tauschobjekte produzierten, weil sie diese auch verkaufen konnten.

      Philosophen sprechen von der unterschiedlichen Auswirkung des Neid-Faktors: Für Chinesen ist Neid eher eine Antriebsfeder, mindestens so viel oder möglichst mehr als der reüssierende Nachbar zu erreichen; viele Russen neigen - auch in ihrer Literatur - traditionell eher dazu, die Erfolgreichen auf ihr eigenes, niedrigeres Niveau hinabzureißen.

      Bei den meisten China-Kennern unbestritten aber ist die entscheidende Rolle, die ein einzelner Denker für die Entwicklung des Reiches gespielt hat. Er hat vor rund 2500 Jahren gelehrt, war zu Lebzeiten mäßig erfolgreich und hinterließ nichts Schriftliches (das besorgten Anhänger späterer Generationen). Er wurde im vorrevolutionären China verehrt, zu Mao-Zeiten verfemt und feiert bei der neuen Partei-Elite gerade wieder ein ideologisches Comeback: Konfuzius.

      Sind seine im chinesischen Volk tief verwurzelten Lehren der Grund dafür, dass der wirtschaftlichen Liberalisierung nicht - wie von so vielen im Westen erwartet - eine breite Protestbewegung in Richtung politischer Reformen folgte, dass auch ein Großteil der neuen Mittelklasse die Einparteienherrschaft klaglos akzeptiert?

      Verhilft der Konfuzianismus dem Milliardenreich dazu, die "Schlange" der globalen Marktwirtschaft mit dem "Igel" seiner einmaligen Historie zu kombinieren und einen dritten Weg zu finden, wie der China-Kenner Professor Peter Nolan meint?

      ERICH FOLLATH, ALEXANDER JUNG, ANDREAS LORENZ, STEFAN SIMONS, WIELAND WAGNER
      Avatar
      schrieb am 28.10.04 10:20:41
      Beitrag Nr. 25 ()
      DER SPIEGEL 42/2004 - 11. Oktober 2004

      "Wir brauchen Respekt vor dem Recht"

      Wirtschaftsexperte Xu Xiaonian über die Grenzen des Wachstums und den Zwang zur Reform

      SPIEGEL: Chinas Wirtschaft brummt: Peking verzeichnet Exportrekorde, riesige Investitionen, Wachstumszahlen, von denen westliche Politiker nur träumen können - die Welt staunt. Ist dieser Enthusiasmus berechtigt?

      Xu: Chinas Wachstum ist wie ein Wunder, aber das Wunder könnte verfliegen. Nachhaltiges Wachstum entsteht nur durch technische und institutionelle Innovationen, die Produktivität steigern. Davon habe ich bisher in China nicht viel entdeckt.

      SPIEGEL: Eine Stadt wie Shanghai gilt doch vielen als Zukunftsmodell.

      Xu: Äußerlich vielleicht. Aber schauen Sie sich etwa den Jin-Mao-Turm an - Chinas höchstes Hotel- und Bürogebäude -, jeden Tag verliert er Geld, so heißt es wenigstens. Die Fundamente unseres Wirtschaftswachstums sind brüchig. In Finanzkreisen sagt man: je spektakulärer der Anstieg, desto dramatischer die Talfahrt.

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      Xu , 51,

      ist Professor in Shanghai und ein Wanderer zwischen sozialistischen und kapitalistischen Welten: In den achtziger Jahren arbeitete er im Pekinger Staatszentrum für Entwicklungsforschung, später war er Berater der Weltbank in Washington.
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      SPIEGEL: Wie sähe eine solche "harte Landung" aus?

      Xu: Die Blase des Immobilienmarkts würde platzen, die Arbeitslosigkeit wachsen, Firmen gingen Pleite. Für die Weltwirtschaft hätte das verheerende Folgen.

      SPIEGEL: Der Pekinger Regierung wird das enorme Wachstum selbst unheimlich, sie hat die Staatsbanken angewiesen, weniger Kredite auszugeben.

      Xu: Selbst wenn Peking das Tempo verlangsamen will: Der Widerstand der Provinzregierungen dürfte nur schwer zu überwinden sein. Ortsbeamte setzen auf höheres Wachstum.

      SPIEGEL: Nach dem bewährten Motto: Die da oben geben den Kurs vor, wir hier unten steuern dagegen.

      Xu: Genau. Die Funktionäre brauchen in ihrem Bereich herausragende Ergebnisse, nur die helfen ihnen, die Karriereleiter zu erklimmen. Wenn ein Provinzgouverneur einen Zuwachs des Bruttosozialprodukts von 6 Prozent vorweisen kann, der andere hingegen 15 Prozent, dann ist wohl klar, wer die besseren Aufstiegschancen hat. Mehr Wachstum in der lokalen Wirtschaft bedeutet mehr Jobs, höhere Steuereinnahmen - und vielleicht auch höhere Verdienste der Beamten.

      SPIEGEL: Was meinen Sie damit?

      Xu: Je mehr Investitionsprojekte genehmigt werden, desto mehr fällt für die Bürokraten ab. Schmiergelder sind, wie man weiß, weit verbreitet. Dies ist vermutlich einer der Gründe, warum bislang keine einzige Provinzregierung die Überhitzung der lokalen Wirtschaft zugab.

      SPIEGEL: Peking hat inzwischen den Bau neuer Stahl-, Aluminium- und Zementwerke verboten.

      Xu: Die Nationale Reformkommission hat die Direktive erlassen, in diesen Bereichen Investitionen einzufrieren. Aber sie geht wahllos vor, auch gesunde Investitionen sind nun in Gefahr. Bei der Auswahl von Projekten sollten wir mehr den Markt entscheiden lassen. Um den Investitionstaumel zu bremsen, müsste die Regierung indirekte und marktorientierte Methoden einsetzen, etwa die Zinsen erhöhen oder die Geldmenge verknappen. Je mehr Regierungsorganisationen aber beteiligt sind, desto größer ist das Problem der Korruption.

      SPIEGEL: Man kann doch nicht behaupten, Chinas Wachstum sei eine Blase.

      Xu: Die absoluten Zahlen sind imponierend. Aber sehen Sie sich die über 50 Milliarden Dollar Investitionen pro Jahr genauer an: Ein großer Teil dieser Beträge stammt aus Hongkong und von Unternehmen, die in der Karibik registriert sind. Experten vermuten, dass dies eigentlich heimisches Geld ist. Unter dem Namen "Auslandsinvestition" genießen die Anleger besseren rechtlichen Schutz und andere Privilegien.

      SPIEGEL: Und dennoch gilt China Ausländern als begehrte "Werkstatt der Welt". Längst werden nicht mehr nur Spielzeug, Uhren und T-Shirts hergestellt, sondern auch Millionen Autos.

      Xu: Natürlich ist China in der Lage, Autos zu bauen, aber eigentlich nur Volkswagen, Buicks und Toyotas. Die heimischen Autohersteller hängen in Kernbereichen von ausländischen Partnern ab, sie sind noch nicht fähig, eigene Technologien zu entwickeln.

      SPIEGEL: Die KP-Führung verspricht der gesamten Milliardenbevölkerung "bescheidenen Wohlstand". Zu Unrecht?

      Xu: Einige Ökonomen nennen den Boom "geborgten Aufschwung". Hinter der glänzenden Fassade verbirgt sich ein riesiger Schuldenberg. Die Schulden wuchsen doppelt so schnell wie das Bruttosozialprodukt. Das bedeutet eine schwere Bürde für den ohnehin knappen Staatshaushalt. Vom schlecht ausgestatteten Sozialversicherungssystem ganz zu schweigen: Um diese Löcher zu füllen, brauchte man bis zu 150 Prozent des Bruttoinlandsprodukts eines Jahres.

      SPIEGEL: Peking versucht, die maroden Staatsbanken zu reformieren und durch Hilfen wieder flottzumachen.

      Xu: Ich fürchte, das ist zu wenig und könnte auch zu spät sein. Gewiss werden Milliarden Yuan an faulen Krediten abgeschrieben. Aber müssten wir uns dabei nicht wenigstens fragen, wer für den Schlamassel verantwortlich ist? Solange das nicht geschieht, befürchte ich, werden die Fehler bloß wiederholt werden - in immer größerem Maßstab.

      SPIEGEL: Auch die USA haben seinerzeit ihren Sparkassen mit staatlichen Finanzspritzen aus der Krise geholfen.

      Xu: Bei der Affäre um den Kollaps der Spar- und Darlehenskassen wurden in den USA aber Tausende Bankangestellte vor Gericht gestellt, Hunderte kamen hinter Gitter. In China wurde niemand verantwortlich gemacht.
      Die Botschaft an die Bankbeamten konnte nicht deutlicher sein: Du darfst bei der Kreditvergabe Mist bauen und kommst dennoch ungeschoren davon.

      SPIEGEL: Wann wird der Gegensatz zwischen Arm und Reich zur Gefahr?

      Xu: Solange sich Familien mit niedrigen Einkommen jeden Tag satt essen, solange sie sich kleiden können und ein Dach über dem Kopf haben, scheint es sie nicht zu stören, wenn der Nachbar reicher ist als sie. Ungleichheit wird erst dann zum Problem, wenn große Bevölkerungsschichten in die Armut zurückfallen. Als Ökonom glaube ich, dass gleiche Chancen wichtiger sind als gleiches Einkommen. Wenn also Regierungskader und ihre Kinder superreich werden, weil sie ihre Positionen ausnutzen, während einfachen Leuten der Weg zum sozialen Aufstieg verstellt ist, dann gerät die soziale Stabilität in Gefahr.

      SPIEGEL: Was soll die Führung tun, um nachhaltiges Wachstum durchzusetzen?

      Xu: Wir brauchen Strukturreformen, um die Gelder effizienter verteilen zu können und technologische Innovationen zu fördern. Vor allem aber sollte sich die Regierung nicht länger in den wirtschaftlichen Alltag einmischen. Die Zentralbank, die Aufsichtsbehörden und das Rechtssystem sollten unabhängig von der Verwaltung arbeiten können. Außerdem sollten die Privaten und die Staatsunternehmen gleich behandelt werden. Private Investoren müssen auch in strategisch wichtigen Bereichen wie Erdöl, Kommunikation und Bankwesen zugelassen werden.

      SPIEGEL: Das würde bedeuten, das gesamte System umzukrempeln.

      Xu: Die Marktwirtschaft ist in China so weit vorangeschritten, dass das übrige System nicht mehr passt. Ich meine damit das Rechtssystem, die Aufsichtsbehörden und andere Institutionen. Ohne sie können Märkte nicht gut funktionieren, wie wir in Russland gesehen haben. Ein zentraler Punkt beim Aufbau solcher Institutionen für eine Marktwirtschaft ist die Art und Weise, wie die Regierung arbeitet. Ein Grundprinzip will ich dabei betonen: Wir brauchen Respekt vor der Herrschaft des Rechts und den Rechten der Menschen.

      SPIEGEL: Die KP behauptet, politische Reformen würden das Land ins Chaos stürzen.

      Xu: Es gibt zwei Ansätze, strukturelle Änderungen zu fördern: drastisch wie beim Big Bang in Russland. Oder sanft wie in China - was aber nicht heißt, unentschlossen. Chinas Erfahrung mit 25 Jahren Reform hat bewiesen, dass grundsätzliche Änderungen möglich sind und gleichzeitig soziale Stabilität gewahrt bleiben kann.

      INTERVIEW: ANDREAS LORENZ, STEFAN SIMONS
      Avatar
      schrieb am 28.10.04 10:53:07
      Beitrag Nr. 26 ()
      @kohelet:
      Fantastische Arbeit!
      Dieser Thread ist der erste, den ich als Lieblingsthread unter Alarm gesetzt habe!

      Gerade Meldung #22 ist für mich imminent wichtig!

      Eine kurze Frage: Willst du den Thread als reinen Sammelthread gestalten, oder soll man auch mal einen Kommentar dazu abgeben?
      Avatar
      schrieb am 28.10.04 11:21:34
      Beitrag Nr. 27 ()
      #26 von puhvogel

      Lieber als Sammelthread weil:

      1. ER schon unübersichtlich ist, eigentlich müssten China und Osteuropa getrennt werden.

      2. Auf Wo Diskussionen am besten laufen, wenn zum jeweiligen Thema (z.B. China und Dollar) ein neuer Thread mit möglichst reißerischen Titel eröffnet wird.
      Avatar
      schrieb am 18.11.04 10:45:04
      Beitrag Nr. 28 ()
      Stunde der Spekulanten

      Da der chinesischen Volkswirtschaft die Überhitzung der Konjunktur droht, mehren sich die Indizien für eine bevorstehende Aufwertung der Währung

      Wolfgang Pomrehn   Die Bush-Regierung hat am Wochenende die Forderung von 30 Kongreß-Abgeordneten zurückgewiesen, China wegen seiner Währungspolitik vor das Schiedsgericht der Welthandelsorganisation zu zitieren. Seit über einem Jahr wird Peking immer wieder von Verbänden des verarbeitenden Gewerbes und ihnen nahe stehenden Politikern, vor allen in den USA aber auch in Japan und Westeuropa, kritisiert, weil es an der engen Bindung des chinesischen Yuan an den US-Dollar festhält. Durch Interventionen an den Devisenmärkten wird der Kurs seit 1995 bei 8,277 Yuan pro Dollar gehalten. In den 1990ern gehörte die Politik der festen Dollarbindung zum Kanon der neoliberalen Konzepte des Internationalen Währungsfonds für die Entwicklungsländer. Mit dem wachsenden US-Handelsbilanzdefizit begann man allerdings jenseits des Atlantiks die Kehrseite zu spüren: Durch Chinas schnelles Wirtschaftswachstum und die Schwäche des Dollars ist die chinesische Währung tendenziell unterbewertet, was chinesische Exporte in die USA erleichtert.

      Gespräch mit US-Banker

      Doch auch auf der chinesischen Seite denkt man über Lockerungen der Wechselkurspolitik nach. Premierminister Wen Jiabao deutete bereits Ende September bei einem Treffen mit dem Chef der Citigroup, Charles O. Prince, und dem ehemaligen US-Finanzminister Robert E. Rubin an, man strebe einen flexibleren Kurs an. Ein weiteres Indiz dafür, daß eine Aufwertung bevorstehen könnte, ist ein Ende letzter Woche im englischsprachigen Sprachrohr der Pekinger Führung China Daily veröffentlichter langer Meinungsartikel. Darin argumentiert der Autor, ein ungenannt bleibender Ökonom von der Universität Singapur, daß die Bedingungen derzeit denkbar gut für eine Aufwertung seien und diese langfristig wegen des starken Wirtschaftswachstums und der Steigerung der Produktivität unvermeidlich sei. Auch die Finanzmärkte gehen offenbar von einer Kurskorrektur aus: Seit Anfang November steigt der Preis für 12-Monats-Optionen auf Yuan und dem eng mit ihm verbundenen Hongkong-Dollar, was darauf schließen läßt, daß die Devisenhändler fest mit einer Aufwertung rechnen.

      Verschiedene Varianten

      Offen ist allerdings noch, wie diese aussehen könnte. Grundsätzlich gibt es drei Möglichkeiten: Zum einen könnte der Wechselkurs ganz freigegeben und allein den Devisenmärkten überlassen werden. Das ist die riskanteste und daher unwahrscheinlichste Variante. Möglich wäre ferner die Schwankungsbreite zu erhöhen, in der sich der Kurs bewegen kann, ohne daß regulierend eingegriffen wird. Zum dritten könnte die Regierung einfach einen neuen Kurs festsetzen, der ihr angebracht erscheint. da der Yuan aufgrund gesetzlicher Bestimmungen nur in sehr begrenztem Umfang gehandelt werden kann und Transaktionen bisher noch zu gut 90 Prozent über die vier großen Staatsbanken abgewickelt werden, hätte sie dazu die Mittel.

      Auf jeden Fall spricht auch aus chinesischer Sicht einiges für eine Aufwertung. Die Führung befürchtet eine Überhitzung der Wirtschaft durch zu großen Kapitalzufluß. Angesichts des enormen US-Handelsbilanzdefizits und der exorbitanten Staatsverschuldung, mit denen die USA ihre Kriege finanzieren, erscheint eine weitere Abwertung des US-Dollars sehr wahrscheinlich. Für China wäre die Folge nicht nur eine Entwertung seiner Devisenreserven von inzwischen fast einer halben Milliarde US-Dollar. Schlimmer noch wäre, daß die Kombination aus zu niedrig bewerteten Yuan und boomender Wirtschaft noch mehr Kapital ins Land ziehen könnte. Das aber könnte die Wirtschaft weiter anheizen, die derzeit mit fast zehn Prozent pro Jahr wächst. Schon seit etwa einem Jahr ist die Regierung in Peking dabei, mit der gebotenen Vorsicht die Bremse zu ziehen. Andernfalls könnte sich der Boom nämlich überhitzen und das Land in eine ausgewachsene Überproduktionskrise stürzen. Zusätzliches Kapital erhöht diese Gefahr, weil es die Zinsen drückt und zu Investitionen anregt.

      Angst vor Inflation

      Ein anderer Grund ist das Inflationsrisiko. Derzeit hält die Regierung den Yuan-Kurs stabil, indem sie US-Dollar im großen Stil aufkauft. Damit wird das Angebot an Yuan hoch- und damit der Preis niedriggehalten. Die zusätzlichen Yuan führen allerdings zum Aufblähen der Geldmenge, was wiederum die Inflation stark fördert. In den vergangenen drei Jahren ging immerhin rund 10 Prozent des Geldemengenwachstums M1 auf das Konto der Stützkäufe. Dem könnte eine Aufwertung entgegenwirken, die zugleich die Importe verbilligen und damit zusätzlich antiinflationär wirken würde.
       
      -----------------------
      Adresse: http://www.jungewelt.de/2004/11-17/012.php
      Avatar
      schrieb am 18.12.04 08:04:47
      Beitrag Nr. 29 ()
      15.12.2004 -

      Expertengespräch: "EU ist kein guter Markt für Ostwaren"

      VON ERICH HOORN

      Der Wirtschaftsprofessor Kvint sieht für Ostprodukte wenig Potenzial im Westen. Daher sollten Ostländer den Handel mit Russland und China ausbauen.

      WIEN. 15 Jahre nach dem Zusammenbruch des Kommunismus ist der Ostblock Geschichte, die Oststaaten können nicht mehr in einen eigenen Topf geworfen werden: Sie haben unterschiedliche Ziele, ihr wirtschaftliches Niveau ist sehr differenziert, die Korruption verschiedentlich stark ausgeprägt, und die Szenarien für die Zukunft sind mannigfaltig. Einige Staaten sind reine Demokratien wie Tschechien, Ungarn und das Baltikum, andere haben die kommunistischen Diktaturen verlassen, jedoch die westliche Demokratie noch nicht erreicht, wie Bulgarien und Rumänien.

      "Russland ist überwiegend unfrei, jedoch nicht totalitär", erklärte Vladimir Kvint, Professor für International Business an der American University in Washington D. C., in einem Gespräch mit der "Presse". Er ist der Meinung, dass gegen das diktatorische Regime in Weißrussland Sanktionen verhängt werden sollten.

      Die Hälfte der osteuropäischen Wirtschaft hat eine starke Orientierung in Richtung EU, dieser Anteil soll in Zukunft weiter steigen. Leider sei die EU kein guter Markt für Ostprodukte, auch der Export in die USA ist schwach. Darum müsse der Handel mit Russland weiter ausgebaut werden, was eine enge Kooperation mit Moskau erfordert. Auch China sei für die postkommunistischen Länder ein gutes Absatzgebiet.

      Sehr wichtig für die jungen Demokratien sind die Auslandsinvestitionen. Allerdings betont der aus Russland stammende Professor, dass ein hohes Niveau der Auslandsinvestitionen erreicht werden müsse, mindestens sollen es 1000 Dollar pro Kopf sein. Wenn sie tiefer liegen, verlieren sie ihre Wirkung. Spitzenreiter ist mit 2250 Dollar pro Kopf Kroatien, gefolgt von Ungarn und Tschechien mit je 2000 Dollar.

      Der Ostexperte betont, es stimme nicht, dass nur die erfolgreichsten Ostländer EU-Mitglieder wurden. So sei Kroatien gar nicht dabei, obwohl es besser als Polen sei. Andererseits haben einige postkommunistische Länder eine schlechtere wirtschaftliche Lage als Russland, wie Ukraine, Moldau und Rumänien. Bulgarien, das heute statistisch unter Russland liegt, übertraf im Lebensstandard den "großen Bruder" in den siebziger und achtziger Jahren.


      Sowohl die USA als auch die EU würden Osteuropa wenig Aufmerksamkeit widmen. Nur Russland und China hätten eine klare Strategie für Osteuropa, unterstreicht Kvint. Das Dreieck China, Russland und Indien, die kooperieren, gewinne mehr Einfluss in der Welt. Diese drei würden auch versuchen, in Osteuropa an Bedeutung zu gewinnen.

      http://www.diepresse.com/Artikel.aspx?channel=e&ressort=ec&i…


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